Auszug - Schwerpunktthema: Beschulung von Schüler*innen mit Fluchterfahrung (inkl. Willkommensklassen)  

 
 
4. Sitzung in der IX. Wahlperiode des Ausschusses Schule und Sport
TOP: Ö 5
Gremium: Schule und Sport Beschlussart: erledigt
Datum: Do, 07.04.2022 Status: öffentlich
Zeit: 19:00 - 21:15 Anlass: ordentliche Sitzung
Raum: Rathaus Lichtenberg, Raum 100 (barrierefrei)
Ort: Möllendorffstraße 6, 10367 Berlin
 
Wortprotokoll

Für das Bezirksamt sind die kommissarische Amtsleiterin Karin Bettzüge, Bezirksstadträtin Filiz Keküllüoğlu und ihr politischer Referent Evren Özgüvenc anwesend und berichten zum momentanen Stand.

 

Für die Außenstelle Lichtenberg der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie sind die Dienststellenleiterin Martina Roth sowie Herr Florian König (Regionale Koordinierungsstelle für Willkommensklassen) anwesend.

 

Frau Bettzüge präsentiert die aktuellen Schüler*innenzahlen inklusive der Zuweisung auf Willkommensklassen und den Anteil an Schüler*innen aus der Ukraine. Die genauen Daten sind der Anlage zu entnehmen (Stand 07.04.22). Für die Zuständigkeit des Schulamtes ist es relevant, dass die Kinder in Lichtenberg wohnhaft und gemeldet sein müssen.

 

Für die Zuständigkeit in einer Willkommensklasse muss ein Kind kein oder wenig Deutsch sprechen. Auch bei einem Alter über 15 Jahren ist das Schulamt nicht mehr zuständig. Es gibt Sonderregeln für Analphabet*innen. Kinder in der Schulanfangsphase werden versucht direkt in Regelklassen unterzubringen.

 

Geflüchtete, die in Lichtenberg ankommen, werden alle gleich behandelt und Bevorzugungen vermieden.

 

Da nach den Osterferien in weiteren 7 Schulen Lerngruppen eingerichtet werden, geht das Bezirksamt von einer deutlichen Verbesserung der Zahlen der Kinder auf Wartelisten aus.

 

Frau Roth ergänzt den Bericht aus Sicht der Senatsverwaltung.

In der Schule 11G16 Victoriastadt werden 2 neue Willkommensklassen eingerichtet. Sie betont, dass die Schulen gerade sehr schnell sind.

 

Für die Ausstattung mit Lehrpersonal ist momentan eine sehr gute Bewerber*innenlage zu verzeichnen. Dies startete relativ schnell nach Einsetzen der Fluchtbewegungen aus Ukraine. Jedoch können nicht alle Bewerber*innen angenommen werden, da es spezielle Voraussetzungen für Lehrer*innen in Willkommensklassen gibt (z.B. mind. C2- Level der deutschen Sprache). Wir unterrichten nicht in ukrainischer Sprache. Es wird herkunftssprachlicher Unterricht angeboten, dieser ist aber additiv an der Schule. Lehrer*innen von Willkommensklassen können auch Honorarkräfte sein.

 

Frau Roth betont, dass Willkommensklassen für alle Menschen, die hier ankommen, gegründet werden. Das Angebot richtet sich an Schüler*innen, die Deutsch lernen müssen, hierbei geht es nicht darum die Fachsprache perfekt zu beherrschen, sondern dem Unterricht in Deutsch folgen zu können.

 

Die Situation der ukrainischen Geflüchteten ist eine andere als bei anderen Herkunftsländern, da viele ukrainische Schüler*innen Deutsch als Fremdsprache in der Schule hatten. Viele Ukrainer*innen fallen auch unter ganz regulärem Zuzug, wodurch eine Meldung an den Schulträger dann auch erst nach der Anmeldung an der Schule eintrifft.

 

Herr König ergänzt den Bericht um den Sachstand zur Sprachstandstestung.

Herr König ist seit 1,5 Jahren Koordinator für Willkommensklassen in Lichtenberg. Unter anderem unterstützt er bei der Gewinnung der Lehrkräfte, Unterstützung der Lehrkräfte, der Vernetzung mit der Senatsverwaltung und führt die Sprachstandstestung durch.

Bei der Sprachstandstestung geht es darum herauszufinden, ob Schüler*innen in Willkommensklassen richtig sind oder eher unterfordert. Wenn sie bereits in der Lage sind dem Unterricht in Regelklassen zu folgen, dann kommen sie eher nicht in Willkommensklassen.

 

Herr König stellt den Ablauf der Testung vor:

-          Ist Schüler*in alphabetisiert in lateinischer Schrift

-          Wie sind die Grade des Verstehens

  • Sprachkompetenz in A, B und C eingeteilt
  • r Grundschüler*innen ist gedacht, dass bei dem Erreichen des Sprachlevels A2 eine Willkommensklasse verlassen wird
  • Bei Oberschüler*innen sollte es das Level B1 sein, dies ist aber eine Grauzone. Es wird eher darauf geachtet, was Schüler*innen können, um dem Unterricht zu folgen und ob sie aus Problemen mit Hilfe der Sprache herauskommen können.

Die Testung ist schnell vorbei, wenn sichtbar ist, dass das Kind nicht alphabetisiert ist. Sie kann aber auch länger dauern, wenn nicht klar ist, ob es schon reicht.

 

Die Testungen laufen auf Anfrage des Schulamtes; gelegentlich auch bei Zuzügen aus anderen Bezirken, wenn aus Willkommensklassen gewechselt werden soll.

 

Die Lehrer*innen der Willkommensklassen sind in einem Netzwerk vertreten. Bisher sind die Treffen noch online, hoffentlich im Sommer dann auch wieder offline.

 

Frau Roth ergänzt hierzu, dass für die Überwachung der Unterrichtsqualität immer die Schulleitung zuständig ist. Jede Willkommensklasse ist an eine Schule angegliedert. SenBJF greift nur ein, wenn es Probleme gibt.

 

Frau Roth geht nochmals auf die sehr gute Bewerber*innenlage ein. In der letzten Woche kam die geprüfte Bewerber*innenliste mit über 240 Bewerber*innen. Fast alle Einstellungen sind von dieser Liste. Es sind auch Lehrkräfte dabei, bei denen vielleicht ein Quereinstieg möglich gemacht werden könne.

 

Allen Lehrkräften von Willkommensklassen wird eine befristete Stelle angeboten, dies liegt in der Natur der Willkommensklassen (auf eine befristete Zeit angelegt). Es wird aber auch nochmal genauer geprüft, wem die SenBJF auch eine unbefristete Tätigkeit anbieten kann.

 

In der Willkommensklasse ist immer das Ziel die deutsche Sprache zu erlernen, das kann bei jedem Menschen ein anderer Zeitpunkt sein. An den Schulen werden unterschiedliche Modelle gefahren. Wenn Willkommensklassen in einem Nachbargebäude stattfinden, braucht man andere Rahmenbedingungen für Begegnung und Austausch mit den Schüler*innen aus den „Regelklassen“. Wenn Willkommensklassen direkt am Standort stattfinden, dann werden in Fächern Sport, Musik oder Kunst auch Klassen gemischt und dadurch auch schneller das Sprachniveau erreicht.

 

Frau Dr. Ingenbleek (Fraktion SPD) fragt, ob es eine Quote bezüglich der Übergänge in Regelklassen gibt.

Frau Roth erklärt, dass von insgesamt 118 Anträgen 51 in Regelklassen übergegangen sind.

 

Frau Dr. Ingenbleek (Fraktion SPD) fragt, wie das Zusammenspiel mit dem ukrainischen Bildungswesen stattfindet, da es viele Beispiele digitalen Fernunterrichts gebe.

 

Frau Roth erläutert, dass es bei einigen Schüler*innen die Möglichkeit gibt, an Onlineunterricht aus der Ukraine teilzunehmen. Wenn Schüler*innen uns um einen Schulplatz bitten und einen Aufenthaltsstatus haben, haben sie bei uns auch eine Schulpflicht. Wenn Onlineunterricht vormittags stattfindet, kollidiert das mit dem Unterricht an den Schulen. Es liegt an der Organisationsform der Schule, inwiefern es möglich gemacht werden kann an dem Onlineunterricht teilzunehmen.

 

Frau Roth betont, dass sie sich wünscht, dass die Menschen – falls von ihnen so gewünscht - in ihre Heimat zurückkehren können und es daher Sinn macht, an einem ukrainischen Abschluss weiterzuarbeiten. Schüler*innen, die hier sind, bekommen jetzt aber die Chance einen Abschluss hier zu machen und der Unterricht aus der Ukraine kann auch jeden Moment abbrechen. Auch werde in den Schulen unterschiedlich betrachtet, ob ein*e Schüler*in kurz vor dem Abschluss steht oder beispielsweise die 7. Klasse besucht.

 

Frau BzStRin Keküllüoğlu betont die enge und konstruktive Zusammenarbeit in dem Bezirk mit der Außenstelle des Senats, die ganz im Sinne der inklusiven Beschulung ist. Es gibt natürlich klare Zuständigkeiten, aber es muss eben auch matchen. Willkommensklassen können nicht ohne die Lehrkräfte stattfinden und eine Beschulung nicht ohne Räume. Frau BzStRin Keküllüoğlu betont, dass die gesamte Gesellschaft inklusiv sein muss. Sie geht darauf ein, dass es ja auch schon sogenannte „Ausländerklassen“ in der Vergangenheit gab, in denen Kinder darauf vorbereitet worden sind, wieder zurückzugehen (z.B. Türkei, Griechenland oder ehemaliges Jugoslawien). Die meisten sind doch in Deutschland geblieben und mit dieser Segregation wurden Bildungsteilhabechancen teilweise verpasst. Migration ist eben dynamisch. Aus Perspektive der Betroffenen ist es immer gut, auch Teil der Gesellschaft zu werden.

 

Frau BzStRin Keküllüoğlu berichtet von der Stadträt*innenrunde, die sich zuletzt an zwei aufeinander folgenden Wochen wegen des großen Abstimmungsbedarfs getroffen haben. Der Austausch ist auch über bezirkliche Grenzen hinweg wichtig. Es gibt momentan zwar 118 Anträge, dies sei aber eher die Ruhe vor dem Sturm. Unsere Anmeldungen beim Bürgeramt liegen gerade bei etwa 1150 Fällen, also Bedarfs Gemeinschaften knapp 2000 Personen (Stand 1.4.22), da werden Anmeldungen an KiTa und Schulen noch nachkommen. Die Kapazitäten werden eng sein.

 

Es wurde eine AG Ukraine von der Senatsverwaltung gegründet, bestehend aus 3 Bezirksstadträt*innen (Friedrichshain/Kreuzberg, Pankow und Lichtenberg), Schulaufsicht, Koordinierungsstellen und der Senatsverwaltung, um verschiedene Perspektiven zu vertreten. Es soll dabei nicht nur darauf geschaut werden, was einzelne Bezirke erbringen, sondern auch gesamtstädtisch überwacht und Mehrbedarfe bzgl. Lehr- und Lernbedarf etc. übergreifend ermittelt werden. Das Ziel ist es, sich alle 2 Wochen zu treffen, um so gut es geht vorbereitet zu sein.

 

Momentan stellt Lichtenberg die Beschulung an Schulen sicher (Schulplatz + in Willkommensklassen). In anderen Bezirken findet die Beschulung schon auch außerschulisch statt, die Kapazitäten sind in jedem Bezirk unterschiedlich. Die Beschulung soll so inklusiv wie möglich stattfinden. Genaue Zahlen sind noch nicht bekannt, es ist aber eine höhere Zahl an Registrierungen zu erwarten. 

 

Frau Dr. Ingenbleek (Fraktion SPD) dankt allen für den ausführlichen Überblick und fragt, ob es weitere Anmerkungen oder Fragen gibt.

 

Herr Schlotterbeck (stellvertretender Bürgerdeputierter CDU) fragt, ob es psychologische Betreuung der geflüchteten und vom Krieg traumatisierten Kinder gibt.

 

Frau Roth erwidert darauf, dass das SIBUZ (Schulpsychologische und Inklusionspädagogische Beratungs- und Unterstützungszentren) auch den Angehörigen der Willkommensklassen zur Verfügung steht. Der Bedarf muss von der Schule angemeldet werden. Sie weist daraufhin, dass dies nicht die ersten Schüler*innen mit Kriegserfahrung sind, auch aus Syrien gab es traumatische Erfahrungen. Bisher wurde kein akuter Bedarf für psychologische Begleitung von den Schulen angekündigt.

 

Herr König regt an, dass Schulsozialarbeiter*innen je nach Bedarf auch anders ausgestattet werden können.

 

Herr Reinecke (Bezirksschulbeirat) fragt, wie es bei den vielen Registrierungen mit den Einschulungsuntersuchungen aussieht.

 

Frau Roth antwortet, dass der Kinder- und Jugendgesundheitsdienst für diese Untersuchungen Zeitschienen einräumt. Die Einschulungsuntersuchungen finden sehr schnell statt.

Anlagen:  
  Nr. Name    
Anlage 1 1 Ablauf Willkommensklassen_Stand070422 (173 KB)      
 
 

Legende

Ausschuss Tagesordnung Drucksache
Bezirksparlament Aktenmappe Drucksachenlebenslauf
Fraktion Niederschrift Beschlüsse
Kommunalpolitiker Auszug Realisierung
   Anwesenheit Kleine Anfragen