Drucksache - DS/1367/V  

 
 
Betreff: EA71 - Klimaschutz / Klimakrise
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:Einwohner*inEinwohner*in
   
Drucksache-Art:Einwohner*innenanfrageEinwohner*innenanfrage
Beratungsfolge:
BVV Friedrichshain-Kreuzberg von Berlin
14.08.2019 
Öffentliche Sitzung der BVV Friedrichshain-Kreuzberg (BVV) beantwortet   

Beschlussvorschlag

Ich frage das Bezirksamt:

 

  1. Wird das Ausrufen des Klimanotstands auf Bezirksebene diskutiert und hätte es Ihrer Meinung nach eine Signalwirkung, die das Handeln beschleunigen und auch Druck auf den Senat ausüben könnte?
     
  2. Wie wird das EWG bzw. das Klimateilschutzkonzept zurzeit im Bezirk umgesetzt, also wie sehen konkrete Maßnahmen zur Reduktion von Kohlendioxidemissionen und Einsparung von Energie, auch im Bereich der öffentlichen Gebäude, aus?
     
  3. Auf der Homepage des Bezirks wird man unter dem Menüpunkt Klimaschutz knapp auf die Seite des Senats verwiesen. Warum wird hier nicht über Projekte, Handlungen und Ziele des Bezirks und deren Fortschritt berichtet und wie könnte man mehr Transparenz und auch Bürgerbeteiligung in diesem Feld erreichen?
     

 

Beantwortung: BezStRin Frau Herrmann

 

zu Frage 1: Sehr geehrter Herr Müller, sehr geehrte Damen und Herren. Guten Abend auch von meiner Seite. Ich freue mich, dass wir heute in der Bezirksverordnetenversammlung das Thema Klimanotstand auf der Agenda haben.

Wir wissen glaube ich alle und wir lesen, dass derzeit keine Woche vergeht ohne dramatische Nachrichten in diesem Sommer. Aktuell brennt die Arktis, Riesenbrände in Sibirien Alaska. Wir konnten vor einigen Wochen lesen, dass der Permafrost auftaut, dass das Zustände sind, mit denen WissenschaftlerInnen erst 2090 gerechnet haben, dass das Katalysatoren für den Klimawandel sind… also, die Welt befindet sich schon längst im Klimanotstand… und damit auch wir als ihre Bewohnerinnen und Bewohner. Das ist unsere Realität und… wenn wir das runterbrechen auf Friedrichshain-Kreuzberg, dann erleben wir das derzeit in der enormen Trockenheit. Wir hatten auch wieder sehr heiße Wochen, wir hatten wieder sehr viele sogenannte tropische Nächte und das ist auch nicht der erste Sommer… und das ist auch von der Trockenheit längst nicht nur der Sommer, sondern darüber hinaus ist es viel zu trocken. Und wenn es dann mal regnet, dann haben wir Starkregenereignisse. Die Stadt ist nicht in der Lage, dieses Wasser aufzunehmen. Sie wissen das. Die Kanalisation trägt das nicht. Die Scheiße läuft in die Kanäle und in die Spree und… man sieht das dann an sterbenden Fischen und Ähnlichem.

Darauf müssen wir uns jetzt schon einstellen, dass das zukünftig weiter zunehmen wird, aber wir haben eben jetzt noch die Möglichkeiten zu handeln. Frau Jösting und unsere Generation ist die letzte, die das noch tun kann, und deshalb bin ich dankbar, dass wir das in die Hände nehmen und wir müssen… noch handeln und wir müssen Klimaschutz vorantreiben. Aber… ein Klimanotstand oder das Ausrufen eines Klimanotstandes… ich habe eben gesehen, die Stadt Potsdam hat das heute wohl getan, das ist ein Alarmsignal aus meiner Sicht.

 

zu Frage 2 und 3: Als Umweltstadträtin ist es aber noch wichtiger, dass wir konkrete Maßnahmen folgen lassen und… Notstand kann ja kein Dauerzustand sein und wenn Sie Interesse haben daran, was wir an Maßnahmen machen und so lese ich das zumindest auch in Ihren weiteren Fragen, in Fragen 2 und 3. Deshalb fasse ich das jetzt mal zusammen, würde ich Ihnen gerne ganz kurz sagen, was wir bereits tun.

Wir haben derzeit den Fokus auf klimafreundliche Mobilität, was unseren eigenen Fuhrpark angeht und da ist die erste Devise, das beste Auto ist kein Auto - wir setzen auf Fahrräder, wir setzen auf Pedelecs beispielsweise im Straßen- und Grünflächenamt, oder auch im Ordnungsamt sind MitarbeiterInnen mit Fahrrädern unterwegs. Vom Umweltamt gibt es für den…r alle MitarbeiterInnen im Bezirksamt die Möglichkeit, eine Next-Bike-Karte r dieses Leihfahrradsystem zu nutzen und damit Dienstfahrten im Bezirk zu erledigen. Unser Bezirk ist der dicht besiedeltste Bezirk, von der Fläche her der kleinste, also es ist in der Regel gut möglich, Dienstaußentermine mit Fahrrädern wahrzunehmen und das wird von den Kolleginnen und Kollegen auch dankbar angenommen.

Aber auch der motorisierte Fuhrpark den schauen wir uns an und schauen da insbesondere auf umweltfreundlichere Antriebssysteme - Elektro ist dort ein Stichwort. Wir haben die ersten 6 Fahrzeuge angeschafft und auch Infrastruktur wie Ladesäulen dafür geschaffen. Damit sparen wir rund 15,4 Tonnen CO2 im Jahr. Wichtig ist natürlich in diesem ganzen Mobilitätsbereich nicht nur unser eigener Fuhrpark, sondern die Radverkehrsinfrastruktur im gesamten Bezirk, und da denke ich, kennen Sie den Radverkehrsplan, den der Bezirk hat… und Schritt für Schritt wird das umgesetzt und beispielsweise am geschützten Radstreifen in der Hasenheide kann man da auch schon Erfolge sehen.

Des Weiteren ein kleines Thema, aber dennoch wichtig, der Ausbau von Trinkbrunnen. Wir haben die Anzahl vervierfacht, der Ausbau wird auch weitergehen und die Wasserbetriebe haben berechnet, dass, wenn alle BerlinerInnen Leitungswasser trinken würden, 100.000 Tonnen CO2 eingespart werden könnten.

Ein ganz großes Thema, schon mit der anderen Anfrage angedeutet, ist die grüne Infrastruktur, also der Zustand unserer Parkanlagen, unserer Bäume… auch unter dem Thema Klimawandel und Klimaanpassung ein zentrales Themenfeld, und hier sehe ich ganz dringend auch noch Handlungsbedarfe. Wir haben nachher eine mündliche Anfrage auch zum Thema „Finanzielle Unterstützung und Ressourcen“. Da kann ich dann gerne noch ein bisschen was dazu ausführen. Es ist definitiv notwendig, dass wir mehr Unterstützung bekommen, damit wir uns besser um unsere Bäume kümmern können. Jeder Baum ist eine biologische Klima- und Filteranlage. Ich weiß nicht, wie Ihnen das geht, sobald man unter einem Baum steht, ist es irgendwie angenehmer und man kann gleich richtig durchatmen und das ist natürlich von Klimagesichtspunkten her auch berechenbar, was die grüne Infrastruktur bringt. Es ist derzeit so, dass wir 48,15 EUR pro Baum, pro Straßenbaum, bekommen für die Pflege, aber man braucht ein Minimum aus fachlicher Sicht gesehen von 80,00 EUR. Und da sehen Sie also, dass wir als Bezirke insgesamt wesentlich mehr finanzielle Ressourcen brauchen, um uns besser um unsere Bäume und um unsere Grünanlagen kümmern zu können.

Es ist aber nicht so, dass wir nichts tun. Ich weiß nicht, ob Sie in Friedrichshain oder in Kreuzberg wohnen, aber ein Beispiel ist der Ausbau der Bunkerberge in Friedrichshain zu einem naturnahen Wald aus heimischen Bäumen und Sträuchern. Dort werden in den nächsten Jahren, das ist ein sehr, sehr langer Prozess, 44.000 Pflanzen gepflanzt werden.

Und last but not least unsere internationale Klimapartnerschaft mit San Rafael del Sur in Nicaragua. Dort gibt es einen Verwaltungsaustausch schon sehr lange und wir machen jetzt ein konkretes Projekt gemeinsam, haben dafür Fördermittel auch vom Bund bekommen über 250.000 EUR und renaturieren ein ehemaliges Kalkabbaugebiet in der Größe von 80 Hektar. Draußen, hier im Foyer, können Sie übrigens die Ausstellung just gerade dazu „Zeit für Wandel“ besichtigen. Ich lade Sie alle ein, sich das anzugucken. Das ist definitiv sehr informativ. Aber mir ist auch klar… ja… jeden Freitag demonstrieren die Schülerinnen und Schüler und… dass das noch nicht ausreicht, und dafür brauchen wir in der Tat dringend Unterstützung und Weichenstellungen, teilweise oder insbesondere auch auf Bundesebene. Und ich kann nur sagen, auch in diesem Feld ist es so, ich würde mir wünschen, dass man weniger aufwendige Sonderprogramme tätigt und mehr in die Regelstrukturen und in die Regelfinanzierung geht.

Und, ja, wir müssen auch radikaler werden aus meiner Sicht und dazu müssen wir auch mal anders denken. Also Vorschläge meinerseits konnten Sie im Juli in der Zeitung lesen. Alle Beschlüsse, sämtliches Verwaltungshandeln müsste aus meiner Sicht unter Klimavorbehalt gestellt werden. Keine Bebauungen mehr ohne Klimaprüfung und evtl. Ausgleich. Wir bräuchten eine Pflicht zum klimaneutralen Bauen. Da ist aber nicht nur der Gebäudebereich, sondern auch der öffentliche Raum, und da hilft eben versiegelte Fläche für einen Parkplatz vielleicht einem Menschen, der sein Auto da abstellen kann, aber eine entsiegelte Fläche ist unter Klimaschutzgesichtspunkten und unter Gesichtspunkten der Bewohnerinnen und Bewohner, der Allgemeinheit, eben eine natürliche Klimaanlage, also ein Baum.

Und ich chte dann in der zweiten Frage ging es ja noch um das Thema Gebäude. Wir haben teilweise grüne Dächer auf unseren eigenen Gebäuden, beispielsweise am Rudolfplatz in dem Familienzentrum. Wir haben auch vereinzelt Solaranlagen, beispielsweise auf Schulgebäuden. Derzeit läuft eine Prüfung mit den Stadtwerken, und alle unsere Liegenschaften werden auf mögliche Nutzung für Photovoltaik überprüft und selbstverständlich ist das auch so, dass wir bei den Baumaßnahmen - und davon gibt es ja viele, Herr Hehmke kann da sehr viel berichten aus den Schulen - dass da natürlich energetische Sanierung auch Thema ist.

Und zu Ihrer letzten Frage: Das ist richtig. Leider ist das so, dass wir noch keine eigene Klimaschutzseite des Bezirksamtes haben und eben auf den Internetauftritt verweisen im Umweltportal und das ist misslich, da stimme ich Ihnen zu.

Es ist so, dass Klimaschutz ein Querschnittsthema ist. Zu vielen von diesen Maßnahmen, die ich Ihnen jetzt erläutert habe, finden Sie auf unserer Internetseite auch Sachen, aber eben leider nicht unter Klimaschutz, sondern beispielsweise beim Umwelt- und Naturschutzamt, und das ist einfach so, dass wir angesichts der personellen Ressourcen, und das ist derzeit im Bezirk eine Person, die nicht Vollzeit arbeitet, einfach vorrangig die Maßnahmen gesetzt haben und nicht die Pflege der Internetseite. Ich nehme aber jetzt auch Ihre Anfrage da mit, dass wir hier gegensteuern müssen. Ich kann Ihnen aber nicht versprechen, wie schnell das geht.

 

Herr Müller: Erstmal vielen Dank für die sehr ausführliche Antwort. Ich hatte noch zwei kleine Nachfragen, und zwar… meines Wissens nach sollten bezirkseigene Energie- und Kohlendioxidbilanzen erstellt werden. Sind diese einsehbar oder wurde diese schon erstellt und… das… die andere Nachfrage wäre, dass nach dem… neuesten Stand der Forschung wir ja eigentlich nicht mehr von 2050 - wie es bis jetzt auch im Energiewendegesetz steht - auszugehen haben, sondern von einer Reduktion auf 0 vor 2030, um dieses 1,5 Grad Ziel der Pariser Vereinbarung noch zu erreichen. Halten Sie das für realistisch, auch vielleicht auf Bezirksebene?

 

zu Nachfrage 1: Also… was es für unseren Bezirk gibt, das ist ein Klimabericht. Was es meiner Ansicht nach noch nicht gibt, ist eine umfassende Aufstellung CO2-Bilanzen. Da muss ich Ihnen aber auch sagen… also ich bin keine Expertin, aber wenn unsere… wenn ich mit unseren Expertinnen in diesem Bereich spreche, dann sind häufig die Berechnungen auch umstritten, weil man das wie so ufig auch unterschiedlich rechnen kann. Aber wir haben selbstversndlich für konkrete Maßnahmen, ich habe Ihnen das jetzt am Beispiel der Autos gezeigt, da können wir Ihnen auch sagen, wie viel Tonnen CO2 wir einsparen. Wir haben da auch noch andere Sachen vor, das kann man dann auch berechnen und ich nehme das mit der konkreten CO2-Bilanz mit. Es ist aber leider so, und da kann ich jetzt auch wirklich an den Haushaltsgesetzgeber im Land appellieren, es ist ja auch der Fall, dass wir lesen können in der Zeitung, dass das Sonderprogramm Berliner Energie und Klimaschutz nicht ordentlich abfließt. Es ist leider so, dass sowas immer auch personelle Ressourcen benötigt. Wir brauchen Menschen, die das machen, die das umsetzen und das ist eben definitiv so, dass wir dafür nicht ausreichend Kapazitäten haben. Die Bezirksverordnetenversammlung hat vor meiner Zeit entschieden, dass es eine Klimaschutzbeauftragte gibt. Diese Person gibt es, aber mehr eben leider in der Form auch nicht. Aber selbstverständlich ist es eine Querschnittsaufgabe… arbeiten da vom Tiefbau bis zum Hochbau und darüber hinaus auch alle Akteure dran.

 

zu Nachfrage 2: Und zum Thema 2030 kann ich Ihnen nur sagen, ich glaube, wir müssen in die Puschen kommen und ich, um auch zurückzukommen auf Ihre erste Frage, ich nehme die bundesweite und ehrlich gesagt auch darüber hinaus die Debatte… die Debatten so wahr, dass das Thema definitiv an nicht nur Fahrt aufnimmt, sondern auch die Notwendigkeit Klimaschutz zu machen, politisch auf allen Ebenen ankommt und jetzt müssen daraus auch konkrete und radikalere Maßnahmen folgen. Und glauben Sie mir, ich bin da zuversichtlich, dass Friedrichshain-Kreuzberg die Bürgerinnen und Bürger und die Bezirksverordnetenversammlung da mitzieht und dass wir dann gemeinsam auch Ziele wie klimaneutrale Verwaltung usw. erreichen können. Wir müssen aber dafür definitiv noch mehr zulegen.

Und ich habe Ihnen noch etwas mitgebracht - unsere Stadtnaturkarte, da finden Sie auch noch ein paar Sachen.

 
 

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