Drucksache - DS/1326/V  

 
 
Betreff: EA063 - Sperrstunde am Spreeufer?
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:Einwohner*inEinwohner*in
   
Drucksache-Art:Einwohner*innenantragEinwohner*innenanfrage
Beratungsfolge:
BVV Friedrichshain-Kreuzberg von Berlin Vorberatung
05.06.2019 
Öffentliche Sitzung der BVV Friedrichshain-Kreuzberg (BVV) beantwortet   

Beschlussvorschlag

Ich frage das Bezirksamt:

 

  1. Mit welcher (rechtlichen) Begründung fordert das Bezirksamt auf dem Gelände des Holzmarktes das sich in einem Kerngebiet zwischen einer 4- spurigen Straße, dem Stadt- und Fernbahnviadukt sowie der ebenso befahrenen Bundeswasserstrasse Spree befindet den Ausschank an allen Wochentagen und auch am Wochenende um 21:00 Uhr(!) einzustellen, als Voraussetzung zur Erneuerung der Genehmigung der kulturellen und gastronomischen Einrichtungen an den öffentlich gewidmeten Frei- und Grünflächen?
     
  2. Plant der Bezirk bezüglich Ausschank und Veranstaltungen für den Spreeraum zwischen Michael- und Oberbaumbcke eine Klassifizierung als Hotspot (wie z.B. in der Simon-Dach-Str., wo der öffentliche Ausschank mit einer Allgemeinverfügung jedoch bis 23:00 bzw. 24:00 am Wochenende gestattet werden sollte und zwar unmittelbar in einem Wohngebiet)?
     
  3. Auf welcher rechtlichen Grundlage klassifiziert das Bezirksamt das gesamte Holzmarktareal als eine zusammenhängende Vergnügungsstätte, ohne soziale und kulturelle Einrichtungen wie Kindergarten, Spielplätze, Musikschule, Theater, Ateliers, frei zugängliche Grünflächen sowie öffentliche Sanitäranlagen zu berücksichtigen, die genossenschaftlich auch über den Verkauf von Getränken finanziert werden?
     
  4. Gibt es Auflagen des Bezirks für die Dauerverkaufsstellen (24/7) in unmittelbarer Nähe des Holzmarktes (zwei Tankstellen, Ostbahnhof) für den Verkauf von Alkohol und Tabak, die Beseitigung von Müll und Fäkalien (nicht tankender bzw. nicht den ÖPNV nutzender Kunden) sowie den Lärmschutz bei Verzehr auf benachbarten Grundstücken?
     
  5. Mit welchen Auflagen/Maßnahmen hat das Bezirksamt dem Rücksichtnahmegebot bei der Planung und Genehmigung von Einzelvorhaben in der Nachbarschaft des Holzmarktes Rechnung getragen? (Rundschreiben der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Nummer 3/2014 „An emittierende Anlagen heranrückende Wohnbebauung (Einzelvorhaben) vom 21. August 2014“)

     

Hinweise/Erläuterungen:
* In dem betreffenden Schreiben vom 27.12.2018 wird auch verlangt, es seien keine „Anreize“ zu schaffen bzw. organisatorische Maßnahmen zu ergreifen, dass Leute sich nach 22 Uhr am Spreeufer aufhalten. Dies steht im Widerspruch zum Städtebaulichen Vertrag vom Oktober 2013, in dem der uneingeschränkte Zugang und die Öffentlichkeit an der Spree explizit geregelt ist.

 

Die Holzmarktgenossenschaft konnte 2013 in einem Höchstgebotsverfahren ein Grundstück an der Spree von der städtischen BSR erwerben, für das bis dato die Mediaspreeplanungen galten. Ein Anliegen der Genossenschaft war es, den Wünschen der Bürger*innen des Bezirks zu entsprechen (Proteste „Mediaspree Versenken“, Bürgerentscheid „Spreeufer für Alle“) und das Spreeufer öffentlich zugängig zu machen. Seinerzeit war dies auch Konsens in der BVV und wurde ausdrücklich unterstützt. In einem städtebaulichen Vertrag ist die Öffentlichkeit an der Spree auf dem Holzmarktgelände folglich abgesichert und schließlich von der Genossenschaft aufwendig umgesetzt worden: Das Spreeufer am Holzmarkt ist 24 Stunden an 7 Tagen in der Woche zugänglich, barrierefrei für Mensch und Tier (Biberausstiege), aufwendig gärtnerisch gestaltet, hält öffentliche Sanitäreinrichtungen bereit. Mitarbeiter*innen des Holzmarktes sorgen für Sicherheit auf dem Gelände und sind rund um die Uhr(!) ansprechbar, insbesondere auch um evtl. auftretende Beschwerden von Anwohner*innen entgegenzunehmen und ihnen nachzugehen. An anderen öffentlichen Orten in der Stadt und im Bezirk werden vergleichbare Maßnahmen und Dialogverfahren die hier bereits existieren - geprüft und z.T. mit öffentlichen Mitteln umgesetzt (z.B. Görlitzer Park, Bergmannstr., Simon-Dach-Str.).
Bisweilen scheint es jedoch leider so, dass die Öffentlichkeit an der Spree noch kaum Aufmerksamkeit bekommt und stattdessen durch Verwaltungshandeln massiv eingeschränkt wird, ohne ein Bemühen um dialogische Verfahren erkennen zu lassen. Ein „Gießkannenprinzip“ , wie es von der BVV noch in der Debatte um die Allgemeinverfügung in der Simon-Dach-Str. (die wesentlich längeren Ausschank in einem Wohngebiet vorsah) abgelehnt wurde, scheint hier bereits Realität geworden nur weitaus schärfer. Im Sinne des Schutzes von innerstädtischen Kulturorten würde ich mir vom Bezirk wünschen, dass Anstrengungen unternommen werden, hier - wie an anderen Orten auch die Folgeerscheinungen einer verdichteten Stadt zu moderieren und die Öffentlichkeit an der Spree zu schützen.

 

 

Beantwortung BezStR Herr Hehmke (Zuarbeit Abt. BauPlanFM)

 

Sehr geehrter Herr Krex,

Ihre Anfrage beantworte ich wie folgt:

1.            Mit welcher (rechtlichen) Begründung fordert das Bezirksamt auf dem Gelände des Holzmarktes das sich in einem Kerngebiet zwischen einer 4- spurigen Straße, dem Stadt- und Fernbahnviadukt sowie der ebenso befahrenen Bundeswasserstrasse Spree befindet den Ausschank an allen Wochentagen und auch am Wochenende um 21:00 Uhr(!) einzustellen, als Voraussetzung zur Erneuerung der Genehmigung der kulturellen und gastronomischen Einrichtungen an den öffentlich gewidmeten Frei- und Grünflächen?

 

Die Frage bezieht sich offensichtlich auf den Bauantrag 2018-2324, den das Stadtplanungsamt am 21.11.2018 zur Stellungnahme bekommen hat und mit dem erneut die Interimsnutzung von Eventflächen und Gebäuden mit Gastronomie für kulturelle Darbietungen bis zum 31.12.2020 beantragt wurde, nachdem diese bis zum 30.04.2016 befristete Baugenehmigung 2014/97 vom 06.05.2014r diese Nutzungen bereits zweieinhalb Jahre abgelaufen war. Der Bauantrag war in der vorliegenden von der Vorläufergenehmigung abweichenden Form nicht genehmigungsfähig. Mit Schreiben vom 27.12.2018 wurde der Antragsteller aufgefordert, sich zu den Tatsachen zu äern, was nicht erfolgte. Eine Versagung wurde nicht erteilt.

 

Voraussetzung für eine Genehmigung der Interimsnutzungen ist, dass keine Störung der nächstgelegenen Wohnnutzung erfolgt.

In dem o.g. Bauantrag fehlte die klarstellende Ergänzung zur Betriebsbeschreibung, die Veranstaltungen mit elektronisch verstärkter Musik und mit Schlagzeug und Blasinstrumenten grundsätzlich ausschließt und die Bestandteil der vorherigen Baugenehmigung war.

 

 

Zum anderen wurde in der gutachterlichen Stellungnahme zur Zwischennutzung DingDongDome und CultureContainer durch die Rahe-Kraft GmbH vom 11.09.2013 nur eine evtl. Lärmbelastung aus Sprechtheater ohne Verstärkung bis maximal 22 Uhr betrachtet. Lautsprecher dürfen nur zur Hintergrundbeschallung eingesetzt werden. Evtl. Ansammlungen von Besuchern auf der Zuwegung sollen durch organisatorische Maßnahmen unterbunden werden, dies gilt insbesondere für die Nachtzeit zwischen 22 und 6 Uhr.

 

2014 wurden die Genehmigungen für folgende Interimsnutzungen erteilt:

DingDongDome für künstlerische Darbietungen (Theater, Tanztheater, Kindertheater, Kleinkunst, Ausschank). Es handelt sich dabei um vier Container mit einer freistehenden Wetterschutzdachkonstruktion. In einem Container („nigskostimbiss“) sollen Speisen verkauft werden. Die maximale Gastanzahl wird mit 99 angegeben.

Im sog. Kulturcontainer werden Ausstellungen stattfinden. Als weitere Nutzungen sind Gastronomie, Ausschank, Imbiss genannt. Die maximale Gastanzahl ist mit 50 (25 innen und 25 außen) angegeben.

Als Betriebszeiten sind für beide Einrichtungen 16- 24 Uhr angegeben, wobei keine Veranstaltungen mit elektronisch verstärkter Musik, keine Konzerte mit Schlagzeug und Blasinstrumenten und keine Veranstaltungen länger als 22 Uhr durchgeführt werden sollen. Es findet keine Winternutzung statt, die Nutzungszeit betrifft die Monate Mai bis Oktober.

 

Die Genehmigungen wurden erteilt, als die anderen Vorhaben des Dorfes noch nicht fertiggestellt waren. Hier sind insbesondere zu nennen der Club und die Markt- und Eventhalle für insgesamt maximal 986 gleichzeitige Besucher (198 und 778), in denen bis tief in die Nacht u.a. elektronisch verstärkte Musik gespielt wird.

Ebenfalls neu dazugekommen ist die Hütte, die als Bäckerei (Produktion und Verkauf von Backwaren) und als gastronomische Einrichtung für den Außenbereich des Holzmarktes benutzt wird. Zwischen 9 und 24 Uhr werden hier alkoholische und nicht alkoholische Getränke ausgeschenkt.

Das Restaurant hat maximal 350 Gäste und Öffnungszeiten bis maximal 1 Uhr. Die spreeseitig vorgelagerte Restaurantterrasse nimmt 64 Personen auf und wird nicht zur Nachtzeit bewirtschaftet.

Ebenfalls noch nicht vorhanden war die Wohnbebauung auf der gegenüberliegenden Uferseite der Spree im Wilhelmine-Gemberg-Weg.

 

Gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 2 und 4 sind Schank- und Speisewirtschaften sowie Anlagen für kulturelle Zwecke im Kerngebiet allgemein zulässig.

Gemäß § 15 BauNVO können Vorhaben im Einzelfall jedoch unzulässig sein, wenn sie nach Anzahl, Lage Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belastungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind.

Dieser Fall ist 2018 eingetreten. Da erreichten das Umwelt- und Naturschutzamt Beschwerden von Anwohnern, die u.a. auch die verhaltensbedingten Geräuschimmissionen zur Nachtzeit beklagt haben, „…Nebenan beim Holzmarkt (also nicht der Club) sitzen bei dem schönen Wetter Abend für Abend bis spät in die frühen Morgenstunden (2-3 Uhr) hunderte von Menschen….“.

Das Umwelt-und Naturschutzamt hat in der Nacht vom 08./09.07.2018 von 22 Uhr bis 03:55 Uhr orientierende Schallpegelmessungen im Wilhelmine-Gemberg-Weg 11A durchgeführt. Während des gesamten Zeitraumes waren neben der Musik auch verhaltensbedingte Geräuschimmissionen wahrnehmbar. Die Geräuschimmissionen waren nach Ausschluss der verkehrsbedingten Geräuschimmissionen (Stadtbahn) pegelbestimmend. Durch die Messungen ließen sich Überschreitungen des Immissionsrichtwertes zur Nachtzeit zwischen 5 und 11 dB ableiten.

Insofern können weitere gastronomische Nutzungen nach 22 Uhr nicht mehr zugelassen werden und eine letzte Bestellung vor 22 Uhr wäre einer „Nachtruhe“ bestimmt zuträglich.

 

Mit Verweis auf die Schalltechnische Machbarkeitsuntersuchung Bericht Nr. M105758/01 vom 12.11.2013 der Müller BBM GmbH schöpfen 10 gleichzeitig und ständig laut sprechende Personen oder 630 gleichzeitig und ständig entspannt sprechende Personen den Immissionsrichtwert zur Nachtzeit bereits aus. Durch gastronomische Angebote zur Nachtzeitr die vielen Besucher der Veranstaltungsangebote auf dem Holzmarkt sowie zusätzliche Besucher, die bei einem Bierchen die laue Sommernacht am Spreeufer genießen möchten, sind Verhältnisse eingetreten, die eine Belastung gemäß § 15 BauNVO darstellen.

 

2.            Plant der Bezirk bezüglich Ausschank und Veranstaltungen für den Spreeraum zwischen Michael- und Oberbaumbrücke eine Klassifizierung als Hotspot (wie z.B. in der Simon- Dach-Str., wo der öffentliche Ausschank mit einer Allgemeinverfügung jedoch bis 23:00 bzw. 24:00 am Wochenende gestattet werden sollte und zwar unmittelbar in einem Wohngebiet)?

 

Da die Allgemeinverfügung für die Simon- Dach-Straße nicht erlassen wurde, gibt es für eine solche Regelung noch kein Vorbild im Bezirk. Die Festlegung der 10 Hotspots im Bezirk erfolgte seinerzeit ämterübergreifend nach den Hauptkriterien der Beschwerdelage. Es wurden aber auch die  Besucherfrequentierungen und die Müllbelastungen betrachtet. Es wurde der Bereich Oberbaumbrücke bis zur Straße der Pariser Kommune
East Side Gallery) als Hotspot 6 definiert. Eine Erweiterung bis zur Michealbrücke war bisher nicht vorgesehen.  Da die Entwicklungen im Bezirk dynamisch sind, ist nicht auszuschließen, dass weitere Hotspots identifiziert werden.

 

3.            Auf welcher rechtlichen Grundlage klassifiziert das Bezirksamt das gesamte Holzmarktareal als eine zusammenhängende Vergnügungsstätte, ohne soziale und kulturelle Einrichtungen wie Kindergarten, Spielplätze, Musikschule, Theater, Ateliers, frei zugängliche Grünflächen sowie öffentliche Sanitäranlagen zu berücksichtigen, die genossenschaftlich auch über den Verkauf von Getränken finanziert werden?

 

Das Holzmarktareal wird nicht als zusammenhängende Vergnügungsstätte beurteilt, sondern als Kerngebiet gemäß § 7 der Baunutzungsverordnung betrachtet. Wie dieses Kerngebiet bewirtschaftet wird, ist nicht Gegenstand der Bauleitplanung. Die sozialen und kulturellen Nutzungen werden planungsrechtlich selbstverständlich nicht als Vergnügungsstätten beurteilt.

 

4.            Gibt es Auflagen des Bezirks für die Dauerverkaufsstellen (24/7) in unmittelbarer Nähe des Holzmarktes (zwei Tankstellen, Ostbahnhof) für den Verkauf von Alkohol und Tabak, die Beseitigung von Müll und Fäkalien (nicht tankender bzw. nicht den ÖPNV nutzender Kunden) sowie den Lärmschutz bei Verzehr auf benachbarten Grundstücken?

 

Die Frage zielt darauf ab, dass Gäste des Holzmarktes aus den o.g. Verkaufsstellen Speisen und Getränke mitbringen können, die sie dann auf den Flächen des Holzmarktes verzehren, für die ein öffentliches Gehrecht durch Baulasteintragung gesichert ist.

In der oben bereits genannten schalltechnischen Machbarkeitsuntersuchung Bericht Nr. M105758/01 vom 12.11.2013 der Müller BBM GmbH wird darauf hingewiesen, dass für die Nutzung der Freiflächen tragfähige Konzepte entwickelt werden müssen. Hierfür erscheint es angebracht, eine gastronomische Nutzung der Freiflächen nach 22 Uhr vom Betreiber zu unterbinden, sofern es zu laut wird. Er kann dies auch für mitgebrachte Speisen und Getränke durchsetzen.

 

5.            Mit welchen Auflagen/Maßnahmen hat das Bezirksamt dem Rücksichtnahmegebot bei der Planung und Genehmigung von Einzelvorhaben in der Nachbarschaft des Holzmarktes Rechnung getragen? (Rundschreiben der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Nummer 3/2014 „An emittierende Anlagen heranrückende Wohnbebauung (Einzelvorhaben) vom21. August 2014“)

 

Die Genehmigung der Wohnbebauung Wilhelmine-Gemberg-Weg erfolgte durch das Bezirksamt Mitte.

 

 
 

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