Drucksache - DS/0298/IV  

 
 
Betreff: Inanspruchnahme der bezirklichen Beratungsangebote des Bezirksamtes bei häuslicher Gewalt
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:B'90 Die GrünenB'90 Die Grünen
Verfasser:Topac, FadimeTopac, Fadime
Drucksache-Art:Mündliche AnfrageMündliche Anfrage
Beratungsfolge:
BVV Friedrichshain-Kreuzberg von Berlin Vorberatung
20.06.2012 
Öffentliche Sitzung der BVV Friedrichshain-Kreuzberg schriftlich beantwortet     

Beschlussvorschlag

Ich frage das Bezirksamt:

Ich frage das Bezirksamt:

 

1.      Welcher Personenkreis wendet sich an das Jugendamt in Fällen von häuslicher Gewalt?

2.      Ist dem Jugendamt bekannt, warum Frauen in Gewaltbeziehungen das vorhandene Angebot des Jugendamtes, der Gleichstellungsbeauftragten und Beratungsstellen nicht in Anspruch nehmen?

3.      Welche besonderen Schulungen/Weiterbildungsangebote erhalten die Mitarbeiter_innen des Jugendamtes, der Gleichstellungsbeauftragten, des Sozialpsychiatrischen Dienstes und von Beratungsstellen , um solche Situationen zu erkennen und ggf. zu handeln?

Nachfragen:

 

1.      Hat das Jugendamt Pläne, allen Kindern bei der Einschulung ein familienpolitisches Informationspaket (Beratungsangebote etc.) an die Familien auszuhändigen?

2.      Wie ist die interkulturelle Zusammensetzung der Beschäftigten bzw. der Beratungsangebote des Jugendamtes?

 

 

Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg                            3. Juli 2012

Familie, Gesundheit, Kultur und Bildung

 

 

Ihre Anfrage beantworte ich wie folgt:

 

 

 

1. Welcher Personenkreis wendet sich an das Jugendamt in Fällen von häuslicher Gewalt?

 

Väter und Mütter von minderjährigen Kindern lassen sich zur aktuellen Situation und zur Unterstützung ihrer Kinder in der Erziehungs- und Familienberatungsstelle und im Sozialpädagogischen Dienst beraten bzw. beantragen Hilfen zur Erziehung zur Überwindung der Krisensituation.

Insbesondere hochstrittige, getrennte Elternteile suchen nach einem durch die Polizei ausgesprochenen Verbot zum Betreten der Wohnung nach Streitfällen (Wegweisung/Betretungsverbots) Unterstützung. Das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die Kinder und das Recht auf Umgang mit den Kindern steht oft im Vordergrund.

 

Häufig wenden sich auch Schulen und Kitas mit Anfragen an das Jugendamt. Über die Tätigkeit des Präventionsteams der Erziehungs- und Familienberatungsstelle erhalten LehrerInnen und ErzieherInnen Unterstützung bei der Abschätzung des Risikos einer Kindeswohlgefährdung sowie des weiteren Vorgehens.

Auch Nachbarn, Bekannte oder Großeltern wenden sich an das Jugendamt, wenn sie sich auf Grund bestimmter Beobachtungen Sorgen um ein Kind oder eine Familie machen.

 

Selbst von Gewalt betroffene Frauen bitten die Erziehungs- und Familienberatungsstelle um Unterstützung, wobei dies dem Eindruck nach seltener vorkommt, als wenn Kinder betroffen sind. Hier suchen die Frauen vermutlich für sich allein andere Ansprechpartner.

Betroffene Mütter wenden sich an die Erziehungs- und Familienberatungsstelle, wenn es Gewaltausbrüche und Tätlichkeiten zwischen ihnen und ihren jugendlichen oder jungen, erwachsenen „Kindern“ gibt.

 

Für die acht vom Jugendamt geförderten Familienzentren jeder Bezirksregion sowie für die zusätzlich nach § 16 SGB VIII geförderten Kita-Standorte mit zusätzlichem Familienberatungs- und –bildungsangeboten (Kindervilla Waldemar in der Markgrafenstr., Kotti-Kitas, Kita Nestwärme in der Ritterstr.) kann gesagt werden, dass überall  - in Kreuzberg bei Bedarf auch muttersprachlich türkisch, kurdisch und vereinzelt arabisch – in erster Linie Mütter aber auch Väter zu Fragen häuslicher Gewalt beraten oder in Beratung vermittelt werden.

 

Auch die eng kooperierenden Einrichtungen wie das TAM, der Familiengarten von Kotti e. V., die Familienberatungstelle der Caritas und die Stadtteilzentren des NHU bieten bei Bedarf Beratungen zu häuslicher Gewalt oder Vermittlungen zu Beratung an.

 

 

2. Ist dem Jugendamt bekannt, warum Frauen in Gewaltbeziehungen das vorhandene Angebot des Jugendamtes, der Gleichstellungsbeauftragten und der Beratungsstellen nicht in Anspruch nehmen?

 

Es trifft unseres Erachtens nicht zu, dass Frauen eine solche Beratung generell nicht in Anspruch nehmen und keine Zugänge zu Informationen hätten. Auch durch aufsuchende Projekte, wie z. B. die Stadtteilmütter und Rucksack-Elternbegleiterinnen, werden Informationen und Beratungsmöglichkeiten in die Communities vermittelt oder ggf. auch Begleitung zum Jugendamt oder zu anderen Beratungsstellen gewährleistet.

 

Die Angst der Frauen – trotz Informationen und Beratung – eine gewaltvolle Situation zu verlassen, ist dennoch bekanntermaßen groß und kann wohl nur durch eine weitere Stärkung sozialer Netzwerke gemindert werden.

 

Die Gründe für eine „Nichtinanspruchnahme“ von Beratungsangeboten stehen häufig in engem Bezug zur persönlichen, beruflichen und sozialen Situation der Frauen. Auch der Aufenthaltsstatus spielt bei Frauen mit Migrationshintergrund eine bedeutende Rolle. Finanzielle Abhängigkeit,  Verlustängste, sozialer Abstieg und Schuldzuweisungen für das Scheitern der Beziehung und Familie (auch im kulturellen Kontext)  verstärken die Isolation der Frauen, die aus Angst keine Beratung in Anspruch nehmen.

 

Wenngleich es umfangreiche, auch muttersprachliche Informationsmaterialien und –wege gibt, sind fehlende Kenntnisse von Unterstützungs- und Hilfsangeboten sowie mangelnde Rechtskenntnisse (z. B. Kinder kommen ins Heim…) und Angst vor weiterer Misshandlung und Eskalation auch immer noch Gründe dafür, keine Unterstützung anzunehmen oder erst sehr spät eine Beratungsstelle aufzusuchen.

 

Die Ächtung häuslicher Gewalt muss aber auch verstärkt mit der Männerrolle verknüpft werden. Hier sind die Zugänge trotz intensiver Bemühungen der Familienzentren und dem Aufbau eines Stadtteilväter-Projekts schwierig, da Männer/Väter – und gerade solche, die Gewalt ausüben - selten an Beratungen und Gesprächskreisen teilnehmen. Verstärkte geeignete Öffentlichkeitsarbeit wäre hierzu evtl. hilfreich.

 

3. Welche besonderen Schulungen / Weiterbildungsangebote erhalten die Mitarbeiter/innen des Jugendamtes, der Gleichstellungsbeauftragten, des Sozialpsychiatrischen Dienstes und von Beratungsstellen,  um solche Situationen zu erkennen und ggf. zu handeln?

 

Grundsätzlich werden alle MitarbeiterInnen der o. g. Bereiche des Bezirksamtes zum Thema häusliche Gewalt und dem Umgang mit solcher geschult, um Personen professionell beraten und ihnen geeignete Hilfen anbieten zu können.

 

Es gibt Verfahrenstandards zum Umgang mit Meldungen der Polizei zum Einsatz bei häuslicher Gewalt in Familien.

 

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kennen die Netzwerke der Unterstützungs- und Hilfsangebote und wurden bzw. werden zu den Standards zum Kinderschutz sowie dem professionellen Umgang mit drohenden und gewaltbereit auftretenden Eltern geschult.

 

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Sozialpsychiatrischen Dienstes werden im Rahmen ihrer Tätigkeit auch mit häuslicher Gewalt konfrontiert. Die häusliche Gewalt zeigt sich dabei häufig im Kontext mit psychischen und/oder Suchterkrankungen.

 

Der Umgang der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit entsprechenden Problemlagen erfolgt daher immer unter Berücksichtigung des krankheitsbedingten Verhaltens.

Das Erkennen solcher Situationen und das adäquate Handeln gehören zu den fachspezifischen Grundlagen einer Tätigkeit im Sozialpsychiatrischen Dienst, insbesondere im Hinblick auf eigen- oder fremdgefährdendes Verhalten in häuslichen Milieus.

 

Ein wesentlicher Bestandteil der Qualifizierung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind die regelmäßigen Besprechungen und Fallkonferenzen  in multiprofessionellen Teams (Sozialarbeiter/-innen und ÄrztInnen/PsychologInnen) wie auch die fachliche Intervision unmittelbar bei Bedarf.

 

Darüber hinaus nutzen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch Angebote der Verwaltungsakademie sowie interne Fortbildungen (Jugendamt).

 

 

 

Nachfragen

 

1. Hat das Jugendamt Pläne, allen Kindern bei der Einschulung ein familien-politisches Informationspaket (Beratungsangebote etc.) an die Familien auszuhändigen?

 

Grundsätzlich sollte ein solches Vorhaben nicht erst zur Einschulung, sondern bereits mit dem Mütterpass oder zur Geburt eines Kindes erfolgen. 

 

Die Verteilung von Faltblättern, Elterninfos zu bestimmten Erziehungsthemen und Info-Material z. B. der Erziehungs- und Familienberatungsstelle erfolgt über alle denkbaren Gremien, Träger, Kitas und Schulen, andere Ämter und Beratungsstellen sowie Kinderärzte, in Info-Veranstaltungen, auf Kiezfesten etc.

 

In den vergangenen Jahren haben das Jugendamt und die Grundschulen gute Erfahrungen mit dem Präventionsprojekt von BIG (Berliner Initiative gegen Gewalt gegen Frauen) gemacht.

 

Das Programm der BIG-Prävention wird in Grundschulen angeboten und bezieht Kinder, Eltern und die pädagogischen Fachkräfte mit ein.

 

Die Fachkräfte von BIG sind kompetente Beraterinnen und Berater für Kinder und Eltern, die den Kontakt zum Jugendamt anbahnen und die Kooperation zwischen Schule und Jugendhilfe unterstützen. Dieses Präventionsprogramm ist sehr feinfühlig und effektiv und beinhaltet auch einen Elternbrief zum Thema häusliche Gewalt.

 

2. Wie ist die interkulturelle Zusammensetzung der Beschäftigten bzw. der Beratungsangebote des Jugendamtes?

 

Soweit Einstellungen möglich sind, ist die Berücksichtigung interkultureller Zusammensetzungen der Teams ein wichtiges Kriterium bei der Auswahl geeigneter Bewerber und Bewerberinnen.

 

Das Jugendamt hält für Deutsch, Türkisch und Arabisch muttersprachliche Beratung durch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus diesen Kulturkreisen vor. Auch Beratung in Englisch ist möglich.

 

Je nach Bedarf kann auch der Gemeindedolmetschdienst hinzugezogen werden.

 

 

 

 

Monika Herrmann

Bezirksstadträtin

 

 
 

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