Drucksache - DS/1213/VI  

 
 
Betreff: Für Vielfalt - Queeres Leben in Friedrichshain-Kreuzberg verstärkt schützen und unterstützen!
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:SPDStellv. Vorsteherin Sommer-Wetter, Regine
Verfasser:Hochstätter, Peggy 
Drucksache-Art:AntragBeschluss Überweisung
Beratungsfolge:
BVV Friedrichshain-Kreuzberg von Berlin Vorberatung
26.06.2024 
Öffentliche Sitzung der BVV Friedrichshain-Kreuzberg (BVV) überwiesen   
Jugendhilfeausschuss Vorberatung
Ausschuss für Diversity und Antidiskriminierung Beratung ff

Beschlussvorschlag
Anlagen:
Antrag_Für Vielfalt - Queeres Leben in Friedrichshain-Kreuzberg verstärkt schützen und unterstützen!  

ALLRIS net Ratsinformation

Die Bezirksverordnetenversammlung möge beschließen:

 

Das Bezirksamt wird beauftragt, bis Ende 2024 zu prüfen, inwiefern folgende Maßnahmen zum Schutz und der Unterstützung queerer Menschen in Friedrichshain-Kreuzberg umgesetzt werden können:

 

  • Einrichtung einer Stelle Beauftragte*r für sexuelle und geschlechtliche Vielfalt (analog zur Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten, der*dem Beauftragten für Menschen mit Behinderung oder der*dem Integrationsbeauftragten) zur Vermittlung der Akzeptanz queerer Lebensweisen verwaltungsintern und -extern durch die Schulung von BA-Mitarbeiter*innen, den freien Trägern und Netzwerken als alleinstehende Vollzeitstelle. Die*der Beauftragte* soll außerdem Anlauf- und Beratungsstelle für Opfer von jeglicher queer-feindlicher Gewalt und Diskriminierung sein und mit sämtlichen Akteur*innen Konzepte zur weiteren Sensibilisierung erarbeiten und diese bei der Umsetzung unterstützen.

 

  • Effektiver Schutz queerer Menschen durch Projekte der Gewaltprävention, der Schaffung weiterer Anlaufstellen für Gewaltopfer, der Verringerung von Angsträumen und die Erhöhung der Sicherheit queerer Menschen im öffentlichen Nahverkehr/ Haltestellen. Die U- und S-Bahnstationen im Bezirk, die bekannt sind für Gewalt, Drogen und Übergriffe (Kottbusser Tor, Görlitzer Park, Schlesisches Tor, Warschauer Str., Moritzplatz) brauchen eine ständige Präsenz von Sicherheitskräften (Polizei und privater Dienste) während der Hauptbetriebszeiten, damit die Nutzung insbesondere der Zugangswege als auch das Warten auf einen Zug ohne Angst und Übergriffe erfolgen kann.

 

  • Aufbau und Einrichtung eines "Queeren Zentrums" im Bezirk mit Angeboten für Jugendliche (queerer Jugendclub) sowie auch von Angeboten für die unterschiedlichen LGBTQI*-Communities. Viele LGBTQI*-Menschen können sich heutzutage Schutzräume nach privatwirtschaftlich organisierten Modellen (Bars/Clubs) im Bezirk aufgrund der hohen Eintritts- und Getränkepreise nicht mehr leisten. Es braucht einen Ort für Community-Treffen, Selbsthilfegruppen als auch für gesellige Abende, idealerweise auch mit Bühne für Aufführungen (z.B. für Drag- und Drag King-Shows), die queeren Menschen einen bunten Treffpunkt ermöglichen, der hilft Einsamkeit vorzubeugen und Gemeinschaft zu erleben und wo Sozialarbeiter*innen auch als Ansprechpartner*innen zur Verfügung stehen. (Ein Vorbild für ein solches Modell könnte hier der Sonntagsclub in Pankow sein). Das Dragonerareal scheint dafür einen guten Ort zu bieten.

 

  • Die Etablierung regelmäßiger Veranstaltungs- und Austauschformate für die queere Community im Bezirk zusätzlich zu Veranstaltungen während des Pride Months.

 

  • Die Umbenennung des „Bürgeramts“ in „Bürger*innenamt“.

 

  • Evaluation des Umgangs von Jugendämtern und Bildungseinrichtungen mit queeren Kindern und Jugendlichen sowie Ausweitung der Beratungs- und Hilfsangebote in Jugendämtern und Bildungseinrichtungen.

 

  • Renovierung und Anpassung von Schul-/ Bildungs-/ und Sportgebäuden/-stätten entsprechend der Diskriminierungsfreiheit. Dies beinhaltet insbesondere die Umgestaltung von Sanitäranlagen sowie die prioritäre Berücksichtigung queerer Bezüge bei der (Um-)Benennung von Schulen, Sport- und anderen öffentlichen Plätzen.

 

  • Fortführung und Erweiterung von Konzepten gegen Diskriminierung im Jugend- und Sportbereich. Sport soll konzeptionell so weiterentwickelt werden, dass LGBTIQ*-feindliche Strukturen systematisch identifiziert und abgeschafft werden. Das Bezirksamt soll erfolgreiche und etablierte Projekte strukturell und finanziell stärken sowie vorbildliche Beispiele auszeichnen. Die diskriminierungsfreie Partizipation von TIN-Personen (Trans*-, Inter-, Nonbinary-Personen) in der von ihnen gewählten Geschlechterkategorie muss sichergestellt werden. Sportveranstaltungen, egal ob im Amateur- oder Profisport, die TIN-Personen diskriminieren, etwa durch Verweis auf Hausrecht oder der Etablierung von "Dritten Ligen" ausschließlich für TIN-Personen sollten kein Platz in unserem Bezirk haben.

 

  • Erleichterung und Beschleunigung von Genehmigungsverfahren für Outdoor-Sondernutzungsflächen für Clubs als Safe Spaces für queeres Leben. Alle Clubs im Bezirk werden aktiv aufgefordert Eintritts- und Getränkepreise für Personen mit "Berlin Card S" deutlich zu rabattieren, um eine Teilhabe aller Menschen zu ermöglichen.

 

  • Die Schaffung und der Ausbau von Angeboten für ältere queere Menschen in bereits bestehenden Senior*inneneinrichtungen und Stadtteilzentren.

 

  • Etablierung einer Erinnerungskultur an queere Menschen im Bezirk, die Opfer des Nationalsozialismus waren, als auch an solche, die Besonderes aus dem Bezirk heraus geleistet haben (vgl. Rio-Reiser-Platz). Ggf. auch andere ehemalige queere Wirkungsstätten?

 

  • Mental Health ist für die LGBTQI*-Community ein wichtiges Thema. Aufgrund der kritischen Versorgungslage von Psychiater*innen und Psychotherapeut*innen braucht es einen weiteren Ausbau niederschwelliger bezirklicher Anlaufstellen. Auch die Idee der Einführung von Gesundheitskiosks in unserem Bezirk soll verfolgt werden (vgl. Modellprojekt in Hamburg), die dabei unterstützen, die richtige Hilfe zu bekommen. Die stationäre und ambulante psychiatrische Behandlung, welche für die Menschen im Bezirk verpflichtend im Urban-Krankenhaus stattfinden muss, ist bekanntermaßen nicht auf dem Stand, auf dem wir sie haben wollen. Hier muss der Bezirk sich weiter dafür einsetzen Kapazitäten zu erweitern, Wartezeiten zu verringern und ein Monitoring muss dafür aufgesetzt werden, um die Qualität deutlich zu verbessern.

 

  • Ausarbeitung und Verteilung eines Informationsblattes in digitaler und gedruckter Version zur Auslage in Ämtern und Einrichtungen.

 

  • Sollte die Prüfung einzelner Maßnahmen durch das Bezirksamt als durchführbar eingeschätzt werden, wird das Bezirksamt beauftragt diese umzusetzen und die BVV regelmäßig über den Fortschritt der Umsetzung zu informieren.

 

  • Sollte die Prüfung einzelner Maßnahme ergeben, dass diese, zum Beispiel aufgrund mangelnder finanzieller Untersetzung oder personeller Kapazitäten, nicht umgesetzt werden können, wird das Bezirksamt beauftragt, alternative Möglichkeiten zu suchen und sich unter anderem bei der Senatsverwaltung für Arbeit, Soziales, Gleichstellung, Integration, Vielfalt und Antidiskriminierung für die Umsetzung der Maßnahmen oder den Erhalt dafür notwendiger Mittel einzusetzen.

 

Begründung:

 

Viele queere Menschen finden in Friedrichshain-Kreuzberg ihren Lebensmittelpunkt und Safe Spaces. Friedrichshain-Kreuzberg ist bunt, ein vielfältiger und offener Bezirk. Dafür setzt sich die Bezirksverordnetenversammlung mit aller Kraft ein. Leider steigt seit Jahren die Gewalt gegen queere Menschen. Notwendige Anpassungen zum Schutz und der Unterstützung queerer Menschen werden nur unzureichend auf den Weg gebracht.

 

Es sollte selbstverständlich sein, dass queere Menschen im Bezirk geschützt sind und ihre Lebensentwürfe in vollem Umfang ausgestalten können. Von der Umsetzung dieses Anspruchs sind wir leider weit entfernt. Wie der jährlich erscheinende Bericht des Registers zeigt, ist die LGBTQI*-Community im Bezirk immer stärker von Angriffen, Bedrohungen, Pöbeleien, Propaganda und weiterer Gewalt betroffen. Von insgesamt 62 durch das Register erfassten Angriffen im Jahr 2023 entfällt der zweitgrößte Anteil mit 22 Angriffen auf die LGBTIQ*-Community. Im Vergleich zum Vorjahr (11 Angriffe) haben sich die Angriffe fast verdoppelt.  Die Zahlen sind alarmierend. Die Dunkelziffer nicht erfasster Angriffe ist weitaus höher. Es muss jetzt durch konkrete Maßnahmen gehandelt werden.

 

Um queeren Menschen mehr Sichtbarkeit, Schutz und Gehör zu verschaffen, muss das Bezirksamt speziell für queere Menschen aller Altersgruppen Angebote, wie ein queeres Jugendzentrum, Fortbildungen für Mitarbeitende und Träger sowie Angebote für Senior*innen uvm. schaffen und ausbauen. Durch weitere sprachliche Sensibilisierung öffentlicher Einrichtungen und der Umbenennung des Bürgeramts in „Bürger*innenamt“ bekräftigt der Bezirk seine Pflicht queeres Leben öffentlich auch sprachlich zu repräsentieren.

 

Im Bereich Sport und Bildung müssen unbedingt auch die räumlichen Ausgangsbedingungen geschaffen werden, dass queere Menschen sich sicher und wohl fühlen können. Ein entsprechender Umbau von Sanitäranlagen sowie die Schaffung von Sport- und Bildungsangeboten, die Auszeichnung und die finanzielle Unterstützung vorbildlicher Projekte ist neben den weiteren aufgezählten Maßnahmen notwendig.

 

Die vielen Clubs unseres Bezirks bieten größtenteils Safe Spaces, geschützte Räume für die queere Community. Der Bezirk soll deshalb Hürden für die Clubkultur abbauen, Genehmigungsverfahren vereinfachen und beschleunigen und zusätzliche Outdoor-Flächen nach Möglichkeit zur Verfügung stellen.

 

Mit der Prüfung und Durchführung der vorgeschlagenen und weiterer Maßnahmen kann der Bezirk den Schutz und die Unterstützung von queeren Menschen erhöhen und ein Signal über die Bezirksgrenzen hinaus setzen. Immer stärker von Diskriminierung, Gewalt und Ausgrenzung betroffene und bedrohte Menschen müssen unbedingt geschützt und unterstützt werden!

 

 

BVV 26.06.2024

Die Bezirksverordnetenversammlung beschließt:

 

Überweisung:

 

  • Jugendhilfeausschuss
  • Ausschuss für Diversity und Antidiskriminierung (federführend)

 

 
 

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