Auszug - Vorstellung und Begehung des Curt-Bejach-Gesundheitshauses durch das Bezirksamt  

 
 
Öffentliche Sitzung Ausschusses für Soziales, Arbeit und Gesundheit (SAG)
TOP: Ö 3
Gremium: Ausschuss für Soziales, Arbeit und Gesundheit Beschlussart: erledigt
Datum: Mi, 12.10.2022 Status: öffentlich
Zeit: 18:00 - 20:20 Anlass: ordentliche Sitzung
Raum: EXTERN / außer Haus (exakte Ortsangabe siehe Einladung)
Ort:
 
Wortprotokoll

Das aktuelle Gebäude ist nicht mehr das ursprüngliche, 1925 eröffnete Gesundheitshaus. Dieses wurde 1905 von der Stadt gekauft, nachdem es vorher durch das Urban-Krankenhaus genutzt worden war.
Das Hofgebäude ist noch im Original erhalten und diente ursprünglich zur Isolation von Diphterie-Kranken. Heute ist es der Standort des Kinder- und Jugendgesundheitsdienstes (KJGD).

Viele der aktuell durch das Gesundheitsamt hier ausgeübten Funktionen wurden 1925 bereits durch das Haus ausgeführt. Es galt bereits damals als eine einzigartige, sozialmedizinische Vorzeigeinstanz.

2012 wurde das Haus in Curt-Bejach-Gesundheitshaus umbenannt.
Curt Bejach war ab 1922 leitender Stadtarzt beim Gesundheitsamt Berlin-Kreuzberg. Er war Sohn jüdischer Eltern und Sozialdemokrat, weshalb er 1933 durch die Nationalsozialisten entlassen und 1944 in Auschwitz ermordet wurde.
Die Benennungsentscheidung erfolgte bewusst - einerseits zum Gedenken, andererseits aber auch als Anknüpfungspunkt an die differenzierte Gesundheitsfürsorge in der Weimarer Republik, die Bejach maßgeblich mit geprägt hat. 

Das bezirkliche Gesundheitsamt gliedert sich in 7 Fachbereiche.
Der Organisationsplan wird als Anlage zu Protokoll genommen.

Das Gesundheitsamt bemüht sich, flächendeckend in die Kitas zu gehen, um hier die (fakultativen, nicht gesetzlich vorgeschriebenen) Kitauntersuchungen vorzunehmen. Allerdings gibt es im Bezirk über 200 Kitas, sodass nicht alle abgedeckt werden können. Die Schwerpunktsetzung erfolgt daher zu Gunsten derjenigen Kitas, welche sozial stark herausgefordert sind.

Ein Schwerpunkt der Arbeit des Gesundheitsamtes liegt im Bereich KJGD bei Zuzugsuntersuchungen für Personen, die aus dem Ausland nach Berlin zuziehen.

r einige Impfungen (z.B. Masern) besteht in den Schulen eine Pflicht. Wenn die Eltern sich hiergegen weigern, bleibt die Schulpflicht dennoch aufrecht. Es wird dann jedoch ein Bußgeldverfahren eingeleitet wird. Die Zahl derer ist relativ erheblich (aktuell im dreistelligen Bereich) und betrifft sowohl Zuzüge, als auch bestehende Einwohner*innen. Dem Bußgeldverfahren wird stets das intensive Bemühen des Gesundheitsamtes vorgeschaltet, durch Ansprache und Beratungsangebote doch noch eine Impfung zu erreichen.
Das Bußgeld liegt bei 2.500€ und kann mehrfach festgesetzt werden. Es findet keine einkommensbezogene Staffelung bei der Bußgeldhöhe statt.

Die Kinderuntersuchungen des Gesundheitsamtes sind kostenfrei und erfolgen im Rahmen der Sprechstunde. Eine Warteliste gibt es nicht, aber es kommt natürlich zu Wartezeiten.

Die Säuglingsuntersuchungen umfassen auch Impfungen für nicht-versicherte Kinder. Diese sind kostenlos und erfolgen auch insofern initiativ, als beim ersten Vorsprechen der Eltern nach dem Impfpass gefragt wird.
Die Zahl der nicht-versicherten Kinder ist statistisch nicht genau erfasst. Deshalb kann nicht genau gesagt werden, ob die Kinder wegen einer zu langsam ausgestellten Geburtsurkunde oder aus anderen Gründen nicht versichert sind. Es wird seitens des Gesundheitsamtes aber eine Statistik zu den Impfungen geführt.

Das Gesundheitsamt bemüht sich im Rahmen seiner Möglichkeiten, die Angebote bekannter zu machen. Viele Menschen finden den Weg hierher aber auch durch Mund-zu-Mund-Propaganda.

Das Gesundheitsamt hat auch eigene Sozialarbeiter*innen, die auch aufsuchend tätig sind.
Es fehlt aber an Personal, sodass nur ungefähr die Hälfte aller Säuglinge bedient werden können.

Durch das Gesundheitsamt werden auch Untersuchungen im Auftrag anderer Ämter durchgeführt, beispielsweise des Schulamtes bei schulbezogenen Fragen gesundheitlicher Probleme sowie im Auftrag des Jugendamtes bei Verdacht auf eine Kindeswohlgefährdung.

Der Kinder- und Jugendgesundheitsdienst (KJGD) ist offen, Einblicke in die Arbeit seiner täglichen Berufspraxis im Rahmen der Öffnungszeiten zu geben. Seine Arbeit wird in allseitigem Einvernehmen Gegenstand einer gesonderten Sitzung des Ausschusses sein, welche gemeinsam mit dem Ausschuss für Schule und dem Jugendhilfeausschuss (JHA) zeitnah im Jahr 2023 stattfinden wird.

Der Kinder- und Jugendpsychiatrische Dienst (KJPD) gibt Stellungnahmen über mögliche Kindswohlgefährdung ab und hat auch eine Rufbereitschaft. Seit dem letzten Jahr hat der KJPD eine Steigerung seines Zulaufs für schulbezogene Beratungen um ca. 50% verzeichnet. Das Gesundheitsamt erwartet, dass dieser Zulauf in den nächsten Jahren weiterhin in dieser Höhe oder evtl. sogar steigend sein wird.

Der zahnärztliche Dienst führt überwiegend Reihenuntersuchungen, beispielsweise mit Schulklassen durch. Es werden auch Gruppenprophylaxen durchgeführt.
In diesem Bereich kommt es oft zur Feststellung von Verdachtsmomenten der Kindeswohlgefährdung. Hierdurch wird dann nach erfolgter Stellungnahme ggf. ein Verfahren eingeleitet.
hrend der Pandemie ist eine größere Lücke bei den Tätigkeiten des zahnärztlichen Dienstes entstanden. Diese beruhte überwiegend auf der Schließung der Schulen und Kitas, aber auch auf der teilweisen Einsetzung der Dienstkräfte im Rahmen der Pandemiebekämpfung.

Der Bereich Hygiene und Umweltmedizin ist für die Verhütung und Bekämpfung von bevölkerungsgefährlichen Krankheiten durch, überprüft aber auch Einrichtungen und Dienstleister, die nah am Körper arbeiten (z.B. Piercingstudios). Eine solche Überprüfung findet in den meisten Bereichen gesetzlich geregelt in regelmäßigen Abständen statt. Beispielsweise wurde in den beiden Krankenhäusern im Bezirk jede Station einmal jährlich begangen. Dieser Turnus wurde durch die Pandemie durchbrochen.
In den Krankenhäusern gibt es nach dem Krankenhausrecht eine Pflicht zur internen Supervision.
Die Aufgabe des Gesundheitsamtes liegt daher primär darin zu überprüfen, ob die Hygienekontrolleur*innen der Einrichtungen ihre Arbeit korrekt ausgeführt haben. Hierbei müssen personalbedingt Prioritätensetzungen erfolgen.
Im Nachgang der Kontrollen erfolgen nicht lediglich Sanktionen, sondern oft auch Beratungen und Empfehlungen für Verbesserungen.

Der Bereich Gastronomie wird nicht durch das Gesundheitsamt betreut, sondern durch die Veterinär- und Lebensmittelaufsicht beim Ordnungsamt.
Das Gesundheitsamt ist aber zuständig für Kontrollen bei Meldungen von Tauben- und Rattenbefall sowie den Bereich Trinkwasserkontrolle.

Die Beschäftigungspositionen (BePos) für das Pandemieteam sollen aktuell bis 31. März 2023 fortgeführt werden; allerdings hat der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg aktuell ca. 50 dieser BePos, bekäme aber nach der derzeitigen Festlegung des Senates nur 25 durch das Land finanziert.
Der Bezirk ist bislang selbst in Risiko-Vorleistung gegangen und hat alle aktuellen Beschäftigten bereits zuvor bis Jahresende verlängert. Diese Beschäftigten sind sehr divers aufgestellt, sowohl bezüglich ihres beruflichen Hintergrundes (Naturwissenschaftler*innen, Bürokräfte, u.v.m.) als auch der gesprochenen Sprachen.

Der Sozialpsychiatrische Dienst (SPDi) hat beratende und intervenierende Aufgaben, auch in Zusammenarbeit mit anderen Behörden des Landes (Polizei, Gerichte, etc.).
Die Soziale Beratung für Behinderte, chronisch kranke und alte Menschen (BfB) hat keine feste Altersgrenze, richtet sich aber hauptsächlich an alle Menschen, die einen (überwiegend körperlichen) Unterstützungsbedarf haben, der nicht durch die anderen Fachbereiche abgedeckt wird.

Die Zentren für sexuelle Gesundheit und Familienplanung sind überregional zuständig. Dort werden fachspezifische Sprechstunden für nichtversicherte Frauen und Schwangere angeboten, überwiegend zur Schwangerschaftsvor- und -nachsorge, aber auch zur Familienplanung und zur Verhütung.
Das Verhütungsmittel kann seitens der Frauen frei gewählt werden. Darüber, welches sich als geeignet erweist, findet eine individuelle und konkrete Beratung statt.

Es existiert nur eine einzige Beratungsstelle für hörbehinderte Kinder und Jugendliche. Diese hat jedoch zwei Standorte, in Neukölln sowie in Friedrichshain (derzeit wegen Sanierung auf dem Hof der Urbanstraße 24 in Kreuzberg). Diese Zentralisierung ist historisch bedingt gewachsen.

Mit Stand zum 30. Juni 2022 verfügte das Gesundheitsamt Friedrichshain-Kreuzberg über 139,13 VZÄ (ohne Pandemieteam). Der Stellenplan laut Bezirkshaushalt sieht 162,58 VZÄ vor. Einige Stellen können aktuell wegen akuten Fachkräftemangels nicht besetzt werden.
Das Gesundheitsamt Friedrichshain-Kreuzberg ist familienfreundlich orientiert. Deshalb arbeitet eine große Zahl an Beschäftigten in Teilzeit.
Laut Planung für das Mustergesundheitsamt (Stand: 3. Bericht, 2017) sollte das Gesundheitsamt Friedrichshain-Kreuzberg über 170,18 VZÄ verfügen.
Das Mustergesundheitsamt wurde angesichts der Pandemie aus fachlicher Sicht noch einmal überprüft und neu gedacht. Der politische Prozess hierfür muss allerdings noch abgeschlossen werden.

Im Gesundheitsamt Friedrichshain-Kreuzberg kann die Facharztausbildung für öffentliches Gesundheitswesen absolviert werden. Der Leiter des Gesundheitsamtes, Herr Dr. Graubner, hat hierfür ebenso wie sein Vorgänger die entsprechende Berechtigung.
Deutschlandweit sind mehr als die Hälfte aller Fachärzt*innen für öffentliches Gesundheitswesen über 60 Jahre alt. Drei Berliner Bezirke haben schon länger keine Amtsleitung mehr.

Der Standort Friedrichshain (Koppenstraße 38 40) wird derzeit saniert. Die dortigen Dienste sind bis zum Abschluss der Sanierung auf mehrere Standorte in Friedrichhain und Kreuzberg verteilt, unter anderem das Dienstgebäude Petersburger Straße und das Rathaus Friedrichshain-Kreuzberg an der Frankfurter Allee.
Der Rückzug in die Koppenstraße wird wohl nicht vor 2024 erfolgen können. Die Baumaßnahmen schreiten aber voran.

Der Standort Urbanstraße wurde kürzlich mit der Serviceeinheit Facility Management begangen. Hierbei wurden Perspektiven für bauliche Maßnahmen erörtert, insbesondere zur Schaffung weiterer Räumlichkeiten. Aktuell wird viel in Wechselmodellen gearbeitet das heißt, dass die Beschäftigten überwiegend keine festen Arbeitsplätze mehr haben, sondern rotierend dort arbeiten, wo ein Schreibtisch frei ist.

 

Auf Nachfragen:

Die Einschulungsuntersuchungen für 2022 konnten erneut vollständig gewährleistet werden. Dies war bisher nur 2020 nicht der Fall, weil die Bekämpfung der Pandemie erhebliche Ressourcen gebunden hat.
Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg hat als Erster eigenes Personal für die Pandemiebekämpfung eingestellt. So konnte der Weiterbetrieb aller Dienste des Gesundheitsamtes gewährleistet werden.

Anlagen:  
  Nr. Name    
Anlage 1 1 Organisationsplan Gesundheitsamt (2202 KB)      
 
 

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