Auszug - Vorstellung des Kulturvereins südost Europa (Frau Bosiljka Schedlich und KollegInnen)  

 
 
Öffentliche Sitzung des Ausschusses für Integration und Migration
TOP: Ö 3
Gremium: Integration und Migration Beschlussart: im Ausschuss abgelehnt
Datum: Do, 19.06.2008 Status: öffentlich
Zeit: 17:00 - 20:30 Anlass: ordentliche Sitzung
 
Wortprotokoll
Beschluss

Der südost Europa Kultur e

Der südost Europa Kultur e.V. wurde 1991 als Verein zur Förderung deutsch-südosteuropäischer Kulturbeziehungen gegründet, als Jugoslawien zusehends in einen Krieg schlitterte. Damals wurde der Dialog zwischen den Bevölkerungsgruppen aus dem ehemaligen Jugoslawien wie auch aus anderen südosteuropäischen Ländern immer schwieriger. „Das Dolmetschen misslang, obwohl alle die gleiche Sprache sprachen“.

Vor diesem Hintergrund hat der Verein sich zum Ziel gesetzt, ein Forum zu sein für vielfältige Formen des Austauschs und die Entwicklung von Perspektiven für ein friedliches Zusammenleben. Dies kann und soll auch auf die Situation und die Diskussion in den Heimatländern ausstrahlen. Um einen derart nationen-übergreifenden und integrativen Dialog zu erreichen, wendet sich der Verein mit seinem Programm und seinen Aktivitäten an unterschiedliche Zielgruppen und ist bemüht, sensibel auf die spezifischen Wünsche, Bedürfnisse, Erwartungen und Interessen der Gruppen einzugehen.

Ein großes Gewicht hat darin die behutsame Arbeit mit den Menschen angenommen, die unter zum Teil schwersten Kriegstraumatisierungen leiden. Der Verein hat auch einen entscheidenden Beitrag dazu geleistet, dass sowohl die traumatischen Erfahrungen der Kriegsflüchtlinge von der deutschen Öffentlichkeit ernster genommen werden, wie auch dazu, dass die Traumabehandlung als Thema in Forschung und psychologischer Ausbildung überhaupt etabliert werden konnte. In der Praxis leistet der Verein neben der Betreuung von Traumatisierten und der Vermittlung von bisher insgesamt 250 Therapien auch Rechtsberatung, psychologische Beratung und bietet Sprach- und Integrationskurse oder spezielle Projekte für Roma-Kinder an.

All diese praktischen Projekte mit Flüchtlingen, wie auch die Interkulturellen Gärten, dienen dem Bau von Brücken zwischen der Kultur Berlins bzw. Deutschlands und den Kulturen der verschiedenen südosteuropäischen Herkunftsregionen, aus denen die Menschen stammen, für die der Verein arbeitet. Das sind Brücken zwischen zwei ihrerseits buntgemischten Geografien: zwischen Berlin und dem Balkan, einem Balkan mit Albanern, Rumänen, Serben, Kroaten, Bulgaren, Griechen, Muslimen, Mazedoniern und Zinzaren, Ruthenen, Slowaken, Deutschen und Russen, mit Dörfern, in denen bis zu zwanzig verschiedene Nationalitäten zusammenleben. Der Verein will auch Brücken bauen zwischen Frauen und Männern, zwischen Kindern und Erwachsenen, zwischen Jungen und Alten, Mächtigen und Randgruppen.

Seit 1992 wurde das südost-Zentrum zu einem Treffpunkt aller kulturellen Kräfte, die im europäischen Kontext gemeinsam über nationalistische Propaganda aufklären und ihr wirksam entgegentreten. Die Förderung und Entwicklung von Toleranz und Verständigung zwischen den unterschiedlichen nationalen und religiösen Gruppen ist für den Frieden von größter Bedeutung. Der damals eskalierende Krieg im ehemaligen Jugoslawien verdeutlichte dies schmerzlich. Er verstärkte die Energien, etwas Konstruktives zu tun.

Während der Kriege im ehemaligen Jugoslawien und in den ersten Jahren danach bestand das vorrangige Ziel der Arbeit im südost Europa Kultur e.V. darin, Kriegsflüchtlingen aus Kroatien, Bosnien-Herzegowina und dem Kosovo, deren Kriegserfahrungen häufig zu schwerem psychischen Leiden führten, verschiedenartige Möglichkeiten zu bieten, im Austausch mit anderen für sich und ihre Familien eine neue und lebenswerte Perspektive zu entwickeln. Das war in Berlin recht schwierig, denn Flüchtlinge durften nicht arbeiten, sie konnten keinen Beruf erlernen, sie mussten in beengten Wohnheimen leben. Sie sollten in ihre Heimat zurückkehren, obwohl die Situation dieses größtenteils gar nicht erlaubte.

Daher war auch die Kritik der deutschen Flüchtlingspolitik notwendig. Die Zusammenarbeit mit vielen anderen Organisationen und Einrichtungen begann und eine breitere Öffentlichkeit wurde hergestellt. Fachschulen wurden eingerichtet, die Arbeit mit Traumatisierten musste von Grund auf erst aufgebaut werden - beides mit viel Engagement und fast ohne Mittel. Auch die Gründung der Stiftung Überbrücken gehört dazu, die sich in einem globalen Kontext mit Traumafolgen befasst. Wichtig sind auch die Projekte, in denen daran gearbeitet wird, dass die Weitergabe von Traumafolgen und Ängsten durch die Eltern an ihre Kinder unterbrochen wird. Dazu gehört insbesondere auch die Auseinandersetzung mit den gegenseitigen ethnisierten Fremd- und Feindbildern in Ex-Jugoslawien.

Seit Juli 2008 läuft ein Projekt über gewalttätige Männer, für das die Landeskommission gegen Gewalt die Mittel bewilligt hat (Zur Erinnerung: auch der Ausschuss hatte in 2007 bei der Debatte über den Senatsbericht über Gewalt den Punkt ausdrücklich positiv hervorgehoben, dass hier endlich auch deutlich der Zusammenhang von Gewaltbereitschaft und Erfahrungen erlittener Gewalt nicht nur in familiären Zusammenhängen, sondern auch in solchen von Krieg und Verfolgung analysiert wurde).

Seit 1997 wirkt der Verein auch direkt in Südosteuropa. Die Arbeit zielt auch dort vorrangig darauf, Foren für einen Austausch zu schaffen, in dem Perspektiven für ein friedliches Zusammenleben entwickelt werden können. An vier Orten (Novi Grad/Bosanski Novi, Teslić, Odžak und Bijeljina) wurden Büros für Menschenrechte und Demokratie eingerichtet, die von dem Verein „Pons“ weitergeführt werden, dessen Mitglieder ehemalige Mitarbeiter des südost-Zentrums sind. südost ist nach wie vor in Bijeljina und zusätzlich in Živinice mit dem Projekt „Schule für Roma-Kinder“ aktiv.

Kultur, Beratung und Therapie sind die drei Stichworte, unter denen das Gesamtspektrum der Aktivitäten von südost Europa zusammengefasst werden können. In Berlin entwickelt der Verein regelmäßig vielfältige kulturelle Veranstaltungsprogramme (mit Ausstellungen, Vortragsreihen etc.) und trägt zahlreiche Projekte, in denen das Kulturelle mehr ist als ein Werk oder eine Aufführung, es ist vielmehr „die Art der Verständigung, ein Fluidum zwischen den Menschen“, wie Frau Schedlich es formulierte. Ein anschauliches Beispiel dafür ist der vom Verein initiierte Interkulturelle Garten am Gleisdreieck: Von den 3 500 qm sind 650 qm in kleine Beete aufgeteilt, die restliche Fläche stellt eine Gemeinschaftsfläche dar, wo Menschen aus verschiedenen Regionen der Welt die Pflanzen so kultivieren, wie es an ihren Herkunftsorten typisch ist, alles gemeinsam gestalten, sich einen Ort der Begegnung schaffen, Kindergärten einladen etc. und  - um noch einmal aus dem eindrucksvollen Vortrag von Frau Schedlich zu zitieren - nicht nur die Pflanzen, sondern „auch ihre menschlichen Beziehungen pflegen“.

Die Ausschussmitglieder stellen zahlreiche Nachfragen und es entspinnt sich eine lebhafte Diskussion. Nachzutragen bleibt noch, dass der Verein südost Europa Kultur e.V. Träger der Louise-Schröder-Medaille für Demokratie, Frieden, soziale Gerechtigkeit und Gleichstellung von Frauen und Männern ist.

 



 

 

Es wird folgender Beschluss gefasst:

Es wird folgender Beschluss gefasst:

 

 

 
 

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