Auszug - Vorstellung des Kulturvereins südost Europa (Frau Bosiljka Schedlich und KollegInnen)
Der südost
Europa Kultur e.V. wurde 1991 als Verein zur
Förderung deutsch-südosteuropäischer Kulturbeziehungen gegründet, als
Jugoslawien zusehends in einen Krieg schlitterte. Damals wurde der Dialog
zwischen den Bevölkerungsgruppen aus dem ehemaligen Jugoslawien wie auch aus
anderen südosteuropäischen Ländern immer schwieriger. „Das Dolmetschen
misslang, obwohl alle die gleiche Sprache sprachen“. Vor
diesem Hintergrund hat der Verein sich zum Ziel gesetzt, ein Forum zu sein für
vielfältige Formen des Austauschs und die Entwicklung von Perspektiven für ein
friedliches Zusammenleben. Dies kann und soll auch auf die Situation und die
Diskussion in den Heimatländern ausstrahlen. Um einen derart
nationen-übergreifenden und integrativen Dialog zu erreichen, wendet sich der
Verein mit seinem Programm und seinen Aktivitäten an unterschiedliche
Zielgruppen und ist bemüht, sensibel auf die spezifischen Wünsche, Bedürfnisse,
Erwartungen und Interessen der Gruppen einzugehen. Ein großes Gewicht hat
darin die behutsame Arbeit mit den Menschen angenommen, die unter zum Teil
schwersten Kriegstraumatisierungen leiden. Der Verein hat auch einen
entscheidenden Beitrag dazu geleistet, dass sowohl die traumatischen
Erfahrungen der Kriegsflüchtlinge von der deutschen Öffentlichkeit ernster
genommen werden, wie auch dazu, dass die Traumabehandlung als Thema in
Forschung und psychologischer Ausbildung überhaupt etabliert werden konnte. In
der Praxis leistet der Verein neben der Betreuung von Traumatisierten und der
Vermittlung von bisher insgesamt 250 Therapien auch Rechtsberatung,
psychologische Beratung und bietet Sprach- und Integrationskurse oder spezielle
Projekte für Roma-Kinder an. All diese praktischen
Projekte mit Flüchtlingen, wie auch die Interkulturellen Gärten, dienen dem Bau
von Brücken zwischen der Kultur Berlins bzw. Deutschlands und den Kulturen der
verschiedenen südosteuropäischen Herkunftsregionen, aus denen die Menschen
stammen, für die der Verein arbeitet. Das sind Brücken zwischen zwei ihrerseits
buntgemischten Geografien: zwischen Berlin und dem Balkan, einem Balkan mit
Albanern, Rumänen, Serben, Kroaten, Bulgaren, Griechen, Muslimen, Mazedoniern
und Zinzaren, Ruthenen, Slowaken, Deutschen und Russen, mit Dörfern, in denen
bis zu zwanzig verschiedene Nationalitäten zusammenleben. Der Verein will auch
Brücken bauen zwischen Frauen und Männern, zwischen Kindern und Erwachsenen,
zwischen Jungen und Alten, Mächtigen und Randgruppen. Seit 1992 wurde das südost-Zentrum zu einem Treffpunkt aller kulturellen
Kräfte, die im europäischen Kontext gemeinsam über nationalistische Propaganda
aufklären und ihr wirksam entgegentreten. Die Förderung und Entwicklung von
Toleranz und Verständigung zwischen den unterschiedlichen nationalen und
religiösen Gruppen ist für den Frieden von größter Bedeutung. Der damals
eskalierende Krieg im ehemaligen Jugoslawien verdeutlichte dies schmerzlich. Er
verstärkte die Energien, etwas Konstruktives zu tun. Während der Kriege im
ehemaligen Jugoslawien und in den ersten Jahren danach bestand das vorrangige
Ziel der Arbeit im südost Europa Kultur e.V.
darin, Kriegsflüchtlingen aus Kroatien, Bosnien-Herzegowina und dem Kosovo,
deren Kriegserfahrungen häufig zu schwerem psychischen Leiden führten,
verschiedenartige Möglichkeiten zu bieten, im Austausch mit anderen für sich
und ihre Familien eine neue und lebenswerte Perspektive zu entwickeln. Das war
in Berlin recht schwierig, denn Flüchtlinge durften nicht arbeiten, sie konnten
keinen Beruf erlernen, sie mussten in beengten Wohnheimen leben. Sie sollten in
ihre Heimat zurückkehren, obwohl die Situation dieses größtenteils gar nicht
erlaubte. Daher war auch die Kritik
der deutschen Flüchtlingspolitik notwendig. Die Zusammenarbeit mit vielen
anderen Organisationen und Einrichtungen begann und eine breitere
Öffentlichkeit wurde hergestellt. Fachschulen wurden eingerichtet, die Arbeit
mit Traumatisierten musste von Grund auf erst aufgebaut werden - beides mit
viel Engagement und fast ohne Mittel. Auch die Gründung der Stiftung
Überbrücken gehört dazu, die sich in einem globalen Kontext mit Traumafolgen
befasst. Wichtig sind auch die Projekte, in denen daran gearbeitet wird, dass
die Weitergabe von Traumafolgen und Ängsten durch die Eltern an ihre Kinder
unterbrochen wird. Dazu gehört insbesondere auch die Auseinandersetzung mit den
gegenseitigen ethnisierten Fremd- und Feindbildern in Ex-Jugoslawien. Seit Juli 2008 läuft ein
Projekt über gewalttätige Männer, für das die Landeskommission gegen Gewalt die
Mittel bewilligt hat (Zur Erinnerung: auch der Ausschuss hatte in 2007 bei der
Debatte über den Senatsbericht über Gewalt den Punkt ausdrücklich positiv
hervorgehoben, dass hier endlich auch deutlich der Zusammenhang von
Gewaltbereitschaft und Erfahrungen erlittener Gewalt nicht nur in familiären
Zusammenhängen, sondern auch in solchen von Krieg und Verfolgung analysiert
wurde). Seit 1997 wirkt der Verein
auch direkt in Südosteuropa. Die Arbeit zielt auch dort vorrangig darauf, Foren
für einen Austausch zu schaffen, in dem Perspektiven für ein friedliches Zusammenleben
entwickelt werden können. An vier Orten (Novi Grad/Bosanski Novi, Teslić, Odžak
und Bijeljina) wurden Büros für Menschenrechte und Demokratie eingerichtet, die
von dem Verein „Pons“ weitergeführt werden, dessen Mitglieder ehemalige
Mitarbeiter des südost-Zentrums sind. südost ist nach wie vor in Bijeljina und zusätzlich in
Živinice mit dem Projekt „Schule für Roma-Kinder“ aktiv. Kultur, Beratung und Therapie sind die drei Stichworte, unter denen das Gesamtspektrum der Aktivitäten von südost Europa zusammengefasst werden können. In Berlin entwickelt der Verein regelmäßig vielfältige kulturelle Veranstaltungsprogramme (mit Ausstellungen, Vortragsreihen etc.) und trägt zahlreiche Projekte, in denen das Kulturelle mehr ist als ein Werk oder eine Aufführung, es ist vielmehr „die Art der Verständigung, ein Fluidum zwischen den Menschen“, wie Frau Schedlich es formulierte. Ein anschauliches Beispiel dafür ist der vom Verein initiierte Interkulturelle Garten am Gleisdreieck: Von den 3 500 qm sind 650 qm in kleine Beete aufgeteilt, die restliche Fläche stellt eine Gemeinschaftsfläche dar, wo Menschen aus verschiedenen Regionen der Welt die Pflanzen so kultivieren, wie es an ihren Herkunftsorten typisch ist, alles gemeinsam gestalten, sich einen Ort der Begegnung schaffen, Kindergärten einladen etc. und - um noch einmal aus dem eindrucksvollen Vortrag von Frau Schedlich zu zitieren - nicht nur die Pflanzen, sondern „auch ihre menschlichen Beziehungen pflegen“. Die Ausschussmitglieder stellen zahlreiche Nachfragen und es entspinnt sich
eine lebhafte Diskussion. Nachzutragen bleibt noch, dass der Verein südost Europa
Kultur e.V. Träger der Louise-Schröder-Medaille für Demokratie, Frieden,
soziale Gerechtigkeit und Gleichstellung von Frauen und Männern ist. Es wird
folgender Beschluss gefasst: |
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