Drucksache - 1579/5  

 
 
Betreff: Ergebnisse des Monitorings soziale Stadtentwicklung
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:Fraktion Bündnis 90/Die Grünen 
Verfasser:Kempf/Wapler/Kaas Elias/Gusy 
Drucksache-Art:Große AnfrageGroße Anfrage
Beratungsfolge:
Bezirksverordnetenversammlung Beratung
18.06.2020 
46. Öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin Besucher möchten sich bitte per Mail im BV-Büro anmelden schriftlich beantwortet   

Sachverhalt
Anlagen:
Große Anfrage
Große Anfrage - Beantwortung

Sehr geehrte Frau Vorsteherin,

das Bezirksamt beantwortet die o.g. Anfrage wie folgt:

 

  1. Wie bewertet das Bezirksamt die Ergebnisse des Monitorings soziale Stadtentwicklung für den Bezirk?

 

Mit dem Monitoring Soziale Stadtentwicklung Berlin (MSS) wird die sozialstrukturelle Entwicklung der Teilräume Berlins auf der kleinräumigen Ebene der Planungsräume (PLR) Berlins analysiert und seit 1998 im zweijährigen Rhythmus als kontinuierliches Stadtbeobachtungssystem der sozialräumlichen Entwicklung fortgeschrieben. Das Monitoring Soziale Stadtentwicklung (MSS) 2019 betrachtet die drei Indikatoren

 

a) Anteil der Arbeitslosen nach SGB II an den 15 – 65-Jährigen,

b) Anteil der Transferleistungsbeziehenden nach SGB II und SGB XII und

c) Anteil der Kinder und Jugendlichen unter 15 Jahren in Bedarfsgemeinschaften nach SGB II an den unter 15-Jährigen

 

hinsichtlich des aktuellen Status und der zeitlichen Entwicklung und führt diese im Gesamtindex Soziale Ungleichheit zusammen.

 

Im Vergleich der Ergebnisse mit denen aus dem Jahr 2017 sind die Werte der drei Status-Indikatoren gesamtstädtisch sowie auch für Charlottenburg-Wilmersdorf im Mittel gesunken, d.h. die soziale Benachteiligung hat abgenommen. Insgesamt zeigen die Mehrzahl der PLR einen mittleren Statusindex bei stabiler Dynamik. Der PLR Schlossgarten zeigt als einziger eine positive Dynamik; die PLR Park Ruhwald, Droysenstraße und Rathaus Wilmersdorf bei mittlerem Status eine negative Dynamik. Die im Südwesten liegenden PLR zeigen einen hohen Statusindex bei stabiler Dynamik. Kumulierte soziale Problemlagen zeigen sich, ähnlich zu früheren Ergebnissen des MSS, für die Paul-Hertz-Siedlung (Status sehr niedrig, Dynamik stabil) und die Jungfernheide (Status niedrig, Dynamik stabil). Mit dem MSS 2019 verzeichnet der PLR Plötzensee einen Status-Klassen-Wechsel von mittel zu sehr niedrig bei gleichbleibend negativer Dynamik. Als Gebiete mit besonderem Aufmerksamkeitsbedarf gelten die Planungsräume Plötzensee und Paul-Hertz-Siedlung. Während der Planungsraum Paul-Hertz-Siedlung bereits im MSS 2017 als Gebiet mit besonderem Aufmerksamkeitsbedarf identifiziert wurde, kam mit MSS 2019 der Planungsraum Plötzensee neu hinzu. Während der Gesamtindex im MSS 2017 für diesen Planungsraum noch bei 2- lag, wurde im MSS 2019 ein Gesamtindex von 4- diagnostiziert. Die nähere Betrachtung der dem MSS zugrundeliegenden Tabellen zeigt eine überdurchschnittliche, bis signifikante Erhöhung der Indexindikatoren, die zu dieser negativen Einschätzung geführt hat. Während sich die Indexindikatoren Arbeitslosigkeit und Transferbezug überdurchschnittlich erhöht haben, ist im Bereich der Kinderarmut eine signifikante Erhöhung zu beobachten. Dies weist auf eine größere soziale Belastung für den Planungsraum Plötzensee hin.

 

  1. Wie erklärt das Bezirksamt die schlechte Entwicklung für die Planungsregion Plötzensee?

 

Beim Planungsraum Plötzensee handelt es sich um ein Gebiet mit einer vergleichsweisen niedrigen Einwohnerzahl. Im untersuchten Planungsraum waren zum Stichtag 31.12.2018 lediglich 812 Einwohner*innen gemeldet. Dies entspricht 0,24% der Gesamteinwohnerzahl des Bezirks. Darunter sind 100 Kinder und Jugendliche unter 15 Jahren. Schon einzelne familiäre Veränderungen wirken sich also entsprechend signifikant auf den Status-Index der Kinderarmut aus.

 

Der PLR Plötzensee umfasst Industriegebiet, Kleingartenanlagen, die Justizvollzugsanstalt und Jugendstrafanstalt sowie Wohnbebauung. Alle drei Status-Indikatoren Arbeitslosigkeit, Transferleistungsbezug und Kinderarmut haben hier zugenommen. Insgesamt lässt sich für den PLR ein Rückgang des Bevölkerungsanteils zwischen Ende 2016 und Ende 2018 um 9% beschreiben. Dabei ist bei insgesamt gleichbleibenden Anteil der Ausländer*innen (36%) und Einwohner*innen mit Migrationshintergrund (42%) der Anteil der unter 18-Jährigen mit Migrationshintergrund gestiegen. Gleichzeitig hat die Jugendarbeitslosigkeit und der Anteil ausländischer Transferbeziehenden zugenommen. Kausale Zusammenhänge für diese aktuelle Entwicklung sind nicht eindeutig darstellbar.

 

Einen möglichen – aber an dieser Stelle nicht nachweisbaren – Einfluss auf den gesunkenen Gesamtindex könnte ein im PLR verortetes Wohnheim der sozialen Wohnhilfe haben: Im Beobachtungszeitraum 2017 bis 2018 des MSS 2019 hatte dieses zum einen seine Kapazitäten erweitert. Die Belegung erfolgte vermehrt mit Familien mit Transferleistungsbezug. Zum anderen wurden Bewohner*innen, die im Beobachtungszeitraum in andere Planungsräume fortgezogen sind, nicht immer zeitnah beim Einwohnermeldeamt umgemeldet. Die Abmeldung von ca. 60 Personen erfolgte erst verzögert im Jahr 2019. Durch die verzögerten Abmeldungen im Jahr 2019 lässt sich vermuten, dass sich der Gesamtindex in 2019 tendenziell leicht verbessert zeigt.

 

  1. Welche Maßnahmen wurden in den Planungsregionen mit unterdurch-schnittlicher Dynamik unternommen, besonders in der Paul-Herz-Siedlung und Plötzensee?

 

Die unterdurchschnittliche Dynamik in der Paul-Hertz-Siedlung ist dem Bezirksamt seit langem bekannt. Seit 2013 wurde eine Stadtteilkoordination von Seiten der Abteilung Stadtentwicklung, Bauen und Umwelt beauftragt. Dies mit dem Ziel erfolgt, die Kräfte zu bündeln, Netzwerke zu schaffen, ehrenamtliches Engagement zu fördern und somit eine positive Wirkung zu entfalten. Das Stadtteilmanagement konzentriert sich mit der von ihr beauftragten Stadtteilkoordination in ihren Aktivitäten nicht auf den Planungsraum Plötzensee, sondern auf die Planungsräume Jungfernheide und Paul-Hertz-Siedlung.

 

Mit Beschluss im Jahre 2017 wurde die Bezirksregion Charlottenburger Norden als Stadtumbaugebiet beschlossen. Das Programm ist der Abteilung Personal und Finanzen/Sozialräumliche Planungskoordination (SPK) zugeordnet. Seitdem stehen Mittel aus dem Förderprogramm „Wachstum und nachhaltige Erneuerung“ (vormals Stadtumbau West) zur Verfügung. Die Gesamtkosten belaufen sich gemäß bestätigter Kofinanzierungsübersicht auf 116.876.000,00 Euro, davon finanziert aus Stadtumbau ca. 40.000.000,00 Euro (Stand 2019). Im Rahmen des Förderprogramms werden eine Vielzahl von Maßnahmen und Projekten innerhalb der Stadtumbaukulisse (gesamte Bezirksregion) umgesetzt. Erfolgreich abgeschlossen ist – nach dessen Umzug vom Halemweg - bereits die wichtige Maßnahme „Familienzentrum Heckerdamm“. In konkreter Umsetzung befindet sich das Projekt „Umbau Spiel- und Bolzplatz Klausingring“ in enger Abstimmung mit dem vor Ort tätigen Träger Lisa e.V. mit dem Projekt Jackie (Aufsuchende Mädchenarbeit).

 

Die Abteilung Soziales und Gesundheit hat sich 2018 mit dem lokalen Stadtteilzentrum, Familienzentrum und dem Pflegestützpunkt im Netzwerk „Gesunde Nachbarschaft – Gemeinsam in Charlottenburg-Nord“ zusammengefunden. Seither werden verstärkt gesundheitsbezogene, lebensweltliche Zusammenhänge in der Bezirksregion in den Blick genommen und Ansätze zur Gesundheitsförderung entwickelt. Weiterhin konnte das Stadtteilzentrum Halemweg seine Angebote in Kooperation mit der Gewobag auch auf die Kiezstube in der Paul-Hertz-Siedlung ausweiten. Mit Blick auf die soziale Lage und vergleichsweise hohe Armutsgefährdung von Kindern wurde 2016 in Charlottenburg-Nord der Prozess „Gesund Aufwachsen“ initiiert. Ziel ist der Aufbau von integrierten kommunalen Strategien zur Gesundheitsförderung und Prävention, den sogenannten Präventionsketten. Dafür wurde 2017 durch Studierende der Charité eine Bedarfsabfrage bei der Zielgruppe Familien durchgeführt auf deren Grundlage weitere Vernetzungen und Handlungsstrategien, u.a. im Bereich Bewegungsförderung, angestrebt sind. Für die nachhaltige strukturelle Integration von Präventionsketten im Bezirk werden aktuell Gesundheitsziele entwickelt. Die gesamte Bezirksregion Charlottenburg-Nord steht dabei auch zukünftig als eine Schwerpunktregion im Fokus von Maßnahmen im Rahmen der Gesundheitszieleprozesse „Gesund Aufwachsen“ und „Gesund Älter werden“.

 

Ab 2020 ist die Paul-Hertz-Siedlung erfreulicherweise zudem Teil der Förderkulisse „Zivilgesellschaftliches Engagement in Großsiedlungen“ (Koordination SPK).

 

Die umgesetzten Maßnahmen entfalten bereits jetzt Wirkung. Im MSS 2019 ist für die Indikatoren Arbeitslose und Kinderarmut eine Verbesserung in den PLR Paul-Hertz-Siedlung und Jungfernheide eingetreten. Gegenüber 2016 verringerten sich in der Paul-Hertz-Siedlung der Dynamik-Indikator Anteil Arbeitslose gegenüber dem Gesamtberliner Durchschnitt um -1,5%, in der Jungfernheide um -1,75% (Berlin: -0,97%) und der Dynamik-Indikator Kinderarmut um -3,88% (Berlin: -1,43%). Ob sich dies so fortsetzt, bleibt angesichts der Folgen der Corona-Pandemie abzuwarten.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Naumann

 

 
 

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