Drucksache - 0011/4
Die BVV hat in ihrer Sitzung am 17.11.2011 Folgendes beschlossen:
Das Bezirksamt wird aufgefordert, die Öffnungszeiten der Wahllokale für die Wahl zur Seniorenvertretung zukünftig in Zusammenwirken mit der Seniorenvertretung soweit einzurichten, dass auch berufstätige Frauen und Männer unseres Bezirkes, die das 60. Lebensjahr vollendet haben, problemlos an den Wahlen teilnehmen können.
Der BVV ist bis zum 31.01.2012 zu berichten.
Das Bezirksamt teilt dazu mit:
Das Bezirksamt hat bereits bei der Wahl zur Seniorenvertretung im November 2011 Wahlmöglichkeiten für Berufstätige angeboten. So gab es am 09.11.2011 die Möglichkeit für Berufstätige in der Seniorenfreizeitstätte in der Cunostraße 1 in 14199 Berlin bis 19 Uhr zu wählen.
Das Bezirksamt wird dieses Angebot auch bei der nächsten Wahl für die Seniorenvertretung, die nach derzeitigen gesetzlichen Grundlagen im Jahr 2016 stattfinden wird, beibehalten.
Weitere Veränderungen, die im Vorfeld der jetzigen Wahlen auch im parlamentarischen und außerparlamentarischen Raum diskutiert wurden und auch vom Bezirksamt in einer überbezirklichen Arbeitsgruppe bei der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales als sinnvoll unterstützt wurden, konnten nicht vollständig umgesetzt werden. Die Novellierung des Seniorenmitwirkungsgesetzes wurde am 20.05.2011 beschlossen. In Bezug auf die Organisation und Durchführungen der Wahl im November 2011 hat sich u.a. folgende Änderung ergeben. In der alten Gesetzesfassung musste das Bezirksamt in „einer öffentlichen Veranstaltung“ die Wahl durchführen. In der Änderung vom 20.05.2011 hat das Bezirksamt nun in der 8. KW nach der Wahl der Bezirksverordnetenversammlung an mindestens drei und höchstens fünf aufeinander folgenden öffentlichen Versammlungen an unterschiedlichen Orten eine Wahl durchzuführen, aus denen eine Vorschlagsliste zur Berufung in die Seniorenvertretung erstellt wird.
Die Forderungen, dass die Seniorenvertretungswahlen zusammen mit der Abgeordnetenhauswahl stattfinden, die Möglichkeit einer Briefwahl, eines Einladungsschreiben und/oder mobile Wahllokale in Erwägung gezogen werden sollten, wurden weder im Gesetz noch in den Verwaltungsvorschriften umgesetzt. Von Seiten der Senatsverwaltungen Inneres und Justiz wurde festgestellt, dass die Zuordnung zur Abgeordnetenhauswahl aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht möglich sei, da es sich bei der „Wahl“ zur Seniorenvertretung um keine unmittelbare Wahl handelt, sondern um die „Ermittlung von Berufungsvorschlägen“. Die Beseitigung der Trennung zwischen demokratisch gewählten Vertreterinnen und Vertretern des Abgeordnetenhauses bzw. der Bezirksverordnetenversammlung und Interessenvertreterinnen wird als nicht akzeptabel bewertet.
Eine Briefwahl bzw. ein Einladungsschreiben würde bei der Anzahl von Wahlberechtigten von derzeit rund 850 Tausend Personen berlinweit (in Charlottenburg-Wilmersdorf: 92 Tsd. Personen) einen Kostenaufwand von mindestens einer halben Million Euro (in Charlottenburg-Wilmersdorf: 52 Tsd. Euro) nach sich ziehen.
Um die Menschen mit Migrationshintergrund zu erreichen, erscheint es sinnvoll Werbematerialien mehrsprachig aufzulegen, was wiederum den Kostenaufwand aufgrund der erforderlichen Übersetzungen erhöhen würde.
Von der Friedrich-Ebert-Stiftung wurde 2011 ein Gutachten zum Berliner Seniorenmitwirkungsgesetz vorgestellt. (1) Die geringe Wahlbeteiligung wird hier vor allem der Unkenntnis der Wahlberechtigten über die Wahl an sich und der Unklarheit über das „Wozu“ zugeschrieben. Die Menschen wüssten nichts oder nur sehr wenig über die Aufgaben, Möglichkeiten und Einflussnahme der Seniorenvertretungen. „Der Wahlcharakter der Wahl zu den bezirklichen Seniorenvertretungen erschließt sich den Wahlberechtigten nicht, ….“(2)
Im Gutachten werden verschiedene Hinweise gegeben, die zur Erhöhung der Wahlbeteiligung und damit zur Legitimation der Seniorenvertretungen aus Sicht der Gutachterinnen beitragen könnten: · Abhaltung der Wahl parallel zu den BVV Wahlen · mehrere, eventuell zeitlich parallele Wahlveranstaltungen · mehrer Wahllokale · mobile Wahlurnen (für Menschen die aufgrund von Krankheit immobil sind) · internet-basierte Abstimmungsformen
Die Vorschläge können vom Bezirksamt nicht umgesetzt werden. Im Hinblick auf die finanziellen und personellen Kapazitäten und Ressourcen ist eine Ausweitung und Verstärkung der Maßnahmen zur Wahl nur sehr eingeschränkt möglich.
Die Zulassung von mehreren Wahllokalen, mobilen Wahlurnen o.ä. würde die derzeitigen Personalressourcen sprengen. Ob dadurch eine höhere Wahlbeteiligung erreicht werden würde, ist zudem fraglich. Im Gutachten der Friedrich-Ebert-Stiftung wird eine Berechnung vorgestellt, „dass schon bei einer Wahlbeteiligung von 10% die Abhaltung nur einer Wahlversammlung unmöglich wäre…. Entsprechend einer Wahlbeteiligung wären bei 10% Wahlbeteiligung Versammlungen für 5000 bis 8000 Teilnehmenden auszurichten.“ (3)
Die Zeiträume und die Intensität für die Werbekampagnen, sowohl für die Kandidatinnen und Kandidaten als auch für die Wahl selbst muss erhöht werden. Hier ist es erforderlich die Medien, Presse, Funk und Fernsehen mehr für dieses Thema zu gewinnen. Das Bezirksamt hat im Rahmen der Verwaltungsvorschriften seine Aufgaben erfüllt.
Die Wahlbeteiligung für die Wahlen der Seniorenvertretungen hat sich im Bezirk im Jahr 2011 im Verhältnis zur Wahl 2006 zwar verdoppelt, insgesamt wird jedoch eine landesweite Wahlbeteilung von 0,61% der insgesamt 848.929 Wahlberechtigten vom Bezirksamt als nicht ausreichend angesehen. Die Steigerung der Wahlbeteiligung ist allerdings kein bezirkliches, sondern ein gesamtstädtisches Thema.
Es ist nicht Aufgabe der Verwaltung, vergleichbar mit Volksabstimmungen, Bürgerbegehren, allgemeinen Wahlen etc., das öffentliche Interesse zu initiieren. Die Seniorenvertretung ist eine Interessenvertretung. Die Zielgruppe und ihre Parteien, Vereine, Verbände und Organisationen sind gefordert, für „ihre Wahl“ Öffentlichkeit, Aufmerksamkeit und Interesse über wirksame Aufbereitung und Präsentation herzustellen. Vorrangiges Ziel sollte es sein, bei Menschen ab dem 60. Lebensjahr das Interesse zur Beteiligung an gesellschaftspolitischen Themen zu wecken. Hier sieht das Bezirksamt eine wichtige Aufgabe für die amtierenden Seniorenvertretungen und Interessenverbände.
Das Bezirksamt sieht es im Rahmen der Nachbereitung der Seniorenvertretungswahlen und auch im Hinblick auf die Wahlbeteiligung weiter als notwendig an, die o.g. Argumente aufzugreifen. Dazu wird es den Rat der Bürgermeister nutzen, um in Vorbereitung auf die Wahl 2016 die Fragestellungen rechtzeitig erneut prüfen zu lassen.
Das Bezirksamt wird über die weitere Entwicklung im zuständigen Fachausschuss berichten und bittet, den Beschluss als erledigt zu betrachten.
Reinhard Naumann Carsten Engelmann Bezirksbürgermeister Bezirksstadtrat
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