Drucksache - 1391/3  

 
 
Betreff: Charlottenburg-Wilmersdorfer Richtlinien für Bordelle festlegen
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:SPD/Grüne/LINKE. 
Verfasser:Verrycken/Wuttig/Ludwig/Dr.Hess/Vatter/Tillinger 
Drucksache-Art:AntragVorlage zur Kenntnisnahme
Beratungsfolge:
Bezirksverordnetenversammlung Beratung
09.07.2009 
33. Öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin überwiesen   
Ausschuss für Gender Mainstreaming Beratung
08.10.2009 
32. Öffentliche Sitzung des Ausschusses für Gender Mainstreaming ohne Änderungen im Ausschuss beschlossen   
Ausschuss für Soziales, Gesundheit und Arbeit Beratung
16.09.2009 
30. Öffentliche Sitzung des Ausschusses für Soziales, Gesundheit und Arbeit ohne Änderungen im Ausschuss beschlossen   
Ausschuss für Wirtschaft und Ordnungsangelegenheiten Beratung
11.11.2009 
40. Öffentliche Sitzung des Ausschusses für Wirtschaft und Ordnungsangelegenheiten ohne Änderungen im Ausschuss beschlossen   
Ausschuss für Bau, Liegenschaften und Grünflächen Beratung
18.11.2009 
55. Öffentliche Sitzung des Ausschusses für Bau, Liegenschaften und Grünflächen ohne Änderungen im Ausschuss beschlossen   
Bezirksverordnetenversammlung Beratung
19.11.2009 
36. Öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin ohne Änderungen in der BVV beschlossen   

Sachverhalt
Anlage/n
Anlagen:
Antrag
Beschlussempfehlung
Beschluss
Vorlage zur Kenntnisnahme

Die BVV möge beschließen:

Die BVV hat in ihrer Sitzung am 18. November 2009  beschlossen:

 

Das Bezirksamt wird gebeten, abteilungsübergreifend und unter Einbeziehung der Fachausschüsse der BVV einen Kriterienkatalog zu entwerfen, der die Voraussetzungen für den Betrieb von Bordellen im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf darstellt.

 

Als inhaltlich-fachliche Grundlage soll dabei das Positionspapier "Mindeststandards für Bordelle" (vgl. Vorlage zur Kenntnisnahme zur Drucksache Nr. 0301/3) dienen.

Es ist zwischen gesundheitlichen, arbeitsrechtlichen, bau- und ordnungsrechtlichen Richtlinien zu differenzieren.

 

Die BVV empfiehlt dem Bezirksamt, die Charlottenburg-Wilmersdorfer Richtlinien für ein einheitliches und abgestimmtes Verwaltungshandeln zu Grunde zu legen und ggf. darüber zu beschließen.

 

Der Kriterienkatalog ist der BVV bis zum 31.03.2010 zur Beschlussfassung vorzulegen.

 

 

Das Bezirksamt teilt hierzu Folgendes mit:

 

Grundlage der Besprechungen waren die am 12. Dezember 2007 von Frau Schmiedhofer und Herrn Schulte vorgestellten Mindeststandards für Bordelle, die in den Punkten III und IV Mitte April 2010 aktualisiert wurden:

 

Durch das Prostitutionsgesetz hat der Gesetzgeber einen gesellschaftlichen Wandel nachvollzogen und die Prostitution aus der Illegalität herausgehoben. Aus wirtschafts- und gesundheitspolitischer Sicht scheint es nunmehr unabdingbar, diesen Grundsätzen des Gesetzes im gesamten behördlichen Handeln Rechnung zu tragen. Aus der über Jahrzehnte ausgeübten Praxis der Duldung muss eine Genehmigungspraxis werden, die den Gewerbetreibenden und den Behörden Sicherheit gibt.

 

Wir fordern die Etablierung von Mindeststandards für Bordelle, egal ob sie im Wohngebiet oder woanders liegen.

Werden diese Mindeststandards erfüllt, erfolgt eine Genehmigung, werden sie nicht erfüllt, so wird keine Genehmigung erteilt oder eine bestehende widerrufen. 

 

Dieser Katalog ist als Entwurf zu verstehen. Uns ist bewusst, dass die rechtlichen Rahmenbedingungen ein Umsetzen dieser Mindeststandards im Moment noch erschweren, wir wollen aber mit diesem Papier die Diskussion von der juristischen auf die politische Ebene heben.

 

I.

Gewerbliche Mindeststandards

Die notwendigen Unterlagen müssen bei Antragstellung vorgelegt werden.

Dazu zählen:

·         Mietvertrag

·         Führungszeugnis

·         Skizze der Geschäftsräume mit Angabe der vorgesehenen Arbeitszimmer und der sonstigen Räume

·         Angabe der Anzahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und der dort tätigen Frauen und Männer

·         Struktur des Betriebes, u. a. Öffnungszeiten

·         Selbstverpflichtung des/der Inhabers/Inhaberin Transparenz z. B. in Steuerangelegenheiten zu gewährleisten, die Legalität der Frauen/Männer und den Verzicht von Gewalt bzw. Zwang zu garantieren und Vorkehrungen gegen den Gebrauch von illegalen Suchtmitteln zu treffen.

 

II.

Bauliche Mindeststandards

·         Die Bestimmungen zum Brandschutz, wie z. B. Feuerlöscher, Rauchmelder oder Notausgang (2. Fluchtweg) sind analog den Regelungen für Praxen einzuhalten.

·         Als Sicherheitsvorkehrungen sind Türspion und separate Klingel verpflichtend vorgeschrieben.

 

III.

Mindeststandards im Bereich der Gesundheitsvorsorge

·         Ein Erste Hilfe Kasten und Kondome sind zur Verfügung zu stellen.

·         Im Aufenthaltsraum ist eine Infotafel anzubringen. An ihr sind die Namen, Adressen und Telefonnummern von Polizei, Feuerwehr, den Zentren für sexuelle Gesundheit und Familienplanung, Prostituierten- und Drogenberatungsstellen anzubringen ebenso die schriftliche Erklärung des/der Inhabers/Inhaberin, mit diesen zusammen zu arbeiten und die Frauen auf deren Angebote aufmerksam zu machen.

·         Duschen und Waschbecken mit fließend warmen und kalten Wasser sind in ausreichender Zahl vorzuhalten.

·         Seife und andere Reinigungsmittel werden zur Verfügung gestellt.

·         Gesundheitsbewusstes Arbeiten wird durch die Auslage von Informationsmaterial zu Prävention und Safer Sex gefördert.

·         Die Teilnahme an Fortbildungsangeboten für Sexarbeiterinnen und Informationsveranstaltungen des Zentrums für sexuelle Gesundheit und Familienplanung ist zu fördern und zu bewerben.

 

IV

Mindeststandards bei der Zusammenarbeit mit Behörden

Unangemeldete Besuche des Wirtschafts- und Ordnungsamtes, des Finanzamtes und der Polizei zur Kontrolle der Einhaltung der Mindeststandards sind möglich.

Unangemeldete Besuche vom Zentrum für sexuelle Gesundheit und Familienplanung zur Aufklärung über Safer Sex und andere die Tätigkeit der Sexarbeiterin betreffende Themen sind ebenfalls möglich.

 

V.

Mindeststandard:

Keine Störungen der Nachbarschaft durch Lärm, Dreck oder sexuelle Belästigung

Beschwerden im Zusammenhang mit Bordellen werden wie andere Lärmbeschwerden behandelt. Einer Vermittlung zwischen Beschwerdeperson und Bordellbetreiberin/Bordellbetreiber wird der Vorrang vor einer Schließungsverfügung gegeben, eine Auflagenerteilung ist möglich.

 

 

Gewerberechtlich ist Folgendes festzustellen:

 

Eine Erlaubnis ist für Bordell- und bordellartige Betriebe lediglich dann erforderlich, wenn diese als Schankwirtschaft mit Alkoholausschank betrieben werden.

Hierfür sind von den im Mindeststandard-Katalog erwähnten Unterlagen folgende einzureichen: das Führungszeugnis, der Auszug aus dem Gewerbezentralregister und der Mietvertrag.

 

Im Feld 19 der Gewerbeanzeige sind Angaben zur Anzahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zum Zeitpunkt der Gewerbeanzeige und eine Grundrisszeichnung des gesamten Betriebes im Maßstab 1:100 erforderlich.

 

Im Rahmen der beantragten Betriebsart erfolgen auch Angaben zur Struktur des Betriebes (Betriebsbeschreibung, Öffnungszeiten).

 

Insoweit lässt sich feststellen, dass die im Positionspapier geforderten gewerberechtlichen Mindeststandards bei Durchführung eines gaststättenrechtlichen Erlaubnisverfahrens zumindest formal weitgehend eingehalten werden.

In diesem Zusammenhang ist aber darauf hinzuweisen, dass gerade in dieser Branche Strohmannverhältnisse durchaus verbreitet sind und kriminelle Akteure sich Personen bedienen, die „saubere Papiere“ haben. Da aber Strohmannverhältnisse nur schwierig und in langwierigen Verfahren nachweisbar sind, läuft das gewerberechtliche Erlaubnisverfahren teilweise ins Leere.

 

Soweit im Zusammenhang mit Prostitutionsbetrieben kein erlaubnisbedürftiges Gaststättengewerbe ausgeübt wird, wird gewerberechtlich unter Berücksichtigung des Prostitutionsgesetzes im Land Berlin hinsichtlich der Registrierungspflicht wie folgt verfahren (vgl. Rundschreiben Sen WiArbFrauen - III C 0/2002 - vom 2. Juli 2002):

 

1.       Bordellbetreiberinnen und -betreiber sind als Gewerbetreibende anzuerkennen und haben ihr Gewerbe anzuzeigen.

 

2.       Selbständige Prostituierte müssen weder eine Gewerbeanzeige erstatten noch einen Antrag auf Erteilung einer Reisegewerbekarte für die Ausübung sexueller Handlungen mit Dritten stellen. Entsprechende Anträge sind abzulehnen.

 

In der gewerberechtlichen Praxis ist festzustellen, dass häufig sowohl bei den nach den gaststättenrechtlichen Bestimmungen erlaubnispflichtigen Prostitutionsbetrieben als auch bei den anzeigepflichtigen Betrieben der tatsächliche Gewerbegegenstand nicht so bezeichnet wird, was u. a. auf die baurechtlichen Rahmenbedingungen zurückzuführen sein dürfte.

 

Von der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Frauen ist nunmehr ein ergänzendes Rundschreiben (Rundschreiben II E Nr. 1 / 2010 vom 2. Februar 2010) zum Verfahren bei Gewerbetreibenden, deren Geschäftsgegenstand im Zusammenhang mit Prostitutionsstätten, Bordellen, bordellähnlichen Betrieben oder vergleichbaren Einrichtungen steht, an die Gewerbebehörden ergangen. Darin wird grundsätzlich eine Fortführung der mit dem Rundschreiben vom 2.  Juli 2002 aufgezeigten Verfahrensweise vorgegeben.

Zusätzlich sollen für Gewerbebetriebe, die ihrem Geschäftsgegenstand nach Prostitutionsstätten, Bordellbetriebe, bordellähnliche Betriebe oder vergleichbare Einrichtungen sind, Zuverlässigkeitsüberprüfungen nach § 38 Abs. 2 GewO durchgeführt werden, d. h. es sind Führungszeugnis und Gewerbezentralregisterauszug des/der Gewerbetreibenden einzuholen.

 

Aufgrund der zuvor beschriebenen Problematik der Diskrepanz zwischen tatsächlich ausgeübter Tätigkeit und angemeldeter Tätigkeit wird in dem Rundschreiben empfohlen, auch Betriebe mit anderen gemeldeten Tätigkeiten, die aber erfahrungsgemäß häufig der Prostitution zuzuordnen sind, einer entsprechenden Zuverlässigkeitsüberprüfung zu unterziehen. 

 

In dem Rundschreiben II E 1/2010 wird weiter ausgeführt: „Die bislang vorliegenden Erfahrungen mit dem Prostitutionsgesetz lassen über die Frage der Gewerbeanzeigepflicht hinaus erheblichen Klärungs- bzw. Nachbesserungsbedarf erkennen. Insbesondere die als unbefriedigend empfundene Tatsache, dass Bordelle keiner besonderen Erlaubnispflicht unterliegen, ist auf Bundesebene Gegenstand ressortübergreifender Diskussionen, die jedoch bislang zu keinem Ergebnis geführt haben. Obwohl u. a. auch aus Berlin (z. B. aus Charlottenburg-Wilmersdorf) Kriterienkataloge bis hin zu Gesetzesentwürfen in die Diskussion eingebracht wurden, ist derzeit kein Bundesressort bereit, die Federführung für ein solches Gesetzesvorhaben zu übernehmen. Auch der Berliner Vorschlag, Bordelle oder bordellähnliche Betriebe in den Katalog der überwachungsbedürftigen Gewerbe des § 38 Abs. 1 GewO aufzunehmen und damit ein Minimum an gewerberechtlicher Zuverlässigkeitsüberprüfung sowie die Anwendbarkeit von § 29 GewO (Auskunft und Nachschau) sicherzustellen, wurde bislang nicht aufgegriffen.“ Bei den in § 38 Abs. 1 aufgeführten Gewerbearten (u. a. Handel mit hochwertigen Konsumgütern, Kfz, Fahrrädern, Edelmetallen) hat die zuständige Gewerbebehörde unverzüglich nach Erstattung der Gewerbeanzeige die Zuverlässigkeit von Amts wegen zu überprüfen.  

 

Das Thema Prostitution ist auch auf der letzten Wirtschaftsministerkonferenz erörtert worden. Dabei ist mehrheitlich folgender Beschluss gefasst worden: „Die Wirtschaftsministerkonferenz ist zu der Frage der rechtlichen Regulierung von Prostitutionsstätten der Auffassung, dass die Gewerbeordnung kein geeignetes Instrument ist, um den Schutz von Prostituierten zu verbessern“

Dieser Beschluss wurde folgendermaßen begründet: „Prostitution ist kein Beruf wie jeder andere und die Ausübung der Prostitution kein Gewerbe. Im Rahmen einer Zuverlässigkeitsprüfung können Strohmannverhältnisse in diesem Bereich in der Regel nicht aufgedeckt werden. Gegenstand von Zuverlässigkeitsprüfungen sind in keinem Fall die Arbeitsbedingungen, also auch nicht die von Prostituierten. Daher stellt die Gewerbeordnung insgesamt kein geeignetes Instrument dar, um den Schutz von Prostituierten zu verbessern und ist auch nicht geeignet, Zwangssituationen von Prostituierten zu verhindern.

Eine Anwendung der Gewerbeordnung auf alle Prostitutionsstätten würde nach § 14 Abs. 6 GewO auch eine Anzeigepflicht und Veröffentlichung des Namens der allein in ihrer Wohnung tätigen Prostituierten bedeuten. Dies könnte als Stigmatisierung aufgefasst werden und die Situation der Prostituierten entgegen der Zielrichtung des Prostitutionsgesetzes sogar verschlechtern und zu einer nicht gewünschten Abdrängung in die Illegalität führen.

Die Bekämpfung krimineller Begleiterscheinungen der Prostitution und des Menschenhandels ist Aufgabe der Strafverfolgung.

Das Ziel, sichere und hygienischere Arbeitsbedingungen für Prostituierte in Prostitutionsstätten zu schaffen, muss durch entsprechende Maßnahmen in den jeweiligen Rechtsgebieten erreicht werden. Vorrangig sind dabei die vorhandenen Instrumente auszuschöpfen. Soweit weitere Maßnahmen erforderlich sind, sind diese in den entsprechenden Fachgesetzen zu treffen.“  

 

Eine Änderung der bundesgesetzlichen Vorschriften der Gewerbeordnung in dieser Hinsicht ist somit derzeit nicht absehbar. Daher wird von der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Frauen nunmehr die Überprüfung der gewerberechtlichen Zuverlässigkeit derartiger Betriebe nach § 38 Abs. 2 GewO vorgegeben. Nach § 38 Abs. 2 kann bei begründeter Besorgnis der Gefahr der Verletzung wichtiger Gemeinschaftsgüter ein Führungszeugnis oder eine Auskunft aus dem Gewerbezentralregister auch bei anderen als den überwachungsbedürftigen Gewerbearten im Sinne von § 38 Abs. 1 GewO gefordert werden.                                    

 

Von der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Frauen wird bei Prostitutionsbetrieben eine derartige begründete Besorgnis offenbar generell angenommen, denn die Zuverlässigkeitsprüfung wird folgendermaßen begründet: „Eine begründete Besorgnis der Gefahr der Verletzung wichtiger Gemeinschaftsgüter (u. a. Leben, Freiheit, Gesundheit) ist dann anzunehmen, wenn sich konkrete Anhaltspunkte für eine Gefährdung dieser Gemeinschaftsgüter bei der Gewerbeausübung in den betroffenen Branchen oder bei einzelnen Gewerbetreibenden gezeigt haben, so dass hier eine Überwachung geboten ist. Es muss jedoch mindestens ein vergleichbares Gefährdungspotenzial wie bei den in § 38 Abs. 1 GewO aufgeführten Gewerben vorliegen [...].  Zu der Einschätzung des Gefährdungspotenzials ist darauf zu verweisen, dass nach kriminalpolizeilichen Feststellungen auch in Berlin die Prostitutionsausübung typische Anfälligkeiten für verschiedene Formen von Ausbeutung und Gewalt aufweist, die von Personen ausgehen, die der Infrastruktur dieses Milieus zuzurechnen sind.“

Weiterhin wird in dem Rundschreiben der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Frauen darauf verwiesen, dass das Gewerberecht in diesem Zusammenhang nicht an die Stelle der polizeilichen Ermittlungsarbeit zu den einschlägigen Deliktbereichen treten kann. Es kann jedoch dieser Gefährdungslage insoweit Rechnung tragen, als die zur Verfügung stehenden Instrumente zur Prüfung der gewerberechtlichen Zuverlässigkeit durch die Gewerbebehörden genutzt werden.

 

 

Wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, werden derzeit noch zumindest in den als Schankwirtschaft mit Alkoholausschank geführten Prostitutionsbetrieben die meisten im Positionspapier aufgeführten gewerberechtlichen Kriterien im Rahmen des Erlaubnisverfahrens abgeprüft. In diesen Betrieben bestehen auch die Rechte zur Auskunft und Nachschau gemäß § 22 Gaststättengesetz.

Zumindest werden diese Betriebe wohl den überwachungsbedürftigen Gewerbearten gemäß § 38 Abs. 1 GewO zugeordnet werden, so dass dann weiterhin Auskunfts- und Nachschaurechte nach § 29 Abs. 2 GewO bestehen werden. Entsprechendes gilt für Betriebe, für die eine Erlaubnis zur Schaustellung von Personen (§ 33 a GewO) erteilt wurde.

 

Bei den übrigen Prostitutionsbetrieben, soweit diese der Gewerbeanzeigepflicht unterliegen, werden in Ausführung des Rundschreibens nunmehr Zuverlässigkeitsüberprüfungen gemäß § 38 Abs. 2 GewO durchgeführt. Auskunfts- und Nachschaurechte bestehen aber gemäß § 29 Abs. 1 GewO nach den gewerberechtlichen Bestimmungen nicht, da es sich nicht um überwachungsbedürftige Gewerbe handelt. Auskunft und Nachschau können dann nach gewerberechtlichen Bestimmungen nur unter der Voraussetzung durchgeführt werden, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass ein erlaubnispflichtiges, überwachungsbedürftiges oder untersagtes Gewerbe ausgeübt wird (§ 29 Abs. 4 GewO).

In den Gewerbeanzeigen erfolgt im Feld 19 eine Angabe zur Anzahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

 

Betriebe der Wohnungsprostitution, in denen Prostituierte selbständig ihrer Tätigkeit nachgehen, unterliegen grundsätzlich nicht der Gewerbeordnung; es sei denn, in der Gewerbeanzeige werden Tätigkeiten ohne den Terminus „Prostitution“ angegeben. Da insoweit keine Anzeigepflicht nach der Gewerbeordnung besteht, können auch keine gewerberechtlichen Kontrollmechanismen greifen.

 

 

Aus Sicht der Abteilung Soziales, Gesundheit und Umwelt wurde Mitte April 2010 mitgeteilt:


„Die Möglichkeit der Zusammenarbeit auf freiwilliger Grundlage zur Erhaltung von Mindeststandards im Bereich der Gesundheitsvorsorge sollte unbedingt ausgebaut werden.

 

Seit am 1. Januar 2001 das Gesetz zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten durch das Infektionsschutzgesetz ersetzt wurde, haben die ehemaligen Beratungsstellen für sexuell übertragbare Krankheiten keinen gesetzlichen Anspruch auf Zugang zu Bordellen. Trotzdem werden Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der seit 2008 bestehenden Zentren für sexuelle Gesundheit und Familienplanung in die Bordelle hereingelassen. Bei dieser aufsuchenden Arbeit wird auch von Bordellbetreiberinnen und -betreibern immer wieder nach bezirklichen Kriterien für gute Arbeitsbedingungen/gesundes Arbeiten gefragt.

 

Auf der Grundlage langjähriger Erfahrung des Zentrums sollte das Bezirksamt „Standards der Gesundheitsvorsorge“ veröffentlichen, die auch unter den Bordellbetreiberinnen und -betreibern eine Diskussion über gute bzw. schlechte Bordelle fördert und gute Rahmenbedingungen schafft. Selbst wenn es nicht gelingen sollte, diese Anforderungen in Gesetzen festzulegen, sind sie doch als Voraussetzung für eine Meinungsbildung und das Erfassen der „schwarzen Schafe“ unerlässlich.“

 

 

Die Abteilung Bauwesen teilt mit Schreiben vom 31. Januar 2011 mit:

 

„Nach der aktuellen Rechtsprechung des OVG Berlin-Brandenburg ist davon auszugehen, dass Bordelle und bordellartige Betriebe in typisierender Betrachtung und Bewertung generell in der bauplanungsrechtlichen Ausweisung eines Mischgebietes unzulässig sind (siehe OVG Berlin, Beschl. v. 04.03.2010 – OVG 2 S 65.09 –). Dies gilt dann umso mehr für eine WA-Ausweisung!

Dort heißt es wörtlich: „Danach kommt es darauf an, ob sich das Vorhaben aufgrund seiner typischen Nutzungsweise störend auswirkt (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 2. März 2007 – OVG 2 S 53.06 –, bei juris; BVerwG, Beschl. v. 25. März 2004 – 4 B 15/04 –, BRS 67 Nr. 70) …. Auch insoweit hat sich das Verwaltungsgericht deshalb zu Recht auf die Rechtsprechung des Senats (Beschl. vom 05.06.2009) bezogen, wonach bordellartige Betriebe wegen der von ihnen typischerweise ausgehenden Auswirkungen („milieubedingte Unruhe“) eine wesentliche Störung des Wohnens darstellen und deshalb auch in Mischgebieten nicht zulässig sind (vgl. ferner OVG Berlin, Beschluss vom 9. April 2003 – 2 S 5.03 –, bei juris m.w.N.). Auch der Umstand, dass es bei der Prostitutionsausübung eine Bandbreite unterschiedlicher und unterschiedlich störungsintensiver Erscheinungsformen gibt, schließt es entgegen der Ansicht der Antragstellerin nicht von vornherein aus, die typischen Auswirkungen eines bordellartigen Betriebes zugrunde zu legen, solange sich das Vorhaben nach der Art und dem Umfang der Nutzung nicht erheblich von einem solchen Betrieb unterscheidet. Hinreichende Anhaltspunkte für eine hiervon abweichende Fallgestaltung hat die Antragstellerin jedoch nicht glaubhaft gemacht. Allein ihr Vorbringen, es habe zu keiner Zeit Beschwerden von Anwohnern oder bei der Hausverwaltung eingegangene Beschwerden über den von ihrer Mieterin betriebenen Verein gegeben, genügt nicht, um einen derartigen Sonderfall annehmen zu können.“

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat zu einem „Swinger-Club“ ebenfalls recht aktuell Folgendes entschieden: „Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist die Frage, ob der streitbefangene Swinger-Club als sonstiger nicht störender Gewerbebetrieb i. S. des § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO zugelassen werden kann, auf Grundlage einer typisierenden Betrachtungsweise zu beantworten. Das entspricht der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. …. Diese Sichtweise rechtfertigt sich daraus, dass die Baunutzungsverordnung die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse in Gestalt einer Baugebietstypologie konkretisiert, die ihrerseits auf die typisierenden Zuordnung bestimmter Nutzungsarten und baulicher Anlagen zu einem (oder mehreren) der Baugebiete beruht.“ (BVerwG, Beschl. v. 25. März 2004 – 4 B 15.04 –, BRS 67 Nr. 70, Seite 301 (302))

 

Mithin ist auf Grundlage dieser „aktuellen“ Rechtsprechung für die Rechtslage im Land Berlin davon auszugehen, dass die Frage der Zulässigkeit von Bordellen und bordellartigen Betrieben (ein juristisch gefestigter Rechtsbegriff des „Wohnungsbordells“ ist nicht existent) in WA- und MI-Ausweisungen grundsätzlich unzulässig sind. Dabei ist generell die typisierende Betrachtung zugrunde zu legen. Hierbei ist nicht nur auf die aktuelle Rechtsprechung des OVG Berlin-Brandenburg abzustellen, sondern vielmehr auch auf eine solche des BVerwG, die erst vor 7 Jahren erging.

 

Bei der im vorletzten Jahr ergangenen Rechtsprechung der 19. Kammer des VG Berlin zu einem Bordell/bordellartigen Betrieb in der „Ringbahnstraße 1“ in Berlin Wilmersdorf, bei der nicht auf die typisierende Betrachtung abgestellt wurde, handelt es sich insoweit um eine „nicht präjudizierende Einzelfallentscheidung“ (siehe Urt. v. 05.05. 2009 – VG 19 A 91.07 –). Diese vollkommen von der Rechtsprechung des OVG Berlin-Brandenburg (und auch des BVerwG) abweichende Rechtsprechung ist aus politischen Gründen in Rechtskraft erwachsen; allerdings allein als nicht präjudizierende Einzelfallentscheidung.

 

Möglichkeiten des öffentlichen Baurechts:

 

1.)              Grundsätzlich ist bei der rechtlichen Bewertung von Bordellbetrieben bzw. bor-

dellartigen Betrieben von der typisierenden Betrachtung auszugehen. Dies bedeutet auf Grundlage der aktuellen Rechtsprechung des OVG Berlin-Brandenburg bzw. des BVerwG, dass diese Einrichtungen in WA- und MI-Ausweisungen bauplanungsrechtlich grundsätzlich als unzulässig anzusehen sind.

 

2.)              Das OVG Berlin-Brandenburg geht allein einschränkend davon aus, dass das unter Ziffer 1.) Benannte im Einzelfall dann durchbrochen werden könne, wenn der Antragsteller/die Antragstellerin eine besondere Atypik des Einzelfalls nachweisen kann (Beweispflicht liegt insoweit allein bei dem Antragsteller/der Antragstellerin), die in dem konkreten Einzelfall dann ggf. eine abweichende Entscheidung von der grundsätzlichen Rechtslage ermögliche.

 

3.)              Folgende „atypische Möglichkeiten“ („Sonderfall“; siehe Ziffer 2.)) kämen ggf. in Betracht; sofern es sich um kleine Bordelle mit nicht mehr als vier Beischlafräumen handelt:

 

a.)              Der Antragsteller/die Antragstellerin weist nach, dass von der Funktionslosigkeit des Bauplanungsrechts auszugehen ist (WA- oder MI-Struktur ist nicht mehr nachweisbar und zukünftig auch nicht mehr entwickelbar).

 

b.)               Der Antragsteller/die Antragstellerin weist nach, dass das Bordell/der bordellartige Betrieb im Bereich einer MI-Ausweisung etabliert werden soll, die im näheren Umkreis zu dem beantragten Betrieb eine klar überwiegende gewerbliche Nutzung aufweist (Wohnnutzungen werden nicht weiter tangiert). Dieser Ansatz gilt für eine WA-Ausweisung von vornherein nicht.

 

c.)               Der Antragsteller/die Antragstellerin weist nach, dass sich der Betrieb (gilt nur in der MI-Ausweisung) allein im EG.-Bereich befindet, einen eigenen, insoweit separaten und von den restlichen Erschließungsflächen des Gebäudes getrennten Eingang aufweist (unmittelbar vom öffentlichen Straßenraum her, nicht in der Tiefe des Grundstücks). Zusätzlich müsste über die Betriebsbeschreibung nachgewiesen werden, dass eine Nutzung des Bordells/bordellartigen Betriebs in der Zeit von 22:00 Uhr (Samstag 20:00 Uhr) – 07:00 Uhr nicht stattfindet und am Sonntag oder an gesetzlichen Feiertagen überhaupt keine Nutzung stattfindet und eine Störung der Wohnnutzung konkret ausgeschlossen werden kann.

 

Darüber hinaus können aus Sicht der Bauabteilung keine weiteren Kriterien entwickelt werden, insbesondere unterscheidet das Bauplanungsrecht nicht nach seriösen und unseriösen Bordellen, schlechten und sauberen etc.“

 

Angesichts der dargestellten Rahmenbedingungen erscheint ein einheitliches und abgestimmtes Verwaltungshandeln auf der Grundlage der formulierten Mindeststandards derzeit nicht möglich. Viele der genannten Mindeststandards sind wie dargestellt rechtlich nicht einzufordern.

Denkbar wäre ein Verfahren auf freiwilliger Basis analog des Dortmunder Modells, dass eine Duldung von Bordellen erfolgt, solange die Mindeststandards nachweisbar eingehalten werden.

Hierauf müssten sich aber alle beteiligten Abteilungen verständigen, was derzeit aber nicht umsetzbar erscheint.

 

Wir bitten daher, den Beschluss als erledigt zu betrachten.

 

 

 

 

Monika Thiemen                                                                      Marc Schulte

Bezirksbürgermeisterin                                                        Bezirksstadtrat

 

 


 

 
 

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