Drucksache - 1154/3  

 
 
Betreff: Zukunft der bezirklichen Mitgestaltung in der Arbeitsmarktpolitik?
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:Fraktion Bündnis 90/Die Grünen 
Verfasser:Ludwig/Dr.Hess/Kaas Elias 
Drucksache-Art:Große AnfrageGroße Anfrage
Beratungsfolge:
Bezirksverordnetenversammlung Beratung
15.01.2009 
Öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin schriftlich beantwortet   

Sachverhalt
Anlage/n
Anlagen:
1. Version vom 27.01.2009

Wir fragen das Bezirksamt:

Wir fragen das Bezirksamt:

 

  1. Sind dem Bezirksamt Vorschläge bekannt, wie die Jobcenter zukünftig gestaltet werden sollen, nachdem das Bundesverfassungsgericht die bisherige Struktur der Jobcenter für grundgesetzwidrig erklärte und wenn ja, welche?

 

  1. Welchen kommunalen Handlungsspielraum bieten diese Entwürfe für eine weitere Mitwirkung des Bezirks in der lokalen Arbeitsmarktpolitik?

 

  1. Wie beurteilt das Bezirksamt diese Pläne und favorisiert das Bezirksamt eine der Vorschläge?

 

  1. Wie schätzt das Bezirksamt die Chancen ein, dass der von ihm bevorzugte Vorschlag umgesetzt wird und konnte sich das Bezirksamt - gemeinsam mit anderen Bezirken - beim Senat für diesen einsetzten?

 

  1. Ist dem Bezirksamt bekannt, wie der Senat sich für den Erhalt bezirklicher Mitbestimmung einsetzt und wie viele Stellenmaßnahmen im Bereich des Öffentlichen Beschäftigungssektor (ÖBS) können mit Landesmitteln eingerichtet werden?

 

 

Die Große Anfrage beantworte ich für das Bezirksamt schriftlich wie folgt:

 

  1. Sind dem Bezirksamt Vorschläge bekannt, wie die JobCenter zukünftig gestaltet werden sollen, nachdem das Bundesverfassungsgericht die bisherige Struktur der JobCenter für grundgesetzwidrig erklärte und wenn ja, welche?

 

Die Darstellung der für das Land Berlin zuständigen Staatssekretärin gibt einen guten Überblick über den aktuellen Verfahrensstand:

 

"Auf der Arbeits- und Sozialministerkonferenz am 13./14. November 2008 wurde ein einstimmiger Beschluss gefasst, in dem sich die Länder auf eine gemeinsame Position zur Nachfolge des ARGE-Modells verständigt haben. Danach halten die Länder eine Regelung für geboten, die eine weitgehende Selbstständigkeit der Zentren für Arbeit und Grundsicherung (ZAG) als verfassungs­rechtlich abgesi­cherte Form der Mischverwaltung ermöglicht. Gefordert wird dabei die Errichtung der ZAG als juristische Person des öffentlichen Rechts mit Dienstherrenfähigkeit. Unter bestimm­ten Bedingungen stehen die Länder einer nach Bundesrecht er­richteten juristischen Person grund­sätzlich offen gegenüber. Bei der Neuordnung der Aufgabenwahrnehmung im Bereich Grundsiche­rung soll insbesondere auch sichergestellt werden, dass die Länder und Kommunen angemes­sene, abgesi­cherte Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte erhalten.

 

Mithin hatte sich hinsichtlich der Neuorganisation der JobCenter im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Mehrheit der Länder grundsätzlich für eine weitgehende Selbstständigkeit der Nachfolgeorganisation der ARGEn in einer verfassungsrechtlich abgesicherten Form der Mischverwaltung ausgesprochen, die mittelfristig einen einheitlichen Personalkörper und gesetzlich abgesicherte Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte der Länder und Kommunen schafft. 

 

Zwischenzeitlich hat das Land Bayern die Linie der Bundesländer verlassen und befürwortet eine Verfassungsänderung nicht mehr. Bayern vertritt die Auffassung, dass die Grundsicherung durch eine getrennte Aufgabenwahrnehmung im Wege einfachgesetzlicher Änderungen genauso gut und effizient durchgeführt werden könnte. Nach dem Ausscheren Bayerns ist wieder alles offen und völlig unklar, ob sich Länder und Bund auf eine Grundgesetzänderung zur Neuordnung der SGB II-Aufgabenwahrnehmung werden einigen können.

 

Beim Gespräch der Ministerpräsidenten mit der Bundeskanzlerin am 17. Dezem­ber 2008 konnte eine Einigung der Länder bei den bislang noch streitigen Fragen der Aufsicht über die ARGEn und hinsichtlich des Optionsmodells nicht erreicht werden; vielmehr ist vereinbart worden, dass auf Minister- bzw. Ministerpräsiden­tenebene noch einmal versucht werden sollte, eine gemeinsame Lösung zu fin­den. Gesprächsergebnisse stehen noch aus.

 

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat zwischenzeitlich den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes in die Ressortabstimmung an die beteiligten Bundesministerien gegeben. Es bestehen Zweifel daran, für eine Grundgesetzänderung die erforderliche Mehrheit zu bekommen. Solange insbe­sondere die Optionsfrage (Ausweitung bzw. Begrenzung der Zahl der zugelasse­nen kommunalen Träger) nicht gelöst ist und Zweidrittelmehrheiten im Bundesrat für die Grundgesetzänderung nicht gesichert sind, ist ein Gesetzgebungsverfahren für eine Grundgesetz­änderung nicht aussichtsreich. Sollte es diesbezüglich zu keiner Verständigung kommen, bliebe als einzige Möglichkeit die getrennte Auf­gabenwahrnehmung im Bereich der Grundsicherung mit den bekannten negativen Folgen für die Leistungsbeziehenden wie Doppelstrukturen und die Schaffung ei­ner bürgerunfreundlichen, ggf. ineffizienten Verwaltung.

 

Es ist abzuwarten, ob das oben genannte vermittelnde Gespräch Ergebnisse bringt. Sollte eine Einigung in Richtung Verfassungsänderung erreicht werden, wird der Bund innerhalb kürzester Zeit einen entsprechenden Gesetzentwurf in das formelle Gesetzgebungsverfahren geben, im An­schluss daran ist mit dem Ge­setzgebungsverfahren für die erforderlichen einfachgesetzlichen Än­derungen zu rechnen. Für den Fall, dass ein Kompromissvorschlag nicht gefunden werden kann, ist davon auszugehen, dass die getrennte Aufgaben­wahrnehmung in der Grundsicherung mit so viel Kooperation, wie auf einfachge­setzlicher Ebene regel­bar, vorbereitet wird."

 

 

2. Welchen kommunalen Handlungsspielraum bieten diese Entwürfe für eine weitere Mitwir­kung des Bezirks in der lokalen Arbeitsmarktpolitik?

 

Der bisher vorliegende Entwurf der Grundgesetzänderung enthält weder Regelun­gen zum kom­munalen Handlungsspielraum in der Arbeitsmarktpolitik noch zu weiteren Mitwir­kungsmöglichkei­ten der Kommunen. Der Entwurf zu den einfach­gesetzlichen Änderungen liegt noch nicht vor, so dass zu möglichen Handlungs­spielräumen der Kommunen in diesem Fall noch keine Aussagen gemacht werden können. Eine grundlegende Verän­derung der Zuständigkeiten der Bundesagentur für Arbeit und des kommunalen Trägers für bestimmte Aufgaben nach dem SGB II wird gegenwär­tig aber weder vom Bund noch von den Ländern angestrebt.

 

 

  1. Wie beurteilt das Bezirksamt diese Pläne und favorisiert das Bezirksamt einen der Vor­schläge?

 

Das Bezirksamt ist an einer kundenfreundlichen und mit möglichst geringem bü­rokratischen Auf­wand verbundenen Lösung interessiert, bei der die Kommune einen belastbaren Anteil an Mitgestaltungs- und Mitbestimmungsmöglichkeiten erhält. Dies entspricht dem Vorschlag einer Grundge­setzänderung zum Erhalt der bestehenden Struktu­ren. Eine getrennte Aufgabenwahrnehmung mit Unterkunftsleistungen durch die Kommune und Vermittlung in Arbeit und Auszahlung der Grundsicherungsleistungen durch die Agentur wäre ein großer Rückschritt gegenüber der jetzigen Struktur.

 

Auch die Senatsverwaltung für Integra­tion, Arbeit und Soziales will sich in Abhängigkeit der weiteren Entwicklungen im Gesetzgebungsverfahren zur Neuorgani­sation des SGB II insbesondere für fol­gende Regelungen einsetzen:

?      Stärkung der Rolle der Trägerversammlungen und Geschäftsfüh­rerinnen/Geschäftsführer in den Nachfolgeorganisationen der Arbeitsgemeinschaften,

?      Schaffung eines Kooperationsgremiums zwischen dem für Arbeit zuständi­gen Landesressort und der jeweiligen Regionaldirektion der Bundesagentur für Ar­beit in jedem Land zur Abstim­mung der regionalen Arbeitsmarktpolitik,

?      angemessene, gesetzlich abgesicherte Mitwir­kungs- und Mitbestimmungs­rechte der Län­der.

 

 

Das Bezirksamt unterstützt die Ziele der Senatsverwaltung bezüglich der Stärkung der Rolle der Trägerversammlungen und Geschäftsfüh­rerinnen und Geschäftsführer in den Nachfolge­organisa­tionen der Arbeitsgemeinschaften sowie die weitgehende Selbständigkeit der Nachfolgeorganisati­onen der ARGEn. Bisher ist der Einfluss der Bundes­agentur für Arbeit dominant. Die Einigung in Konfliktfällen zwischen den beiden Trägern des JobCenters gestaltet sich häufig schwierig (Bsp. Personal, Zielplanung mit Festlegung von Rückgängen bei der Leistungsgewährung).

Ziel einer Neuregelung sollte auch die Verlagerung des Budgets direkt in die Job­Center hinein sein.

 

Die mit den Hartz-IV-Gesetzen angestrebte Bündelung der Erfahrungen und un­terschiedlichen Möglichkeiten für die Betreuung erwerbsloser Personen wird vom Bezirksamt weiterhin als sinnvoll und erhaltenswert betrachtet. In einer selbständige­ren Form des JobCenters scheint dieses Ziel zukünftig umsetzbar. Das Bezirksamt hofft deshalb auf eine Neuregelung durch eine Grundge­setzänderung.

 

 

  1. Wie schätzt das Bezirksamt die Chancen ein, dass der von ihm bevor­zugte Vorschlag umgesetzt wird und konnte sich das Bezirksamt - ge­meinsam mit anderen Bezirken - beim Senat für diesen einsetzen?

 

Nach der derzeitigen Lage sind sich alle Bundesländer bis auf eines - Bayern - einig, die Neu­strukturierung der ARGEn durch eine Grundgesetzänderung umzu­setzen. Vor diesem Hintergrund scheint es möglich, eine Einigung aller Länder zu dem bereits gefassten Beschluss zu erreichen. Die Grundgesetzänderung wird seitens aller Bezirke und dem Senat so gewollt und politisch vertreten.

 

 

5. Ist dem Bezirksamt bekannt, wie der Senat sich für den Erhalt bezirkli­cher Mitbestim­mung einsetzt und wie viele Stellenmaßnahmen im Bereich des Öffentlichen Beschäfti­gungssektors (ÖBS) können mit Landesmitteln eingerichtet werden?

 

Die Senatsverwaltung für Soziales hat hierzu Folgendes mitgeteilt:

 

"Der finanzielle Landesanteil am Berliner Öffentlichen Beschäftigungssektor (ÖBS) wird zentral von der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales gesteu­ert und ist im Wesentlichen davon abhängig, welche Grundlagenfinanzierungen in den JobCentern (Beschäftigungszuschuss) und dem Bundesverwaltungsamt (Bundesprogramm KommunalKombi) zur Verfügung gestellt werden. Der ÖBS mit dem Beschäftigungszuschuss wird eingerichtet in Abstimmung zwischen dem Job­Center und dem Bezirksamt ggf. auch den Bezirklichen Bündnissen für Wirt­schaft und Arbeit. Der ÖBS mit KommunalKombi wird für gesamtstädti­sche Aufgaben ohne JobCenter- bzw. Bezirksbeteiligung eingerichtet. Am Jahres­ende 2008 standen rd. 3.800 Beschäftigte im ÖBS-Beschäftigungszuschuss und knapp 1.000 Beschäftigte im ÖBS-KommunalKombi in einer Förderung."

 

Die Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales kann ihrer Finanzplanung nach in 2009 jahresdurchschnittlich 4.200 ÖBS-Beschäftigungszuschuss und im Jahr 2010 durchschnittlich 5.100 ÖBS-Beschäftigungszuschuss finanzieren, so dass im Laufe des Jahres 2009 die Be­schäftigtenzahl von gegenwärtig 3.800 bis auf 5.100 steigen kann. Die Zahl der Neueintritte wäre dennoch deutlich geringer als im letzten Jahr.

 

Im Dezember 2008 waren im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf 241 Beschäftigte in der ÖBS-Be­schäftigungszuschuss-Förderung. Für 2009 plant das JobCenter 100 Neueintritte, hat allerdings noch keine Finanzmittelzuteilung.

 

M. Schmiedhofer

Bezirksstadträtin

 


 

 
 

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