Drucksache - 0804/3  

 
 
Betreff: Tagesgroßpflegestellen - welche politischen Leitlinien verfolgt der Bezirk?
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:Fraktion Bündnis 90/Die Grünen 
Verfasser:Centgraf/Wendt 
Drucksache-Art:Große AnfrageGroße Anfrage
Beratungsfolge:
Bezirksverordnetenversammlung Beratung
24.04.2008 
19. Öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin beantwortet   

Sachverhalt
Anlage/n
Anlagen:
1. Version vom 15.04.2008
2. Version vom 04.06.2008

Wir fragen das Bezirksamt:

Wir fragen das Bezirksamt:

 

1.     Wie viele zu betreuende Kinder werden Tagesgroßpflegestellen im Bezirk zugewiesen und trifft es zu, dass Charlottenburg-Wilmersdorf die Betreuung von 10 Kindern in Tagesgroßpflegestellen bisher selbst betrieben hat (Tagesspiegel vom 23.03.), falls ja, wann wurde die Verwaltungspraxis geändert und wie wurden die Betroffenen davon unterrichtet?

 

2.     Wie reagiert das Bezirksamt auf die geltende Gesetzeslage, wonach nur noch fünf Kinder in die Tagesgroßpflege vermittelt werden dürfen?

 

3.     Welche Möglichkeiten sieht das Bezirksamt, die Betreuung von bis zu acht Kindern in Tagesgroßpflegestellen im Übergangszeitraum - bis zur Verabschiedung der im Referentenentwurf des BMFSFJ vorgesehenen Absicherung des Berliner Tagesgroßpflegemodells - zu gewährleisten?

 

4.     Hält das Bezirksamt die Betreuung von Kindern in Kindertagesstätten für wertvoller als die Betreuungsangebote der Tagespflege; falls ja, auf welche Tatsachen stützt sich das Bezirksamt für eine derartige Positionierung; falls nein, warum werden dann Angebote der Tagespflege von leitenden Mitarbeiterinnen des Bezirksamts öffentlich diskreditiert?

 

5.     Wie beurteilt das Bezirksamt seine Verantwortung für die wirtschaftliche Existenz der Tagesgroßpflegestellen im Bezirk und welche Bedeutung misst das Jugendamt dieser Frage in seiner täglichen Arbeit bei?

 

 

 

Das Bezirksamt beantwortet die Anfrage wie folgt schriftlich:

 

Zu 1.:

 

Tagesgroßpflegestellen sind in Charlottenburg-Wilmersdorf um 1980 herum entstanden, als Kitaplätze für unterschiedliche Altergruppen nicht bedarfsgerecht zur Verfügung standen. In dieser Zeit sind einige Tagesgroßpflegestellen entstanden, in denen von 2 Pflegepersonen 10 – 12 Kinder betreut wurden, von denen wiederum einige noch heute existieren und bis zu 10 Kinder betreuen. Andere Tagesgroßpflegestellen mit 1 Pflegeperson und 1 Hilfskraft betreuten und betreuen bis zu 8 Kinder.

Insgesamt wurden zum Stichtag 31.12.2007 in der Tagesgroßpflege im Bezirk

149 Kinder im Alter von 0 bis 3 Jahren und

144 Kinder im Alter von 3 bis 6 Jahren betreut.

Die Tagesgroßpflegestellen wurden im Februar 2006 davon unterrichtet, dass mit Novellierung des SGB VIII zum 1. 10. 2005 veränderte bundesgesetzliche Regelungen gelten. Ferner wurde darüber informiert, dass sich der Bezirk mit Anderen zusammen um für die Betroffenen verträgliche Übergangsregelungen bemühen wird.

 

Zu 2.:

 

Nachdem im Spätsommer 2007 leider bekannt wurde, dass Übergangsregelungen in der Bundesgesetzgebung nicht mehr berücksichtigt werden, wurden die Tagesgroßpflegestellen im Bezirk am 05.10.2007 zusammen mit einem Informationsschreiben der Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung vom September 2007 über die nunmehr notwendigen Anpassungen informiert und eine Anpassung bis 01.08.2008 angekündigt, wobei neben der Tageseinzelpflege mit bis zu 3 Kindern und alleinverantwortlicher Tagesgroßpflege mit bis zu 5 Kindern der Berliner Situation landesgesetzlich durch Verbundpflegestellen mit bis zu 8 Kindern Rechnung getragen wurde.

 

Zu 3.:

 

Es ist bisher nicht absehbar, wann  genau - vermutlich bis Ende 2008 - und mit welchem Inhalt der vorliegende Kabinettsbeschlussentwurf tatsächlich als Gesetz in Kraft treten wird. Eine Übergangsregelung bis September 2010 ist nicht mehr enthalten. Aus Sicht des Bezirksamtes wird die von der Senatsjugendverwaltung vorgesehene Lösung für derzeit bis zu  8 Kinder im Verbund favorisiert.

 

Zu 4.:

 

Tagesbetreuung und Tagespflege haben gleichermaßen einen hohen Stellenwert in Charlottenburg-Wilmersdorf. Das Bezirksamt einschließlich seiner leitenden Mitarbeiter/innen sieht es fachlich nicht als sinnvoll an, verschiedene Betreuungsformen für Kinder gegeneinander auszuspielen, denn

1.      bieten Tagespflegestellen für deren Hauptzielgruppe der unter dreijährigen Kinder einen gut überschaubaren Aktionsradius und eine fürsorgliche, individuelle Förderung und

2.      bieten Kindertagesstätten im Rahmen der vorschulischen Erziehung, Förderung und Bildung vielfältige soziale, kulturelle ebenso wie mathematische, naturwissenschaftliche und technische Lernerfahrungen, in der Regel größere räumliche Aktionsbereiche und eine größere Anzahl von potentiellen Spielpartner/innen unterschiedlichen Alters, mit denen ein Kind spielen oder sich austauschen kann, aber auch von Erwachsenen, an denen es sich orientieren kann.

 

Tagesgroßpflegestellen sind nicht per se und in jeder Situation besser geeignet für Kinder als Kindertagesstätten und umgekehrt. Allerdings hat das Bezirksamt keinen Einfluss darauf, in welcher Diktion seine Äußerungen oder auch die von leitenden Mitarbeiter/innen sich in den Medien widerspiegeln.

 

Zu 5.:

 

Das Bezirksamt setzt sich dafür ein, dass eine Professionalisierung der Tagespflege, die auch steuer- und sozialrechtliche Auswirkungen haben wird, mit einer angemessenen Finanzierung einhergeht. Dies bedeutet, dass die berufliche Existenz von Tagespflegepersonen entsprechend ihrer Qualifikation gesichert sein muss. Bereits jetzt ist klar, dass sich die wirtschaftliche Situation für bisher als Hilfskräfte tätige Personen erheblich verbessern wird, wenn sie eine Pflegeerlaubnis beantragen. Diese haben nämlich bisher auf der Basis von Honorar oder in geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen gearbeitet. Diese Anträge auf Pflegeerlaubnis werden aufgrund der Kenntnisse und langjährigen Erfahrungen dieser Personen in aller Regel auch positiv beschieden werden können.

 

Das Bezirksamt misst der Tagespflege eine große Bedeutung bei. Deshalb hält das Jugendamt – im Unterschied zu einigen anderen Berliner Jugendämtern - 5,25 Stellen für pädagogischen Sachbearbeitung Tagesbetreuung vor, die neben anderen Aufgaben auch die der Beratung und Unterstützung von Tagespflegepersonen und Eltern haben, sowie 2 Sachbearbeiter/innen u.a. für die Finanzierung der Tagespflegestellen .

 

 

Reinhard Naumann

Bezirksstadtrat

 


 

 
 

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