Drucksache - 0764/3  

 
 
Betreff: Lebensmittelkontrolle
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:FDP-Fraktion 
Verfasser:Prof.Dr.Dittberner 
Drucksache-Art:Große AnfrageGroße Anfrage
Beratungsfolge:
Bezirksverordnetenversammlung Beratung
13.03.2008 
18. Öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin beantwortet   

Sachverhalt
Anlage/n
Anlagen:
1. Version vom 04.03.2008
2. Version vom 02.04.2008

Wir fragen das Bezirksamt:

Wir fragen das Bezirksamt:

 

1.     Wie bewertet das Bezirksamt die im Abschlussbericht der Europäischen Kommission veröffentlichten Vorwürfe bezüglich der Lebensmittelkontrollen?

 

2.     Wie gestalten sich im Bezirk die Kontrollfrequenzen und in welchem Maße werden diese eingehalten?

 

3.     Wie setzt das Bezirksamt aktuell den von der Europäischen Union eingeforderten "risikoorientierten Kontrollansatz" um?

 

4.     Wie will das Bezirksamt einer Entwicklung entgegenwirken, dass die Kosten- und Leistungsrechnung in diesem Bereich dazu führt, dass die Quantität der Kontrollen zwar ansteigt, die Qualität der einzelnen Kontrollen aber zurückgeht?

 

5.     Wie bewertet das Bezirksamt die Kritik der Inspektoren an der fehlenden Fachaufsicht von Seiten der Senatsverwaltung?

 

 

Die Große Anfrage beantworte ich im Namen des Bezirksamtes wie folgt:

 

Zu 1:

Nach telefonischer Rücksprache am 19. März 2008 mit der Senatsverwaltung für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz liegt derzeit noch kein endgültiger  Abschlussbericht der EU-Kontrolle aus dem Jahr 2007 in deutscher Sprache in Berlin vor. Insofern kann sich bzgl. der Vorwürfe  in diesem Abschlussbericht nur auf die Veröffentlichungen in den Medien bezogen werden. Inwieweit diese Veröffentlichungen mit der endgültigen Berichtsversion übereinstimmen, bleibt abzuwarten.

 

Die EU-Inspekteure sollen lt. Berliner Zeitung vom 3. und 4. März 2008 bemängelt haben, dass

 

1.     es in Berlin keine Fachaufsicht für die Veterinär- und Lebensmittelaufsichtsämter gibt,

 

2.     wegen der angespannten Haushaltslage und der Kosten- und Leistungsrechnung quantitativ viele aber keine qualitativ guten Betriebskontrollen durchgeführt werden,

 

3.     die Veterinär- und Lebensmittelaufsichtsämter die festgelegten Kontrollfrequenzen nicht einhalten.

 

Zu diesen Vorwürfen wird wie folgt Stellung genommen:

 

-          In der Anlage zum Allgemeinen Zuständigkeitsgesetz (Nr. 13 Abs. 6) in Verbindung mit § 4 Abs. 1 Satz 1 des AZG in der Fassung vom 22. Juli 1996 (GVBl. S. 302,472) gehörten zu den Bezirksaufgaben unter Fachaufsicht der Senatsverwaltung die Festlegung der Aufgaben der Veterinär- und Lebensmittelaufsichtsämter. Diese Vorschrift ist durch Gesetzesänderung aufgehoben worden.  Die Feststellung der fehlenden Fachaufsicht durch die Senatsverwaltung für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz für die bezirkliche Veterinär- und Lebensmittelaufsicht trifft daher zu.

 

- Der Fachbereich Veterinär- und Lebensmittelaufsicht arbeitet im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf  streng nach einem vorgegebenen Qualitätsmanagementsystem (“QMS”) und konnte damit bislang gute Ergebnisse vorweisen. Bei einem am 14. November 2007 stattgefundenen Audit unter der Leitung der QM- Beauftragten des Landes Berlin wurde die Veterinär- und Lebensmittelaufsicht des Bezirksamtes Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin mit “sehr gut” bewertet. Der hohe Stellenwert der QM-gesteuerten Arbeit in der Veterinär- und Lebensmittelaufsicht zeigt sich nicht zuletzt darin, dass der für die Lebensmittelüberwachung zuständige Stadtrat Mitglied im Lenkungsausschuss Qualitätsmanagement ist.

Für den Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf trifft deshalb die Feststellung der quantitativ vielen, aber keine qualitativ guten Kontrollen nicht zu.

 

- Die vorgegebenen Kontrollfrequenzen werden bei den Betriebskontrollen im  Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf seit Jahren nicht eingehalten. Einzelheiten hierzu werden bei der Beantwortung der Fragen 2 und 3 erläutert. Der entsprechende Vorwurf der zu wenigen Kontrollen trifft daher für den Bezirk zu.

 

Zu 2:

In Artikel 3 der EG-Verordnung 882/2004 über amtliche Kontrollen zur Überprüfung der Einhaltung des Lebensmittel- und Futtermittelrechts sowie der Bestimmungen der Tiergesundheit und des Tierschutzes  ist die allgemeine Verpflichtung der EU-Mitgliedstaaten festgelegt, dass amtliche Kontrollen regelmäßig, auf Risikobasis und mit angemessener Häufigkeit durchgeführt werden.

 

In der “Allgemeinen Verwaltungsvorschrift über Grundsätze zur Durchführung der amtlichen Überwachung der Einhaltung lebensmittelrechtlicher, weinrechtlicher und tabakrechtlicher Vorschriften” (AVV Rahmen-Überwachung) vom 21. Dezember 2004 (GMBl S. 1169), geändert am 15. März 2007 (GMBl S. 351) sind  bundeseinheitliche Vorgaben für eine Risikobewertung von Betrieben und für die  Kontrollfrequenzberechnung festgelegt (s. Anlage 1).

 

Die Verantwortung für diese Bewertung liegt bei wissenschaftlich ausgebildeten Personen, den amtlichen Tierärzten. In Abhängigkeit des Ergebnisses der Risikobeurteilung reicht die Überwachungshäufigkeit nach dem Bewertungssystem der AVV Rahmen-Überwachung für einzelne Betriebe im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf von wöchentlich bis maximal alle 3 Jahre.

 

Für bestimmte Betriebsarten (z.B. Einzelhandelsbetriebe für Kosmetik, für Tabakerzeugnisse und für Bedarfsgegenstände oder Betriebe ohne Lagermöglichkeiten - wie z.B. reine Büroadressen -)  wird die Kontrollfrequenz gesondert festgelegt:

Kontrolle von Einzelhandelsbetrieben für Kosmetik:                       einmal jährlich,

Kontrolle von Einzelhandelsbetrieben für Tabakerzeugnisse:        einmal alle 2 Jahre

Kontrolle von Einzelhandelsbetrieben für Bedarfsgegenstände:    einmal alle 3 Jahre

Kontrolle von Betrieben für Lebensmittel ohne

Lagermöglichkeiten (reine Büroadressen):                                     einmal im Jahr

 

Im Land Berlin wurde für die Risikobewertung der Lebensmittelbetriebe  in den vergangenen Jahren das im Computersystem der Lebensmittelüberwachung HAMLET eingestellte Bewertungssystem genutzt (s. Anlage 2).  Nach diesem  System reichte die Kontrollfrequenz je nach Risikobewertung von  60 Tagen bis 720 Tagen.

 

Beide Bewertungssysteme (nach AVV-Rahmen-Überwachung und nach dem HAMLET-Programm) werden für die Risikobewertungen im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf genutzt.

 

Bisher liegen für 2462 feststehende Lebensmittelbetriebe Risikobewertungen vor, die folgende Überwachungsfrequenzen  vorsehen:

 

Kontrolle nach Risikobewertung                                                 

Soll-Kontrollen in 2007                           

im wöchentlichen Rhythmus:          3 Betriebe                                                         156

im monatlichen Rhythmus:              4 Betriebe                                                             48

im 60 Tage Rhythmus:                  80 Betriebe                                                       480

im 90 Tage Rhythmus:                    5 Betriebe                                                             20

im 120 Tage Rhythmus:              171 Betriebe                                                         531

im 180 Tage Rhythmus:              974 Betriebe                                1948

im 360 Tage Rhythmus:              980 Betriebe                                  980

im 720 Tage Rhythmus:              245 Betriebe                                  123

                                     Summe: 2462 Betriebe                Summe:  4286 Kontrollen

 

Im wöchentlichen Rhythmus sind z.B. ein großer Hackfleischherstellungsbetrieb oder eine große Küche für die Belieferung von Schulen und Kindertagesstätten zu überwachen.

 

Nach den Risikobewertungen hätten in 2007 insgesamt   4286 Kontrollen in den bewerteten Betrieben durchgeführt werden müssen. Tatsächlich fanden nur 2052 Kontrollen in diesen Betrieben statt. Beispielsweise wurde der Hackfleischbetrieb nicht wöchentlich, sondern nur 9 mal kontrolliert. Insgesamt wurden nur 48% der vorgesehenen Kontrollen in den risikobewerteten Betrieben durchgeführt.

 

Bezogen auf alle Betriebskontrollen (9196 Kontrollen in 6613 Betrieben) in 2007 wurden insgesamt 4022 Kontrollen in feststehenden und 5174 Kontrollen in mobilen Betrieben (z.B. auf dem Messegelände, im Olympiastadion, am Breitscheidplatz, auf Straßenfesten und Weihnachtsmärkten usw.) durchgeführt. Für mobile Betriebe gibt es keine Risikobewertung.

             

Zu 4:

Im Vergleich zu 2006 sind in 2007 wegen der angespannten Personalsituation insgesamt 1262 Betriebskontrollen weniger in Charlottenburg/Wilmersdorf durchgeführt worden. Insofern trifft die Entwicklung des Anstieges der Quantität der Kontrollen bei gleichzeitigem Qualitätsverlust nicht zu.

 

Die Produktmentorengruppe der VetLeb hat sich in 2007 in mehreren Sitzungen mit dem Problem der gegensätzlichen Ziele der KLR und der unabhängigen Betriebskontrollen beschäftigt. In dieser Produktmentorengruppe ist auch der Bezirk Charlottenburg/Wilmersdorf vertreten. Ein Lösungsansatz für dieses Problem konnte noch nicht gefunden werden. Bisher sind die Versuche, andere Bezugsgrößen als die Anzahl der Kontrollen für das Betriebskontrollprodukt zu finden, fehl geschlagen.

 

Aus der Sicht des Verbraucherschutzes sind qualitativ - auf der Basis des QMS –Systems  durchgeführte - Kontrollen notwendig. Hierfür ist ausreichend qualifiziertes Personal erforderlich.

 

Zu 5:

Das Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin schließt sich der Kritik der Inspektoren an der fehlenden Fachaufsicht durch die Senatsverwaltung an.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Marc Schulte

 

 

Anlagen

(Sind im Büro der BVV einzusehen)

 

 


 

 
 

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