Drucksache - 0358/3
V 1. Weg von der Fresskultur, hin zur Esskultur!
Die
BVV hat in ihrer Sitzung am 16.10.2008 Folgendes beschlossen: Das
Bezirksamt wird aufgefordert, eine Informationskampagne zu entwerfen, um die
Essgewohnheiten der Bürger/innen des Bezirks zu verbessern. Neben offensiver
Aufklärung und dem Angebot von Koch- und Ernährungskursen (ggf. in Zusammenarbeit
mit den örtlichen Krankenkassen) soll auch die Verpflegung der bezirklichen
Einrichtungen überprüft und ggf. reformiert werden, wobei neben der Zusammensetzung
des Speiseplans auch auf die Herkunft der Produkte zu achten ist –
Regionales und Bioprodukte sollte immer bevorzugt werden. Das
Bezirksamt hat bereits in den vergangenen Monaten diverse Aktivitäten
entfaltet, um Fehlentwicklungen beim Essverhalten zu begegnen. Dabei werden unterschiedliche
Ansätze verfolgt: In
die Zuständigkeit des Wirtschafts- und Ordnungsamtes fällt die Überwachung der
Einhaltung der Handelsklassen von Ernährungsprodukten. Über
diese gesetzliche Pflichtaufgabe hinaus werden vom Wirtschaftsamt immer wieder
Aktionen organisiert, mit denen die Bevölkerung zu einer gesünderen Ernährung
animiert werden soll bzw. über Nahrungsmittel aufgeklärt wird. So war die
Handelsklassenkontrolle im Jahr 2008 mit Informationsständen auf der Grünen Woche,
auf dem Spargelmarkt am Fehrbelliner Platz, beim Fest der Nationen, beim
Kartoffelmarkt auf dem Mierendorffplatz sowie bei den Gesundheitstagen
vertreten. Mit dem “5 am Tag e.
V.” wurde ein Zeichennutzungsvertrag abgeschlossen. Das Bezirksamt
Charlottenburg-Wilmersdorf ist die erste Behörde Berlins, die als Gesundheitspartner
anerkannt wurde und seinen Mitgliedsbeitrag durch Sachleistungen in Form von diversen
Aktionen zur Verbreitung der “5-am-Tag-Kampagne” erbringt. Der
Verein propagiert den Verzehr von 5 Portionen Obst und Gemüse täglich. Die
begleitenden Kampagnen des Wirtschafts- und Ordnungsamtes begannen im Januar
2008 im Rahmen des Schulprojekts “Gesunde Ernährung” in der
Oppenheim-Haupt- und Realschule und wurden in den Monaten April, Mai, Juni,
August und Oktober des Jahres in verschiedenen Schulen bzw. mit Schülerinnen,
Schülern und Jugendlichen fortgesetzt. Das
Gesundheitsamt betrachtet die Förderung der Kinder- und Jugendgesundheit als
Schwerpunktaufgabe, insbesondere die Präventionsarbeit bei jüngeren
Altersgruppen. So zeigen große europäische und amerikanische Studien,
dass längeres Stillen vor späterem Übergewicht schützt. Die präventive Arbeit
des Kinder- und Jugendgesundheitsdienstes setzt hier an. Nach jeder Geburt
eines ersten Kindes in einer Familie besuchen Sozialarbeiter oder Sozialarbeiterinnen
des Kinder- und Jugendgesundheitsdienstes die Familie. Bei diesem
Ersthausbesuch nimmt die Beratung zur Ernährung viel Raum ein. Bei Stillproblemen
bietet eine Kinderkrankenschwester des Kinder- und Jugendgesundheitsdienstes
eine persönliche Stillberatung an oder weist auf Selbsthilfegruppen hin. Bei den Einschulungsuntersuchungen werden die Mütter
und Väter übergewichtig erscheinender Kinder von den Schulärztinnen auf die
Gewichtsproblematik angesprochen und auf laufende Programme im Bezirk
hingewiesen. Die Ärztinnen des zahnärztlichen Dienstes bieten bei
ihren Reihenuntersuchungen den Leiterinnen und Leitern von Kindertagesstätten
und Schulen an, bei Elternabenden über gesunde Ernährung hinsichtlich der
Kariesprophylaxe zu referieren. Dieses Angebot wird gerne angenommen.
Zusätzlich wird zu besonderen Anlässen in Jugendfreizeiteinrichtungen, auf
Straßenfesten u.ä. von den Zahnärztinnen spielerisch zum Zuckergehalt von
Erfrischungsgetränken und anderen Lebensmitteln anschaulich aufgeklärt. Im
Jahr 2007 führte der zahnärztliche Dienst zehn solcher Informationskampagnen
durch. Die gesunde Ernährung und
Bewegung war das Thema einer Gesundheitskonferenz im Mai diesen Jahres. Einer
der dort erarbeiteten Handlungsansätze war der Vorschlag zum Einbezug von
Schulen in Charlottenburg-Nord in das ”Landesprogramm gute gesunde
Schule”. Ziel dieses Programms ist es, das Thema Gesundheit dauerhaft im
Schulalltag zu verankern. Maßnahmen zur gesunden Ernährung und Bewegung sind
Teil des Programms. Ein
weiterer Aspekt in der Arbeit der Abteilung Soziales, Gesundheit, Umwelt und
Verkehr ist die Gesundheitsaufklärung und Informationsvermittlung für die
bezirkliche Bevölkerung. Zu Beginn des Jahres wurde in Kooperation mit dem
Martin-Luther-Krankenhaus eine Vortragsreihe ins Leben gerufen, die den
Bürgerinnen und Bürgern (kostenlos) Informationen zu gesundheitlichen Themen
liefert. Im Juni 2008 wurde über Fettstoffwechselstörungen referiert. Weitere
Vorträge zu Ernährungsthemen werden folgen. Das Schulamt und der
Kita-Eigenbetrieb streben die Verwendung von Lebensmitteln an, die nach dem
Gentechnikgesetz als “ohne Gentechnik” gekennzeichnet sind. Das
Bezirksamt verweist dazu auf die Drucksache 0858/3. Mit den Fragen zur
"Gesunden Ernährung” geht der Kita-Eigenbetrieb Nordwest vorbildlich
um. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie die Eltern werden zu diesen
Fragen regelmäßig geschult und informiert. Die Kinder erlernen und erleben in
Projekten die Bedeutung einer gesunden und abwechslungsreichen Ernährung durch
bewussten Verzehr. Im
vergangenen Jahr hatten alle 20 Charlottenburg-Wilmersdorfer Kindertagesstätten
an der bundesweiten Aktionswoche “Iss bunt und gesund”
teilgenommen. Am 4. November 2008 fand im Rahmen des Fortbildungsprogramms für
Köchinnen, Köche und Küchenwirtschaftskräfte ein Seminar zum Thema
“Mahlzeit Kita! Essen mit Spaß und Pfiff” statt. Für
alle öffentlich finanzierten Kindertageseinrichtungen gilt die Vereinbarung über
die Qualitätsentwicklung in Berliner Kindertagesstätten vom 23. Juni 2008.
Darin verpflichten sich die Träger von Kindertageseinrichtungen zur Einhaltung
der Qualitätsvereinbarung, in der unter Punkt 3, Punkt 17 Folgendes festgelegt
ist: “Um
eine gesunde Ernährung der Kinder sicher zu stellen und den Anforderungen des
Bildungsprogramms nach Förderung gesunder Essensgewohnheiten zu entsprechen,
gewährleisten die Träger in ihren Kindertagesstätten eine qualitativ hochwertige
Mittagsversorgung. Diese soll physiologisch ausgewogen, schmackhaft und
abwechslungsreich sein und den Ernährungsbedürfnissen der unterschiedlichen Altersstufen
entsprechen. Spezifische kulturelle Speiseangebote und medizinisch erforderliche
Einschränkungen für einzelne Kinder werden berücksichtigt. Frisches
Obst und Gemüse werden den Kindern täglich angeboten. Eine ausreichende Versorgung
mit kalorienarmen Getränken ist während des gesamten Tagesablaufs zu gewährleisten”. Auch
bei temporären Angeboten in den Einrichtungen der Jugendförderung wird auf ein
ausgewogenes Speiseangebot und die Verwendung von Bioprodukten geachtet. Der
Schulträger führt für die Versorgung der Grundschülerinnen und Grundschüler mit
einem Mittagessen eine Ausschreibung durch, die von den zukünftigen Versorgern
die Einhaltung der Berliner Qualitätskriterien für die Schulverpflegung
fordert. Diesen Berliner Qualitätskriterien, mit denen das Land Berlin Vorreiter
für die Einführung verbindlicher Standards für die Mittagsverpflegung für Schülerinnen
und Schüler in Grundschulen ist, orientieren sich an den Qualitätsstandards der
Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE-Standards) und legen den im Beschluss
geforderten Bio-Anteil sowie die Bevorzugung regionaler Produkte fest. Mit den Schulen und den
Versorgern wird mit den Versorgungsverträgen ein enges Qualitätsmanagement und
eine verbindliche Qualitätskontrolle vereinbart. Die Senatsverwaltung für
Bildung, Wissenschaft und Forschung hat eine Serviceinstitution, die
Vernetzungsstelle Berliner Schulverpflegung, initiiert, die für den Schulträger
und die Schulen sowie für die Anbieter von Schulverpflegung beratend und
unterstützend tätig ist. Die Schulen haben Zugang zu ausführlichen
Informationsmaterialien über gesunde Schulverpflegung. Derzeit
bemüht sich die Vernetzungsstelle gemeinsam mit dem Schulträger um Beratung
und Unterstützung der Oberschulen, um auch dort sicherzustellen, dass beim
Angebot von Nahrungsmitteln in den
Mensen oder Caféterien ebenfalls Qualitätsstandards eingehalten werden.
Hier sind die Schulen im Rahmen ihrer Eigenverantwortlichkeit sehr aktiv und
haben in der Regel paritätisch (Eltern, Lehrer/innen, Schüler/innen) besetzte
Essenskommissionen zur Organisation der Essensversorgung gebildet. Für
die Pflegeheime und Seniorenheime im Bezirk kann mitgeteilt werden, dass sich
diese in privater und frei gemeinnütziger Trägerschaft befinden. Der Bezirk hat
insofern keinen direkten Einfluss auf die Art der Ernährung, es können nur
Beratungen und Empfehlungen erfolgen. Insbesondere
bei adipösen Heimbewohnerinnen und Heimbewohnern wird ausdrücklich auf die
Notwendigkeit einer Gewichtsreduktion hingewiesen. Die zuständigen
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Heimen erhalten dann entsprechende
Beköstigungsempfehlungen, auch mit dem Hinweis, regionale Bioprodukte zu verwenden.
Eine gesetzliche Verpflichtung regionale Bioprodukte zu verwenden, besteht
allerdings nicht. In
den Heimen der Wilmersdorfer Seniorenstiftung erfolgt die Verpflegung nach festgelegten
Qualitätsstandards altersgerecht und abwechslungsreich. Backwaren, Fleisch und
Wurst sowie Getränke werden überwiegend von in der Region ansässigen Anbietern
bezogen. Die begrenzten finanziellen Mittel lassen jedoch, wie berichtet wird,
den Einkauf der etwas teureren Bioprodukte nicht zu. Die
vorstehenden Ausführungen zeigen deutlich, dass die gesunde Ernährung der
Bevölkerung einen hohen Stellenwert für das Bezirksamt hat. Das Bezirksamt
sieht sich daher durch den Beschluss der Bezirksverordnetenversammlung in
seinem Handeln unterstützt und bestätigt. Es greift den im Beschluss zum
Ausdruck kommenden Wunsch gerne auf und wird die bisher mit Erfolg
durchgeführten einzelnen Aktionen der Abteilungen zu einer Kampagne für gesunde
Ernährung weiter entwickeln. Die
Durchführung von Koch- und Ernährungskursen ist auch aus Sicht des Bezirksamtes
für die Bevölkerung zweckmäßig und gewinnbringend, jedoch erscheint ein
zusätzliches Engagement des Bezirksamtes mit Blick auf die Vielzahl der
bereits durch örtliche Krankenkassen und die Volkshochschule angebotenen Kurse
und Veranstaltungen als nicht notwendig. Das Bezirksamt wird sich gegenüber den
Krankenkassen dafür einsetzen, dass die Kursangebote auch in den nächsten
Jahren fester Bestandteil der Gesundheitsvorsorge bleiben. Das
Bezirksamt wird seine Spielräume weiterhin nutzen, um für eine ausgewogene und
gesundheitsorientierte Beköstigung für Bürgerinnen und Bürger in bezirklichen
Einrichtungen einzutreten und für den Einkauf von Lebensmitteln aus der Region
Berlin-Brandenburg zu werben. Das
Bezirksamt bittet den Beschluss als erledigt anzusehen und wird unaufgefordert
über weitere Aktionen in den zuständigen Fachausschüssen berichten. Monika
Thiemen Martina
Schmiedhofer Bezirksbürgermeisterin
Bezirksstadträtin 2. Übertrag in ALLRIS 3. Original und 9 Kopien sowie V an BzBmin-Büro für
BA-Sitzung am 03.02.09 4. Original nach Unterschriften ab an BVV-Büro 5. Kopie ab an WiAbtL, JugAbtL, SozPL, GesAL 6. Listen not. 7. SozSekrAbl. EU BzBmin EU SozAbtL‘in
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