Drucksache - 0135/3  

 
 
Betreff: Schulanfangsphase
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:SPD-Fraktion 
Verfasser:Verrycken/Hoffmann 
Drucksache-Art:Große AnfrageGroße Anfrage
Beratungsfolge:
Bezirksverordnetenversammlung Beratung
24.01.2007 
5. Öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin schriftlich beantwortet   
15.02.2007 
6. Öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin vertagt   

Sachverhalt
Anlage/n
Anlagen:
Schriftliche Beantwortung Große Anfrage SPD-Fraktion vom 07.02.2007

Wir fragen das Bezirksamt:

Wir fragen das Bezirksamt:

 

1.      Welche bildungspolitischen Ziele werden mit der Einführung der Schulanfangsphase angestrebt?

 

2.      Wie viele Schulen in unserem Bezirk haben mit der Schulanfangsphase in diesem Schuljahr bereits begonnen?

 

3.      Wurden für die Lehrerinnen und Lehrer sowie Erzieherinnen und Erzieher Fortbildungsmaßnahmen bezogen auf die Schulanfangsphase angeboten? Wenn ja: wie viele aus unserem Bezirk haben daran teilgenommen?

 

4.      Wie bewertet die Schulaufsicht und der Schulträger die aktuelle Situation?

 

 

Das Bezirksamt beantwortet die Anfrage schriftlich wie folgt:

 

Zu 1.:

Bereits im Oktober 1997 beschloss die Kultusministerkonferenz “Empfehlungen zum Schulanfang und zur Optimierung der Arbeit zum Schulbeginn”. Grundsätzliche Aufgabe der Grundschule ist nach diesen Empfehlungen, zunächst die Unterschiedlichkeit in Bezug auf die Entwicklungsprozesse und Lernmotivationen der Kinder anzunehmen und als Chance für vielfältige Lernanregungen zu sehen und zu nutzen. Danach muss nicht das Kind schulfähig sein, sondern die Schule muss ihren Schulanfang so gestalten, dass die Lern- und Entwickl-ungsmöglichkeiten aller Kinder ausgeschöpft und gefördert werden. Fördern dient nicht vorrangig dem Ausgleich von Unterschieden mit dem Ziel der Homogenisierung der Lern-gruppe, sondern zielt darauf ab, die Lernmöglichkeiten eines jeden Kindes auszuschöpfen. An diesem Ziel sollen die Eltern, die Erzieher/innen in den vorschulischen Einrichtungen und die Lehrer/innen und Erzieher/innen der Grundschule zusammen arbeiten.

 

Diese Gedanken hat das Schulgesetz vom 26.01.2004 aufgenommen und mit der Grund-schulverordnung vom 19.01.2005 weitere Regelungen zum Verfahren getroffen. Danach umfasst die Schulanfangsphase die Jahrgangsstufen 1 und 2 und wird als pädagogische Einheit jahrgangsübergreifend organisiert. Die flexible Schulanfangsphase

-          ermöglicht einen besseren Umgang mit Entwicklungsunterschieden.

-          Auf das individuelle Lerntempo kann eingegangen werden, und dies kann über die Schullaufbahn entscheiden.

-          Die vertraute soziale Gruppe muss nicht gewechselt werden.

-          Das soziale Lernen wird intensiviert – jeder kann etwas anderes gut und hilft dem anderen.

-          Auch zunächst lernschwächere Kinder können in bestimmten Bereichen den Jüngeren helfen.

 

Welche Argumente sprechen nun für jahrgangsgemischtes Lernen in der Schulanfangsphase?

 

1.      Lernen beginnt mit der Geburt:
Lernen in der Schule beginnt frühestens für Kinder im Alter von 5,5 Jahren: Schulanfänger/innen sind keine Lernanfänger/innen.

2.      Es ist normal, verschieden zu sein:
Kinder bringen unterschiedliche Vorerfahrungen mit; die Bedingungen, unter denen Kinder heute aufwachsen, unterscheiden sich sehr viel mehr als früher.

3.      Homogenität ist ein Irrglaube; jedes Kind ist einmalig:
Auch in den jahrgangshomogenen ersten Klassen saßen Kinder, die sich in ihren Lernerfahrungen und ihrem Entwicklungsstand um 3 - 4 Jahre unterschieden.

4.      Lernen in der Schulanfangsphase setzt auf individuelle Förderung - für passgerechte Förderung gilt es zu fragen:
Was kann das Kind schon? Was muss es noch lernen? Was soll es im nächsten Schritt lernen?

5.      Jahrgangsmischung fördert Potenziale der Kinder:
Kinder kommunizieren sach- und aufgabenbezogen miteinander; leistungsschwache Kinder erleben sich beim Unterstützen jüngerer Kinder als kompetent - das stärkt ihr Selbstkonzept und ihre Lernbereitschaft. Leistungsstarke Kinder werden durch Modelle älterer Kinder und Lernangebote für die nächsthöheren Jahrgangsstufen herausgefordert.

6.        Jahrgangsmischung fordert veränderte Unterrichtskonzepte, entlastet Lehrkräfte jedoch (sobald die mit der Umstellung verbundenen Aufgaben und Veränderungen in Routine übergehen):
Regeln und Rituale der Gruppe werden weitergelebt; Kinder sind Ansprechpartner der Kinder - nicht nur Lehrkräfte; hohe Arbeitszufriedenheit der Lehrkräfte in jahrgangs-gemischten Klassen

 

Zu 2.:

Alle Schulen haben mit der Schulanfangsphase begonnen.

 

Im Vorgriff auf eine weitere Änderung der Grundschulverordnung hat die Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung mit Rundschreiben Nr. 67/2006 vom 06.12.2006 mitgeteilt, dass die jahrgangsstufenübergreifende Einrichtung von Lerngruppen in der Schulanfangsphase erst ab 2008/2009 verpflichtend wird. Damit wird den Wünschen von Schulen entsprochen, die

-          in ihren Vorbereitungen auf die Realisierung der Jahrgangsmischung noch nicht weit genug fortgeschritten sind,

-          die in ihrem Personalentwicklungs- und Fortbildungskonzept für die Qualitätsentwicklung der Schulanfangsphase mehr Zeit benötigen oder

-          deren Organisation eine Mischung von drei Jahrgängen vorsieht.

 

Die Option, ein weiteres Jahr jahrgangshomogene Lerngruppen zu bilden, setzt einen ent-sprechenden Beschluss der Schulkonferenz voraus, der bis zu den Winterferien gefasst wer-den musste. Ohne einen solchen Beschluss sind die Kinder in den Jahrgangsstufen 1 und 2 ab dem Schuljahr 2007/2008 gemeinsam zu unterrichten.

 

Sofern die Schulkonferenz beschließt, in der Schulanfangsphase ein weiteres Schuljahr ohne Jahrgangsmischung zu unterrichten, sind Schulaufsicht, Schulträger und die Erziehungsberechtigten in den von dieser Entscheidung betroffenen Jahrgängen unverzüglich zu informieren. 

 

Dem Schulträger liegen von folgenden Schulkonferenzen entsprechende Beschlüsse vor:

-          Lietzensee-Grundschule

-          Goerdeler-Grundschule

-          Wald-Grundschule

-          Mierendorff-Grundschule

-          Erwin-von-Witzleben-Grundschule

-          Helmuth-James-von-Moltke-Grundschule

-          Nehring-Grundschule

-          Charles-Dickens-Grundschule

-          Johann-Peter-Hebel-Grundschule

-          Ernst-Habermann-Grundschule

-          Grundschule-am-Rüdesheimer-Platz

-          Halensee-Grundschule

-          Grunewald-Grundschule

-          Alt-Schmargendorf-Grundschule

-          Birger-Forell-Grundschule.

 

Zu 3.:

Die Fähigkeit von Lehrer/innen, verlässliche Diagnosen in wirkungsvolle Fördermaßnahmen umzusetzen, ist von ausschlaggebender Bedeutung für erfolgreiches Lernen. Demzufolge waren folgende Qualifizierungsmaßnahmen geplant:

 

-          Fortbildung im Bereich der Förderdiagnostik

-          Fortbildung zum Erstellen individueller Arbeits- und Förderpläne

-          Fortbildung zu Organisation und Inhalt von jahrgangsübergreifendem Lernen

-          Fortbildung zu Fragen des Umgangs mit Heterogenität und der individuellen Förderung

-          Fortbildung zu Fragen der Förderung von lernmethodischen Kompetenzen

-          Fortbildung zu Fragen der Förderung zum selbständigen Lernen sowie

-          Fortbildung zu Fragen der Zusammenarbeit von unterschiedlichen Professionen und von

-          Fortbildung zur Teamarbeit.

 

Neben Einzelfortbildungsangeboten des Berliner Landesinstituts für Schule und Medien (LISUM), die zum Teil auch für Erzieher/innen und Lehrer/innen gemeinsam geplant waren, wurde auch auf eine Kompetenzstärkung über das Netzwerk der bezirklichen Fachbera-ter/innen für den Anfangsunterricht und der Bezirksfachkonferenzen Deutsch und Deutsch als Zweitsprache gesetzt.

 

Nach Auskunft der Schulaufsicht haben kontinuierlich Fortbildungsmaßnahmen stattgefun-den. Alle Schulen waren vertreten. Eine zahlenmäßige Auswertung liegt der Schulaufsicht nicht vor.

 

Zu 4.:

Nach Auskunft der Schulaufsicht hat am 17.01.2007 eine Grundschulleitersitzung stattgefun-den, auf der die Situation allgemein, aber auch geplante Verschiebungen der Altersmischung besprochen wurde. Die Schulaufsicht ist bereit, darüber zu gegebener Zeit zu berichten.

 

Der Schulträger bewertet das Vorhaben bildungspolitisch als positiv, hält jedoch zeitnah eine genaue Auswertung betr. die Realisierung – insbesondere unter dem Aspekt der tatsächlich eingesetzten personellen Ressourcen - für geboten.

 

 

Reinhard Naumann

Bezirksstadtrat

 

 


 

 
 

Legende

Ausschuss Tagesordnung Drucksache
BVV Aktenmappe Drucksachenlebenslauf
Fraktion Niederschrift Beschlüsse
Kommunalpolitiker/in Auszug Realisierung
   Anwesenheit Schriftliche Anfragen