Drucksache - 0110/3
Die BVV hat in ihrer Sitzung am 24. Januar 2007 folgenden Beschluss gefasst: Die Bezirksverordnetenversammlung Charlottenburg-Wilmersdorf
von Berlin erkennt in dem verstärkten Engagement von Scientology im Bezirk eine
mögliche Gefährdung für die demokratische Gesellschaft und die Ausübung
individueller Freiheitsrechte. Die BVV spricht sich gegen die Aktivitäten der
Scientology-Sekte im Bezirk und in Berlin aus und erwartet von den dafür
zuständigen Stellen in Berlin, dass die Scientology-Sekte in der kommenden Zeit
aufmerksam und kritisch beobachtet, gewonnene Erkenntnisse transparent gemacht
werden und ggf. gegen sie eingeschritten wird. Daher wird das Bezirksamt beauftragt, Ø die gewerbe- und ordnungsrechtlichen
Möglichkeiten zur Eindämmung der Scientologywerbung auf öffentlichem
Straßenland konsequent zu nutzen, Ø entsprechend dem Beschluss des
Bundesverwaltungsgerichts vom 16.02.1995, der Scientology als
Wirtschaftsunternehmen einstuft, den Vertrieb von Kursen und Materialien durch
Scientology im Rahmen der gewerberechtlichen Anmeldepflicht auf gefährdende
Inhalte zu prüfen, Ø und ebenfalls zu prüfen, inwieweit
Bürgerinnen und Bürger Berlins, besonders Anwohnerinnen und Anwohner sowie
Kinder aus dem Bezirk durch die Existenz des Zentrums gefährdet sind und ggf.
hiergegen vorzugehen, Ø mit der Schulleitung und der Gesamtelternvertretung
der nächst gelegenen Ludwig-Cauer-Grundschule in Kontakt zu treten und ein
abgestimmtes Vorgehen zu vereinbaren. Das Bezirksamt wird aufgefordert, gegenüber Eltern und Kindern in Absprache mit den Lehrern und der Schulaufsicht für Aufklärung in den Schulen und Jugendfreizeiteinrichtungen über die unerwünschte Scientology-Sekte zu sorgen. Der BVV ist bis zum 31.03.2007 erstmalig und anschließend in
regelmäßigen Abständen zu berichten. Das
Bezirksamt teilt hierzu mit: Das Bezirksamt begrüßt ausdrücklich den einstimmig gefassten
Beschluss der Bezirksverordnetenversammlung zum Thema Scientology. Alle
Abteilungen des Bezirksamtes haben sich in den letzten Monaten seit der
Eröffnung der Berliner Zentrale der Scientology-Organisation am 13. Januar 2007
in ihrem Handeln von einer Strategie der Prävention durch Aufklärung -
verbunden mit der Prüfung der rechtlich möglichen Grenzen in
ordnungsrechtlichen Fragen - leiten lassen. Auch das Abgeordnetenhaus hat am 21. Juni 2007 einstimmig
folgenden Beschluss (Drs. 16/0162) gefasst, den das Bezirksamt ausdrücklich begrüßt, da damit deutlich wird,
dass Bezirk und Land in dieser Frage gemeinsam agieren: “Der Senat wird aufgefordert, seine Aktivitäten zur Aufklärung der Bevölkerung, insbesondere von Schülerinnen und Schülern, deren Eltern und Pädagoginnen und Pädagogen in Kindertageseinrichtungen, Schulen und Freizeiteinrichtungen über Scientology und andere konfliktträchtige Anbieter auf dem Psycho- und Lebenshilfemarkt sowie die Vermittlung von grundlegendem Orientierungswissen über Merkmale und Strukturen solcher Anbieter zu verstärken. U. a. soll der Senat sein Aufklärungs- und Informationsmaterial (z. B. Informationsblätter über Scientology) aktualisieren, in einer insbesondere Jugendliche ansprechenden Weise aufbereiten und den Zugang zu diesen Materialen erleichtern (z. B. über das Internet). Dieses Material soll vorrangig Schulen, Kindertageseinrichtungen, Kinder- und Jugendeinrichtungen, Familienberatungsstellen und anderen öffentlichen Einrichtungen zur Verfügung gestellt werden, in deren Umfeld verstärkte Aktivitäten derartiger Organisationen festzustellen sind. Darüber hinaus soll geprüft werden, ob die Notwendigkeit besteht, zusätzliche Fortbildungen für Erzieherinnen und Erzieher, Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen, Lehrerinnen und Lehrer zur Thematik anzubieten. Der Sektenbericht ist zu aktualisieren und regelmäßig zur
Mitte einer Legislaturperiode fortzuschreiben. Die Einrichtung einer geeigneten
und niedrigschwelligen Anlauf- und Beratungsstelle auf Landesebene für alle
Fragen, die Sekten und andere konfliktträchtige Anbieter auf dem Psycho- und
Lebenshilfemarkt betreffen, ist zu prüfen.” Besonders bezeichnend für Scientology ist, dass diese
Organisation für sich Rechte der Informationsfreiheit in Anspruch nimmt, selber
aber keine Transparenz zulässt: So wurde der Antrag der Scientology
Organisation nach dem Informationsfreiheitsgesetz vom 8. Januar 2007,
Unterlagen zum Thema “Scientology (...) sowie jeglicher weiterer
Körperschaften der Scientology-”Organisation einzusehen, bezüglich der
Scientology-Organisation positiv beschieden. Auf die Nachfrage des Bezirksamtes
aber, welche Körperschaften denn zu Scientology gehörten, um über den Antrag abschließend
zu bescheiden, gab es bisher noch keine Antwort. Das Bezirksamt hat in den vom Beschluss erfassten Bereichen
folgende Maßnahmen ergriffen: ·
Konsequente
Nutzung der ordnungsrechtlichen Möglichkeiten zur Eindämmung der
Scientology-Werbung Eine rechtliche Handhabe, der Scientology-Organisation
Infostände oder das Verteilen von Werbematerial zu untersagen, besteht seit der
Deregulierung des Straßengesetzes und des Straßenreinigungsgesetzes Ende 2005
nur noch im geringen Umfang. Das Wirtschafts- und Ordnungsamt wird aber bekannt
werdende Verstöße im Zusammenhang mit der Verteilung von Werbematerial auf
öffentlichem Straßenland und der sonstigen Zurschaustellung von
Informationsmaterial durch Scientology verfolgen, wie z.B. den Verkauf von
Büchern vom Informationsstand aus. Häufig sprechen auch verkehrliche Gründe
gegen die Genehmigung von Infoständen. ·
Gewerberechtliche
Prüfung der Scientology-Organisation Die am 22. Januar 2007 nach Aufforderung durch das
Bezirksamt erfolgte Gewerbeanmeldung des “Scientology Kirche Berlin e.
V.” beinhaltet als Tätigkeitsfeld den Verkauf von Literatur, Video- und
Audiokassetten sowie die Durchführung einführender Kurse/Seminare gegenüber
Nichtmitgliedern. Ermittlungen des Wirtschaftsamtes über den Inhalt der
angebotenen Dienstleistungen und Medien sieht die Gewerbeordnung jedoch nicht
vor. Das ist Aufgabe der Strafverfolgungsbehörden sowie des
Verfassungsschutzes. Im Rahmen der Ermittlungen dieser Behörden getroffene
Feststellungen eröffneten unter Umständen die Möglichkeit eines
gewerberechtlichen Eingriffs durch den Bezirk.
Für die Filiale in der Meinekestraße liegt auch mehrere Wochen nach der
Eröffnung des Geschäftes keine Gewerbeanmeldung vor. Ein entsprechendes
Verfahren zur Ahndung ist veranlasst. ·
Prüfung
von Maßnahmen zum Schutz vor Gefährdung Zum Schutz vor einer Gefährdung wird seitens des Bezirks
nach wie vor der Aufklärung Priorität eingeräumt. Dabei wurden alle Abteilungen des Bezirksamtes eingebunden:
Die Pressestelle des Bezirkes hat umgehend Informationen über die
Scientology-Organisation auf die Internetseite des Bezirksamtes eingestellt. Es wurden für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des
Bezirksamtes, insbesondere auch für die Auszubildenden,
Informationsveranstaltungen mit dem Sektenbeauftragten der Evangelischen
Kirche, Pfarrer Gandow, am 28. Februar, am 28. März und am 5. Juni 2007
durchgeführt. In Kooperation mit dem Rechtsamt wird derzeit die
Möglichkeit geprüft, in die Vertragsgestaltung eine Scientology-Klausel
einzubauen, um so einen gewissen “Unterwanderungsschutz”
aufzubauen. Die Volkshochschule führte am 17. April 2007 eine
Diskussionsveranstaltung zum Thema Strategien im Umgang mit der
Scientology-Organisation durch, zu der mit Flyern in der Anwohnerschaft
geworben wurde und zu der über 150 Personen kamen, u.a. auch der Leiter der
Ludwig-Cauer-Grundschule. Auch im aktuellen Programm der Volkshochschule wird
ein entsprechendes Seminar angeboten. Die Heinrich-Schulz-Bibliothek hat mehrere Titel zum
Themenbereich nachgekauft und zusammen mit einer Auswahl der vorhandenen Titel
unter der Rubrik “Informationen über Sekten / Scientology”
ausgestellt. Erfreulich ist, dass auch Gewerkschaften und Parteien entsprechende Veranstaltungen durchgeführt haben. Auch die Medien in Berlin haben entscheidend zu einer umfassenden Aufklärung beigetragen. Die Arbeit der für Drogen- und Suchthilfekoordination im
Bezirk zuständigen Kollegin verfolgt das Ziel, die mit Kindern und Jugendlichen
im Bezirk arbeitenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Schulen, Freien
Träger und anderen Institutionen für das Thema zu sensibilisieren und zu einem
regelmäßigen Informationsaustausch zu gelangen. Hingegen lassen die Bestimmungen des Jugendschutzes es nicht
zu, das Scientology-Zentrum pauschal als jugendgefährdenden Ort zu
klassifizieren. Die eigentliche Gefährdung, die das Jugendschutzgesetz als
Voraussetzung für behördliche Eingriffe klar definiert, liegt nicht im
vordergründigen Zweck des Zentrums. Dieser Zweck, nämlich die Mitgliederwerbung
und die folgende wirtschaftliche Ausnutzung, ist nicht auf Minderjährige
ausgerichtet. Vielmehr muss in Einzelfällen geprüft werden, ob das offensive
Ansprechen von Minderjährigen und der Inhalt verteilter Materialien jugendgefährdenden
Inhaltes sein könnten, indem sie eine Gefahr für das körperliche, geistige oder
seelische Wohl der Kinder und Jugendlichen darstellen. Die Ausführungen des Bezirksamtes zum Jugendschutz wurden
mit der zuständigen Senatsverwaltung
abgestimmt. Mit diesen und weiteren Maßnahmen, die sich auch an den
jeweiligen Aktivitäten der Scientology-Organisation im Bezirk orientieren
werden, möchte das Bezirksamt die Bürgerinnen und Bürger umfassend informieren.
Sie sollen damit in die Lage versetzt werden, selbst zu beurteilen und einzuschätzen,
welche Wirkung die Arbeit der Scientology-Organisation entfaltet und welche
Risiken und Gefahrenpotentiale damit verbunden sind. Die knallharte
Geschäftstätigkeit muss von dem Hauch der Wohltaten entzaubert werden. ·
Zusammenarbeit
mit den Schulen Der Arbeitskreis der in der schulischen Suchtprophylaxe
tätigen Lehrerinnen und Lehrer der Oberschulen im Bezirk wurde in einem
Arbeitstreffen mit Unterstützung des Koordinators für schulische
Suchtprophylaxe sowie mit Thomas Gandow, Sektenbeauftragter der Evangelischen
Kirche, am 20. Februar 2007 ausführlich informiert. An diesem Treffen nahmen
auch Vertreterinnen der im Bezirk tätigen Projekte “LogIn” und
“D.I.P” teil. Dieses Treffen und die mittlerweile vorliegende
Stellungnahme der Fachstelle für Suchtprävention zu den Aktivitäten von
Scientology an Berliner Schulen bilden die Basis für eine kontinuierliche und
umfassende Aufklärung der Schülerinnen und Schüler sowie deren Eltern im
Bezirk, die auch in allen Einrichtungen für Jugendliche hineingetragen wurde. Von Anfang an stand der Schulträger im engen Kontakt mit der
Ludwig-Cauer-Grundschule und hat die Schule über die geplanten Maßnahmen
informiert. In Zusammenarbeit mit der Gesamtelternvertretung wurde durch
Veranstaltungen und Thematisierung im Unterricht eine vorbildliche
Aufklärungsarbeit an der Schule geleistet.
Das Bezirksamt wird in dem dargestellten Sinne weitere
Maßnahmen treffen und ist zuversichtlich, damit die Ziele des Antrages mit
erreichen zu können und bittet den Beschluss dadurch als erledigt zu
betrachten. Monika Thiemen Marc
Schulte Bezirksbürgermeisterin Bezirksstadtrat |
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