Drucksache - 1532/2  

 
 
Betreff: S-Bahnhof Grunewald: Für eine Bebauung unter Auflagen
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:Ausschuss für Bauleitplanung 
   
Drucksache-Art:Vorlage zur KenntnisnahmeVorlage zur Kenntnisnahme
Beratungsfolge:
Ausschuss für Bauleitplanung Beratung
15.06.2005 
49. Öffentliche Sitzung des Bauleitplanungsausschusses      
Bezirksverordnetenversammlung Beratung
16.06.2005 
42. Öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin      

Sachverhalt
Anlage/n
Anlagen:
2. Version vom 21.02.2007
3. Version vom 21.02.2007
4. Version vom 07.03.2007
5. Version vom 10.04.2008

Der Ausschuss für Bauleitplanung

 

Die BVV hat in ihrer Sitzung am 16.06.2005 beschlossen:

 

Das Bezirksamt wird aufgefordert, den B-Plan Grunewald mit folgenden Auflagen weiter zu führen:

 

1.      Das Mahnmal Gleis 17 ist einer der wenigen authentischen Orte des Holocaust in Berlin und muss deshalb in seiner jetzigen Anlage und künstlerischen Gestaltung unversehrt und unbeeinträchtigt erhalten bleiben. Das nähere Umfeld der bestehenden Mahnmale darf nicht verändert werden, eine ergänzende Gestaltung des Mahn- und Gedenkortes durch weitere Kunstwerke ist auszuschließen. Dieser Ort umfasst den gesamten Raum beginnend am Platz, die Auffahrt entlang dem Werk von Karol Broniatowski und das Gleis 17 mit dem gesamten Rampen- und direkt angrenzenden Bereich.

2.      Das Mahnmal Gleis 17 war Ausgangspunkt der grausamen Deportationen von 56.000 Berliner Juden, die ab Oktober 1941 bis März 1945 unter den Augen ihrer Nachbarn und der Bewohner der Villenkolonie Grunewald von dort aus in die Todeslager abtransportiert wurden. Es hat eine internationale und historische Bedeutung, die zu achten und zu schützen ist. Die Sichtachse von Gleis 17 in die Ferne ist frei zu halten. Auf den Standort eines Supermarkts ist zu verzichten; Baugrundstücke sind bis auf die Höhe der Wissmannstraße so zurück zu drängen, dass die Sichtachse nicht beeinträchtigt wird. Hierzu sind im weiteren Planungsverlauf Varianten zu entwickeln.

3.      Es sind folgende Erschließungsvarianten  zu entwickeln:

3.1 Die Erschließung der Baugrundstücke erfolgt allein aus der Trabener Straße heraus; dazu ist die bisherige fußläufige Zuwegung zum südwestlichen Bauteil als Straße auszubilden.

3.2 Die Erschließung erfolgt aus der Halenseestraße und der Trabener Straße.

Für beide Varianten ist zu prüfen, ob weitere Verbindungen zur Trabener Straße möglich gemacht werden können.

4.      Über den Bereich an den Mahnmalen ist eine Verbindung für Fußgänger und Radfahrer zum S-Bahnhof zu schaffen.

5.      Der südwestliche Abschluss des für die Bebauung erforderlichen Lärmschutzwalls und die Freifläche hin zum Mahnmalbereich sind nur landschaftsgärtnerisch zu gestalten. Hierzu ist ein Gutachterverfahren durchzuführen.

6.      Zur Einbeziehung des Mahnortes Bahnhof Grunewald in das Wohnviertel ist ein konzeptioneller Wettbewerb für einen Erinnerungs-Pfad vom Rathenau-Denkmal zum Mahnmal durchzuführen. Der Platz vor dem S-Bahnhof Grunewald sowie der Bahnhofseingang ist darin einzubeziehen.

7.      Das Bezirksamt lässt eine Rahmenplanung erstellen, in die der Vorhaben bezogene Bebauungsplan eingepasst wird.

8.      Alle Verfahrenskosten und die daraus entstehenden Realisierungskosten sind vom Vorhabenträger – durch einen städtebaulichen Vertrag gesichert – zu finanzieren.

9.      Bau vorbereitende Maßnahmen sind ausschließlich über den Werkstättenweg abzuwickeln.

 

Zu Punkt 6 “Erinnerungspfad-Pfad” wird Folgendes berichtet:

 

Das Bezirksamt (Kulturamt) hat den Vorschlag für einen Wettbewerb intensiv geprüft und hat dabei zunächst die Ausgangssituation betrachtet.

Der Gedenkstein in der Koenigsallee in Berlin-Grunewald erinnert an die Ermordung des damaligen Reichsaußenministers Walther Rathenau am 24. Juni 1922.

Das Mahnmal Gleis 17 erinnert an die Deportation von über 50 000 jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger von diesem Bahngleis in der Zeit vom Oktober 1941 bis Februar 1945.

Nach Rücksprache mit der Stiftung Topographie des Terrors, lässt es sich nicht belegen, dass Deportierte auf dem Weg zum Bahnhof Grunewald diese Route entlang der Koenigsallee gehen mussten. Ein “Erinnerungspfad” ist somit nicht dokumentiert und wäre frei erfunden.

Das Mahnmal Gleis 17 hat trotz des neuerrichteten Holocaust-Mahnmal am Brandenburger Tor seine immense Bedeutung nicht eingebüßt. Das hat sich wieder einmal deutlich bei dem Besuch des Israelischen Ministerpräsidenten Ehud Olmert am 12. 12.2006 gezeigt, der die Gedenkstätte besuchte und dort der Opfer des Holocaust gedachte.

Zwei bedeutsame Ereignisse der Deutschen Geschichte stehen sich hier gegenüber. Der Industrielle und Politiker Walther Rathenau (1867-1922) sollte nicht in den historischen Kontext von Deportationen jüdischer Mitbürger und Mitbürgerinnen gestellt werden. Das Bezirksamt vertritt vielmehr die Auffassung, dass es keinen unmittelbaren Zusammenhang gibt, die eine gemeinsame Lesart bedingen.

 

Aufgrund mangelnder historischer Nachweise sollte daher auf die Durchführung eines Wettbewerbs verzichtet werden und eine Fortführung bzw. Ergänzung zum Mahnmal Gleis 17 erfolgen. Bei der intensiven Behandlung des Themas wird auffällig, dass bislang keine ausführliche Darstellung zum Mahnmal Gleis 17 vorliegt. Der Besucher steht vor Ort an den Gleisen und wird mit der historischen Situation konfrontiert. Die inhaltliche Darstellung in Form einer Dokumentation als Informationsebene, so wie sie das unterirdische Dokumentationszentrum zum Stelenfeld am Brandenburger Tor anbietet, fehlt.

 

Unter Berücksichtigung, dass die Situation vor Ort unverändert und authentisch bleiben soll, schlägt das Bezirksamt vor, eine begleitende Dokumentation zum Mahnmal Gleis 17 zu erstellen.

 

 

 

Das Mahnmal Gleis 17 ist von der Deutschen Bahn AG in Auftrag gegeben worden. Ausgeführt wurde es von den beiden renommierten Architekten Nikolaus Hirsch und Wolfgang Lorch. Die Architekten verfügen darüber hinaus über umfangreiche Erfahrungen im Umgang mit Gedenkstätten. So haben Sie in den vergangenen Jahren das Mahnmal am Frankfurter Börneplatz, den Neubau der Dresdner Synagoge und das Jüdische Zentrum in München realisiert. Die Architekten wurden angesprochen, da beide die Ausgangslage kennen und bei der Umsetzung schon umfangreiche Materialien gesammelt bzw. angefertigt wurden, die den Prozess der Entstehung beschreiben.

In Zusammenarbeit mit den genannten Architekten wurde eine Konzeption erarbeitet, die folgende Inhalte berücksichtigt:

 

Historische Dokumentation:                                    Prof. Dr. Nachama

Stiftung Topographie des Terrors

 

Konzeption der Gedenkstätte Gleis 17:                 Prof. Nikolaus Hirsch

                                                                                    Prof. Wolgang Lorch

Andrea Wandel

Sukzession/ Vegetationsprozesse am

Gleis 17:                                                                     Prof. Jörg Dettmar

 

Gedenktheorie:                                                         Andreas Huyssen,

Monuments and Holocaust Memory in a Media Age

 

Fotografische Dokumentation:                                Lukas Roth und Gerald Domenig

 

Projektdokumentation und Zeichnungen:               Hirsch/ Lorch/ Wandel

 

Die geplante Publikation sollte in deutscher und englischer Sprache verfasst werden, mit Erscheinungsdatum zum 27. Januar 2008.

 

Präsentation:

 

Es ist vorgesehen, eine Vitrine o.ä. im Bahnhof zu installieren, um auf die Publikation hinzuweisen. Das Buch soll auch am “Bernard Lander Institut für Kommunikation über den Holocaust und Toleranz” am Touro-College Berlin präsentiert werden.

 

Das Bezirksamt bittet, den Beschluss zu Punkt 6 als erledigt anzusehen.

 

Monika Thiemen

 


 

 
 

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