Auszug - Bericht zur Arbeit der Berliner Stadtmission und Erfahrungsaustausch zum Themenschwerpunkt „Obdachlosigkeit im Bezirk Charlottenburg Wilmersdorf“. Expertinnen: Anna-Sophie Gerth (Leiterin der City Station) und Ellen Eidt (Leitende Diakonische Mitarbeiterin)  

 
 
6. Öffentliche Sitzung des Ausschusses für Soziales
TOP: Ö 4
Gremium: Ausschuss für Soziales Beschlussart: erledigt
Datum: Do, 30.06.2022 Status: öffentlich
Zeit: 17:30 - 18:55 Anlass: ordentliche Sitzung
Raum: BVV-Saal
Ort: Otto-Suhr-Allee 100, 10585 Berlin
 
Wortprotokoll
Beschluss

Die Vorsitzende begrüßt Anna-Sophie Gerth von der City Station und Ellen Eidt von der Diakonie der Berliner Stadtmission. Sie werden von ihrer Arbeit und den Erfahrungen mit Obdachlosen im Bezirk berichten. Sie fragt, welche Probleme es im Bezirk gebe und wie die Kommunalpolitik unterstützend tätig werden könnte.

 

Frau Gerth informiert, dass sie Sozialarbeiterin sei und seit 2018 die City Station leite. Sie hebt hervor, dass es in der Pandemie eine gute Zusammenarbeit mit der Fachstelle soziale Wohnhilfe gegeben habe. Im Jahr 2020 musste die Notübernachtung geschlossen werden, da aus Infektionsschutzgründen nicht zu viele Personen in einem Raum untergebracht werden durften. Die Fachstelle soziale Wohnhilfe hat innerhalb von 6 Stunden alle Obdachlosen untergebracht. Die City Station bietet ein Angebot für Obdachlose sowie Menschen in schwieriger finanzieller Lage. Um in der Pandemie den Kontakt nicht zu verlieren, wurde das Projekt Suppenküche+ initiiert. Später wurde die Arbeit mit Hygienekonzept und Schnelltests besser möglich. Damit konnte 2021 im Winter die Notübernachtung geöffnet werden, mit einer geringen Anzahl an Plätzen. Infizierte Obdachlose konnten teilweise nicht in Quarantäneeinrichtungen untergebracht werden, da diese überfüllt waren. Dieses Jahr gelte weiterhin ein Hygienekonzept. Neu sei, dass bereits am Eingang der Bedarf abgefragt werde, um die Hilfe gerichteter anzubieten. Obdachlose brauchten auch am Tag Ansprechpersonen. Dieses Angebot solle weiter ausgebaut werden.

 

Frau Eidt berichtet, dass sie Dienstbereichsleiterin bei der Diakonie der Berliner Stadtmission sei. Sie verteilt einen Jahresbericht von 2021 und erörtert, dass die Arbeit vier Pfeiler/ Schwerpunkte habe: Arbeit in den Kirchengemeinden, Kinder- und Jugendhilfe, Bildung, Straffälligen- und Opferhilfe, Eingliederungshilfe. Die Wohnungslosenhilfe solle mehr mit Beratungsangeboten verknüpft werden. Angebote, wie Housing First, seien nicht für jeden Obdachlosen die Lösung. Einige bevorzugten ein ungebundenes Leben ohne viel Verpflichtungen, zum Beispiel in Wohnwagensiedlungen. Präventive Maßnahmen zur Verhinderung von Wohnraumverlust sollten vor der Räumungsklage angeboten werden, da danach der psychische Druck der betroffenen Person meist zu hoch sei, um Hilfe anzunehmen oder zu suchen. Für Suchterkrankte zeigt ein 24/7-Angebot den größten Erfolg, daher sollten diese Kapazitäten ausgebaut werden. Frauen sind in der Kältehilfe unterrepräsentiert, da keine Zeit zur Bearbeitung ihrer sozialen und psychischen Probleme bleibe. Für osteuropäische Arbeitsmigranten solle über das Angebot zur Unterbringung in einem Arbeiterwohnheim nachgedacht werden, da sie meist an der Unterkunft sparen, um den Lohn in die Heimat zu schicken. Für den nächsten Winter sollten mehr Quarantäneplätze zur Verfügung gestellt werden.

 

BV Kraus fragt, was der Unterschied zwischen der Citystation und der Stadtmission sei und ob jeder Obdachlose die Angebote in Anspruch nehmen könne.

 

Frau Gerth erklärt, dass die Citystation sich über Spenden und Zuwendungen des Bezirks finanziere. Es seien 4 Sozialarbeiter angestellt, da es mehr um die Beratung der Obdachlosen gehe. Die Stadtmission ist auch für Reisende zuständig und die Angebote erfolgen anonym. Es wird nur eine kurze Beratung angeboten. Die Finanzierung erfolgt z. B. durch Umsatzerlöse, Zuwendungen, Spenden und Vermietung. Ca. 95 Prozent der Besucherinnen und Besucher sind durch Altersarmut betroffen. Einige auch nur für einen Monat, wenn der Wechsel vom Jobcenter zum Rententräger erfolge. Sie befürchte, dass diesen Winter die Zahl der Besucher aufgrund der erhöhten Energiekosten ansteigen werde. In der Citystation stehen Duschen zur Verfügung.

 

BV Dr. Biewener bedankt sich für die geleistete Arbeit und stellt fest, dass die Strukturen für die Träger verbessert werden sollten. Sie fragt, wie die Zusammenarbeit mit dem Sozialpsychiatrischer Dienst verlaufe.

 

Frau Eidt berichtet, dass sich die Kommunikation mit dem Sozialpsychiatrischer Dienst gebessert habe, seid bei der Stadtmission ein Psychologe tätig sei.

 

Frau Gerth erklärt, dass die Zusammenarbeit mit der Polizei oft zielführender sei, z. B. bei Angriffen auf die Beschäftigten.

 

BV Chen fragt, ob genug Räume für die Arbeit zur Verfügung stünden.

 

Frau Eidt informiert, dass es viele Obdachlose in Berlin gebe und in den nächsten Jahren ein Personalproblem entstehen werde. Beim 24/7-Angebot sei weniger Personal notwendig, da durch die engere Betreuung ein Vertrauensverhältnis entstehe. Die Räume für das Zentrum am Zoo stelle die Deutsche Bahn für 25 Jahre mietfrei zur Verfügung. Ein Start-up habe ein Projekt mit modularer Bauweise, das z. B. Wohnungen für Obdachlose auf Brachen ermöglichen könne. Derzeit suchen sie nach einer Finanzierung.

 

Bügerdeputierter Bloesy fragt, wie hoch der Anteil der Obdachlosen sei, der regelmäßig in der Psychiatrie behandelt werde.

 

Frau Gerth berichtet, dass ca. 75 Prozent der Obdachlosen unter einer Suchterkrankung leiden. Viele von ihnen haben keinen Leistungsanspruch in Deutschland. Diejenigen, die aufgrund ihrer Suchterkrankung für ca. 6 Wochen in der Psychiatrie behandelt werden, haben nach ca. einem halben Jahr einen Rückfall. Mit dieser Thematik beschäftigen sich auch andere Träger, z. B. Fixpunkt e. V..

 

Frau Eidt erklärt, dass es zu wenige Räume für den „legalen“ Konsum gebe. Es bestehe eine Lücke bei der Begleitung zur Krankheitseinsicht.

 

BV Stückler fragt, welches Personal zur Verfügung stünde und wie die Finanzierung erfolge.

 

Frau Gerth informiert, dass sie die Citystation mit 45 Prozent Arbeitszeit leite. Beschäftigt werden drei weitere Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter (1 x 80 Prozent und 2 x 75 Prozent Arbeitszeit) und eine Hauswirtschafterin mit 80 Prozent der regulären Arbeitszeit. Die Kosten belaufen sich auf 194.000 Euro. Die Zuwendungen des Bezirks betrage 177.000 Euro. Die Differenz müsse durch Spenden finanziert werden.

 


 

 
 

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