Auszug - Nacht der Solidarität Bericht des BA  

 
 
36. Öffentliche Sitzung des Ausschusses für Soziales, Gesundheit und Arbeit - Besucher möchten sich vorab im BV-Büro anmelden!
TOP: Ö 7
Gremium: Ausschuss für Soziales, Gesundheit und Arbeit Beschlussart: im Ausschuss abgelehnt
Datum: Do, 22.10.2020 Status: öffentlich
Zeit: 17:30 - 19:10 Anlass: ordentliche Sitzung
Raum: BVV-Saal
Ort: Otto-Suhr-Allee 100, 10585 Berlin
 
Beschluss


Frau Grobe-Prieß (Gruppenleitung Fachstelle Soziale Wohnhilfe) berichtet zur Nacht der Solidarität. Die erstellte Präsentation liegt allgemein vor. In der Nacht vom 29. zum 30. Januar 2020 wurden erstmals obdachlose Menschen in Berlin gezählt. Bereits in der Planungsphase war die Soziale Wohnhilfe maßgeblich beteiligt und hat Orte festgestellt, an denen zur Zählung eher professionelle Kräfte und wo Ehrenamt eingesetzt werden kann. Die soziale Wohnhilfe war mit 15 Mitarbeiter*innen beteiligt, darüber hinaus Mitglieder des Bezirksamtsgremiums und des Gesundheitsamts. Berlinweit wurden 1.976 obdachlose Menschen gesehen und zum Teil angesprochen und interviewt. Schwerpunkt in Charlottenburg-Wilmersdorf war der Bereich um den Bahnhof Zoo. Dort wurden 86 Personen angetroffen, von denen 79 interviewt wurden. Damit bestätigt sich, dass der Bahnhof Zoo ein besonderer Anziehungspunkt für obdachlose Menschen ist. In der Befragung wurde besonders auffällig, wie lange einige Menschen sich bereits in der Obdachlosigkeit befinden. Zum Teil haben sie nie eine Wohnung besessen und sind direkt aus Jugendhilfemaßnahmen in die Obdachlosigkeit geraten, Zeiten von 10-15 Jahren Obdachlosigkeit waren keine Seltenheit. Gerade diese Menschen sind nach der langen Zeit der Obdachlosigkeit für Sozialarbeit nur noch schwer zu erreichen, insofern wäre es eine Aufgabe zu sehen, wie bereits früh mit Hilfestellung angesetzt werden kann. Dafür wird jetzt auch im Rahmen der Kältehilfe gezielt an diesen bekannten Orten aufgesucht. Interessant war auch eine Vielzahl an Nationalitäten, dass es sich um viele Einzelpersonen in Obdachlosigkeit handelt und dass der Bewegungsradius dieser Menschen nicht sehr hoch ist. Die Zählung war eine gute Erkenntnisgrundlage für die ab März notwendigen Maßnahmen im Rahmen der Corona- Epidemie. Die erkannten Hotspots wurden aufgesucht und die angetroffenen Menschen sehr schnell und mit geringen Hürden untergebracht, um einem gefährlichen Infektionsgeschehen vorzubeugen und ggf. eine Isolationsmöglichkeit zu finden. Aus dieser Unterbringung heraus konnten zum Teil Ansprüche auf Sozialleistungen realisiert werden, Personalausweise neu beantragt werden und so Leistungsansprüche beim Jobcenter durchgesetzt werden. Die Erkenntnisse sowohl aus der Pandemieerfahrung als auch aus der Zählung wird Veränderungen im Streetworking nach sich ziehen müssen. Streetwork ist in der Verantwortung von Trägern zu sehen, die Verwaltung ist aufgerufen, Angebote leicht zugänglich bereitzustellen. Aus der Arbeit in dieser Zeit besteht auch ein intensiverer Kontakt mit den Einrichtungen am Zoo und verschiedenen Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe. Diese Erkenntnisse sind jetzt hilfreich in der Vorbereitung der Plätze der Kältehilfe, die derzeit  besondere Hygienekonzepte benötigen.

BV Juckel dankt für die Darstellung und fragt hinsichtlich der dritten vorliegenden Folie, inwieweit die Zahlen gestiegen sind und sich die Obdachlosenszene internationaler darstellt. Frau Grobe-Prieß erwiderte, dass es hier eher um eine Wahrnehmung geht, eine genaue Gegenüberstellung von Zahlen ist nicht möglich, da es sich um die erste Zählung dieser Art handelt. Direkte Auswirkungen der Feststellung zur den Nationalitäten hat sich in einem breiteren Spektrum an Sprachunterstützung bereits niedergeschlagen. Auch bei eigenen Einstellungen konnten Sprachkompetenzen unter den eigenen Mitarbeiterinnen gewonnen werden.

BV Juckel verweist darauf, dass es im vorletzten Blatt der Präsentation zur Dauer der Obdachlosigkeit widersprüchliche Zeiträume angegeben sind.

Sie fragt nach, ob zu den multiplen Problemlagen und wie darauf reagiert werden kann, ein eigenes Sitzungsthema aufgerufen wird.  BV Wittke bittet Frau Juckel, ihre Fragen zu den multiplen Problemlagen im Vorfeld der nächsten Sitzung an die Verwaltung zu senden, damit es hier eine direkte Beantwortung geben kann.

BV Kaas Elias verweist darauf, dass die Internationalität bereits seit der Studie zur Jebensstraße bekannt ist. Er fragt, wie sich die Soziale Wohnhilfe personell für die Aufgaben aufgestellt sieht und wie sie Menschen mit multiplen Hemmnissen erreichen wollen. Bezirksstadtrat Wagner verweist darauf, dass in den Angeboten am Bahnhof Zoo bereits jetzt intensiver an diesen Problemlagen durch die Einbindung von anderthalb Stellen von Psychologen gearbeitet wird. Der begonnene Austausch mit dem Sozialpsychiatrischen Dienst hatte vor der Corona-Epidemie begonnen und ist ein wichtiger Ansatz in der Arbeit. Frau Grobe-Prieß ergänzt, dass mit der Einrichtung der Fachstelle mehr Personal für präventive Arbeit vorhanden ist, damit Obdachlosigkeit gar nicht erst entsteht. Vor Ort müssten multiple Problemlagen vor allem über Streetwork angegangen werden, die Verwaltung kann nur für leichtere Zugänge sorgen. Aus den Erfahrungen der Pandemie hat sich bestätigt, dass von einer festen Unterkunft aus erheblich besser Problemlagen bearbeitet werden können, so konnten diverse behördliche Probleme von während der Pandemie untergebrachten Menschen bearbeitet werden, was in der Obdachlosigkeit auf der Straße nicht möglich gewesen wäre.

BV Hartmann fragt nach, ob es in der Fachstelle bekannt war, dass viele Menschen bereits ihr Leben lang obdachlos sind. Frau Grobe-Prieß erwidert, dass ihr das aus ihrer Arbeit in verschiedenen Stellen des Bezirksamts bekannt war. Ein Vertrauensverlust bei diesen Menschen ist kaum noch aufzufangen. BV Hartmann regt an, in der nächsten Befragung bei der Länge der Wohnungslosigkeit eine weitere Staffelung abzufragen, da die Angabe mehr als drei Jahre nicht ausreicht. Frau Grobe-Prieß stimmt dem zu und hat dies bereits im Feedback zur Zählung eingereicht. BV Hartmann weist zur Präsentation darauf hin, dass bei der Dauer der Obdachlosigkeit das Ergebnis bei 102 % läge, bei den anderen Zahlen fehlt  die Bezugszahl, es ist unklar, ob sich die Prozentzahlen auf die bezirklichen oder die landesweiten Zahlen bezieht.

BV Stückler fragt nach dem Verbleib der im Frühjahr in der Schweinfurthstraße (ASB / INKLUSIO) untergebrachten Menschen. Frau Grobe-Prieß weist darauf hin, dass es dort 58 Plätze mit 48 Einzelzimmern gibt. Dort waren schon vor der Pandemie wohnungslose Menschen untergebracht. Von den im April untergebrachten Menschen sind einige verblieben, einige sind wegen der Zuständigkeit anderer Bezirke woanders untergebracht, einige sind in Wohnprojekte überführt worden.

BD Schmidt verweist auf die hohen Zahlen an psychosozialen Beeinträchtigungen bei Langzeit-Obdachlosen. Er fragt nach, was es hierfür an Personal braucht und mit welchem Prozentsatz an Betroffenen Frau Grobe-Prieß rechnet. Frau Grobe-Prieß vermutet eine psychosoziale Beeinträchtigung bei 80-85 % der Betroffenen. Bei den Menschen, die sich mit diesen Problemlagen am Bahnhof Zoo aufhalten, ist aber in der Regel ein anderer Bezirk zuständig. Nicht immer ist fehlendes Personal Auslöser für fehlende Hilfestellung, sondern auch eine andere Herangehensweise anderer Bezirksämter. Sie spricht insofern direkt den Dank an Bezirksstadtrat Wagner aus, dass es die Möglichkeit gab in der Pandemie Zuständigkeiten zum Teil später zu klären, um in eine Notfalllösung zu kommen.

BV Hartmann bittet, die in der Befragung erfasste Staffelung der Dauer der Obdachlosigkeit mit dem Protokoll dem Ausschuss zur Kenntnis zu geben. Nach Frau Grobe-Prieß ist dies nicht möglich, da die Erfassungsbögen an die Senatsverwaltung gegeben worden.

 

 
 

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