Auszug - Sexistische, diskriminierende und frauenfeindliche Außenwerbung auch in Charlottenburg-Wilmersdorf verbieten!  

 
 
9. Öffentliche Sitzung des Ausschusses für Bürgerdienste, Wirtschafts- und Ordnungsangelegenheiten und Verkehr
TOP: Ö 7
Gremium: Ausschuss für Bürgerdienste, Wirtschafts- und Ordnungsangelegeheiten und Verkehr Beschlussart: mit Änderungen im Ausschuss beschlossen
Datum: Do, 29.06.2017 Status: öffentlich
Zeit: 17:30 - 18:50 Anlass: ordentliche Sitzung
Raum: Gertrud-Bäumer-Saal
Ort: Otto-Suhr-Allee 100, 10585 Berlin
0285/5 Sexistische, geschlechterdiskriminierende und frauenfeindliche Außenwerbung verbieten!
   
 
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:Fraktion DIE LINKE 
Verfasser:Schenker/Juckel 
Drucksache-Art:AntragBeschluss
 
Wortprotokoll
Beschluss
Abstimmungsergebnis

BV Juckel verteilt einen Änderungsantrag und begründet diesen. Sie ist der Meinung, dass die Entscheidung des Deutsche Werberates nicht ausreicht und deshalb Handlungsbedarf besteht. Eine Jury soll beurteilen, welche Außenwerbung sexistisch, geschlechterdiskriminierend und frauenfeindlich ist.

 

BV Mattern merkt an, dass im Antrag die Altersdiskriminierung fehlt.

 

BV Hertel sieht in dem Antrag nicht die Lösung für das Problem.

 

BV Tschörtner erörtert, dass die Meinungsfreiheit der Werbung nicht eingeschränkt werden sollte und der Antrag zu viele unbestimmte Rechtsbegriffe enthält.

 

BV Wapler ist der Meinung, dass der Antrag erforderlich ist, da der freie Markt die Diskriminierung nicht regelt.

 

BzStR‘in Schmitt-Schmelz erklärt, dass der Antragsinhalt durchaus seine Berechtigung hat und das Thema diskussionswürdig ist, die Thematik eher auf Landesebene besprochen werden sollte. Für eine Verbotsregel nur für den Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf gibt es keinerlei gesetzliche Grundlage. Jeder Versuch dies umzusetzen, könnte Klagen hervorrufen. Für das Einsetzen gegenüber der Landesebene sieht sie eher die Bezirksverordneten in einer guten Position. Für die Erarbeitung eines Flyers werden sowohl Haushaltmittel als auch Personal benötigt.

 

BV Mattern sieht die Thematik eher auf Bundesebene und der Verbraucher sollte das Angebot entsprechender Marken ablehnen.

 

BV Juckel erklärt, dass die Senatsverwaltung auf das Thema aufmerksam gemacht werden soll.

 

BV Tschörtner erörtert, dass der rot-rot-grüne Senat ein entsprechendes Gesetz erlassen könnte.

 

BV Hertel schlägt vor über den Antrag absatzweise abzustimmen.


 

Drucksache Nr. 0285/5

Antrag der Linken

Betr. Sexistische, geschlechterdiskriminierende und frauenfeindliche Außenwerbung verbieten!

 

Überwiesen in:Bürgerdienste   (m)

Haushalt   (ffd.)

 

Ohne Änderungen im Ausschuss für Bürgerdienste, Wirtschafts- und Ordnungsangelegenheiten und Verkehr mit 8 Ja : 5 Nein : 0 E beschlossen.

 

Der Ausschuss für Bürgerdienste, Wirtschafts- und Ordnungsangelegenheiten und Verkehr

empfiehlt dem Ausschuss für Haushalt, Personal, Wirtschaftsförderung, Informationstechnologie und Gender Mainstreaming,

die BVV möge beschließen:

 

Das Bezirksamt soll prüfen, wie sexistische, geschlechterdiskriminierende und frauenfeindliche Werbung auf Werbeflächen im Bezirk, auch auf privaten, verboten werden kann und welche Schritte hierzu notwendig sind.

 

Das Bezirksamt wird beauftragt, sich bei der zuständigen Senatsverwaltung dafür einzusetzen, dass die Präsentation von sexistischer, geschlechterdiskriminierender und frauenfeindlicher Außenwerbung sowie Verbreitung geschlechtsspezifischer Stereotype auf öffentlichen Flächen verboten wird, die aus direkten Verträgen zwischen Land und Außenwerber*innen resultieren. Zur Beurteilung der Werbung soll eine Jury eingesetzt werden, bestehend aus der Gleichstellungsbeauftragten und der/dem Beauftragten für Integration und Migration des Landes Berlin sowie Vertreter*innen aus dem frauenpolitischen Spektrum, dem Lesben- und Schwulenverband Deutschland und weiteren Expert*innen.

 

Darüber hinaus wird das Bezirksamt beauftragt, einen Flyer zur Aufklärung über sexistische, geschlechterdiskriminierende und frauenfeindliche Werbung zu entwickeln. Zudem sind durch das Bezirksamt Vordrucke für Beschwerdebriefe an die werbetreibenden Firmen und den Deutschen Werberat sowie eine Übersicht über Beschwerdestellen für sexistische Darstellungen in verschiedenen Medien anzubieten. Die erstellten Informationen sind prominent auf der Internetseite des Bezirksamtes zu platzieren. Werbung ist dann sexistisch, diskriminierend und/oder frauenfeindlich:

• wenn Personen, insbesondere Frauen, aufgrund ihres biologischen und sozial konstruierten Geschlechts, ihrer sexuellen Identität oder Orientierung abwertend und entwürdigend dargestellt werden. Dies findet sich z.B. in Werbung, die vermittelt, dass Frauen zwar schön sind („das schöne Geschlecht“), aber (willens)schwach, hysterisch, dumm, unzurechnungsfähig, naiv, ausschließlich emotionsgesteuert etc., bzw. nicht so klug, smart, strategisch, handwerklich geschickt etc. wie heterosexuelle, gesunde Männer.

 

• wenn durch die unterschiedlichen Haltungen der dargestellten Personen die Gleichwertigkeit und Gleichstellung von Personengruppen, insbesondere von Frauen, offen oder subtil in Frage gestellt werden. Dies beinhalt z.B. Werbung, in der die Frau kaum oder sehr körperbetont bekleidet und ohne Anlass lächelnd inszeniert wird, während der Mann vollständig und bequem bekleidet (z.B. in einem Anzug) ist. Durch die Verschiedenheit des Gesamtausdrucks beider Personen (Körpergesten, -haltung und Mimik) wird vermittelt, dass sich diese nicht auf Augenhöhe begegnen (können), sondern die Frau im Dienste des Mannes (als sein Accessoire oder Lustobjekt) steht.

 

• wenn physische und/oder psychische Ausbeutung und Unterwerfung, insbesondere von Frauen durch Männer, explizit dargestellt wird. Dies findet sich z.B. in Werbung, in der sich die Frau (kaum bekleidet) in ihrer Position unter dem Mann befindet, z.B. hockt, kniet, sitzt oder liegt, während der Mann (vollständig bekleidet) steht bzw. eine höhere Position in der Szene einnimmt. Das Bild vermittelt, dass der Mann der Frau überlegen ist.

 

• wenn die Darstellung von Personen und Personengruppen, insbesondere von Frauen, bestimmte Rollenbilder, d.h. psychische Eigenschaften, Verhaltensweisen sowie Berufswelten, als gesellschaftliche Norm festlegen und somit Abweichungen diskreditieren und ausschließen. Dies beinhaltet z.B. Werbung die vermittelt, dass Frauen hysterisch, kompliziert, hilfsbedürftig, fürsorglich, mit großer Freude im Haushalt beschäftigt, konsumsüchtig, abhängig, verführerisch, schön etc. sind und Männer rational, aggressiv, machtbesessen, technisch begabt, stark, autonom, in der Geschäftswelt aktiv etc. sind. Diese geschlechtsbezogene Normierung betrifft auch Kinder, die als stereotype Jungen (Farbe Blau, spielt mit Technik oder macht Sport) und Mädchen (Farbe rosa, spielt mit Puppen, Schmuck und Schminke) dargestellt werden.

 

• wenn Darstellungen, die bestimmte körperliche Merkmale als notwendigerweise zu erreichende Norm festlegen, indem sie Abweichungen als defizitär bewerten. Dies beinhaltet z.B. Werbung, die vermittelt, dass (altersbedingte) Hautveränderungen,

 

Übergewicht, Körperhaare, körperliche Behinderungen etc. zwingend veränderungsbedürftig sind, um ein glückliches, erfülltes Leben zu führen. Damit wird festgelegt, welches Körperbild wichtig, erstrebenswert und „normal“ ist.

 

• wenn die dargestellten Körper, insbesondere Frauenkörper(-teile), als Objekte, Waren, Produkte präsentiert werden, welche Verfügbarkeit und Käuflichkeit suggerieren. Dies findet sich z.B. in Werbung, die vermittelt, dass ein Produkt genauso attraktiv oder attraktiver ist als die Frau, die das Produkt: hält, auf ihm liegt, es isst etc. Hier wird vermittelt, dass die dekorative Frau ebenso käuflich ist wie das Produkt.

 

• wenn sexualisierte und pornographische Darstellungen ohne Produktbezug von Personen, insbesondere von Frauen, diese auf ihre rein sexuelle Funktion reduzieren. Dies gilt genauso bei Werbung für Unterwäsche, Sport- und Badebekleidung. Dies findet sich z.B. in Werbung, die vermittelt, dass die mit einem Produkt oder einer Dienstleistung dargestellte Frau aufgrund von Köperhaltung, Gesichtsausdruck etc. sexuell erregt oder für den männlichen Betrachter ein käufliches, sexuell verfügbares Lustobjekt ist.

 

• wenn es sich um Werbung für sexuelle Dienstleistungen handelt. Dies findet sich z.B. in Werbung, die vermittelt, dass Frauen zu erwerben und damit in der freien Verfügungsmacht der Konsument*innen (i.d.R. heterosexuellen Männern) stehen.

 

• wenn Werbung Kinder in sexualisierter Art und Weise darstellt. Dies findet sich z.B. in Werbung, die Kinder, insbesondere Mädchen, in sexualisierten Posen und/oder aufreizender Kleidung und Makeup inszenieren und damit vermitteln, dass Minderjährige erotisch, sexuell aktiv und sexuell verfügbar sind.

 

• wenn Darstellungen zum Hass und zur Gewalt anstacheln. Dies beinhaltet z.B. Werbung, die vermittelt, dass der Einsatz von verbaler Gewalt (Beleidigung, Beschimpfung, lächerlich machen) bzw. körperlicher Gewalt gegenüber bestimmten Personengruppen, insbesondere gegenüber Frauen, legitim, erwünscht, notwendig und/oder zumindest tolerierbar ist und Gewalt ästhetisiert.

 

Der BVV ist bis zum 30.09.2017 zu berichten.

 

 

Begrünung:

Werbung ist nicht nur ein Spiegel der Gesellschaft, reproduziert also nicht

nur bestehende Geschlechterrollen, sondern hat mit ihrem manipulativen und breitenwirksamen Charakter Auswirkungen darüber hinaus. Die negative Wirkung von stereotyper Werbung ist bereits vielfach durch Studien belegt und dass Werbung die Sichtweisen, Werte und Einstellungen von Menschen nicht unerheblich beeinflusst, hat auch das Bundesverfassungsgericht bereits festgestellt (vgl. NRW 2003, 1303, 1305). Insofern ist es fraglich, warum Sexismus nach wie vor vielfach in der Werbung zu finden ist. Denn die durch geschlechterdiskriminierende Werbung transportierten Bilder bilden und verfestigen Einstellungen und Strukturen in der Gesellschaft, die zu Benachteiligungen im Sinne des grundrechtlichen Gleichheitsgebots führen. Da die Selbstkontrolle der Werbetreibenden durch den Deutschen Werberat begrenzt ist und sexistische Werbung dadurch bisher nicht wirksam unterbunden werden konnte, sind weitere Regelungen zur Verwirklichung der Gleichberechtigung notwendig (vgl. Beschlüsse der 27. Konferenz der Gleichstellungs- und Frauenministerinnen und -minister, -senatorinnen und -senatoren der Länder, 2017).


Abstimmungsergebnis:

 

dafür:8dagegen:       5  Enthaltung:0

 
 

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