Auszug - Aktuelle Flüchtlingssituation in Charlottenburg-Wilmersdorf  

 
 
50. Öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin
TOP: Ö 8.5
Gremium: Bezirksverordnetenversammlung Beschlussart: beantwortet
Datum: Do, 15.10.2015 Status: öffentlich
Zeit: 17:00 - 22:10 Anlass: ordentliche Sitzung
Raum: BVV-Saal
Ort: Otto-Suhr-Allee 100, 10585 Berlin
1410/4 Aktuelle Flüchtlingssituation in Charlottenburg-Wilmersdorf
   
 
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:Fraktion Bündnis 90/Die Grünen 
Verfasser:Dr.Vandrey/Wapler/Kaas Elias/Prejawa 
Drucksache-Art:Große AnfrageGroße Anfrage
 
Beschluss


 

Zur Beantwortung Herr BzStR Engelmann:

 

Sehr geehrte Frau Vorsteherin, meine sehr geehrten Damen und Herren, sehr geehrte Gäste, ich beantworte die Große Anfrage wie folgt:

 

zu 1.

Die neuesten Zahlen zur Flüchtlingssituation im Bezirk haben wir am 14.10.2015 vom LAGeSo erhalten.

 

Danach sind in unserem Bezirk 3.448 Flüchtlinge in den notbelegten Unterkünften, Erstaufnahmeeinrichtungen und Gemeinschaftsunterkünften in unserem Bezirk untergebracht. In diesen Einrichtungen gibt es eine maximale Kapazität für 3.865 Personen. Dazu kommen dann noch die Flüchtlinge in den Hostels und die minderjährigen unbegleiteten Flüchtlinge. Zu diesen beiden Gruppen liegen mir keine Zahlen vor.

 

Damit liegt unser Bezirk im Berlin-Vergleich zum ersten Mal an der Spitze der Flüchtlingszahlen, noch vor Spandau und Lichtenberg, die bisher immer Spitzenreiter waren. Wie Sie wissen, sind in unserem Bezirk auch noch weitere Standorte in der Poelchau-Oberschule und im ICC geplant.

 

Das Bezirksamt beobachtet die Situation genau. Wir organisieren Informationsveranstaltungen für neue Einrichtungen, wir beteiligen uns an Begehungen und Abstimmungsgesprächen des LAGeSo. Die Situation wird nicht einfacher, aber ich gehe immer noch davon aus, dass die Flüchtlinge in unserem Bezirk willkommen sind. Die Hilfsbereitschaft der Ehrenamtlichen ist weiter sehr ausgeprägt wofür ich mich nochmals sehr bedanke.

 

Erlauben Sie mir aber außerdem eine grundsätzliche Bemerkung zur Flüchtlingssituation: Ich finde wir müssen schneller zu konkreten Beschlüssen und einer Verbesserung der Arbeitsabläufe kommen. Wenn ich zum Beispiel höre, dass vor einer Instandsetzung von Gebäuden in der Eschenallee zuerst eine europaweite Ausschreibung erfolgen muss, damit man ein Planungsbüro für die Baumaßnahmen findet, dann wirft uns das Monate zurück und geht völlig an den Notwendigkeiten vorbei, die uns jeden Tag bedrängen. In der Flüchtlingskrise wird für meinen Geschmack immer noch viel zu viel geredet und zu wenig getan.

 

Wir brauchen dringend Änderungen im Asylverfahrensgesetz, um die Asylverfahren tatsächlich zu verkürzen und nach meiner Auffassung brauchen wir langfristig ein Einwanderungsgesetz, das einen Zugang in unser Land auch ohne Asylverfahren ermöglicht. Wenn wir das nicht schnell realisieren, laufen wir Gefahr aus meiner Sicht und unser bewährtes Grundrecht auf Asyl kaputt zu machen, weil wir Flüchtlingsströme in der derzeitigen Größenordnung nicht dauerhaft werden verkraften können.

 

Zu 2.

Die Zuständigkeit für minderjährige unbegleitete Flüchtlinge liegt nicht im Bezirk, sondern beim Landesjugendamt. Von dort wird auch die Unterbringung organisiert. Dabei handelt es sich um eine Gruppe besonders sensibler und schutzbedürftiger Flüchtlinge. Standorte von Einrichtungen, die diese Zielgruppe sozialpädagogisch betreuen, werden ganz bewusst nicht in der Öffentlichkeit  kommuniziert. Einzelne Standorte in unserem Bezirk sind hier im Jugendamt selbstverständlich bekannt. Es gibt aber bisher keine statistische Übersicht, die ich Ihnen hier mitteilen kann. Mein Vorschlag wäre, dass sie dieses Thema nicht hier in der BVV, sondern im Jugendhilfeausschuss weiter thematisieren. Dort könnten die fachlichen und sachlichen Hintergründe sicher viel qualifizierter dargestellt werden, als ich das im Rahmen einer großen Anfrage hier tun kann.

 

Zu 3.

Ich habe hier bereits mehrfach berichtet, dass der Bezirk von der Senatsverwaltung für Finanzen ganze zwei Beschäftigungspositionen für die aktuellen Herausforderungen durch die Flüchtlingsarbeit erhalten hat. Daraus haben wir eine befristete Stelle für die Koordination der ehrenamtlichen Arbeit in meiner Abteilung eingerichtet. Diese Stelle war ausgeschrieben, die Auswahlgespräche haben stattgefunden. Der Arbeitsvertrag ist von der Mitarbeiterin bisher noch nicht unterschrieben. Ich gehe aber davon aus, dass sie spätestens zum 1.11.2015 ihre Arbeit im Bezirksamt aufnehmen wird.

 

In wie weit sich weitere Möglichkeiten für zusätzliche Stellen für die hauptamtliche Koordination von Ehrenamtlichen in den Personalplanungen der Arbeitsgruppe wachsende Stadt ergeben werden, kann noch nicht abschließend beantwortet werden.

 

Ich möchte hier aber noch einmal in aller Deutlichkeit sagen: die Betreuung der Flüchtlinge in unserer Stadt darf nicht langfristig über Ehrenamtliche und deren Koordination erfolgen, wir brauchen eine dauerhafte Personalaufstockung in den Bezirksämtern, in den Schulen, in den Jobcentern und allen Einrichtungen, die Pflichtaufgaben für die Flüchtlinge haben. Die derzeitige Situation, in der wir die Erstbetreuung der Flüchtlinge nur durch das tolle Engagement von Ehrenamtlichen hinbekommen, kann keine Dauerlösung sein. In diesem Zusammenhang erlaube ich mir den Hinweis, den ich von Herrn BzBm Naumann bekommen habe, dass tatsächlich aus der AG Wachsende Stadt für den Bezirk ein erklägliches Sümmchen von Vollzeitäquivalenten auf Grund von Flüchtlingsarbeit hier im Bezirk angedacht ist, wenn ich richtig zitiere, 14 Stellen, die uns für vier Ämter insgesamt zur Verfügung gestellt werden, davon Sozialamt, Gesundheitsamt, Jugendamt und Schulamt. Wir werden schauen, wie schnell wir diese Zusage bekommen bzw. wie schnell das mit Leben erfüllt werden kann.

 

Zu 4.

Die Gesundheitskarte für Flüchtlinge ist ein integraler Bestandteil des kassenärztlichen Abrechnungssystems und damit eine wertvolle Hilfe, um  in das medizinische System komplikationsarm eingebettet zu werden. Daher ist die Gesundheitskarte für Flüchtlinge grundsätzlich als positiv zu bewerten.

 

Die Einführung der Gesundheitskarte für Flüchtlinge in Berlin ist von der Senatsverwaltung für Soziales für das vierte Quartal 2015 angekündigt, also jetzt. Die Verhandlungen mit den Krankenkassen dazu laufen derzeit auf der Landesebene. Wir sind als Bezirk an diesen Verhandlungen nicht beteiligt. In jedem Falle wird aber nach einem Vertragsabschluss eine EDV-technische Umsetzung erforderlich werden. Konkret heißt das, dass es eine Schnittstelle, und da sind wir bei der IT-Technik, zwischen dem Verfahren OPEN/Prosoz und den beteiligten Krankenkassen eingerichtet werden muss. Auch dazu gibt es in der Senatsverwaltung bereits Vorarbeiten. Die konkrete Einführung der Karte wird aber in diesem Jahr vermutlich nicht mehr realisierbar sein. Ich rechne mit einer schrittweisen Einführung zum Jahresbeginn 2016.

 

 

Zu 5.

Verlässliche Kalkulationen, um wie viele Menschen es sich handelt und ab wann sie in unser Jobcenter kommen, gibt es derzeit noch nicht, weil die Zuordnung letztlich davon abhängt, wie schnell welcher aufenthaltsrechtliche Status erteilt wird.

 

Das Jobcenter hat intern Koordinatoren für das Thema Flüchtlinge benannt und plant  im Moment die Einrichtung von zwei zusätzlichen Teams mit jeweils etwa zehn Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Angedacht sind dort Arbeitsabläufe, die den Arbeitsabläufen im Neukundenzentrum ähneln. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für diese Teams werden aus dem Bestand rekrutiert und ggf. durch Sprachkundige von außen ergänzt. Ein entsprechendes Konzept ist noch in Bearbeitung, so dass diese Information als Prozessinformation zu bezeichnen ist. Voraussetzung für die Einrichtung dieser Teams ist, dass die Bundesagentur für Arbeit und wir als Kommune entsprechende zusätzliche Stellen einrichten und die Trägerversammlung einen entsprechenden Beschluss fasst.

 

Wir haben als Bezirk über den RdB entsprechende Stellen für unser Jobcenter im Rahmen der Arbeitsgruppe wachsende Stadt angemeldet. Wenn ich es richtig sehe, sind sie aber bisher in den Überlegungen auf Landesebene noch nicht umfänglich berücksichtigt worden. Hier sind noch weitere Abstimmungen erforderlich. Dabei ist zu beachten, dass es bei den Aufgaben der Jobcenter für die Flüchtlinge ja in erster Linie um die Eingliederung in Arbeit geht. Dieses Thema gehört zu  den Aufgaben der Bundesagentur für Arbeit und nicht zu den Aufgaben des kommunalen Trägers.  Deshalb müssen die notwendigen Stellen in erster Linie bei der Bundesagentur für Arbeit eingerichtet werden. Sobald dazu weitere Erkenntnisse vorliegen, werde gern ich im Ausschuss berichten.

 

 
 

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