Auszug - Die Situation der Flüchtlinge am Breitscheidplatz Bericht: Irène Kissasse und Roland Prejawa, Pro Afrika e.V.  

 
 
25. Öffentliche Sitzung des Integrationsausschusses
TOP: Ö 3
Gremium: Integrationsausschuss Beschlussart: erledigt
Datum: Mi, 28.05.2014 Status: öffentlich
Zeit: 17:30 - 18:55 Anlass: ordentliche Sitzung
Raum: Gertrud-Bäumer-Saal
Ort: Otto-Suhr-Allee 100, 10585 Berlin
 
Wortprotokoll
Beschluss

Pfarrer Germer berichtet über seine Erlebnisse mit den 11 afrikanischen Flüchtlingen und deren deutscher UnterstützerInnen, die am Sonntag, 12

Pfarrer Germer berichtet über seine Erlebnisse mit den 11 afrikanischen Flüchtlingen und deren deutscher UnterstützerInnen, die am Sonntag, 12. Mai 2014, die Gedächtniskirche besetzten und für sich Kirchenasyl einforderten.

 

Die Flüchtlinge teilten ihm anfangs kaum etwas über ihre Herkunftsländer oder ihre Fluchtmotive mit. Er wusste daher nicht, dass sie sich in Sachsen - Anhalt entweder noch im Asylverfahren befanden oder ihre Anträge dort bereits abgelehnt worden.

 

Er gewann aber schnell den Eindruck, dass sie in wichtigen asylrechtlichen Bereichen falsch informiert oder schlecht  beraten waren. So kannten sie die spezifischen Bedingungen für die Gewährung von Kirchenasyl nicht und waren zudem überzeugt davon, dass sie als Gruppe ein  Bleibebrecht nach  § 23 Aufenthaltsgesetz erhalten könnten, ohne ihre Identität vorher bekannt zu geben.

 

Pfarrer Germer informierte die Flüchtlinge darüber, dass  Kirchenasyl für sie nicht in Frage kam und versuchte sie dazu motivieren, den "normalen Weg" über das Asylverfahren zu gehen. Zu seiner Unterstützung zog er Heinz Thomä, den Integrationsbeauftragten der Evangelischen Kirche, hinzu. Sehr hilfreich war auch, dass sich Irene Kissasse und Roland Prejawa von Pro Afrika e.V., zu denen die Flüchtlinge rasch Vertrauen fassten, der Kirche als Vermittler anboten. Auch mit der Polizei entwickelte sich eine gute Kooperationsbeziehung.

 

Weil es kurzfristig keine andere Unterbringungsmöglichkeit für sie gab, wurde den Flüchtlingen von der Kirchengemeinde die Kapelle der Gedächtniskirche zur Verfügung gestellt. Sie selbst hätten aus Gründen der Öffentlichkeitswirksamkeit lieber draußen kampiert. Es wurde ihnen auch erlaubt, bis Donnerstag auf dem Gelände der  Gedächtniskirche eine Dauermahnwache abzuhalten (ab Freitag sollte an diesem Ort ein Fanfest von Borussia Dortmund stattfinden).

 

Nachdem bekannt geworden war, dass für die Flüchtlinge eigentlich das Land Sachsen - Anhalt zuständig war, erklärte sich die dortige Integrationsbeauftragte bereit, sich am Mittwoch in Berlin mit ihnen zu treffen. Anschließend sollten alle eine qualifizierte Rechtsberatung erhalten. 

 

Am Dienstag tauchte dann - offenbar auf Anordnung des Innensenators - plötzlich  ein großes Aufgebot an Polizisten auf dem Breitscheidplatz auf, sperrte den Breitscheidplatz großräumig ab und führte bei den Flüchtlingen eine Personenkontrolle durch. Dabei stellte sich heraus, dass ein Flüchtling an diesem Tag abgeschoben werden sollte. Die Anderen wurden wegen Verletzung der Residenzpflicht sofort nach Sachsen - Anhalt zurück geschickt und dort auf verschiedene Flüchtlingsheime verteilt. Um sich um die weitere Entwicklung des Falls zu kümmern, fuhren Irene Kissasse und Roland Prejawa am Freitag nach Magdeburg,

 

Zum Ende seines Berichts betont Herr Germer,  dass die Kaiser - Wilhelm-Gedächtniskirchen - Gemeinde sich nicht als Akteur im Bereich des Kirchenasyls versteht, aber bereit ist, zukünftig als Forum für die Diskussion der Flüchtlingsproblematik zu fungieren.      

 

Irene Kissasse und Roland Prejawa, die um 18.10 Uhr ankommen, ergänzen die

Darstellung von Herrn Germer in verschiedenen Punkten.

 

Frau Kissasse berichtet, dass es für sie sehr schockierend war, dass zur  Personenkontrolle der kleinen Gruppe von 11 Flüchtlingen 120 Polizisten abgestellt worden waren, als ob es sich bei ihnen um Schwerverbrecher handelte.

 

Für Herrn Prejawa hat sich aus den Gesprächen mit den Flüchtlingen vor allem die Erkenntnis ergeben, dass es in Deutschland viel zu wenig Beratungsstellen gibt, in denen diese über den Ablauf des Asylverfahrens und ihre eigenen rechtlichen Möglichkeiten aufgeklärt werden. Dies wäre aber sehr wichtig, weil die Flüchtlinge von einer regelrechten Schlepper-"Indurstrie" aus eigennützigen Gründen viele falsche Informationen erhielten (z.B., dass sie in Europa in mehreren Ländern Asylanträge stellen könnten) und auch nicht wissen, dass sie ihre Fluchtgründe in der 45 - minütigen Anhörung, die ihnen anfangs zusteht, möglichst detailliert angeben müssten. 

 

Für die meisten Flüchtlinge, so seine Erfahrung, ist das oft sehr lange Asylverfahren völlig unverständlich. Zudem wissen sie nicht, wem die vertrauen können. Manche reisen kreuz und quer in Europa herum. Andere sind verwirrt drüber, dass sie trotz Abschiebungsandrohung nicht abgeschoben werden, aber auch keine Aufenthaltserlaubnis erhalten. Für viel Frustration sorgt zudem die Unterbringung in heterogen zusammengesetzten Wohnheimen, in denen es oft zu Konflikten unter den Flüchtlingen kommt.

 

Auch von anderen Ausschussmitgliedern wird die Notwendigkeit betont, zur Verbesserung der Lage der Flüchtlinge vertrauenswürdige, niedrigschwellige Rechtsberatungsstellen einzurichten. Auch die Bundes- und europarechtlichen Regelungen im Zusammenhang mit dem Dublin-III-Abkommen werden erwähnt und die Auseinandersetzung damit als politische Aufgabe aller Parteien erkannt.

 

Schließlich wird die Zusammensetzung und Motivation der deutschen Unterstützer/innen  thematisiert. Ergebnis: Es sind meistens junge Leute, oft Student/innen. Es gibt unter ihnen Unorganisierte, oft mit christlichem Hintergrund, aber auch Organisierte mit einer linken politischen Agenda.

 


 

 
 

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