Auszug - Situation der Kolonie Oeynhausen nach dem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin  

 
 
32. Öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin
TOP: Ö 8.6
Gremium: Bezirksverordnetenversammlung Beschlussart: beantwortet
Datum: Do, 22.05.2014 Status: öffentlich
Zeit: 17:00 - 21:15 Anlass: ordentliche Sitzung
Raum: BVV-Saal
Ort: Otto-Suhr-Allee 100, 10585 Berlin
0921/4 Situation der Kolonie Oeynhausen nach dem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin
   
 
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:SPD-Fraktion 
Verfasser:Wuttig/Al Abed 
Drucksache-Art:Große AnfrageGroße Anfrage
 
Beschluss


 

Zur Beantwortung Herr BzStR Schulte:

 

Frau Vorsteherin, meine Damen und Herren,

die Große Anfrage beantworte ich im Namen des Bezirksamtes wie folgt:

 

Zu 1.:

Als Vorbemerkung möchte ich nur kurz darauf hinweisen, dass uns das schriftliche Urteil noch nicht vorliegt, so dass Aussagen an dieser Stelle auch solche der spekulativen Art darstellen.

 

Zwischenfrage BV Rouhani:
Das Verwaltungsgericht hat an die Parteien das Urteil ausgesandt am 20.5.
Bei Herrn Dr. Haas lag es gestern vor, Sie können es per Fax anfordern vom Gericht. Haben Sie das getan?

Frau Stückler:
Frau Rouhani, wir möchten erst einmal zuhören. Dann gibt es die Möglichkeit, drei Nachfragen zu stellen.

 

Beantwortung Herr BzStR Schulte:

Frau Rouhani, das ist genau das, was ich immer so interessant finde, weil ich kann nur sagen, es ist bei uns nicht im Posteingang eingegangen, weder gestern noch heute. Natürlich wäre ich sehr dankbar gewesen, wenn es heute eingegangen wäre. Es ist aber nicht eingegangen. Und wenn Sie mir jetzt damit wieder sagen, ich würde so ein Urteil nicht registrieren so ein Urteil, ich weiß nicht, was solche Nachfragen sollen. Ich kann Ihnen nur sagen: "Das Urteil liegt mir nicht vor!"

Die schriftliche Beurteilung geht dann an meine Abteilungsjuristen und ich habe ihn natürlich heute nach dem Posteingang gefragt, ob das Urteil eingegangen und insofern ist es nicht eingegangen. Das ist auch eine Erfahrung, die wir immer haben, dass der Postablauf an der Poststelle immer sehr viel länger dauert und ich finde, dass man das dann mal abwarten muss und ich gehe dann davon aus, dass es hoffentlich Morgen eintrifft. Insofern ist es auch eine Bitte, vielleicht auch mal an die Abteilung von Frau König, dass die Postabläufe etwas schneller gehen.

 

Sollte das am 9. Mai, also vor knapp zwei Wochen, ergangene Urteil des Verwaltungsgerichtes Berlin rechtskräftig werden, ist davon auszugehen, dass die Lorac dann - gerichtlich belegt -  in bauplanungsrechtlicher Hinsicht über umfassendes Baurecht zur Errichtung des Vorhabens verfügt, das sie in das Bauvorbescheidsverfahren vom Februar 2011 eingestellt hatte, also eine Vollbebauung der gesamten privaten Fläche der Kolonie Oeynhausen.

Insoweit war und ist bei den Planungen der Eigentümerin nur von einer einzigen Abweichung bezüglich der Bauweise auszugehen, ansonsten stellt sich das Bauvorhaben wohl als plankonform dar. Diesbezüglich ist das Verwaltungsgericht Berlin nunmehr zu der Erkenntnis gelangt, dass ein Rechtsanspruch auf die erforderliche Ausnahme besteht, da dem Bauvorhaben keine städtebaulichen Gründe entgegen stehen. Wenn wir das also richtig verstanden haben, heißt es, dass wir hier tatsächlich auch diese Frage positiv beantworten müssen. Das müssen wir aber noch mal im schriftlichen Urteil nachlesen.

Außerdem  hat das Gericht festgestellt, dass von einem zumutbaren Erschließungsangebot der LORAC auszugehen ist und die öffentlich-rechtliche Erschließungslast durch Passivverhalten auf das Land Berlin übergegangen ist, da keine Verhandlungen zum Vertragsabschluss aufgenommen wurden und keine Ablehnung des Erschließungsangebots erfolgte. Die  Erschließung wäre damit als gesichert anzusehen im Sinne des BauGB. Damit stünde das Vorhaben vollkommen in Einklang mit dem BauGB. Und dies finde ich auch noch mal wichtig im Zusammenhang, wie oft und wie lange wir hier über die Frage der Erschließung geredet haben, dass das Gericht, wenn dieses Urteil rechtskräftig wird, bestätigt hat.

 

Zu der Fragestellung, ob auch eine Kompromisslösung (seinerzeit ausgehandelt: 50%ige Bebauung und dauerhafter Erhalt der Restfläche für eine Kleingartennutzung) noch möglich wäre, kann ebenfalls nur spekulativ Stellung bezogen werden. Das gerade dargestellte Szenario ließe sich für die LORAC sehr zeitnah abschließen, mündend in eine Baufreigabe nach § 63 BauO Bln oder in eine Baugenehmigungserteilung gemäß § 64 BauO Bln.

Würde man an dieser Stelle etwas anderes planen, wie es z.B. der ausgehandelte Kompromiss vorgesehen hatte, so würde ein Planerfordernis begründet. Es müsste dann ein neues Bebauungsplanverfahren durchgeführt werden mit allen Verfahrensschritten und der späteren Möglichkeit der Normenkontrolle und parallelen Anfechtung von Verwaltungsakten bzw. Baufreigaben, die auf Grundlage des Plans ergehen würden.

Unabhängig davon, dass dies einen Zeithorizont von mindestens zwei Jahren in Anspruch nehmen würde, wäre dies natürlich auch mit einer sehr großen Rechtsunsicherheit für die Eigentümerin verbunden, was die späteren Anfechtungsmöglichkeiten angeht, die dann neu eröffnet würden.

Zudem müsste sie bei einem solchen Verfahren mit dem Land Berlin einen städtebaulichen Vertrag/einen Erschließungsvertrag bzw. einen Durchführungsvertrag abschließen, in dem ihr weitere Verpflichtungen auferlegt würden und die sie Geld kosten würde (z. B. Errichtung einer KITA; flankierende Maßnahmen hinsichtlich des Grundschulbedarfs, etc.). Das wäre bei einer Vollbebauung der Fläche nicht der Fall, da ein Rechtsanspruch auf baurechtliche Legalisierung bestünde.

 

Aufgrund dessen erscheint es unwahrscheinlich, dass die LORAC jetzt noch ein Interesse nach einer solchen  planungsrechtlichen Lösung aufbringen würde. Das ist bitter, aber das ist leider die Konsequenz aus diesem Urteil.

 

Zu 2.:

Nach jetzigem Kenntnisstand würde dies die Entschädigung nach § 42 Abs. 2 BauGB auslösen, wenn wir jetzt tatsächlich den Plan festsetzen und die Fläche als Kleingarten festsetzen. Zudem würde bei einem rechtskräftigem Urteil der Eigentümerin zudem potenzielles Baurecht zur Vollbebauung der Fläche entzogen werden, da das Bauplanungsrecht vollkommen geklärt wäre, die erforderliche Ausnahme als erteilt gelte und die Erschließung als gesichert anzusehen ist. Dass der Finanzsenator bisher eine Deckung des Entschädigungsrisikos abgelehnt hat, ist bekannt. Dass auch das Abgeordnetenhaus eine Unterstützung des Bezirkes abgelehnt hat mit einem Beschluss im März 2014, ist auch bekannt.

Dass der Finanzsenator von dieser Haltung aufgrund eines positiven Bürgerentscheids abrückt, erscheint leider und ich sage ausdrücklich leider eher unwahrscheinlich, der Versuch würde aber natürlich vom Bezirksamt am Montag, wenn der Bürgerentscheid positiv ist, noch einmal unternommen werden.

Festzuhalten bleibt auch Folgendes: Die Ausnahme hätte bereits im Jahr 2011 erteilt werden müssen, da die Behörde selbst aktenkundig verfügt  hat, dass die für die Prüfung erforderlichen Unterlagen am 1. März 2011 vollständig vorlagen und eine unmittelbare Zurückstellung damals nach § 15 BauGB seinerzeit nicht erfolgte. Dies war ein gravierender Fehler.

 

Zu 3.:

Dazu kann erst abschließend geantwortet werden, wenn der Behörde die Urteilsbegründung vorliegt.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes ist es jedoch so, dass die Behörde es sich grundsätzlich zuzurechnen hat, wenn ihr ein zumutbares Erschließungsangebot vorgelegt wird und sie nicht in Vertragsverhandlungen mit demjenigen eintritt, der das Angebot eingereicht hat, oder aber das Angebot auch nicht ablehnt, sondern dazu schweigt. Dann verdichtet sich dieses "Nichtverhalten" zu einer Erschließungslast zu Ungunsten der Gemeinde.

 

Das Erschließungsangebot lag der Gemeinde im Februar 2011 vor. Die Bauvorlagen-Vollständigkeitserklärung der Behörde erfolgte am 1. März 2011; das Erschließungsangebot war Bestandteil der Bauvorlagen. Man hätte dann seinerzeit auch zeitnah solche Verhandlungen aufnehmen müssen oder aber das Angebot ablehnen müssen, wofür es letztendlich aber keine Begründung gab. Insofern stehen wir wirklich vor einer Entscheidung, die katastrophal ist, was die Rechtsposition auch angeht. Ich will auch noch mal deutlich machen, dass wir als Bezirk im Sinne der Kleingärtner, gegen diesen Bauvorbescheid auch vorgegangen sind, uns die Senatsverwaltung auch darin unterstützt hat und wir tatsächlich in diesem Verfahren versucht haben, die Interessen der Kleingärtner durchzusetzen. Das Verwaltungsgericht hat uns hierzu ein klares Nein gesagt und gesagt, das war rechtlich nicht der korrekte Weg. Dies muss man feststellen und wir stehen jetzt vor diesem Dilemma, in der dargestellten Form.

 

 

Nach Beantwortung der Großen Anfragen und abschließender Debatte erhält Herr BzStR Schulte noch einmal das Wort:

 

Frau Vorsteherin, meine Damen und Herren, mir ist es angesichts der Ereignisse der letzten zwei Wochen wirklich noch einmal wichtig, in eigener Sache etwas zu sagen.

 

Es gibt in der Kommunalpolitik in dieser Wahlperiode kein Thema, das so ausführlich und breit diskutiert wurde wie das Thema Oeynhausen. Obwohl es sich um ein laufendes Verfahren handelt, wurden hier und in den Ausschüssen viele Details im Rahmen des rechtlich möglichen behandelt und diskutiert, das ist gut und richtig.

Als Bezirksstadtrat habe ich mich bemüht und nicht nur bemüht, sondern ich habe immer alle Anfragen beantwortet und habe mich dabei auch nicht gescheut, unliebsame Wahrheiten auszusprechen und habe auch keine unhaltbaren Versprechungen gemacht.

Seit zwei Wochen passiert aber etwas, was ich so nicht für möglich gehalten habe. Seit Freitag, dem 9. Mai erfolgen gegenüber meiner Person aufgrund einer Strafanzeige, über deren Inhalt und das bitte ich einfach noch mal zu verinnerlichen, über deren Inhalt ich bis heute nicht von der Staatsanwaltschaft informiert wurde und wo ich nur auf Medieninformationen angewiesen bin, verleumderische Unterstellungen.

 

Deswegen freue ich mich, dass ein Ausschuss eingesetzt wird, da dieses Kartenhaus der Unterstellungen umgehend zusammenfallen wird.

Prozessbetrug soll ein Vorwurf gegen mich sein, ich muss immer davon sprechen, soll sein, weil, wie schon gesagt, ich kriege die Strafanzeige nicht, in einem Prozess, wo es um die Abschätzung der Kosten ging. Und dieser Prozess, und darum geht es, Herr Schlosser, ist von der Abteilung Bürgerdienste geführt worden. An diesem Prozess war weder ich noch meine Abteilung beteiligt. Ich frage mich wirklich, wie ich dort einen Prozessbetrug bewerkstelligt haben soll.

 

Dann wird laut Medienberichten der Eindruck erweckt, dass die Summe 870.000 Euro als eine Risikosumme in der Bebauungsplanakte bewusst ausgeblendet wurde, daraus wird der Vorwurf Urkundenunterdrückung gemacht. Außerdem würde ich das Angebot der Kleingärtner, das Risiko abzusichern, immer ignoriert haben. Beides ist schlicht und einfach falsch.

 

Mit Datum vom 7. Juni 2012, also vor zwei Jahren, habe ich an den Finanzsenator geschrieben: "Der Landesverband der Kleingärtner Berlin hat die grundsätzliche Bereitschaft erklärt, bei einem etwaigen Übernahmeanspruch die fachlich ermittelten Kosten in Höhe von 900.000 Euro zu tragen. Über die Beibringung einer entsprechenden Bürgschaft muss noch schlussverhandelt werden."
Weil es entstand ja damals auch die Diskussion, wann man das zahlt, ob man das nur zahlt, wenn man das Land selber bekommt oder ob es im Bezirk landet. Aber das hab ich einfach gesagt, ich behaupte das gegenüber dem Finanzsenator: Ja, die 900.000,-- Euro stehen. Und das schon vor zwei Jahren.

"Für den - nach Begutachtung nicht wahrscheinlichen - Fall, und das hab ich natürlich so formuliert, weil es galt  den Finanzsenator zu überzeugen, dass die Kosten der Übernahme diesen Betrag überschreiten würden oder andere finanzielle Lasten durch Berlin zu tragen wären, muss eine Risikovorsorge getroffen werden."

 

Die permanent laufende Diskussion über Erschließung, § 42(2) BauGB und vieler anderer auch hier diskutierter Aspekte hat leider auch andere rechtliche Sichtweisen ergeben, die einer "angenehmen", niedrigen Kostenschätzung leider widersprachen. Diese Punkte darf ich nicht ausblenden. Es war und ist die Aufgabe des Bezirksamtes, auf dieses Risiko hinzuweisen. Und dieses Risiko beträgt eben in einer Höhe von bis zu 25 Millionen Euro. Das ist keine Panikmache, sondern verantwortliches Handeln. Und in einem Punkt sind wir uns hier im Hause alle einig: Niemand hier im Saal weiß wirklich hundertprozentig sicher, wie hoch eine mögliche Entschädigungssumme wäre.

 

Die Antwort des Finanzsenators auf mein Schreiben ist bekannt, er hat nein gesagt, daraufhin habe ich mit Datum vom 6. September 2012 erneut geschrieben:

 

"Ich möchte noch einmal ausdrücklich darauf hinweisen, dass die ablehnende Haltung Ihres Hauses zu allen von uns gemachten Vorschlägen, weil es gab ja auch noch den Tausch von Grundstücken, es gab ja viele Vorschläge, die damals gemacht wurden. Die ablehnende Haltung Ihres Hauses zu allen von uns gemachten Vorschlägen kann eine (Teil-)Bebauung der seit über 100 Jahren als Kleingarten genutzten Fläche zur Folge haben."

Dieses Schreiben hat den Finanzsenator auch nicht beeindruckt. Erst danach, als klar war, dass es keine Risikovorsorge des Landes gab, begann die Verhandlung mit den Investoren. Und wer in den letzten zwei Wochen mit Bemerkungen in Foren und anderen, mir eine Nähe zu den Investoren unterstellt und damit suggeriert, ich würde mit den Investoren sozusagen eine Sache machen, das ist einfach unerträglich, solche Vorwürfe zu lesen und zu hören. 

 

All diese Aussagen, die ich zitiert habe, Frau Rouhani und Sie sollten auch mal zuhören, nicht immer nur ihre Meinung verbreiten, sondern auch mal zuhören, dass ist nämlich ein Problem, was Sie nicht können, Sie können nicht zuhören. Ich möchte für die Zuschauer auf der Tribüne sagen. Als ich diese Aussage gemacht habe, hatte Frau Rouhani nichts Besseres zu tun, als mit ihrem hinteren Sitznachbarn laut und deutlich zu reden, weil ihr meine Meinung nicht passt. Und einfach mal zuhören, Frau Rouhani. Einfach sich mal ne andere Meinung anhören, dass wäre vielleicht mal hilfreich.

All die gemachten Aussagen finden sich in den Akten und natürlich hat nie jemand bestritten, dass es zu der Frage der Entschädigungen unterschiedliche Einschätzungen gibt.

 

Auch das Abgeordnetenhaus und das will ich noch mal deutlich machen gegenüber der CDU und auch gegenüber uns als SPD, auch das Abgeordnetenhaus hat mit Stimmen von SPD und CDU auf Landesebene einen entsprechenden  Antrag auf Risikovorsorge im Ausschuss für Stadtentwicklung und Umwelt am 5. März 2014 abgelehnt.

Der Ausschuss hätte es doch nicht abgelehnt, wenn das Risiko ganz einfach und banal gewesen wäre. Dann hätte er es doch unterstützt. Abgelehnt hat es auch Herr Evers übrigens. Was ich auch noch einmal erwähnenswert finde.

 

Und noch einmal zum Vorwurf der Urkundenunterdrückung: Wer mich auch nur ansatzweise kennt, weiß, dass Manipulation von Akten mit meinem Amtsverständnis in keiner Weise einhergeht.

Ich kann Ihnen deutlich sagen: Von mir wurden keine Akten manipuliert, um ein bestimmtes Urteil des Gerichts zu erleichtern. Das werden auch die Ermittlungen ergeben. Nur leider ist zu befürchten, dass über die Einstellung des Verfahrens die Medien nicht mehr so ausführlich berichten werden und es bleibt etwas kleben. Und das ist etwas, wo wir Alle überlegen sollen, was das eigentlich für Politik und Kommunalpolitik insgesamt bedeutet. Herzlichen Dank.

 

 
 

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