Auszug - Stadtentwicklung in Charlottenburg-Wilmersdorf  

 
 
49. Öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin
TOP: Ö 8.1
Gremium: Bezirksverordnetenversammlung Beschlussart: beantwortet
Datum: Do, 17.02.2011 Status: öffentlich
Zeit: 16:30 - 22:05 Anlass: ordentliche Sitzung
1984/3 Stadtentwicklung in Charlottenburg-Wilmersdorf
   
 
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:SPD-Fraktion 
Verfasser:Verrycken/Schmitz-Grethlein 
Drucksache-Art:Große AnfrageGroße Anfrage
 
Beschluss


 

Zur Beantwortung Herr BzStR Gröhler:

 

Sehr geehrte Frau Vorsteherin, sehr geehrter Herr Verrycken, bevor ich die Frage beantworte, muss ich erst einmal eine kleine Korrektur zur Begründung von Herrn Verrycken vornehmen.

Es ist ja mitnichten so, meine Damen und Herren, dass das OVG in den Entscheidungen festgestellt hat, eine andere, wie war das, eine stadtplanerische Auffassung als das Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin zu haben, sondern die Haltung des Landes Berlin ist vom OVG dort so nicht akzeptiert worden. Weil unsere Bebauungspläne sind durch die Rechtsprüfung der Senatsverwaltung beanstandungsfrei durchgelaufen und Sie erinnern sich, Herr Verrycken vielleicht auch noch, auch wenn Sie jetzt keinen Wahlkampf machen wollten, dass ich es vorher sagte, dass die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung ja einige Monate davor schon auf die Mine Spreedreieck in der Frage gelaufen ist. Also, es ist ja nicht, dass durch Zufall nun das Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf der erste Doofe war, der hier die entsprechend negative Karte gezogen hat, sondern es hat hier inzwischen in Berlin nun schon leider eine Tradition.

 

Zur Beantwortung:

 

Zu 1.

Wir hatten Ihnen dargestellt im Stadtplanungsausschuss, dass wir bei 15 laufenden Bebauungsplanverfahren die Problematik sehen. Darüber hinaus sind fünf zukünftige Verfahren möglicherweise auch betroffen. Von den 15 laufenden Verfahren können wir Ihnen sagen, dass bei fünf Verfahren im Rahmen der öffentlichen Auslegung bei drei davon keine einklagbaren Bedenken aufgerufen worden sind. Bei zwei Auslegungen haben Nachbarn derartige Bedenken vorgetragen, bei denen man davon ausgehen kann, dass sie später, würden sie vom OVG zum Streit gebracht werden, möglicherweise für den Bebauungsplan tödlich wären. Unabhängig davon, ob die betroffenen Nachbareigentümer Bedenken im Rahmen der öffentlichen Auslegung vorgebracht haben, steht Ihnen selbstverständlich bei einer Planreifeerklärung und bei einer darauf beruhenden Baugenehmigung immer noch ein Widerspruchs- und auch ein Klagerecht zu, also insofern ist es ja nicht so, dass, wenn die gegen den Bebauungsplan  selbst keine Bedenken erhoben haben, dass ihnen damit alle Rechte komplett abgeschnitten sind, sondern Ihnen sind die Rechte gegen den B-Plan vorzugehen, abgeschnitten. Aber eine inzidente Überprüfung, also eine Überprüfung des Bebauungsplans bei einem Streit über die Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung, kann uns trotzdem immer noch drohen.

 

Die Eigentümer, die derartige Grundstücke haben und dort investieren wollen, werden von uns ständig auf dem Laufenden gehalten, was die problematische Rechtsprechung angeht. Man kann aber auch sagen, dass inzwischen in Eigentümerkreisen und Immobilienkreisen und bei den Architekten und natürlich auch bei den Anwälten die Situation sich auch soweit rumgesprochen hat, dass alle selbst sehr gut informiert sind.

 

Die Handlungsmöglichkeiten des Bezirks selbst sind durch die restriktive Rechtssprechung des OVG’s in der Fragestellung äußerst eingegrenzt. Wir werden bei einigen Bebauungsplanverfahren in sogenannte vorhabenbezogene B-Pläne gehen, weil die Restriktionen der Baunutzungsverordnung dort nicht so eng sind. Zurzeit laufende B-Planverfahren als vorhabenbezogene sind Ku-Damm-Karree, haben Sie ja selbst politisch mitbegleitet, die Erweiterung des Lagers Selfstorage in der Wexstraße, kennen Sie auch, und ein Verfahren, was Sie noch nicht kennen, nämlich ein Wohnbauvorhaben in der Albrecht-Achilles-Straße. Wir müssen allerdings auch sagen, dass das OVG über die Frage, wie ist denn der § 17 BauNVO bei vorhabenbezogenen Bebauungsplänen bisher noch nicht entschieden hat. Also, auch hier befinden wir uns nicht auf Eis, was auf jeden Fall tragfähig ist, sondern wir werden die Situation abzuwarten haben. Eine andere Möglichkeit ist natürlich auch immer mit dem Eigentümer und dem potenziellen Investor einen sogenannten Regressverzicht zu verabreden. Das Problem ist nur, dann muss der Eigentümer selbst finanziell so potent sein, dass er auch aus eigener Tasche sozusagen stemmen kann, sowie er finanzierende Banken dabei hat und das ist ja meistens der Fall, machen die Banken nicht mit, ein Vorhaben zu finanzieren auf der Grundlage einer ungeklärten Rechtssituation und eines Regressverzichts.

 

Wir könnten natürlich auch alle unsere Bebauungsplanverfahren einfach zurückstellen, so wie die Senatsverwaltung uns das empfohlen hat. Die haben, ich übertreibe jetzt mal etwas, das, was sie gesagt haben, umgangssprachlich, die haben gesagt, am Besten gar nicht bewegen, nichts festsetzen, nichts zur Planreife bringen, gar nichts mehr machen – abwarten. Das hilft uns natürlich nicht wirklich weiter, weil das wäre die Aufgabe der weiteren Planungsmöglichkeiten und würde letztlich zu einem Stillstand der Investition, insbesondere in den Innenstadtbereichen führen, das kann uns nicht recht sein.

 

Wir haben einen anderen Weg einmal vorgeschlagen, nämlich einem Grundstückseigentümer mit auf den Weg gegeben, dass er doch versuchen soll, eine Konsensbildung mit den Planungsbetroffenen im Umfeld herzustellen, um damit die Einsprüche zu verhindern, um sich eine Zustimmung geben zu lassen. Das hat leider in dem Fall nicht gefruchtet, weil die Betroffenen sofort ihre Rechte ihm gegenüber schon geltend gemacht haben und diese Konsensbildung bei dem Vorhaben als gescheitert angesehen werden muss.

 

Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, meine Damen und Herren, hat zwar selbst zu einer Besprechung auf Stadtplanungsamtsleiterebene eingeladen, hat hier aber auch keine konstruktiven Hilfestellungen geben können, weil sie in der Frage, sage ich auch ganz offen, auch ein Stück weit überfordert ist. Ich selbst habe das Thema für die kommende Baustadträtesitzung am 24.02. angemeldet, weil die Senatsverwaltung es nicht auf die Tagesordnung gesetzt hat, es bleibt abzuwarten, wie SenStadt sich dort verhält.

 

Zu 2.

Es geht natürlich nicht so, meine Damen und Herren, dass wir einfach uns um Bebauungspläne rummogeln, weil, wenn nach § 1 Abs. 3 BauGB ein Planerfordernis besteht, dann müssen wir in ein Bebauungsplanverfahren gehen. Ich hatte eben schon gesagt, alles andere würde einen Investitionsverzicht zur Folge haben und das kann uns ja allen nicht recht sein. Andererseits, meine Damen und Herren, und ich glaube, darüber hatten wir auch Konsens, und das zeigt übrigens, dass das Thema ja nicht zum Wahlkampf taugt, sind wir alle sicherlich nicht der Auffassung, dass wir in Zukunft mit einer GFZ von 1,2 in der Innenstadt arbeiten sollten, weil, das würde zum einen bei vielen Investitionen die Wirtschaftlichkeit überhaupt nicht geben und zum anderen, hätte wir dann teilweise zwei und drei Geschosse auf Grundstücken. Das ist städtebaulich auch nicht wünschenswert und ich glaube, wir hatten auch Konsens darüber, dass Innenentwicklung vor Außenentwicklung geht, also bevor wir uns die Felder in Lübars und Kladow bebauen, sollten wir doch lieber schauen, dass wir Grundstücke, die es in der Innenstadt immer noch gibt, Baulücken vernünftig füllen, weil die Infrastruktur hier vorhanden ist.

 

Zu 3. und 4.

Das Bezirksamt teilt die These nur in Teilen. Wir teilen die These, dass Charlottenburg-Wilmersdorf ein hoch attraktiver Wohnstandort ist, aber ich würde  nicht die These unterschreiben, dass wir jetzt alle Alarmglocken klingeln lassen müssten. Der Gutachter hat ja mehr oder weniger prognostiziert, ab 2018/2019 herrscht eklatanter Wohnraummangel in Charlottenburg-Wilmersdorf. Ich habe auf der Veranstaltung im Amerika-Haus gesagt, Charlottenburg-Wilmersdorf ist ja keine Insel. Wir müssen uns ja mit Wohnraum nicht selbst versorgen, es ist ja nicht so, man nur wohnt, einkaufen geht, arbeitet und sich erholt und in keinen anderen Bezirk geht. Wäre vielleicht für den einen oder anderen wünschenswert, aber so ist die Situation nicht. Man kann ja auch in Reinickendorf wohnen und hier z. B. arbeiten. Oder man kann auch hier arbeiten und in Spandau wohnen. Also, wir müssen uns nicht selbst versorgen. Insofern wird Charlottenburg-Wilmersdorf aufgrund der Lage, immer eine sehr starke Nachfrage haben und wir werden das Angebot nie ganz decken können. Dafür ist der Bezirk schon zu sehr zugebaut.

 

Aber, meine Damen und Herren, diese Diskussion, die da aufgemacht wurde, verkennt ja auch ein wenig, dass wir die Bevölkerungsprognose und den Bevölkerungsanstieg, den wir jetzt gerade die letzten zwei Jahre verzeichnen, dass es den davor nicht gab. Wir haben ja jetzt immer noch nicht die Bevölkerungsmenge erreicht, die wir z. B. 1990 hatten. Also, insofern muss man sich die Zahlen sehr nüchtern anschauen. Charlottenburg-Wilmersdorf ist der Bezirk mit der größten Quadratmeterzahl an Wohnraum pro Kopf, dass ist ein hoher Luxus. Wir sind ein Bezirk mit steigenden Haushaltszahlen, weil es eben immer mehr auch zu einer Single-Haushaltssituation kommt, aber das daraus eine Wohnungsnot abzuleiten wäre, halte ich für eine verfehlte Prognose.

 

Wir haben zahlreiche Möglichkeiten, zusätzlichen Wohnraum, ich leite hin über zu 4., im Bezirk noch zu schaffen. Sie kennen die Projekte, glaub ich, sehr sehr gut. Württembergische Straße, brauche ich, glaube ich, nicht näher darzustellen. Güterbahnhof Grunewald, eine Familienhausbebauung mit etwa 200 Wohneinheiten ist möglich. Lentzeallee ist gerade der Wohnraum geschaffen worden. Zillestraße/Gierkezeile hat der Bezirk selbst ein Grundstück auf den Markt gebracht, 80 Wohneinheiten etwa. Goslarer Ufer ist ein Bebauungsplanverfahren am Laufen. Sie kennen auch das Projekt Pulsstraße/Mollwitzstraße, Umwandlung des früheren Krankenhauses mit mehreren 100 Einheiten. Es gibt einen Vorbescheid für die Sesener Straße mit 70 Wohneinheiten. Ich erinnere daran, meine Damen und Herren, dass ich hier immer dafür gekämpft habe, dass das Kammergericht am Lietzenseee eben kein Hotel wird. Das hat damals eine Fraktion hier anders gesehen. Ich habe immer gesagt, dass muss Wohnraum werden, es ist Wohnraum geworden. Ich erinnere an die Diskussion, die wir in dem Zusammenhang mit dem Wasserturm am Spandauer Damm hatten, wo wir Wohnraum durch die Entscheidung des Stadtplanungsamtes auch mit auf den Weg gebracht haben. Das Cumberland wird gerade zu Wohnungen umgewandelt und ich will auch mal sagen, wenn es hier so in der Frage heißt, was macht denn der Bezirk, damit insbesondere bezahlbare Wohnungen entstehen?

 

Angebot, meine Damen und Herren, ist glaube ich, die beste Reaktion auf steigende Nachfrage. Und dann erinnere ich auch daran, dass teilweise die eine oder andere Fraktion, insbesondere beim Bauprojekt Adenauerplatz, die geradezu dazu getragen werden musste, dass in dem Neubauvorhaben überhaupt Wohnungen vorhanden sind. Der eine oder andere plädierte hier für drei Hotels ohne jeden Wohnraum.

 

Also, ich will noch mal ganz deutlich sagen, wir müssen uns dann auch alle tatsächlich bemühen, bei allen möglichen Vorhaben, wo überhaupt die Chance nur besteht, tatsächlich für die Schaffung von Wohnraum einzutreten.

 

Zu 5.

Eine Zuständigkeit des Bezirksamtes zur Schaffung von Bundesrecht besteht nicht. Ich gehe davon aus, dass es in guten Händen bei der zuständigen Senatsbauverwaltung ist.

 

 

 
 

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