Auszug - JobCenter  

 
 
37. Öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin
TOP: Ö 8.1
Gremium: Bezirksverordnetenversammlung Beschlussart: beantwortet
Datum: Do, 10.12.2009 Status: öffentlich
Zeit: 16:30 - 21:30 Anlass: ordentliche Sitzung
1522/3 JobCenter
   
 
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:SPD-Fraktion 
Verfasser:Verrycken/Schmitt-Schmelz/Hansen 
Drucksache-Art:Große AnfrageGroße Anfrage
 
Beschluss

Zur Beantwortung Frau BzStR’in Schmiedhofer:

Zur Beantwortung Frau BzStR’in Schmiedhofer:

 

Sehr geehrte Frau Schmitt-Schmelz, ich beantworte die Fragen wirklich nach allerbestem Wissen und nach dem aktuellsten Stand, den ich habe.

 

Zu 1.

Seit Juni des Jahres erhalten knapp 39.000 Menschen SGB II-Leistungen in unserem Bezirk. Die Zahl hat sich seit dem nicht nennenswert verändert. Die Zahl der unter 25jährigen blieb mit etwas 13.500 ebenfalls weitgehend konstant. Eine Prognose abzugeben ist derzeit besonders schwierig, da die Auswirkungen der Wirtschaftskrise auf den Arbeitsmarkt nicht eingeschätzt werden können, auch z. B. nicht das Auslaufen des Kurzarbeitergeldes, das perspektivisch auch mehr Leute in SGB II bringen würde.

 

Im Haushaltsansatz für 2010 wurde in Abstimmung mit dem Bundesministerium für Arbeit eine Ausgabensteigerung von 13 % für die so genannten passiven Leistungen, d. h. Regelsatz und Kosten der Unterkunft eingestellt, d. h., von einer Erhöhung der Anzahl wird ausgegangen.

 

Zu 2.

Im Monat Juli 2009, dass sind die letzten validen Zahlen, erhielten ungefähr 4.700 Personen in 590 Bedarfsgemeinschaften ausschließlich der Kosten der Unterkunft nach dem SGB II, das ist deutlich mehr, als der bundesweite Durchschnitt, nachdem erhalten nur etwa 10 % ausschließlich Leistungen der Unterkunft, für die ja die Kommune zuständig ist.

 

Zu 3.

Im Koalitionsvertrag steht und ich bitte zitieren zu dürfen:

„Die Koalition will die Aufgaben wahrnehmen und Finanzierung für Langzeitarbeitslose im Sinne der Menschen neu ordnen. Wir streben eine verfassungsfeste Lösung ohne Änderung des Grundgesetzes und ohne Änderung der Finanzbeziehung an, die dazu beiträgt, dass Langzeitarbeitslosigkeit vermieden bzw. so schnell wie möglich überwunden wird. Dabei gilt es, die Kompetenz und Erfahrung der Länder und der Kommunen vor Ort sowie der Bundesagentur für Arbeit in getrennter Aufgabenwahrnehmung für die Betreuung und Vermittlung von Langzeitarbeitslosen zu nutzen. Die Bundesagentur für Arbeit erhält die Aufgabe, den Kommunen attraktive Angebote zur freiwilligen Zusammenarbeit zu unterbreiten. Unser Ziel ist eine bürgerfreundliche Verwaltung, die unnötige Doppelarbeit vermeidet.“

 

Diese Formulierung ist eine eindeutige Absage an die gemeinsame Zusammenarbeit auf Augenhöhe zwischen Kommunen und Bundesagentur für Arbeit. Wie es gelingen soll, einerseits die Aufgabenwahrnehmung zu trennen, andererseits eine bürgerfreundliche Verwaltung zu schaffen, die unnötige Doppelarbeit vermeidet, ist noch ein großes bundesrepublikanisches Rätsel. Bereits zwei Eckpunktepapiere unter der Leitung von nach kurzer Regierungszeit schon zwei Ministern bzw. einem Minister, das Papier ist vom 17. November und einer Ministerin, das ist brandneu vom 3. Dezember, zeugen vom verzweifelten Versuch, den Kreis zu quadratieren. Am 18. Dezember will das Kabinett eine Grundsatzentscheidung treffen, die bis Mai in einen Gesetzentwurf fließen soll. Die Umsetzung muss ja bekanntermaßen bis zum 31. Dezember 2010 erfolgen, sonst gelten die Bescheide nicht mehr.

 

Die Arbeits- und Sozialminister der Länder haben diese Planung mit 15 Stimmen abgelehnt und ihre Forderung nach einer Grundgesetzänderung bekräftigt, die die gemeinsame Zusammenarbeit für Arbeit- und Grundsicherung ermöglichen würde.

Etliche Großstädte, darunter immerhin Hamburg, möchten lieber beide Leistungen als Optionskommune selbst erbringen, als das neue Modell zu vollziehen.

 

Zu 4.

Vorteile sind bisher nicht sichtbar. Auch aus Sicht der Berliner Senatsverwaltung sprechen vielfältige Gründe gegen die neue Regelung. Zwei Ansprechpartner, zwei Bedürftigkeitsprüfungen, zwei Leistungsbescheide, getrennte Widerspruchs- und Klageverfahren. Die Verknüpfung der sozialintegrativen Leistungen mit den Maßnahmen der Arbeitsförderung werden erschwert. Es wird wahrscheinlich zu räumlichem Mehrbedarf kommen, die Verwaltungskosten steigen und in der Übergangsphase, das gilt wahrscheinlich aber für jede Übergangsphase, wird es zwangsläufig zu Qualitätseinbußen kommen. Das kommunale Personal muss zur Bundesagentur wechseln, sofern es genommen wird oder zurück zu den Bezirken, eine Refinanzierung des kommunalen Personals entfällt.

 

Aus den Eckpunktepapieren lässt sich die Rolle der Kommunen in der Zusammenarbeit auf freiwilliger Basis bereits ablesen. Die Kooperationsangebote sollen nach einer Mustervereinbarung unterbreitet werden, beispielhaft möchte ich das geplante Angebot für das Fallmanagement für besondere Personengruppen, also die besonders schwer zu vermitteln sind zitieren, mit dem der kommunale Träger betraut werden darf, um sozialintegrative Leistungen und beschäftigungsorientierte Maßnahmen zusammenführen (Seite 12 des Papiers):

„Die BA stellt durch Richtlinien eine einheitliche Ermessensausübung sicher und kann auch im Einzelfall dem kommunalen Träger Weisung erteilen.“

 

Zu 5.

Als nachteilig für Kundinnen, Kunden und Beschäftigte.

 

So wird auch im Eckpunktepapier eingeräumt, dass nicht nur in jedem Bescheid erkennbar sein muss, von wem das Geld kommt und wer verantwortlich ist, sondern dass auch die Beratung über Leistungsansprüche getrennt erfolgen muss. Ich darf wieder zitieren:

(S. 13) „Für den Bürger muss klar erkennbar sein, welcher Hoheitsträger für welche Beratungsleistungen verantwortlich ist… Zulässig wäre aber, wenn ein Leistungsträger die Zugangssteuerung insoweit übernimmt, als er für den anderen Leistungsträger Antragsformulare ausgibt und Ansprechpartner benennt, während er nur über seine eigenen Leistungen umfassend berät.“

Das heißt im Klartext, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einen Teil ihres bestimmt vorhandenen Wissens nicht nutzen dürfen und stattdessen auf einen früheren Kollegen verweisen müssten ...“

Einen Trägerausschuss soll die BA jedem kommunalen Träger anbieten können,  auf dem über Arbeitsmarkt- und Integrationsprogramme sowie die organisatorischen Abläufe beraten wird und in dem ohne Bindungswirkung abgestimmt werden soll!

 

Wie bereits mit der Großen Anfrage 1154/3 „Zukunft der bezirklichen Mitgestaltung in der Arbeitsmarktpolitik“ mitgeteilt, sind zunehmende Informa­tionsdefizite und eine steigende Zahl an Widersprüchen und Klagen zu erwarten. Die Bearbeitung der Anträge wird durch die Trennung zusätzlich erschwert. Eine Kooperation mit der Bundesagentur für Arbeit gestaltete sich in den Trägervertretungen, in den beide Träger ja mindestens formal gleichbe­rechtigt sind, fallweise schwierig. Eine Zusammenar­beit mit der Bundesagentur aufgrund eines Kooperationsange­botes verschiebt die Machtverteilung zugunsten der Bundesbe­hörde und stellt die Bedingungen für die Kommunen bis 2005 wieder her.

 

Die Erfahrungen mit der getrennten Aufgabenwahr­nehmung der Arbeitsämter zeigten, dass ein zum Teil hoher Auf­wand für eine lösungsorientierte Kooperation notwendig war und genau dem sollte ja mit dem Aufbau der JobCenter begegnet werden.

 

Da stets zwei Verwaltungen zu beteiligen sind, wird der perso­nelle, der technische und natürlich auch der finanzielle Mitteleinsatz steigen. Auch die Fragen der Weiterbeschäftigung der kommunalen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den JobCentern wird eine logistische und finanzielle Herausfor­derung für das Land Berlin darstellen. Im Eckpunktepapier (S. 18) wird die Wertschätzung der kommunalen Beschäftigten deutlich:

 „Eine vertragliche Lösung mit den kommunalen Trägern soll sicherstellen, dass das benötigte kommunale Personal zumindest für eine Übergangszeit bei der BA verbleiben kann. Auf diese Weise wird der BA ermöglicht, sukzessive ihren eigenen Personalkörper zu vervollständigen .... auch durch Versetzung von Beamten oder die Übernahme von Arbeitnehmern der Kommunen ... sofern diese bei Vorliegen entsprechender Eignung zur BA wechseln wollen. Entsprechend neue Stellen werden in einem Nachtragshaushalt der BA für 2010 ausgebracht.

 

Im Klartext: die kommunalen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können sich wie jeder und jede andere auf die neu ausgebrachten Stellen bewerben, die Einstellungsentscheidung liegt alleine bei der Bundesagentur für Arbeit.

 

Vor diesem Hintergrund und dem Zeitdruck, der eine geordnete Umstellung kaum vorstellbar macht, bewundere ich das Durchhaltevermögen, dass die kommunalen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf einer Personalversammlung am 8. Dezember, also vorgestern, trotz der kompletten Ungewissheit gezeigt haben.

 

Ich bedauere sehr, dass ich die Große Anfrage zwölf Monate vor der definitiv erforderlichen Umstellung mit keiner einzigen verbindlichen Aussage beantworten kann. Nächsten Mittwoch wird auf der Stadträtesitzung der Stadträte und Stadträtinnen für Arbeit das weitere Vorgehen für das Land Berlin besprochen. Die Senatsverwaltung wird, das noch zum Antrag der CDU und FDP,  wie bei der Einführung des SGB II in Berlin die Rahmendaten verhandeln und entscheiden. Ich bin sicher Dieses Thema wird uns die nächsten Monate noch sehr intensiv und häufig beschäftigen.

 

 

 
 

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