Auszug - Wie begegnet der Bezirk der Wildschweinplage?  

 
 
21. Öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin
TOP: Ö 8.5
Gremium: Bezirksverordnetenversammlung Beschlussart: beantwortet
Datum: Do, 19.06.2008 Status: öffentlich
Zeit: 16:30 Anlass: ordentliche Sitzung
0918/3 Wie begegnet der Bezirk der Wildschweinplage?
   
 
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:FDP-Fraktion 
Verfasser:Prof.Dr.Dittberner/Block 
Drucksache-Art:Große AnfrageGroße Anfrage
 
Beschluss

Zur Beantwortung Herr BzStR Gröhler:

Zur Beantwortung Herr BzStR Gröhler:

 

Meine Damen und Herren, ich beantworte für das Bezirksamt federführend die Große Anfrage der FDP-Fraktion wie folgt; federführend deshalb, weil natürlich es Zulieferungen benötigte aus dem Bereich Veterinär- und Lebensmittelaufsichtsamt und Umweltamt, was Forsten angeht.

 

Zu 1.

Auf den Sportplätzen waren in 2006 Schadenshöhen in etwa 20.000 Euro, in 2007 in etwa einer Höhe von 10.000 Euro durch Wildschweine zu verzeichnen. Die Schäden auf den Spielfeldern mussten mit Rollrasen repariert werden, um die entstandenen Spielausfallzeiten möglichst gering zu halten. In den Grünanlagen sind in den vergangenen zwei Jahren auf etwa 14.000 qm Wildschweinschäden entstanden. Die in der Regel in forstnahen Bereichen wiederholt auftretenden Aufwühlungen werden aufgrund der finanziellen Situation nicht beseitigt. Es handelt sich um extensive Pflegebereiche. Über die Schäden auf den Friedhöfen führen wir nicht eine Einzelstatistik und wir haben keine Kenntnisse über Art und Umfang von Schäden an privaten oder im Landeseigentum befindlichen Grundstücken.

 

Allerdings scheinen die Wildschweine die BVV-Drucksachen und Tagesordnungen genau zu verfolgen, weil just vorgestern sind Wildschweine auf den sehr schön

gestalteten Karolingerplatz eingedrungen und haben dort Schäden angerichtet, was für uns besonders ärgerlich ist, weil beim Karolingerplatz handelt es sich nun nicht um eine extensiv gepflegte Grünanlage, sondern um eine äußerst intensiv gepflegte und wir wollten den Karolingerplatz gerade anmelden gegenüber SenStadt für den Preis in der Frage schönste, gepflegte Grünanlage, wo wir ja schon `mal den Preis für den Savignyplatz bekommen haben, und das tut uns jetzt ganz besonders weh, insbesondere den Kollegen aus dem dortigen Revier, die sich natürlich immer sehr viel Mühe mit dem Platz geben. Wir müssen schauen, wie groß die Schäden sind, darüber habe ich noch keine Kenntnisse und wie wir sie beseitigen können.

 

Zu 2.

Für eine Bejagung in den Berliner Wäldern, d. h. in den Landesjagdbezirken, sind die Berliner Forsten zuständig. Die Bejagung in den befriedeten Gebieten ist grundsätzlich untersagt. Ausnahmeerlaubnisse können in besonderen Einzelfällen durch die Berliner Forsten an geeignete Jäger mit Zustimmung des jeweiligen Grundstückseigentümers erteilt werden. Der zuständige Revierförster hat allerdings uns auch mitgeteilt, dass eine stärkere Bejagung nicht unbedingt zum Erfolg führt. Also, die langläufige Vorstellung, schießt doch einfach mehr Bachen, weil die Bachen sind ja sozusagen insbesondere für die Vermehrung zuständig und wenn es weniger Bachen gibt, dann gibt es auch weniger Population, das ist so nicht richtig.

 

Es stimmt natürlich, meine Damen und Herren, dass die Vermehrungsrate eines Wildschweins bei 150 bis 200 % liegt und wir wissen auch, dass in den letzten Jahren die Geschlechtsreife von Wildschweinen immer weiter zurückgegangen ist, also immer früher der Nachwuchs kommt, andererseits würde das einfache Schießen von Bachen nicht zum Erfolg führen, weil sie möglicherweise die sogenannte Leitbache dabei erwischen. Was bedeutet das? Wildschweine leben in einer sehr matriachalischen Struktur, d. h. die Leitbache entscheidet z. B., wann andere junge Bachen gedeckt werden. Schießen Sie die Leitbachen, führt es zum Auseinanderfallen dieser Strukturen und zur Schaffung von freien, neuen, nicht organisierten Rotten, in der es zu einer vielleicht früheren Deckung der Jungbachen kommt, als es gekommen wäre, wenn die Leitbache sozusagen noch die Hand draufgehalten hätte.

 

Also, mit anderen Worten, wenn sie die Leitbache erwischen, dann haben sie mehr Unheil angestellt, als sie eigentlich erreichen wollten. Die Folge ist, sie müssen sehr intensiv die Rotte über längere Zeit beobachten, um festzustellen, welches Tier ist die Leitbache, um diese Bache nicht zu schießen. Sie sehen, meine Damen und Herren, das ist viel komplizierter, als wir uns das vorgestellt haben.

 

Die Berliner Forsten werden allerdings am 26.06., also in der nächsten Woche, eine Leitlinie zur Jagd im urbanen Raum von Berlin herausgeben und vorstellen. Darin kommt insbesondere zum Ausdruck, dass eine Verdrängung der Wildtiere aus der Stadt mit jagdlichen Methoden wohl nicht möglich erscheint, so sagen uns Forsten, da die Tiere hier ideale Lebensbedingungen finden, insbesondere was das Nahrungsangebot angeht. Forsten wird bei der Vorstellung der Broschüre insbesondere darauf abstellen, dass die Frage der verhaltensbedingten Situation ganz wesentlich ist. Also, Grundstückseigentümer dürfen eben nicht ihre Mülltonnen am Abend der Abholung rausstellen, oder nicht die gelben Säcke am Samstag, wenn erst Montag das duale System sie abholt. Zäune müssen nicht so ausgestattet sein, dass sie nur 60 cm Höhe haben und jedes Schwein `rüberspringen kann und Tore müssen nicht aufstehen. Das versuchen wir auch immer unseren Friedhofsbesuchern mitzuteilen, dass es wichtig ist, dass sie einfach `mal das Tor hinter sich schließen, weil, wenn dann ein vierbeiniger Besucher kommt, entsprechend der Friedhof schlecht aussieht. Wichtig ist, dass wir Menschen lernen, uns anders zu verhalten, um den Wildschweinen nicht mehr den Anreiz des weiteren Reinkommens in die Stadt zu geben.

 

Zu 3.

Die Stadtjäger werden vom Landesforstamt eingesetzt. Sie handeln, soweit uns bekannt ist, auf ehrenamtlicher Basis. Die geschossenen Wildschweine gehen in ihr Eigentum zur Verwertung über. Zur Zeit wird geprüft, inwieweit bei arbeitslosen Stadtjägern eine gewisse Aufwandsentschädigung in Zusammenarbeit mit den JobCenter oder einem Beschäftigungsträger hergestellt werden kann, um deren Anreiz für das stärkere Schießen noch zu erhöhen. Dabei geht es insbesondere auch um eine bessere Überwachung der forstnahen Grünflächen, um kürzere Reaktionszeiten und Informationen der Bevölkerung bei Wildschäden in öffentlichen und privaten Bereichen zu erreichen, und besser zu erkennen, wo sich gerade Wildschweinrotten aufhalten. Wir werden auch noch `mal Kontakte mit den Sportvereinen, mit den Tennisvereinen und Anderen aufnehmen, die große Flächen nutzen im waldnahen Bereich, um auch dort eine Verhaltensweise so zu ändern, dass Tore eben nicht offen stehen.

 

Zu 4.

Dem Bezirksamt, insbesondere dem Veterinär- und Lebensmittelaufsichtsamt, war die Forderung der Stadtjäger nach künstlichen Lichtquellen bei der Jagd bisher nicht bekannt. Nach jagdrechtlichen Vorschriften gibt es allerdings auch ein Verbot, künstliche Lichtquellen beim Erlegen von Wild aller Art einzusetzen. Das hat einen tierschutzrechtlichen Aspekt, weil in der Nachtzeit kein künstlicher Jagddruck durch künstliche Beleuchtung ausgeübt werden soll. In der Berlin hat der Tierschutz, wie auch in der Bundesrepublik insgesamt Verfassungsrang und das Bezirksamt würde aus dieser Überlegung heraus einer Forderung nach dem Einsatz künstlicher Lichtquellen bei der Jagd nicht positiv gegenüber stehen.

 

Zu 5.

Bisher wurden die Grundstückseigentümer nicht auf die Möglichkeit der Zustimmungserteilung zur Jagd auf ihren Grundstücken hingewiesen. Derartige Anfragen hat es beim Bezirksamt bisher allerdings auch noch nicht gegeben. Bei den Berliner Forsten existiert ein Wildtier-Telefon, wo Bürgerinnen und Bürger anrufen können, um umfassende Informationen zu erreichen. Wenn dort der Wunsch nach der Möglichkeit des Einsatzes eines Stadtjägers angesprochen werden würde, würde Forsten dem sicherlich nicht abgeneigt gegenüber stehen.

 

 

 

 
 

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