Auszug - Öffentlicher Beschäftigungssektor in Charlottenburg-Wilmersdorf - Chancen genutzt?  

 
 
19. Öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin
TOP: Ö 8.1
Gremium: Bezirksverordnetenversammlung Beschlussart: beantwortet
Datum: Do, 24.04.2008 Status: öffentlich
Zeit: 16:30 - 22:00 Anlass: ordentliche Sitzung
0783/3 Öffentlicher Beschäftigungssektor in Charlottenburg-Wilmersdorf - Chancen genutzt?
   
 
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:SPD-Fraktion 
Verfasser:Verrycken/Hansen 
Drucksache-Art:Große AnfrageGroße Anfrage
 
Beschluss
Abstimmungsergebnis

Zur Beantwortung Frau BzStR’in Schmiedhofer:

Zur Beantwortung Frau BzStR’in Schmiedhofer:

 

Sehr geehrter Herr Wittke, sehr geehrte Damen und Herren, gerne beantworte ich für das Bezirksamt die Große Anfrage:

 

Zu 1.

Im Vorgriff auf die zu erwartende Bundesregelung wurden ab September 2007 sogenannte Vorschaltmaßnahmen mit 210 Plätzen initiiert, die nach der ursprünglichen Planung zu Anfang dieses Jahres übergangslos in das zu erwartende ÖBS-Programm übergehen sollten. Das waren die Organisation und Durchführung bezirklicher Sozialmärkte mit 60 Stellen, Landschaftspflege im Bezirk mit 40 Stellen, bezirkliche Mobilitätshilfedienste mit 20 Stellen, die Unterstützung von Projekten in Schulen, Kitas und Jugendeinrichtungen mit 40 Stellen, Stellen des Projektes des Frauennetzwerkes 30 Stellen und dann noch extra Stellen für Menschen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen mit 20 Stellen. Diese Plätze wurden alle durch das JobCenter besetzt.

 

Diese Maßnahmen wurden mit den zu diesem Zeitpunkt möglichen Instrumenten des § 16 SGB II als ABM bzw. MAE in der Entgeltvariante, also jeweils mit einem Arbeitsvertrag mit normalen Sozialabgaben, durchgeführt. Die Finanzierung der Stellen nach dem jetzt angelaufenen ÖBS-Programm erfolgt jeweils zu 75 %, nach dem zum 01.10.2007 neu geschaffenen § 16a des SGB II und zu 25 % aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds. Der neue § 16a SGB II enthält veränderte Vorgaben in Bezug auf die Anforderung an die Maßnahmeplätze, aber auch an den angesprochenen Personenkreis, daher musste es Änderungen geben zu den ab April durchgeführten Maßnahmen.

 

Der neue § 16a SGB II ist ausdrücklich und ausschließlich für Menschen mit besonders schweren Vermittlungshemmnissen vorgesehen. Durch die schärferen Vorgaben an den Teilnahmekreis - so müssen neben der Langzeiterwerbslosigkeit noch zwei weitere in der Person selber begründete Vermittlungshemmnisse vorliegen - konnte nicht die gewünschte Kontinuität in der Besetzung der Stellen erreicht werden, d. h. es waren die Maßnahmeplätze reserviert, aber man konnte nicht einfach die alten Personen weiter nehmen.

Auch an die Maßnahmen selber werden erhöhte Anforderungen gestellt. Insbesondere ist die sogenannte Arbeitnehmerüberlassung nicht mehr zulässig, was bestimmte Tätigkeiten hinsichtlich der praktischen Durchführbarkeit ausschloss. Es geht schlicht darum, wer auch wem etwas zu sagen hat. So konnte der gesamte Bereich der Grünarbeiten und die Hausarbeiterhilfstätigkeiten nicht, wie ursprünglich vorgesehen, durchgeführt werden, weil die direkten Vorgesetzten immer im Projekt sind.

 

Als Plätze waren bewilligt worden, seit März, folgende Maßnahmen: Durchführung von Sozialmärkten, 70 Senioren als Verkehrsteilnehmer, fünf Besuchsdienste Senioren, fünf Sammeln zugunsten sozialer Zwecke, fünf Bühnenwerkstatt, acht Frauennetzwerk, 26 Unterstützung verschiedener Schulen, 28 Plätze Kitas und Vereine, verschiedene Projekte für Seniorinnen und Senioren, 24 Plätze Sozialintegration älterer Menschen, zehn Plätze flexible Kinderbetreuung für Kinder Alleinerziehender, die anderen sind eher kleinere, die nenne ich jetzt aus Zeitgründen nicht, d. h. 210 Maßnahmeplätze sind dem Grunde nach bewilligt, es konnte aber bisher nur 134 Einzelarbeitsverträge abgeschlossen werden. Einzelne Stellen konnten noch nicht besetzt werden, da im JobCenter und bei den Trägern auf eine passgenaue Vermittlung geachtet wird und bisher keine geeignete Person gefunden wurde. Bei anderen laufen die Antragsverfahren mit konkreten Menschen.

 

Bis Ende Mai kann mit weiteren 36 Besetzungen gerechnet werden. Hinsichtlich verschiedener Maßnahmeplätze musste seitens der Träger noch nachgearbeitet werden, z. B. hat die Schuldner- und Insolvenzberatung gerade die für die Vermittlung notwendige Arbeitsplatzbeschreibung eingereicht. Für andere Stellen wurde z. B. der Platz aufgrund von Problemen in der Einsatzstelle zurückgezogen oder wegen Personalwechsel oder weil man sich einfach die Einarbeitung zeitlich nicht zutraut.

 

Zu 2.

Zielgruppe des öffentlichen Beschäftigungssektors sind Langzeiterwerbslose, die aufgrund mehrerer Vermittlungshemmnisse voraussichtlich auch bei intensiver Förderung keine Chance haben, einen Arbeitsplatz auf dem ersten Arbeitsmarkt zu bekommen, also die Probleme müssten in der Person selber liegen und jetzt nicht nur in der äußeren Situation, dass es eben keinen Arbeitsplatz gibt. Das ist  z. B. ein fehlender Schulabschluss oder eine fehlende Ausbildung, ein Lebensalter über 50, erhebliche gesundheitliche Einschränkungen einschließlich psychischer Auffälligkeiten oder Krankheiten, Überschuldung, mangelnde Sprachkenntnisse in Deutsch, Wohnungslosigkeit, Suchtprobleme, Vorstrafen und ähnliches.

 

Bevor ein oder eine Hilfebedürftige/r überhaupt eine Förderung nach dem § 16a SGB II bekommen kann, muss eine mindestens sechsmonatige intensive Betreuung und Aktivierung erfolgt sein und dann muss das JobCenter feststellen, dass eine Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt wohl in den kommenden zwei Jahren nicht möglich wäre. So können Sie schon aus den Fördervoraussetzungen erkennen, dass eine Vermittlung auf den ersten Arbeitsmarkt nicht so schnell erwartet werden kann. Aber einige der vermittelten Personen müssen sich zuerst an Fähigkeiten gewöhnen oder sich diese aneignen, die die Voraussetzung für den Einstieg in den regulären Arbeitsmarkt sind, die zeitgenaue Pünktlichkeit, Ausdauer, auch ein persönliches und äußeres Verhalten, was der Arbeitssituation angemessen ist und leider oftmals auch eine realistische Selbsteinschätzung der möglichen Chancen auf den Arbeitsmarkt.

 

Die anfänglichen Befürchtungen, dass überwiegend schwierige und arbeitsferne Personen vermittelt würden, hat sich nicht bewahrheitet. Es gibt bereits jetzt sehr viele Rückmeldungen über sehr engagierte und motivierte Beschäftigte, die gut und eigenverantwortlich arbeiten. Der Wunsch vieler Einsatzstellen, die aus den Vorläufermaßnahmen vertrauten Personen zu übernehmen, auch mehrjährig, ist sicher nicht nur auf die sonst erneut zu erwartende Einarbeitung zurück zu führen, sondern schlicht und einfach auf das Engagement und die Lernbereitschaft der Teilnehmerinnen und Teilnehmer.

 

Ein Fazit für die Chancen für eine dauerhafte Beschäftigung auf dem ersten Arbeitsmarkt kann seriös noch nicht gezogen werden, weil die Maßnahme gerade erst begonnen hat, aber mit Sicherheit kann man heute schon sagen, dass die langfristige Beschäftigung über einen richtigen Arbeitsmarkt natürlich die Reintegration erhöhen wird. Die Einsatzstellen werden zwar keine Möglichkeiten für eine dauerhafte Übernahme bieten können, da es sich um zusätzliche Stellen handelt. Es ist bereits ein Erfolg, dass Menschen, die sonst vom Arbeitsmarkt abgekoppelt wären, eine tariflich bezahlte sinnvolle Tätigkeit bekommen. Das Angebot von werthaltiger Arbeit anstelle von Transferleistungen fördert natürlich auch die Integration in die Gesellschaft, den Aufbau sozialer Kontakte und damit das nicht unwichtige Selbstwertgefühl.

 

Zu 3.

In der Regel werden die Arbeitsverträge für ein Jahr abgeschlossen. Das JobCenter muss regelmäßig prüfen, ob die Teilnehmenden noch zum angesprochenen Personenkreis gehören, also sprich, dass sie noch nicht soweit gefördert worden sind, dass die Vermittlungshemmnisse nicht mehr da sind, das ist eine sehr deficile Situation, dann ist es möglich, dass die Verträge noch um ein weiteres Jahr verlängert werden und dann wahrscheinlich noch einmal um ein Jahr. Damit kann nicht nur eine Kontinuität und Nachhaltigkeit in den sinnvollen Projekten erreicht werden, die Teilnehmenden haben die Chance, sich mit den übertragenden Aufgaben sich auch zu identifizieren. Nach § 16a SBG II ist theoretisch erlaubt unter verschiedenen Voraussetzungen sogar eine unbefristete Beschäftigung zu erhalten. Das gibt es im Moment für Berlin noch nicht, ist auch nicht vorhersehbar, wäre aber für eine bestimmte Personengruppe sehr wünschenswert und wird auch davon abhängen, inwieweit der Senat sich da auch finanziell einbringen wird.

 

Frau Dr. Suhr:

Versuchen Sie die letzte Minute gut zu füllen, Frau Schmiedhofer. Ich wollte die Zeit ansagen.

 

Frau BzStR’in Schmiedhofer:

Das Arbeitsentgelt entspricht 1.300 EUR Arbeitnehmer-Brutto, das sind (pro Stunde) 7,50 EUR. Daraus ergibt sich das Problem, dass ein Tariflohn gefunden werden muss, der der Tätigkeit entspricht, das ist nicht immer ganz leicht, Teilzeitarbeit ist möglich.

 

Zu 4.

Ziel ist ein gesellschaftlicher Mehrwert, Verbesserung der Perspektiven der älterwerdenden Gesellschaft, Stärkung des sozialen Zusammenhalts. Bezirke können eigene Schwerpunkte setzen, haben wir gemacht, das JobCenter hat unsere Maßnahmen alle akzeptiert.

 

So und jetzt kann ich die für Sie wahrscheinlich spannendste Frage leider nicht beantworten, ich hoffe, die Vorsteherin gibt mir dann die Gelegenheit, dies im Zuge der Debatte zu tun. Ich möchte hier nicht “mit dem Besen weggeschickt” werden.

 

 

Zusatzfrage                                     BV Prof. Dr. Dittberner:

 

Frau Stadträtin, könnten Sie dann bitte die Frage 5 noch beantworten?

 

Zu 5.

Es wird Sie nicht überraschen, dass die Einrichtung abhängig ist von den finanziellen Möglichkeiten, die dem JobCenter vorgegeben werden, aber leider nicht nur von den Möglichkeiten selber, die werden vorgegeben, sondern auch im Rahmen der Quote, die die Agentur für Arbeit, als leider die Federführende in den Entscheidungen des JobCenters vorgibt. Und da ist eines gesagt: Nur 52 % der Mittel der öffentlich geförderten Beschäftigung dürfen verwendet werden von dem Eingliederungstitel, das sind ungefähr 30 Mio. Davon dürfen nur 52 % für Beschäftigung fördernde Maßnahmen verwendet werden. Wir hatten im arbeitsmarktpolitischen Rahmenprogramm für 2008 einen deutlich höheren Anteil. Der musste auf Druck der Agenturseite wieder herausgenommen werden.

 

Zu dem Bereich öffentlich geförderte Beschäftigung oder beschäftigungsschaffende Maßnahmen gehören ABM, MAE und jetzt eben auch die Maßnahmen nach dem § 16a SGB II.

 

Die Möglichkeit der Finanzierung der öffentlich geförderten Beschäftigung wird von unserem JobCenter gut ausgeschöpft. Wir lagen letztes Jahr auf Platz 1, z. Zt. auf dem zweiten Platz und die Summe von 52 % kann nur dann überschritten werden, wenn es sich im Rahmen der Haushaltswirtschaft so anbietet. Dann wird auch die Struktur da sein, dies zu tun. Mehr möchte ich jetzt an dieser Stelle dazu nicht sagen. Es entspricht in jedem Fall dem Wunsch des Bezirksamtes und nicht nur dem Bezirksamt in der Trägervertreter, sondern durchaus auch einigen im JobCenter arbeitenden Menschen...

 

 

 

 

Abstimmungsergebnis:

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dafür:               dagegen:                     Enthaltung:     

 
 

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