Auszug - Grün im Bezirk - Quo vadis? geht unser Grünbestand die Spree runter?  

 
 
13. Öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin
TOP: Ö 9.1
Gremium: Bezirksverordnetenversammlung Beschlussart: beantwortet
Datum: Do, 11.10.2007 Status: öffentlich
Zeit: 16:30 - 22:10 Anlass: ordentliche Sitzung
0491/3 Grün im Bezirk - Quo vadis?
geht unser Grünbestand die Spree runter?
   
 
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:Fraktion Bündnis 90/Die Grünen 
Verfasser:Centgraf/Dr. Lehmann 
Drucksache-Art:Große AnfrageGroße Anfrage
 
Beschluss

Zur Beantwortung Herr BzStR Gröhler:

Zur Beantwortung Herr BzStR Gröhler:

 

Herr Vorsteher, sehr geehrte Frau Centgraf, meine Damen und Herren, das Bezirksamt beantwortet die Große Anfrage mit einer Vorbemerkung zu Ihrer Begründung, Frau Centgraf, wie folgt:

 

Zum Einen ist das Bezirksamt gerade erstaunt gewesen, dass Sie die mögliche Bebauung des baumbestandenen Parkplatzes, ich glaube Sie meinten wahrscheinlich Gierkezeile/Zillestraße als ökologischen Frevel hier denn nun ein Stück weit darstellen, wenn das nicht der Fall....

Okay, dann kann ich mich da ja beruhigt zurücklehnen, aber ich muss noch die Bemerkung machen, dass natürlich die genehmigten, die von der Kollegin Schmiedhofer genehmigten Fällungen  im Waldtierviertel stets im Einklang mit Recht und Gesetz stehen und das Bezirksamt bittet davon Kenntnis zu nehmen, dass es hier nicht zu Fällungen kommt, die nicht genehmigt sind, die rechtswidrig erfolgen.

 

Darüber hinaus freut sich das Bezirksamt, dass die Bezirksverordneten das Thema Bäume und Grünpflege nun nach den Haushaltsberatungen im Rahmen von Sonntagsreden stärker entdecken. Wir würden uns freuen, wenn es in den zukünftigen Haushaltsberatungen dann auch einen entsprechenden Niederschlag bei der Zuweisung des Grünpflegeetats findet und dieser nicht weiter als Steinbruch missbraucht wird.

 

Zu 1.

Im Rahmen des Planmengenverfahrens, auf das das Bezirksamt ja mehrfach die Bezirksverordneten hingewiesen hat, ist es zu einer Veränderung der Budgetierung bei der Grünflächenpflege gekommen. Die Aufwandsklassen eins bis vier mit den budgetierbaren Quadratmeterflächen, die festgeschrieben worden sind, führen dazu, dass die hochwertigen Grünflächen nicht mehr adäquat gepflegt werden können. Wir haben damals auch lang und breit darauf hingewiesen, dass die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und die Senatsverwaltung für Finanzen die Aufwandsklassen nicht mehr nach dem, was sie vorfinden in den Grünanlagen uns zugestehen, sondern nach dem, wie die soziale Umfeldstruktur ist. Das heißt, der Savignyplatz, eine hochwertige Gartendenkmalanlage, die natürlich dementsprechend in der Aufwandsklasse eins gepflegt werden müsste, wird danach beurteilt, wie drum herum verarmt oder nicht verarmt die Wohnbevölkerung ist, wie viel Arbeitslose es gibt, wie viel Migranten, wie viel Hartz IV-Empfänger usw. Und das wird alles als Klaster gesehen, um dann zu sagen, welche Sozialstruktur liegt vor und dementsprechend werden die Grünanlagen in Pflegekategorien eingeordnet.

 

Für den Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf hatte dies zur Folge, dass die rund 400.000 Quadratmeter vorhandenen hochwertigen Gartendenkmalanlagen nicht mehr in der Aufwandklasse eins budgetiert werden, sondern nur noch 50.000 Quadratmeter, weil die Wohnumfeldsituation “zu gut” ist, auch wenn man das nicht immer glauben mag, d. h. 350.000 Quadratmeter Grünfläche werden nicht mehr ihrer Qualität nach budgetiert, sondern sind herabgestuft worden. Darüber hinaus hat das Planmengenverfahren auch dazu geführt, dass wir eigentlich Morgen zwei öffentliche Spielplätze schließen müssen, weil die zugemessene Fläche kleiner ist, als die tatsächlich vorhandene. Das entspricht zwar nicht dem entsprechendem Gesetz, was eine Unterversorgung immer noch mit Spielplatzflächen im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf vorsieht, aber das ist der Senatsfinanzverwaltung an der Stelle egal.

 

Zu 2.

Die Veränderung der Finanzierungen wird zur Standardabsenkungen führen. Es wird nicht unmittelbar ein Flächenverlust einhergehen, also wir werden nun nicht Grünanlagen deshalb schließen und bebauen, aber wir werden hochwertig gepflegte Flächen z. B. in Zukunft nur noch mit einem Rasenspiegel versehen. Wir werden bepflanzte Flächen mit einer Wechselschmuckbepflanzung in Zukunft mit immergrünen Pflanzen versehen und dementsprechend wird es auch weniger Nachpflanzungen an Bäumen in Grünanlagen bei entsprechenden Abgängen geben können. Die Reduzierungen werden zu einem Grünverlust in dem Sinne führen, dass die Qualität und die Biotopmenge sicherlich verringert wird.

 

Zu 3.

Der Straßenbaumbestand in Charlottenburg-Wilmersdorf  ist mit 45.000 Straßenbäumen der dritthöchste in Berlin. Wir haben 400 km Straßenland, d. h. alle 8,89 Meter steht ein Straßenbaum. Fachlich angezeigt wären 10 bis 12 Meter, d. h. wir haben aus der fachlichen Situation sicherlich eine Überversorgung, wenn Sie wollen. Würde man es auf 10 Meter reduzieren, müssten wir 6.000 Bäume fällen. Das will natürlich keiner. Diese “Überausstattung” stammt ja auch aus Begrünungsmaßnahmen der 70er und 80er Jahre, als man z. B. auf dem Kudamm eben auch noch auf dem Mittelstreifen Platanen gesetzt hat, was fachlich vielleicht nicht ganz so zwingend angezeigt gewesen wäre, was man eben aber damals gut fand und woran wir uns heute auch erfreuen.

 

Der nachhaltige Bestand der Straßenbäume soll im Bezirk geschützt werden. Ich habe gestern im Ausschuss in den fachlichen Beratungen darauf hingewiesen, wie wir versuchen, abgängige Bäume zu finanzieren, dass die Nachpflanzungen erfolgen. Sei es über Baumspenden oder sei es über den Etat, allerdings der geringe Etat lässt eine Eins-zu-Eins Nachpflanzung zur Zeit nicht zu. Das Berliner Naturschutzgesetz verpflichtet uns ja in besiedelten und unbesiedelten Bereichen die Natur und Landschaft zu schützen, zu pflegen und zu entwickeln und soweit erforderlich, wieder herzustellen, um ihre vier Funktionen, nämlich Naturhaushalt, Naturgüter, Tier- und Pflanzenwelt, Landschaftsbild und Erholung auf Dauer zu sichern. Weite Teile des Bezirks sind als Landschaftsschutzgebiet, z. B. Grunewald oder Volkspark Jungfernheide, einige Bereiche im Grunewald als Naturschutz und Flora/Fauna-Habitat  ausgewiesen. Durch das aktive Instrument der Landschaftsplanung hat das Bezirksamt die erforderlichen Maßnahmen und Vorkehrungen zum Schutz sowie zur Pflege von Natur und Landschaft im Innenstadtbereich durch den sogenannten Biotopflächenfaktor, der ja immer sehr gerne im Ausschuss nachgefragt wird oder in besonders schützenswerten Bereichen, wie z. B. Grunewaldseenkette und entwicklungsbedürftigen Bereichen Murellenschlucht, Pichelsdorf und Rupenhorn getroffen.

 

Mit diesen Instrumenten kann auch in Siedlungsgebieten der von ihrer Fraktion befürchteten Tendenz des Grünverlustes entgegengewirkt werden. Allerdings müssen wir sagen, dass die liberalisierte Bauordnung uns insoweit einen Strich durch die Rechnung macht, dass jetzt viele Bauvorhaben nicht genehmigungsbedürftig sind, sondern das man einfach drauf losbauen kann. Und das führt dazu, dass es eben  nicht mehr die sogenannte Schlusspunkttheorie gibt, wo also der Bauantrag auch ans Umweltamt gereicht wird und der Antragsteller ins Baugenehmigungsverfahren gehen muss, sondern der Bauherr kann nun viele Vorhaben, also ich sage immer, im Innenstadtbereich kann ein bis zu sechs Geschosse hohes Bürogebäude ohne Baugenehmigung errichtet werden, wenn bestimmte Voraussetzungen eingehalten werden. Das führt natürlich dazu, dass es auch zu Versiegelungen und zu Baumfällungen kommt, von denen wir gar keine Kenntnis haben. Insofern hat sich das Land Berlin mit seiner neuen Bauordnung hier sicherlich einen Tort angetan. Auf die veränderte Baumschutzverordnung hat das Bezirksamt auch mehrfach hingewiesen, auch die führt dazu, dass heute mehr Bäume gefällt werden dürfen, als das früher der Fall war, weil die Schutzkategorie abgesenkt worden ist. Sie können sich an die Diskussion sicherlich erinnern.

 

Das Bezirksamt arbeitet nach wie vor daran, bestimmte Bereiche weiterzuentwickeln, sei es Murellenberg und Rupenhorn, sie kennen die Diskussion aus dem Umweltausschuss bzw. den Spree-Havel-Grünzug als Erholungslandschaft aufzuwerten. Dementsprechend sind wir weiter dabei, auch Uferwege für die Bevölkerung zu erschließen oder Nutzungen, die Natur und Umwelt belasten, wie z. B. die frühere Schießanlage Ruhleben mit Zäunen, Baracken, Beleuchtungen usw. zu beseitigen, um dort die Fläche der Natur wieder zur Verfügung zu stellen.

 

Zu 4.

Da fragt mich die fragestellende Fraktion, was wir denn getan haben, um das Ehrenamt in der Grünpflege und Baumpatenschaften zu erhöhen und Baumspenden zu erreichen.

Meine Damen und Herren, ich dachte eigentlich, dass es hinlänglich bekannt ist, dass der Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf der erste und einzige Bezirk in Berlin war, der im Rahmen einer groß angelegten Werbekampagne vor zwei Jahren, Sie können sich erinnern, der Slogan hieß: “Hier kann jeder Bürger Meister werden”, die Bevölkerung zum aktiven Mittun in den Grünanlagen aufgerufen hat und auch schöne Erfolge gehabt hat, dadurch, dass z. B. es ein Zulauf bei der Bürgerinitiative für den Lietzensee u. a. auch dadurch gegeben hat. Wir haben mehrfach Flyer rausgebracht, ganz aktuell überarbeitet den Flyer Baumspenden, den ich auch gern jedem Bezirksverordneten in die Hand drücke, die Weihnachtszeit naht ja, vielleicht wollen Sie einem nahen Verwandten etwas Gutes tun und spenden für ihn sozusagen einen Baum. Geben Sie uns einfach das entsprechende Geld. Sie kriegen dann auch eine entsprechende Urkunde. Das kann man schön unter den Weihnachtsbaum legen, das mag ja auch sehr symbolisch sein. Sie könnten aber auch gerne, Frau Centgraf, die Patenschaft für eine Baumscheibenbegrünung übernehmen, alles Wesentliche dafür haben wir in diesem Flyer für Sie eingetragen. Das können Sie nachher gerne haben, ich glaube, dieses Bezirksamt ist so vorbildlich, wie kein anderes, in der Frage, die Menschen mit auf den Weg zu nehmen bei der Gestaltung und Verbesserung der Grünanlagen.

 

Zu 5.

Ich darf Ihnen mitteilen, das Bezirksamt ist ja in der Frage Projekt 17, nicht wie im Baurecht Genehmigungsbehörde, sondern wir sind im Planfeststellungsverfahren anderer Behörden nur als Träger öffentlicher Belange zu hören und haben selbst eine untergeordnete Position, wie ein betroffener Anlieger. Entscheidungen trifft die Planfeststellungsbehörde. Hier die Wasser- und Schifffahrtsdirektion Ost mit den entsprechenden obersten Landesbehörden, das ist dann SenStadt und die Senatsverwaltung für Gesundheit und Umweltschutz.

Die Zahl der Bäume lässt sich aus den Planfeststellungsunterlagen, also die gefällt werden sollen, nicht entnehmen. In Berlin üblich ist eine Ermittlung nicht nach der Anzahl der Bäume, sondern nach der Frage des Eingriffs hinsichtlich des Biotop-Typs und der Flächengröße. Das Planstellungsverfahren für das Projekt 17 läuft z. Z. noch. Die Auslegung der Änderung des Landschaftspflegerischen Begleitplans hat stattgefunden. Demnach sind 6,5 Hektar Gehölz der Uferböschung und der landesseitigen Gehölzstrukturen betroffen. Der Zeitpunkt der geplanten Fällung ist z. Z. noch nicht bekannt. Wir haben das Wasserstraßenschifffahrtsamt als Träger des Vorhabens befragt und die haben uns mitgeteilt, dass sie z. Z. den Termin für die Fällung noch nicht vorsehen können. Baumrelevante Ausgleichsmaßnahmen sind auch geplant und sind dem Landschaftspflegerischen Begleitplan im Einzelnen zu entnehmen, durch die jetzt abgelaufene Sprechzeit ist es mir leider nicht mehr möglich, sie im Einzelnen darzustellen.

 

 

 
 

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