Auszug - Öffentlicher Beschäftigungssektor in Charlottenburg-Wilmersdorf Chancen und Nutzen  

 
 
10. Öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin
TOP: Ö 9.1
Gremium: Bezirksverordnetenversammlung Beschlussart: beantwortet
Datum: Do, 21.06.2007 Status: öffentlich
Zeit: 16:30 - 22:00 Anlass: ordentliche Sitzung
0329/3 Öffentlicher Beschäftigungssektor in Charlottenburg-Wilmersdorf
Chancen und Nutzen
   
 
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:SPD-Fraktion 
Verfasser:Verrycken/Hansen 
Drucksache-Art:Große AnfrageGroße Anfrage
 
Beschluss

Die Große Anfrage beantwortet Frau BzStR’in Schmiedhofer wie folgt:

 

Die Große Anfrage beantwortet Frau BzStR’in Schmiedhofer wie folgt:

 

Sehr geehrte Damen und Herren, ich bin jetzt eigentlich ganz froh, dass die Anfrage um einen Monat vertagt wurde, weil ich inzwischen konkreteres zu berichten habe. Allerdings nicht unbedingt schöneres.

 

Zu 1.

Ich will gerne noch mal was zum Allgemeinen sagen, auch wegen der Bedeutung des Themas. In Berlin hat sich die Bezeichnung öffentlich geförderter Beschäftigungssektor eingebürgert, das ist aber dasselbe wie ein gemeinnütziger oder dritter Arbeitsmarkt.

 

Ziel ist es, Beschäftigungsverhältnisse auch für den Kreis der Langzeitarbeitslosen zu schaffen, die aufgrund mehrere Vermittlungshemmnisse,  auch bei intensiver Förderung, auch bei einem mehr nachfrageorientierten Arbeitsmarkt in der nächsten Zeit, gerechnet wird ungefähr mit 2 Jahren, die keine Chance haben, auf dem ersten Arbeitsmarkt eine Tätigkeit zu finden.

 

Vermittlungshemmnisse sind neben der mehrjährigen Arbeitslosigkeit keine oder eine nur geringe oder überhaupt nicht mehr gefragte Berufqualifikation, dann sehr viel private Beeinträchtigung, Verschuldung, gesundheitliche Probleme, höheres Lebensalter (gilt noch immer als Negativposten, wird sich vielleicht die nächsten Jahre ändern), fehlende oder geringe Deutschkenntnisse, instabile psychosoziale Situationen. Für diesen Personenkreis möchte man also bis zu dreijährige sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse schaffen. Manche Überlegungen gehen sogar über einen noch längeren Zeitraum hinaus.

 

Die Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales würde gerne für Berlin zweieinhalbtausend Stellen einrichten. Das ist auch groß auf die Fahnen der politischen Zielsetzung geschrieben. Dies geht allerdings nicht ohne Zustimmung der Regionaldirektion für Arbeit und damit der Bundesregierung, weil die über die Finanzierung der Verträge und vor allem über die Verpflichtungsermächtigung für die nächsten Jahre entscheiden müssten. Die Bundesregierung plant ihrerseits ein Programm mit 100.000 Plätzen, es soll zeitversetzt begonnen werden damit dann im Jahr 2009 die gesamten 100.000 Menschen in dieser Maßnahme beschäftigt sind.

 

Da die Senatsverwaltung feststellen musste, trotz aller Bemühungen, dass sie mit ihrem Programm alleine nicht weiterkommt, also das es kein reines Berliner Landesprogramm geben kann, hatte sie dann die Idee im Vorgriff auf das Bundesprogramm mit 1300 Plätzen zu beginnen. Seit einer Kabinettsentscheidung der Bundesregierung in der letzten Woche ist allerdings klar, dass das Bundesprogramm leider mit den Vorstellungen des Berliner Senates nicht so richtig kompatibel ist.

 

Jetzt zu unserer Situation. Die Frage ist ja, was haben wir getan. Auch uns wurde mit Beginn der Arbeit des Job-Centers deutlich, dass auch mit noch so guten Programmen eine bestimmte Anzahl von Menschen, selbst bei weiter anziehender Konjunktur, nicht in den ersten Arbeitsmarkt vermittelt werden kann. Deswegen haben wir uns als Bezirksamt schon sehr früh über den baldigen Beginn des in Aussicht gestellten öffentlich geförderten Beschäftigungssektor eingesetzt. Nach grober und illusionsfreier Einschätzungen des Job-Centers Charlottenburg-Wilmersdorf könnte dies bei uns einen Personenkreis von bis zu 20 % der dort gemeldeten Arbeitslosen betreffen. Das sind zweieinhalb bis dreitausend Menschen. Ich kann es jetzt sagen, von den aktuellen Zahlen, die Zahl der Empfängerinnen und Empfänger wird nicht sichtbar weniger, also während diejenigen, die Leistung aus dem SGB III kriegen zählbar abnehmen, gilt das für den SGB II-Bereich nicht.

 

Das Bezirksamt hatte sich auf vielfältige Weise auf den Sitzungen der Stadträte für Arbeit durch ein Schreiben, diesmal der grünen Sozialstadträtin, an die Senatorin mit verschiedenen informellen Gesprächen, mit Personen der unterschiedlichen Entscheidungsebene, für einen baldigen Beginn eingesetzt.

 

Auch auf der Fachtagung zum Thema Arbeit statt Arbeitslosigkeit wurde die Wichtigkeit der Realisierung dieser Konzepte betont und natürlich auch die Unterstützung des Bezirkes angeboten. Im Job-Center wurde mit dem genauen profiling der Kunden begonnen. Eine Voraussetzung für die Vermittlung in die Programme und dieser Prozess wird bis Juli, also jetzt demnächst, abgeschlossen sein.

 

Zu 2. und 3.

 

Die mit der Regionaldirektion besprochenen 1300 berlinweiten Plätze sollten ja im Vorgriff auf das Bundesprogramm in diesem Jahr eingerichtet werden. Geplant sind oder waren Bruttobeschäftigungsverhältnisse mit 1300,-- Euro, finanziert im wesentlichen aus den Eingliederungsmitteln der Job-Center in Höhe von 1100,-- Euro und cofinanziert durch 300,-- Euro aus ESF-Mitteln plus den eingesparten Mietkosten, die das Land Berlin ja sonst im SGB II im wesentlichen bezahlt. Die Job-Center kalkulieren mit Gesamtkosten von etwa 1700,-- Euro pro Monat und Stelle, also mit dem Arbeitsgeberanteil und der Trägerpauschale.

 

Gedacht war, die Beschäftigungsverhältnisse nach Ablauf der zu bewilligenden elf Monate in das Bundesprogramm überzuleiten. Also, einschließlich der Personen in die neuen Verträge. Nun hat sich die Bundesregierung aber entschieden, ihr 100.000 Programm als 75%iges Lohnkostenzuschuss-Programm mit in der Regel 24monatiger Laufzeit aufzulegen. Arbeitgeber sollen gemeinnützige Beschäftigungsträger sein. Für die können dann noch Qualifizierungspauschalen übernommen werden. Die ausgeübten Tätigkeiten müssen zusätzlich sein, im öffentlichen Interesse liegen und sie dürfen natürlich nicht zur Wettbewerbsverzerrung führen. Das sind die klassischen alten ABM-Kriterien. Das heißt, die Bundesregierung legt 100.000 Stellen als ABM-Programm auf, so dass sie aber nur 75 % der Gehälter bezahlt und die anderen 25 % müssen dann von den Ländern oder von den Gemeinden erbracht werden. Es sollen in diesem Jahr bundesweit 5.000 Stellen eingerichtet werden und in den Folgejahren 55.000- und 40.000 Plätze, so dass dann 2009 die 100%-Zahl erreicht wäre.

Rein rechnerisch steht Berlin immer 8% zu, weil das der Anteil unserer Arbeitslosen in der gesamten Bundesrepublik ist.

 

Das Land Berlin wird an diesem Programm nur Teil haben können, wenn die 25%ige Finanzierung aus eigenen Mitteln, vielleicht noch unter Einbeziehung von EU-Mitteln, geschlossen werden kann. Es kann sein, dass Projekte in kleinerem Umfang auch Einnahmen erwirtschaften können oder das man von den Trägern Eigenanteile verlangen kann, aber im wesentlichen werden sie aus dem Landeshaushalt aufgebracht werden müssen. Die Gespräche mit dem Finanzsenator haben heute begonnen und mit welchem Ergebnis zu Ende geführt werden, mag ich nicht prognostizieren, das wollte auch die für Arbeit zuständige Staatssekretärin gestern nicht.

 

Ungeachtet dieser möglichen Komplikationen hat das Job-Center auf Grundlage des eigentlich geplanten Landesprogramms in Absprache mit dem Bezirksamt 210 Maßnahmen geplant, die jeweils zum 01.08. bzw. zum 01.09. beginnen könnten. Das sind konkret 40 Plätze für Arbeiten im Grünflächenbereich, 60 unterschiedlichste Arbeitsfelder in einem geplanten Sozialmarkt, dort sollen gespendete Gegenstände aufgearbeitet und an einkommensschwache Bürgerinnen und Bürger, also insbesondere auch an deren Kinder verschenkt werden, z. B. Schultüten, Osterpräsente, Weihnachtsgeschenke. Das ist ein Beschäftigungsfeld, in dem man sowohl handwerklich, als auch administrative und kommunikative Fähigkeiten einsetzen kann und bei dem zudem der Nutzen für das Gemeinwesen sichtbar und spürbar hoch ist.

 

Weitere 80 Einsatzfelder soll es für individuelle Arbeiten im öffentlichen Bereich geben. Darunter 20 für Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen. Die Einsatzfelder können zu großen Teilen auch bei uns im Bezirksamt sein und wir sind hier im Gespräch mit allen Abteilungen. Eins der geplanten Projekte heißt z. B. Living und hat uns angeboten, dass sie Hausmeisterhilfetätigkeiten im Bezirksamt anbieten können und die dann ihre MitarbeiterInnen entsprechend schulen. Das Projekt SenFit macht mir besonders viel Spaß, das ist die Idee, dass die Beschäftigten im Bereich der Freizeit- und Kultureinrichtung für Seniorinnen und Senioren tätig sind, ihnen helfen bei alltagsnahen Dienstleistungen, aber z. B. auch IT-Schulungen übernehmen für ältere Menschen und sie unterstützen bei dem Umgang mit der aus der Sicht der älteren Menschen modernen Technik, also das Mobiltelefon, wie programmiere ich einen Anrufbeantworter, so dass ich auch in der Lage bin, ihn wieder abzuhören und wie kann ich auch mal einen Videorekorder programmieren. Das ist bei Leuten im Alter von 80plus manchmal ein Problem. Bei den Jüngeren  nicht. Das kommt manchmal vor, wenn eine Frau Witwe wird und dann traut sie sich nicht zu fragen, also das ist ein echter Markt.

 

Den Träger Raupe und Schmetterling möchte ich besonders erwähnen. Durch ihn werden 30 ältere Frauen im öffentlichen Bereich eingesetzt werden. Es gibt auch ein ABM-Projekt für Ältere. Da muss die Laufzeit leider schon im Dezember enden, das ist so vorgegeben, weil es ein EU-Programm ist. Da sind wir noch auf der Suche nach dem Träger. Die Programme, also die anderen, werden, wenn sie dann hoffentlich beginnen können, alle am 31. März enden. Es muss also politisch dafür gestritten werden, dass sie dann in ein Bundesprogramm übergeleitet werden. Denn wenn nicht der Landesanteil für die Co-Finanzierung in den Haushalt eingestellt wird, bleibt von dem schönen Berliner Projekt nichts weiter, als eine Beschäftigungsmaßnahme im Rahmen der Entgeltvariante. Das gibt es aber ohnehin.

 

Und der große Vorteil des öffentlich geförderten Beschäftigungssektors, nämlich die mehrjährige, länger dauernde Beschäftigung für die arbeitslosen Menschen wäre dann verloren.

 

Zu 4.

Eine bezirkliche  Zusatzfinanzierung ist finanziell aus dem Haushalt nicht möglich, auch nicht vorgesehen. Das ist ein Programm, was an die Träger gegeben wird und wo wir unsere Arbeit auch damit haben werden, die Einsatzfelder sinnvoll anzubieten.

 

Zu 5.

Sofern von den Begrenzungen der Positivliste abgewichen werden kann, gibt es die Chance auf sinnvollere Einsatzbereiche, wie sie sich in Planung befinden. Wenn die ABM-Kriterien, wie ich sie dargestellt haben, nur angewandt werden müssen, ist auch mehr Spielraum da. Es muss aber immer der arbeitslose Mensch mit seinen Fähigkeiten an erster Stelle stehen und nicht der Bedarf an Arbeit. Und dabei ist auch zu beachten, dass viele wünschenswerte und nötige Tätigkeiten im sozialen Bereich seitens der Arbeitslosen natürlich eine gewisse soziale Kompetenz und eine halbwegs stabile Persönlichkeitsstruktur erfordern, also gerade, wenn man auf Menschen zugeht, die ihrerseits in einer sozialprekären oder defizitären Lage sind. Und genau das kann bei den Langzeitarbeitslosen, die eben nicht nur strukturelle, sondern vielleicht individuelle Vermittlungshemmnisse haben, nicht automatisch vom ersten Tag vorausgesetzt werden. Und gerade deshalb sind die mehrjährigen Verträge von solcher Wichtigkeit.

 
 

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