Auszug - Bericht von der Tagung "eGovernment in den Kommunen" BE: Herr BV Wagner und Herr BzStR Krüger  

 
 
4. Öffentliche Sitzung des Ausschusses für Bürgerdienste, Ausbildungsförderung und Personal
TOP: Ö 3
Gremium: Ausschuss für Bürgerdienste, Ausbildungsförderung und Personal Beschlussart: erledigt
Datum: Mi, 14.02.2007 Status: öffentlich
Zeit: 17:30 - 19:55 Anlass: ordentliche Sitzung
Raum: Helene-Lange-Saal
Ort: Otto-Suhr-Allee 100, 10585 Berlin
 
Wortprotokoll
Beschluss

TOP 2 (neu): Bericht von der Tagung „eGovernment in den Kommunen“ zusammen mit

TOP 2 (neu): Bericht von der Tagung “eGovernment in den Kommunen” zusammen mit

TOP 3 (neu): Besprechung der Stellungnahme der verschiedenen Abteilungen des Be­zirksamtes zur Großen Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen “Entwicklung zum eGovernment” (0075/3) zusammen mit

TOP 4 (neu): Drucksache “Bezirkliches eGovernment entwickeln” (Bündnis 90/Die Grünen und SPD; 0076/3)

 

Herr BV Wagner verteilt die Liste der Vortragsthemen der Tagung “eGovernment in den Kommunen” der Konrad-Adenauer-Stiftung in Wesseling (20.-22.01.2007), die er ge­mein­sam mit Herrn BzStR Krüger, dem Leiter des Personalamtes, Herrn Bonow, und dem Lei­ter des Fachbereichs Innere Dienste, Herrn Meinig, besucht hat. Er zeigt sich beeindruckt von der Vielzahl bereits realisierter elektronischer Verwaltungsvorgänge in anderen Kom­munen und Städten. Besonders hervorzuheben sind drei Vorträge:

a)     die Darstellung einer virtuellen Poststelle (ein­schließ­­lich des vollständigen elektroni­schen Erfassens aller Posteingänge), die die Kontakte insbesondere zwischen Wirt­schaft und Verwaltung beschleunigt;

b)     die rechtlichen Verpflichtungen zur sog. “Barrierefreiheit”, also z. B. das Umsetzen von Internetinhalten in für Sehbehinderte verständliche Formate (z.B. Schriftenvergröße­rung, Bildbeschreibungen etc.; hier gebe es noch viel Nachholbedarf bei der bezirk­lichen Homepage)

c)      die Präsentation einer elektronischen Melderegisterauskunft in Nordrhein-Westfalen, die nicht nur die Verwaltung von Routineaufgaben entlaste, sondern - nach Ab­schrei­ben der Anfangs­investition - betriebswirtschaftlich betrachtet zu Gewinnen führt und zudem noch wesentlich schneller Anfragen beantworte als herkömmliche Sys­teme.

Insgesamt hat er den Eindruck gewonnen, dass sich eGovernment-Aktivitäten vor allem dort lohnen, wo häufige, standardisierbare Leistungen erbracht werden. Ferner entsteht we­niger Verwaltungsaufwand in Form von Beratungsleistungen, wo qualitativ hochwertige Vorinformationen im Internet angeboten werden; dies bedeutet eine spürbare Entlastung der betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

 

Herr BzStR Krüger bedankt sich für die Teilnahme von Herrn BV Wagner an diesem Se­mi­nar und weist darauf hin, dass hier sicher ein sehr optimistisches Bild gezeichnet wurde, weil die sich daran beteiligenden Kommunen allesamt sehr interessiert und dem Thema zugewandt sind.

Das Bezirksamt hat sich entschlossen, auf die Große Anfrage 0075/3 eine sehr umfängliche und detaillierte Antwort zu geben, um damit auch alle Mitglieder der Be­zirksverordnetenversammlung auf das Thema einzu­stel­len, das derzeit “im Trend” liegt.

Er weist im Einvernehmen mit den übrigen Bezirks­amtsmitgliedern auf vier Grundsätze hin, nach denen alle eGovernment-Aktivitäten des Bezirks ausgerichtet werden:

a)     eGovernment dient dem Ziel, Verwaltungsleistungen ergänzend zum kon­ventionellen Angebot zu erbringen.

Keinesfalls soll der Bürger dazu gezwungen werden, Technik einsetzen zu müssen; diese ersetzt nicht den persönlichen Dialog zwischen Bürgerinnen und Bürgern einer­seits und der Verwaltung andererseits, den übrigens entgegen allgemeiner Auffassung vermehrt auch Jüngere und eben nicht nur Ältere suchen.

b)     eGovernment-Aktivitäten müssen – auf einen längeren Zeitraum betrachtet – wirt­schaft­lich sein.

Deshalb steht die Digitalisierung von gleichartigen Massenverfahren (wie z.B. Melde­auskünfte) zuerst an.

c)      Bei allen eGovernment-Aktivitäten sind die Interessen der Beschäftigtenvertretungen und die Vorgaben des Datenschutzes zu beachten.

d)     Alle eGovernment-Aktivitäten sind

·        in enger fachlicher Abstimmung mit der jeweils zuständigen Senatsfachver­wal­tung

·        zusammen mit den übrigen elf Bezirken

·        auf Basis der landesweit gültigen Vorgaben der in IT-Angelegenheiten federführen­den Senatsverwaltung für Inneres und Sport

·        im Einvernehmen mit der Senatsverwaltung für Finanzen

durchzuführen.

 

Herr BV Wagner ergänzt, dass aufgrund der seit dem 28.12.2006 bestehenden EU-Dienstleis­tungsrichtlinie, deren Umsetzung in nationales Recht innerhalb von zwei Jahren vorgege­ben ist, sodass ab 2009 alle Dienstleistungen auch digital angeboten werden sollen; insoweit be­steht Handlungsbedarf. Sodann fragt er, ob es Rückfragen zu den Ausführungen der Ver­waltung gibt.

 

Frau BV Andres begrüßt das duale Angebot von Technik und Personal, fragt aber den­noch, wie viel – ggf. erzwungene – Personaleinsparungen durch bereits durchgeführte eGovernment-Aktivitäten realisiert wurden.

 

Herr BzStR Krüger antwortet hierzu, dass bei allen Maßnahmen primär die Personalein­sparungen nicht im Vordergrund stehen dürfen, sondern bestenfalls langfristig entsprechende Ratio­na­lisierungspotenziale abgeschöpft werden können. Denn zur Einführung solcher Technik ist es zwingend erforderlich, zunächst Personal und Sachmittel zu investieren; im übrigen werden die gewonnenen Personalkapazitäten dringend zur Verbesserung der persönli­chen Beratung sowie zur Fortbildung benötigt.

 

Herr BV Wagner stimmt dieser Einschätzung zu, gibt aber zu bedenken, dass das Be­zirks­amt ohnehin aufgefordert ist, jährlich Personaleinsparungen zu erbringen, so dass durch Einführung von eGovernment-Aktivitäten das noch vorhandene Personal von Rou­tinearbeiten entlastet werden kann.

 

Frau BV Halten-Bartels erläutert, dass diese Personaleinsparungen letztlich erzwungen werden, was zu weiterer Arbeitslosigkeit führt; sie bitte um Informationen, mit welchen Kosten die Einführung solcher eGovernment-Aktivitäten verbunden ist; nicht nur innerhalb der Verwaltung, sondern auch für die Bürgerinnen und Bürger. Wer nur alle fünf Jahre Kontakt mit der Behörde hat, für den lohnt sich eine solche Investition nicht. Im übrigen beschleunigt sich durch solche Maßnahmen der Trend zu einer gesprächslosen Gesell­schaft; jeder beschäftigt sich nur noch mit seinem Computer, aber nicht mehr mit seinem Mitmenschen.

 

Herr BV Wagner begrüßt, dass es bereits ein digitales Angebot des Bezirks gibt, und sieht die Verwaltung in der Pflicht, dieses im Rahmen der Weiterentwicklung der Bürgerämter aus­zubauen.

 

Frau BV Dr. Timper unterstützt die Digitalisierung des Verwaltungsangebots, warnt aber vor negativen Beispielen wie etwa dem Steuerverfahren ELSTER. Solange nur Formulare bereit gestellt wurden, war das Verfahren sehr praktikabel. Nachdem darüber die Umsatz­steuer­vorauszahlungen verpflichtend vorzunehmen sind, gab es über längere Zeit Schwie­rig­keiten mit der technischen Realisierung. Funktioniert ein solches System dann aller­dings endlich, dann lohnt es sich auch, es zu nutzen.

Sie fragt weiterhin, welche Kosten bei Einführung einer Digitalen Signatur in jedem Haus­halt entstehen und wie man sich diese vorzustellen hat – Fingerprinting, Registraturkarte etc. Weiterhin fordert sie, in den Bibliotheken und weiteren Verwaltungsorten Computer als öffentliche Terminals aufzustellen.

 

Frau BD Furler-Zantop warnt davor, Verwaltungsdienstleistungen nur noch digital anzubie­ten und damit Zwang zum Technikeinsatz auszuüben. Sie fragt, ob der Zugang zur Ver­wal­tung auch über Internetcafés möglich ist. Sie erwartet mittelfristig ein digitales Rathaus, wodurch erhebliche Mitarbeiterressourcen freigesetzt werden. Ist das Ziel – so wie früher, als Arbeitszeitverkürzungen eingeführt wurden – mehr Freizeit?

 

Frau BV Hansen berichtet, dass sie in 33 Jahren Tätigkeit im Bankenwesen alle Phasen der Digitalisierung von Dienstleistungen in diesem Bereich erlebt hat. Zunächst wird dafür zusätzliches Personal benötigt. Sie fragt weiter, ob die Digitale Signatur überhaupt ange­nommen werden wird. Letztlich besteht hier ein Generationenproblem; für die heutige Ju­gend ist das Leben mit dem Computer selbstverständlich, und sie ist meist beratungs­des­interessiert.

 

Herr BV Friedrich empfiehlt, alle Möglichkeiten der Digitalisierung als Ergänzung des sons­tigen Verwaltungsdienstleistungsangebots zu nutzen; zwei Stunden Wartezeit im Bür­geramt sind auch nicht kommunikativ. Gesamtgesellschaftlich betrachtet wirkt die Re­du­zierung von Verwaltungskosten arbeitsplatzfördernd.

 

Herr BV Wendt erläutert, dass eine weit verbreitete Angst vor neuer Technik normal ist;  es lässt sich in der Geschichte (wie z.B. bei der Einführung der Eisenbahn) aber belegen, dass irgend wann die Akzeptanz zu deren Nutzung eintritt. Die Computernutzung ist schon heute für Jüngere selbstverständlich.

 

Herr BV Wagner fragt nach, wie sich die Verwaltung zu den Erfordernissen des Melde­rechtsrahmengesetzes nach einer Digitalen Signatur dauerhaft zu positionieren gedenkt; die Auskunft “Einsatz nicht absehbar” stellt nicht zufrieden. Im übrigen ist die Förderung der Nutzung von eGovernment-Angeboten der Verwaltung, wenn sie mit Anreizen ver­knüpft wird, zur Ak­zeptanzsteigerung sehr sinnvoll: Er hat seine Steuererstattung mittels ELSTER innerhalb von drei Tagen erhalten; bei der papiernen Antragsversion muss man dagegen mit mehreren Wochen Wartezeit rechnen.

Er fragt weiterhin nach, ob die Erklärung der Abteilung Finanzen in eGovernment-Angele­genheiten wirklich zutreffe (“Fehlanzeige”), warum bei der Abteilung Jugend keine Aus­sa­gen zum Bereich des Schul- und des Sportamtes gemacht werden und warum bei den Be­trachtungen der Abteilung Bauwesen die IT-Stelle fehlt.

 

Herr BzStR Krüger erläutert, dass er die Meldungen der Fachabteilungen so übernommen hat, wie sie ihm zugearbeitet wurden; wenn eine Fachabteilung nicht mehr gemeldet hat als das, was in der Antwort auf die Große Anfrage steht, dann kann er auch keine weiter­gehenden Ausführungen machen.

 

Zum Erfordernis einer Digitalen Signatur im Rahmen des Melderechtsrahmengesetzes führt er aus, dass der Bezirk keine Einzellösung einführen kann, weil er nicht Herr des Verfahrens ist, es aber bisher noch keine Aktivitäten der verantwortlichen Senatsfach­verwaltung gegeben hat. Für das Thema ist nur ein Mitarbeiter bei der Senatsinnenver­waltung verantwortlich.

Werden Mitarbeiterressourcen durch eGovernment-Aktivitäten freigesetzt, so sollten sie für gesellschaftliche Aufgaben herangezogen werden – ggf. auch durch Änderung der Anforderungen an das Arbeitsumfeld der betroffenen Dienstkräfte. Die Nutzung der Elek­tronischen Signatur durch den Bürger kann nicht erzwungen werden. Ein Ziel muss sein, wie bei allen anderen Dienst­leistungsangeboten auch die Verwaltungsvorgänge und damit den Behördenkontakt zu vereinfachen. Doch zunächst müssen erst einmal die Voraussetzun­gen geschaffen und dazu die nötigen Investitionen getätigt werden.

 

Herr BV Weuthen begrüßt zwar, dass kein Zwang zur Internetnutzung ausgeübt werden soll, verweist aber darauf, dass zwei Drittel der Bevölkerung in Deutschland einen Zugang zum Internet haben und es auch nutzen wollen. Das Herunterladen von Formularen kann da nur ein erster Schritt sein; Ziel muss es sein, den fortgesetzten Medienbruch – elektro­nisches Herunterladen von Daten, Ausdruck auf Papier, handschriftliches Ausfüllen, Post­versand; anschließend erneut elektronisches Erfassen der Daten durch die Verwaltung – zu vermeiden.

 

Frau BV Gisa fragt, ob das Ziel des eGovernment-Engagements sein wird, in zwanzig Jahren Schulunterricht durch Computer und nicht durch Lehrer stattfinden zu lassen. Schließlich gibt es so viel Unterrichtsausfall, dass jede Maßnahme zu dessen Vermei­dung, also auch der Computereinsatz als Ersatzleistung, wünschenswert ist.

 

Frau BV Gnielinski geht davon aus, dass der Arbeitsplatzabbau verbindlich wird, da nur so die technische Entwicklung und die Beibehalten des Personalbestands finanziert wer­den könne.

 

Frau BV Dr. Timper möchte wissen, wie sie sich die praktische Umsetzung der Digitalen Signatur vorzustellen hat und was das für sie als Bürgerin kostet. Sie fragt ferner, weshalb die Abteilung Finanzen Fehlanzeige gemeldet hat, wenn es doch im dortigen Bereich eGovernment-Maßnahmen gibt.

 

Herr BD Gronau gibt zu bedenken, dass das Vertrauen in die Technik erst noch gewon­nen werden muss. Datenschutzaspekte dürfen nicht vergessen werden.

 

Herr BV Wagner erläutert, dass es für die Einführung der Digitalen Signatur verschiedene Möglichkeiten gibt. Im Allgemeinen wird dem Bürger eine Signaturkarte eines sog. Trust-Centers (einer Einrichtung, die Signaturen verwaltet) – von denen es einige in Deutsch­land gibt – ausgehändigt; die Registrierung der darauf enthaltenen Daten ist einmalig und kostet zwischen zehn und zwanzig Euro. Zusätzlich benötigt man ein Lesegerät, das bei manchen Laptops bereits integriert ist. Da die Verschlüsselung auf beiden Seiten der Kom­munikationsverbindung erforderlich ist, muss sich die Verwaltung ebenfalls mit sol­chen Geräten ausstatten. In der Wirtschaft ist der Einsatz der Digitalen Signatur inzwi­schen üblich.

 

Herr BzStR Krüger weist darauf hin, dass Datenschutz und technischer Fortschritt ge­meinsam weiter zu entwickeln sind; Missbrauchsschutz – etwa bei Verlust der Signatur­karte – muss sicher gestellt sein.

In der Schule kann er sich nicht vorstellen, dass Computer Lehrer ersetzen werden; denn die persönliche Moderation des Unterrichtsgesprächs ist unerlässlich für den Lernerfolg.

 

Herr BV Wagner dankt für die umfangreiche Diskussion und stellt die Drucksache 0076/3 zur Abstimmung. Sie wird einstimmig angenommen; ebenso wird einstimmig die Dringlich­keit festgestellt.

 

Frau BV Andres übernimmt um 18.50 Uhr die Sitzungsleitung.

 


 

 
 

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