Auszug - Gewährleistung des Kinderschutzes im Bezirk - Bericht erfolgt durch die Verwaltung des Jugendamtes -  

 
 
4.Öffentliche Sitzung des Jugendhilfeausschusses
TOP: Ö 3
Gremium: Jugendhilfeausschuss Beschlussart: erledigt
Datum: Do, 01.02.2007 Status: öffentlich
Zeit: 17:00 Anlass: ordentliche Sitzung
 
Wortprotokoll
Beschluss

Herr Naumann äußert sich besorgt über die Entwicklung im Problemfeld Kindesmisshandlung und -vernachlässigung

Herr Naumann äußert sich besorgt über die Entwicklung im Problemfeld Kindesmisshandlung und -vernachlässigung. Auch wenn die Medien dazu neigen, Einzelfälle hochzuputschen, so sei die Summe der Berichte doch besorgniserregend. Offensichtlich sei die Elternkompetenz in bestimmten Familien im Schwinden begriffen. Aus dem Jugendclub Halemweg sei berichtet worden, dass zunehmend hungrige Kinder in der Einrichtung auftauchen, weshalb man dort jetzt einen wöchentlichen "Nudeltag" eingerichtet habe. Er verweist auf die Verantwortung von BVV und JHA, hier die notwendigen Schwerpunkte zu setzen. Er erinnert daran, dass es gelungen sei, die Ausgaben für Erziehungshilfen von 2002 bis 2006 von über 30 auf rund 20 Millionen Euro - d.h. um ein Drittel - zu reduzieren. Er stehe zu diesem erfolgreichen, fachlich begründeten Umsteuerungsprozess und bestreite ausdrücklich einen Zusammenhang mit einer möglichen Zunahme der Gewalt oder Vernachlässigung von Kindern. Vielmehr sei eine inhaltliche und fachliche Neuausrichtung gelungen, die aber ohne verlässliche personelle Ressourcen nicht durchzuhalten sei. Aus diesem Grund sei es sehr beunruhigend, dass in den nächsten 5 Jahren in Berlin ca. 400 Stellen im Sozialpädagogischen Dienst altersbedingt frei werden. Es sei sehr bedauerlich, dass in der aktuellen Koalitionsvereinbarung kein Einstellungskorridor für sozialpädagogische Fachkräfte geschaffen wurde. Es reiche nicht aus, gute, umfangreiche Papiere zum Kinderschutz zu verfassen, dazu gehöre zwingend auch das notwendige Personal. Bei dieser Gelegenheit dankt er den anwesenden Regionalleitungen für ihre engagierte Arbeit.

 

Frau von Pirani erklärt, dass Kinderschutz keineswegs nur Aufgabe des Jugendamtes, sondern gesamtgesellschaftliche Aufgabe sei. Hier und heute gehe es aber um den Schutzauftrag des Jugendamtes bei Kindeswohlgefährdung. Sie verteilt eine Übersicht zur begrifflichen Klärung (Anlage 1) und erläutert diese.

  1. Beratung und Unterstützung von Familien
  2. Hilfe in Familienkrisen
  3. Mitwirkung in familiengerichtlichen Verfahren
  4. Hilfe zur Erziehung (ca. 65 % der Hilfen haben einen Gefährdungsbezug).

 

Für den Sozialpädagogischen Dienst des Jugendamtes ergeben sich konkrete Aufgaben im Rahmen des Schutzauftrages in allen 4 Aufgabenfeldern. Diese Aufgaben müssen immer wahrgenommen werden, notfalls zu Lasten anderer bedeutsamer Pflichtaufgaben. Besonders wichtig für die Sicherstellung des Kinderschutzes ist eine verlässliche Erreichbarkeit. Die 5 Regionalteams sind montags bis mittwochs von 9 bis 15 Uhr, donnerstags von 10 bis 18 Uhr und freitags von 9 bis 15 Uhr zu erreichen. Daneben gibt es im Jugendamt eine weitere Telefonnummer für die Polizei und die Notdienste. Im Ergebnis ist das Jugendamt montags bis freitags von 8 bis 18 Uhr erreichbar. Außerhalb der Bürozeiten sind der Kinder- und der Jugendnotdienst sowie der Mädchennotdienst rund um die Uhr erreichbar.

Danach berichtet sie, dass im vergangenen Jahr etwa 160 Meldungen über eine Kindeswohlgefährdung im Jugendamt Charlottenburg-Wilmersdorf  eingegangen sind; bei nur 15 % der Meldungen habe sich die Gefährdung nachträglich nicht bestätigt. Sie verteilt hierzu ein Übersichtsblatt zur Vorgehensweise bei Meldungen über Kindeswohlgefährdung (Anlage 2).

Besondere Anforderungen ergeben sich aus der Arbeit mit nicht-freiwilligen Klienten, der Vermischung von Hilfe und Kontrolle und der Kooperation mit häufig zahlreichen Kooperationspartnern. Folgende Standards gelten für diese Arbeit in Charlottenburg-Wilmersdorf:

-          Schutz des Kindes und Hilfe für die Eltern

-          Kinderschutz hat Vorrang vor anderen Aufgaben

-          Hausbesuche werden in der Regel zu zweit durchgeführt

-          Das Hilfekonzept wird gemeinsam mit der Familie entwickelt

-          Kollegiale Beratung und Supervision

Wichtig wäre darüber hinaus auch eine regelmäßige Evaluation.

 

Herr Wuttig möchte wissen, ob die unter 9. in der Anlage 2 erwähnte Dokumentation zur Zeit unstan-dardisiert erfolgt und ob sich die künftige Standardisierung nur auf Charlottenburg-Wilmersdorf oder auf das Land Berlin bezieht. Außerdem interessiert ihn, ob an eine interne oder eine externe Evaluation gedacht wird.

Frau von Pirani führt dazu aus, dass im Rahmen des Netzwerks Kinderschutz künftig eine berlineinheitliche Form der Dokumentation eingeführt wird. Bis dahin wird es in Charlottenburg-Wilmersdorf ein eigenes Verfahren geben. Zur Frage der Evaluation könne sie sich interne wie externe Verfahren vorstellen, allerdings ergebe sich dabei immer entweder ein finanzielles oder ein personelles Problem.

 

Frau Köthe fragt nach dem konkreten Handlungsauftrag des Kindernotdienstes und der Polizei bei Kindeswohlgefährdung und wie danach der Übergang zum bezirklichen Jugendamt geregelt ist. Außerdem möchte sie wissen, ob der Öffentlichkeit die geschilderten Hilfezugänge bekannt sind.

 

Frau von Pirani teilt hierzu mit, dass den Notdiensten und der Polizei die Notdienstnummer des Jugendamtes natürlich bekannt ist. Entweder werde sofort an das Jugendamt überwiesen oder es gebe nach einer Erstberatung oder Inobhutnahme eine entsprechende Mitteilung. Zur Information der Öffentlichkeit würde sie sich wieder vermehrt Plakate und U-Bahn-Werbung wünschen, dies könne aber nicht ein Bezirk machen.

 

Herr Breitkopf empfiehlt eine verstärkte Nutzung der stark verbreiteten Lokalanzeiger.

 

Herr Pesch (Regionalleiter in der Region 4 - Wilmersdorf-City) ergänzt, dass die Erreichbarkeit des Jugendamtes nicht nur für die Notdienste und die Polizei über die Notdienstnummer montags bis freitags von 8 bis 18 Uhr gesichert sei.

 

Frau Klose möchte wissen, ob auch aus anderen Einrichtungen Erkenntnisse über hungrige Kinder vorliegen.

 

Herr Naumann informiert, dass hierzu eine Abfrage in den Jugendeinrichtungen erfolgt. Er hält eine verpflichtende Mittagsspeisung im Rahmen der Ganztagsbetreuung an Schulen - auch im offenen Bereich - für ein wünschenswertes politisches Ziel.

 

Frau Köthe berichtet, dass die evangelische Jugend in Charlottenburg an zwei Orten Kochnachmittage anbietet, die neben dem pädagogischen Ziel natürlich auch satt machen. Die Aktion Laib und Seele gibt zur Zeit täglich zwischen 100 und 150 Mahlzeiten aus, etwa die Hälfte der dort erscheinenden Menschen kommt mit Kindern. Insgesamt hat sie den Eindruck, das Situation schwieriger wird.

 

Herr Hapke sieht vor allem das Problem sozialer Vernachlässigung. Deshalb sollte überlegt werden, Transfermittel stärker durch Angebote wie kostenfreie Schulspeisung u.ä. zu ersetzen.

 

Frau Elligsen weist darauf hin, dass das Essen in der Schule erst mittags ausgegeben wird. Viele Kinder kämen aber schon ohne Frühstück zur Schule. Die Schulstationen bemühen sich in diesen Fällen, Kontakt zu den Eltern aufzubauen, um dort mehr Verständnis für die Bedürfnisse der Kinder zu erreichen.

 

Herr Göpel begrüßt, dass Verantwortung und Verfahren im Bezirk  beim Kinderschutz offensichtlich klar geregelt sind. Ihn interessiert, wie sich die Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsbereich entwickelt.

 

Frau von Pirani berichtet, dass es bis November eine geradezu komfortable Situation gegeben habe, als der Jugendgesundheitsdienst Teil des Jugendamtes war. Im Begrüßungsbrief an die Eltern neugeborener Kinder wurde auch über die Angebote des Jugendamtes informiert, es gab gemeinsame Hausbesuche und manches mehr. Z.Zt. gibt es  noch keine Kooperationsvereinbarung und eine eher unklare Perspektive hinsichtlich einer weiteren Zusammenarbeit.

 

Herr Naumann berichtet, dass an der neuen Kooperationsvereinbarung gearbeitet wird - einem Entwurf des Jugendamtes wurde mit einem Gegenentwurf begegnet - und regt an, über die künftige Zusammenarbeit einmal in einer gemeinsamen Sitzung mit dem Ausschuss für Soziales, Gesundheit und Arbeit zu sprechen.

 

Herr Förschler möchte wissen, ob das Jugendamt noch Geburtsmeldungen erhält.

 

Frau von Pirani verneint dies; Geburtsmeldungen gehen nur an den Gesundheitsbereich.

 


 

 
 

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