Studentendorf Schlachtensee

Studentendorf Schlachtensee

Studentendorf Schlachtensee

Studentendorf der Freien Universität Berlin

Potsdamer Chaussee 33, Wasgenstraße 61, 75 in Steglitz-Zehlendorf, Ortsteil Nikolassee
Bauzeit / -Geschichte: 1956 Entwurf von Hermann Fehling, 1959-1964 Ausführung von Hermann Fehling, Daniel Gogel und Peter Pfankuch, Gartengestaltung von Hermann Mattern, 1976-78 Erweiterung von Krömer, Pfennig und Sieverts

Studentendorf Schlachtensee

Das an der Potsdamer Chaussee gelegene Studentendorf ist das erste Studentenheim, das in der Berliner Nachkriegszeit konzipiert wurde. Die Planungen gehen bis auf das Jahr 1956 zurück. 1959-64 wurde es von der Architektengemeinschaft Hermann Fehling, Daniel Gogel und Peter Pfankuch in Form einer um einen zentralen Platz angeordneten, ein- bis zweigeschossigen Campusanlage errichtet. Die 28 Gebäude sind auf 5 Hektar locker in die grüne Landschaft eingebettet. Die Gestaltung der Gartenanlage stammt von Hermann Mattern.

Studentendorf Schlachtensee

Finanziert wurde die Anlage durch eine Schenkung der US-Regierung in Form von 7,5 Mio. DM vom State Department und sollte einen Beitrag zur Re-Education der Deutschen leisten und junge Menschen an die Demokratie heranführen. Am 10. Oktober 1957 erfolgte die Grundsteinlegung durch den Regierenden Bürgermeister Willy Brandt und Eleanor L. Dulles, die Leiterin des Berlin Desk, die den Bau des Studentendorfes mitinitiierte und unterstützte.

1976-78 wurde das Studentendorf durch die Errichtung von fünfgeschossigen Wohnhäusern nach dem Entwurf der Braunschweiger Architekten Krämer, Pfennig und Sieverts erweitert.

Studentendorf Schlachtensee

Der ursprüngliche und bis heute erhaltene Kern der Anlage umfasst die heutigen Gebäude 1-10, 12, 13, 16-23 sowie die ehemalige Bibliothek (heute Fitnessstudio), den ehemaligen Laden (heute Kindergarten), das ehemalige Bürgermeisteramt (heute Verwaltung) und das Gemeinschaftshaus.

Die Architektengruppe entwickelte unterschiedliche Hausformen vom mehrgeschossigen Würfel über Z-förmige Häuser bis zu streng geschlossenen Solitären, die das Dorf auflockern, strukturieren und eine harmonische Komposition erzeugen. Entsprechend der Verschiedenartigkeit der Haustypen variieren auch die Grundrisse von Haus zu Haus, erzeugen aber immer einen Rhythmus von offenen und geschlossenen, engen und weiten, privaten und öffentlichen Räumen. Die kompakte Einfachheit und grazile Leichtigkeit ausstrahlenden Gruppenhäuser sind besonders prägnante und weit über den zeitgenössischen Durchschnitt hinausragende Beispiele für die Architektur und Gartenarchitektur der 1950er Jahre.
Innerhalb der Wohnhäuser sind die studentischen Wohn- und Arbeitsräume, auch “Buden” genannt, einem Kloster ähnlich entlang eines Ganges angeordnet, der zu den großzügigen Gemeinschaftsflächen und Wohnküchen führt, die das Zentrum der Unterkünfte bilden.

Die Stammanlage mit 21 Häusern aus der Zeit von 1959 bis 1964 bot 600 Studenten eine Unterkunft. Jedoch sollte sie nicht nur der kostengünstigen Unterbringung dienen, sondern auch Ort demokratischer Kultur und Zusammenlebens sein – dies machten die amerikanischen Spender zur Bedingung. Das Campuskonzept mit um ein Forum angeordneten Pavillonbauten von Fehling, Gogel und Pfankuch, das die Aufteilung in kleinere Wohngruppeneinheiten ermöglichte, erfüllte diese Anforderungen. So entstanden neben den individuellen Wohnräumen auch zur gemeinsamen Nutzung vorgesehene Freizeitbereiche. Jeweils 35 Studenten bildeten eine Wohneinheit, die nochmals in Flurgemeinschaften zu sechs bis zwölf Personen mit eigener Teeküche, eigenen Essplätzen und Sanitärräumen unterteilt war. Diese funktionsorientierte Zonierung spiegelt sich auch in der Gliederung des Außenbaus und der Verschiedenfarbigkeit der Bauteile wider: Die Wohnräume wurden weiß, die Sanitärzonen schwarz und die Gemeinschaftsräume lila gestrichen. Zusammen mit den bandartigen Fensterflächen wirken die Baukörper so besonders leicht.

Der Gemeinschaftsgedanke ist jedoch nicht nur in und an den Gebäuden erlebbar, sondern auch durch die in den Landschaftsgarten hineinkomponierte Gebäudeanordnung. Inmitten des wellenartigen Geländes gruppieren sich um einen Dorfplatz am tiefsten Punkt Gemeinschaftshaus, Verwaltung, Heizwerk und Bibliothek, während die nord-südgerichteten Wohngebäude in der Höhe abgestuft dem Gelände folgen und mit bis zu drei Geschossen nach außen hin ansteigen. Umgeben wird das Areal durch einen wallartigen Grüngürtel, der das Dorf nach innen gerichtet und in sich abgeschlossen erscheinen lässt.

Für die Nachkriegsgeschichte Berlins und die Architektur dieser Zeit, die wieder an das Neue Bauen der Weimarer Republik anknüpfte, ist das Studentendorf Schlachtensee von einmaligem Symbolwert.

Obwohl die Größe der “Studentenbuden” und ihre Ausstattung standardisiert waren – zehn Quadratmeter mit Einbauschrank, Bett, Schreibtisch und Wandregal – variierten die Gebäude- und Gestaltungsformen. Dadurch konnten unterschiedlichste Wohnbereiche geschaffen werden. Auf diese Art übertrug sich das Prinzip einer individualisierten und nicht gleichgeschalteten Gesellschaft auf die Architektur. In den Bauten selbst und in der studentischen Selbstverwaltung als Organisationsform des Dorfes manifestierten sich die damaligen hochschul- und gesellschaftspolitischen Zielsetzungen wie auch eine von den USA vorgelebte demokratische Geisteshaltung.

Einen eigenen Akzent setzen die vier in Randlage 1976-78 erbauten Wohngemeinschaftshäuser, die sich einpassen, aber eine erkennbar andere Architekturauffassung vertreten.

Zu Beginn der 1980er Jahre erwiesen sich der schlechte bauliche Zustand, der hohe Unterhaltskosten zur Folge hatte, sowie geänderte Wohnvorstellungen der Studenten als problematisch. Es folgten langjährige Neubauplanungen sowie Verkaufsüberlegungen seitens des Landes Berlin, die den Abbruch des Studentendorfs zum Ziel hatten. Nach vielen Verhandlungen konnte die Anlage 2004 gerettet werden und ging in die Hände der Genossenschaft Studentendorf Berlin-Schlachtensee eG über. 2006 begannen die ersten Sanierungsarbeiten der in den Rang eines Nationalen Kulturdenkmals erhobenen Anlage – drei Jahre später konnten die ersten sanierten Wohnhäuser 4 und 8 übergeben werden. Die Wohnpavillons passte man den veränderten Wohnbedürfnissen an: Die klösterlich kleinen Zimmer wurden vergrößert und zum Teil zu Apartments umgebaut. Gemeinschafts- und Aufenthaltsräume wie auch die Küchen konnten erhalten werden. Voraussichtlich bis 2022 wird die denkmalgerechte Sanierung des Dorfes dauern, das von mehr als 800 Studierenden bewohnt wird.