Ukraine: vom Bezirksamt Pankow, vom Land Berlin und vom Bund
Energie sparen: Informationen des Senates, Informationen in Leichter Sprache und Energieportal in Deutscher Gebärdensprache
Drucksache - VIII-1556
siehe Anlage Begründung:
Vorlage zur Kenntnisnahme |
Sören Benn | Vollrad Kuhn |
GleichB 31.05.2018
H. Gerstenberger - 2305
BzStR für Stadtentwicklung und Bürgerdienste
Herr Vollrad Kuhn
Stellungnahme
zum 1. Zwischenbericht der Drucksache Nr.: VIII-0134
Dreiecksplätze nach verdienstvollen Frauen benennen
Sehr geehrter Herr Kuhn,
in Kooperation mit der AG SpurenSuche des Frauenbeirates Pankows möchte ich Ihnen zwei Alternativvorschläge für die beiden Dreiecksplätze unterbreiten, die sowohl einen inhaltlichen Bezug zu den angrenzenden Straßennamen als auch einen Bezug zur Region haben.
Dreiecksplatz zwischen Naugarder Straße, Hosemannstraße und Erich-Weinert-Straße
…
(bereits benannt)
Dreiecksplatz zwischen Krüger- Duncker- und Kuglerstraße
Wir schlagen vor, den Platz nach Gertrud Pincus (1890 – 1941) zu benennen.
Gertrud Pincus gehörte dem Friedländer Kreis an. Walter A. Friedländer gründete mit seinen Mitarbeiter/innen ein Musterjugendamt nach allen progressiven Bestrebungen der 20er Jahre des vergangenen Jahrhunderts in Berlin Prenzlauer Berg. Gertrud Pincus war für die Organisation des Krippen-, Hort- und Kindergartenwesens verantwortlich. Nach dem Friedländer Konzept ging es dabei nicht nur um die Betreuung und Versorgung der Kinder, sondern auch darum familiäre Defizite des sozial brisanten Arbeiterbezirkes Prenzlauer Berg zu kompensieren. Gemeinsam mit dem Musikpädagogen Julius Goldstein setzte sie neue Akzente in der musikalischen Früherziehung.
Gertrud Pincus wurde am 27. November 1941 nach Riga deportiert und dort am 30. November 1941 ermordet. In der Windscheidstr. 8 in Charlottenburg erinnert seit 2010 ein Stolperstein an sie.
Diese beiden Vorschläge entsprechen der in den drei Bänden „SpurenSuche“ zugrundeliegenden Absicht, das Wirken von Frauen zu würdigen, die zu ihren Lebzeiten in Pankow, Weißensee und Prenzlauer Berg Bedeutsames geleistet haben.
Der Vorschlag des Ausschusses - die Plätze nach Frauenfiguren aus der Stummfilmzeit zu benennen – wird nicht befürwortet. Das Rollenbild von Frauen, dass in den meisten dieser Filme vermittelt wird, war schon zur damaligen Zeit nicht progressiv. Es ist unverständlich, warum diese Frauenfiguren mit einer Platzbenennung geehrt werden sollten.
von Kult Gesch L
Abt. Stadtentwicklung
Straßen- und Grünflächenamt
SGA 141
Betr.: Benennungsvorschläge zweier Dreiecksplätze gemäß BVV- Drucksache Nr.: VIII-0134 „Dreiecksplätze nach verdienstvollen Frauen benennen“
Vorschlag 1: Dreiecksplatz zwischen Krüger, Duncker- und Kuglerstraße nach der Fürsorgerin Gertrud Pincus (1890–1941) zu benennen.
Hist. Sachverhalt
Gertrud Pincus, geborene Kapauner ist am 27. April 1890 in Glatz (Klodzko) / Schlesien geboren und wurde am 30. November 1941 in Rumbula bei Riga (Estland) ermordet worden.
Über Ihre Kindheit und Jugend ist nichts bekannt. Bereits als 23jährige unterrichtete Gertrud Pincus in der Unterstufe der Sozialen Frauenschule (Pestalozzi Fröbel-Haus) zum Thema „Arbeit in Kindergärten“. In den 1920er Jahren arbeitete sie als Fürsorgerin im Jugendamt Prenzlauer Berg und übernahm die Organisation des Krippen-, Hort- und Kindergartenwesens. Unter Leitung von Walter Friedländer legte Gertrud Pincus Wert darauf, dass diese Einrichtungen nicht nur die Betreuung und tägliche Versorgung der Kinder gewährleisteten, sondern ebenfalls aktive Familienfürsorge betreiben sollten. Walter Friedländer schätzte die Erfahrungen und Impulse von Gertrud Pincus, die „wichtige pädagogische Einsichten mitbrachte“. So führte sie in den städtischen Kindergärten und Horten Erziehungsmethoden ein, die darauf ausgerichtet waren, dass die Kinder sich kreativ ausleben konnten. Statt still zu sitzen, sollten sie spielen, musizieren und malen. Im Bereich der musikalischen Früherziehung setzte Gertrud Pincus neue Standards. Gemeinsam mit dem Musikpädagogen Julius Goldstein setzte sie neue Akzente in der musikalischen Früherziehung.
Mit der Machtergreifung der Nationalsozilisten wurde Gertrud Pincus laut „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ (Arierparagraph) als Jüdin aus dem Bezirksamt Prenzlauer Berg entlassen. Ihr Leben und das ihrer Angehörigen schränkte sich immer mehr ein. Um die Tochter vor Verfolgungen zu schützen, gelang es Gertrud Pincus und Ihrem Mann, dem Einkaufsleiter Paul Pincus, die 15jährige Suse 1938 nach Schweden zu verschicken. Als letzter Wohnort von Gertrud Pincus ist in den Akten der Entschädigungsbehörde eine Dreizimmerwohnung in der Thomasiustraße 19 in Moabit angegeben.
Gertrud und Paul Pincus mussten sich im November 1941 im Sammellager in der Levetzowstraße melden. Vom Bahnhof Berlin-Grunewald wurden beide am 27. November mit dem 7. Osttransport aus Berlin nach Riga deportiert und dort am 30. November in dem nahegelegen Kiefernwald Rumbula ermordet. In den 1950er und 1960er Jahren musste die Tochter von Gertrud Pincus eine langwierige juristische Auseinandersetzung mit dem Entschädigungsamt von West-Berlin führen, um eine Entschädigung zu erhalten.
Quellen:
Gertrud Pincus, Musikalische Früherziehung, Allgemeine Wirkung der Orchesterstunde auf die Kinder, in: Musikpflege im Kindergarten, Vorträge der 1. Tagung "Musikpflege im Kindergarten" in Berlin, Hg. im Auftrag des Zentralinstituts für Erziehung und Unterricht, Berlin, Leipzig 1929, S. 24-30
Walter Friedländer * 20.9.1891, in: Pädagogik in Selbstdarstellungen, Hg. von Ludwig J. Pongratz, Hamburg 1982, S. 62
Andreas Markert, Andrea Buckley, Michael Vilain, Martin Biebricher (Hrsg.): Soziale Arbeit und Sozialwirtschaft: Beiträge zu einem Feld im Umbruch. Festschrift für Karl-Heinz Boeßenecker. Berlin 2008, S. 30
Elisabeth Harvey, Arbeit für soziale Gerechtigkeit. Leben und Wirken von Walter Friedländer, Hg. Walter Friedländer Bildungswerk, Berlin 1991, S. 51/52
Privatarchiv Thomas und Stefan Pinzke, Schweden.
Landesarchiv Berlin, B Rep. 025-08, Nr. 1183/55 und
LAB B Rep. 025-08, Nr. 1184/55 – Wiedergutmachungsämter Berlin, 1955
Datenbank der Koordinierungstelle Stolperstein Berlin
Aufbruch und Reformen. Pionierinnen und Pioniere der modernen Sozialarbeit in Prenzlauer Berg während der Weimarer Republik, Museum Pankow (Hg.), Berlin 2020, S.
Bewertung:
Basierend auf den erhobenen Quellen ist der Benennung aus fachlicher Sicht zuzustimmen und damit eine öffentliche Ehrung zu empfehlen.
Berlin, den 26. November 2020
gez.
Bernt Roder
Legende
Ausschuss | Tagesordnung | Drucksache | |||
Bezirksverordnetenversammlung | Aktenmappe | Drucksachenlebenslauf | |||
Fraktion | Niederschrift | Beschlüsse | |||
Kommunalpolitiker/in | Auszug | Realisierung | |||
Anwesenheit | Kleine Anfragen |