LoGo! Europe: René Feldmüller berichtet aus Linz

René Feldmüller, im Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin Leiter des Personalservices der Abteilung Stadtentwicklung, Bauen und Umwelt, hospitierte im Frühherbst 2020 für vier Wochen im Magistrat von Linz, der österreichischen Partnerstadt von Charlottenburg-Wilmersdorf. Hier sein ausführliches Tagebuch:

Landschaft nahe Linz

Prolog

Samstag, 12. September 2020

Meine Anreise mit dem Auto hatte ich auf den Samstag gelegt, um noch einen Tag Vorbereitung zu haben. Grundsätzlich tendiere ich eher zur Bahn, aber ich wollte mir unbedingt die Chance erhalten, über den doch längeren Zeitraum frei in meiner Mobilität zu sein.

Die geplante Abreise musste aus Trägheitsgründen von 9:00 Uhr auf 10:30 Uhr verlegt werden. Dann ging es aber endlich los. Wie immer war nach subjektivem Empfinden alles eingepackt, und auch wie immer fehlte dann doch wieder etwas nicht Unwesentliches. Mein technisch auf höchstem Niveau ausgestattetes E-Bike hatte ich zwar dabei, Ladegerät und dazugehöriger Akku tankten aber noch in heimischer Küche und Umkehren war nach einer guten Stunde Fahrtzeit und der mindestens notwendigen Gesamtfahrtzeit von ca. 7,5 Stunden keine wirkliche Option mehr. Ich hoffe, dass mich die sofort initiierte Nachsendung alsbald erreicht, da ich schon nach einigen Testfahrten in der Linzer Umgebung sagen kann, dass sich die Topographie hier kaum mit dem Berliner Flachland vergleichen lässt. Das vielfache Auf und Ab lässt kaum zu, dass man nach längeren Fahrten – hochrot und keinesfalls ungeschwitzt – noch einigermaßen ansehnlich ein Café, geschweige denn den Hospitationsort, aufsuchen kann.

Einen ersten Stau gab es bereits nach 45 Minuten. Die damit verbundene Frustration hielt lediglich bis zur Inaugenscheinnahme der Ursache an: Zwei eigentlich stabil wirkende Fahrzeuge lagen ca. 20-30 m voneinander entfernt kopfüber auf ihren jeweiligen Dächern, Krankenwagen rasten durch die (zum Glück geschaffenen) Rettungsgassen, und schlagartig wurde einem wieder bewusst, welchen Gefahren man im Straßenverkehr regelmäßig ausgesetzt ist. Die Wirkung solcher Bilder ist im Regelfall bei den Verkehrsteilnehmern ähnlich: Zunächst ist die Weiterfahrt durch Rücksichtnahmen gekennzeichnet, aber mit zunehmender Entfernung vom Unfallort steigt die Bereitschaft, sich wieder nur auf sich zu konzentrieren.

Weitere Staus waren nur noch auf vorhandene Baustellen zurückzuführen, und in einer dieser erzwungenen Verlangsamungen erreichte mich eine SMS auf meinem Diensthandy. Eigentlich für einen Samstag ungewöhnlich, zumal die SMS immer seltener zur Kommunikationsaufnahme genutzt wird. Die nächste Raststätte und der damit verbundene Halt brachten Aufklärung: Zufälle gibt es, Herr Naumann _(Bezirksbürgermeister von Charlottenburg-Wilmersdorf, Anm. d. Red.)_ und Herr Herz _(stellvertretender Bezirksbürgermeister)_ halten sich zur gleichen Zeit für ein paar Tage in unserer Partnerstadt auf, und ich habe über Herrn Betz _(Europabeauftragter)_ ausrichten lassen, dass ich mich natürlich über ein Treffen freuen würde. Netterweise boten mir Herr Naumann und Herr Herz an, sie am Sonntag bei der Besichtigung der Linzer Synagoge zu begleiten, was ich mir natürlich nicht entgehen lassen wollte.

Die Einfahrt nach Österreich brachte für mich gleich zu Beginn zwei unerwartete Besonderheiten: Unmengen von Kürbisplantagen und eine erste Idee für unser Bezirksamt: Hier sind die am Straßenrand vorhandenen Verbotsschilder mit dem distanzlosen Hinweis: “WIRF HIER NICHTS WEG!” teilweise in vier Einzelschildern aufgestellt, und diese sind dann auch noch so groß, dass kaum noch Platz bleibt, Verbotenes hinzuwerfen. Eine Variante, die vielleicht auch in unserem Bezirk an der einen oder anderen Stelle Wirkung hinterlassen könnte.

19:00 Uhr Ankunft im Wolfsjägerhof. Meine Wirtin begrüßte mich freundlich, aber bestimmt. Zunächst wurde sie von ihrem auch anwesenden Mann gefragt, welches Zimmer sie für Herrn Feldmüller vorgesehen hat, und sich zu mir wendend bat sie mich dreimal (in Zahlen 3), immer, aber auch wirklich immer, das Haus abzuschließen, nicht ohne das Thema mit dem Satz zu beenden: “Herr Feldmüller, Sie sind lange hier, ich muss mich auf Sie verlassen können.” Zugegeben, hier bin ich für ein Fehlverhalten nicht unverdächtig, ihre Vorahnung fand ich aber schon etwas beängstigend. Nachdem das geklärt war, fragte ich an, ob es vielleicht Kulinarisches gibt, “nein”, leider nicht. Meinen Bärenhunger bediente ich dann im Gasthof Strauß mit gebackener Kalbsleber. Das war für mich eine Premiere und nun weiß ich für einen weiteren Besuch, was ich bei der nächsten Auswahl getrost vernachlässigen kann. Auch der dazu gereichte Kartoffelsalat war für mein Empfinden etwas essiglastig. Interessant war auch die Reaktion der Kellnerin auf meine Wasserbestellung. Ihren verdutzten Blick begleitete sie mit der Nachfrage: “Wasser?”. Liegt wahrscheinlich phonetisch nah an “Gösser”, dem Bier, dem im Gasthof eine ganze Karte gegönnt wurde. Mein Versuch, beim Essen ein wenig die Themen meiner umliegenden Tische zu belauschen, scheiterte kläglich. Vielfach vereinten “Gösser” und “Oberösterreichisch” ein Sprachgemisch, welches sich mir nur rudimentär erschloss.

Mein Zimmer ist sauber, praktisch eingerichtet und das Wichtigste: wlan ohne Einschränkungen. Das Umfeld ist phantastisch, der Blick kann in jede Richtung weit schweifen und ich habe eine leichte Vorahnung, dass ich das noch sehr genießen werde.

Sonntag, 13. September 2020

Der erste Morgen ist in einer neuen Unterkunft immer mit reichlich Neugier verbunden. Wie präsentiert sich die morgendliche Landschaft? Wie sieht das Frühstück aus? Welche weiteren Gäste trifft man im Frühstücksraum?

Mit der Landschaft ist es so eine Sache. Reines Anschauen fällt mir schwer. Vor der Geburt meiner Tochter bin ich ca. 15 Jahre lang viel gelaufen und habe in dieser Zeit an drei Marathonläufen teilgenommen. Gerne erinnere ich Zeiten, in denen ich mich mit Freunden um 5:00 Uhr morgens im Stadion Wilmersdorf getroffen habe, um innerhalb einer Stunde 30 Runden zu laufen. Das liegt schon weit zurück, aber ich kann es auch untrainiert kaum lassen, mich in schöner Umgebung läuferisch zu betätigen. So auch hier, und der zu beobachtende Sonnenaufgang entschädigt voll und ganz für die erlittenen Strapazen. Meine Wirtin ist bei meiner Rückkehr zurückhaltend besorgt und fragt, ob es mir denn gut geht und gefällt. Ich zeige mich begeistert, gestehe aber auch, dass mir der bisher entdeckte Laufweg zu viele Höhen und Tiefen hat. Sie zeigt vollstes Verständnis, kann sich nun meine Erschöpfung erklären und bietet an, mir ihre Laufstrecke zu zeigen. Prima, ich frage, wie es ihr genehm wäre, auf einer Karte oder in Internet? Nein, nein; kommen Sie doch einfach mit! Hm, und wie lange laufen Sie immer? Na nie unter 90 Minuten! Ich bitte zunächst um mündliches und theoretisches Navigieren; man muss wissen, dass an der Frau alles nach Sport aussieht und ihre durchgehende Wochenendbekleidung bis jetzt auch ausschließlich aus einem Laufdress bestand. Und ich wollte einfach auch noch mal das Hospitieren erleben, bevor ich beim Joggen – wahrscheinlich weit hinter meiner Wirtin zurückliegend – mit Herzproblemen zusammenbreche.

Das Frühstück ist reichhaltig und über Normalniveau. Es ist einzelplatzweise und nett angerichtet, es gibt Obst, Wurst, Käse, Butter und viel Selbstgemachtes: u. a. Marmeladen und kleine Backwaren. Weißes Brot oder Brötchen gibt es dagegen nicht. Ansonsten bin ich von ausgesprochen offenen und netten Gästen umgeben.

Nun wollte ich mich auf die Führung durch die Synagoge in Linz vorbereiten, aber da Herr Naumann und Herr Herz mir mitteilten, dass sich der Start von 13:00 Uhr auf 15:00 Uhr verschiebt, drehte ich noch ein paar Runden mit meinem entmotorisierten E-Bike. In meiner zweiten Erholungsphase belas ich mich ein wenig über die Synagoge und unsere Gastgeberin: Frau Charlotte Herman, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde in Linz.

Meine erste Autofahrt in die Innenstadt erwies sich als gute Schule für kommende Autofahrten. An einem Sonntag wenig Möglichkeiten zum Parken zu finden, ist ein klares Signum dafür, dass das an Werktagen eigentlich nur schlimmer werden kann. Ich wurde in den Folgetagen bestätigt.

Von links: Herr Herz, Frau Herman, Herr Naumann

Pünktlich zum verabredeten Zeitpunkt trafen alle Teilnehmer ein. Frau Herman führte uns durch die Synagoge und einen vormaligen Gebetsraum in einem Nebengebäude, welches im Unterschied zur Synagoge selbst die Pogromnacht schadlos überstanden hat. Im Wesentlichen berichtete sie neben einem geschichtlichen Abriss über das Gemeindeleben an sich und bot an mancher Stelle auch interessante Einblicke in das Entstehen politischer Entscheidungsprozesse. So standen wir z. B. vor einem Musterexemplar eines Stolpersteines. Unsere Charlottenburg-Wilmersdorfer Stolpersteine gibt es schon länger, und ich erinnere kurz zurückliegend keine Diskussionen über das Aussehen und die Art der Verlegung, zumal es berlinweit bereits Tausende gibt. Es sind Betonwürfel, die in das Pflaster des Gehsteigs eingemauert werden, mit einer eingelassenen 10×10 cm großen Messingplatte. Darauf sind Name, das Geburtsjahr und Stichwörter zum weiteren Schicksal des Opfers eingraviert.

Frau Herman mit dem Musterexemplar eines Linzer "Stolpersteins"

Das favorisierte man in Linz nicht. Hier gab es Stimmen, die insbesondere den Einlass in den Boden nicht befürworteten und sich darüber hinaus ein aktiveres Gedenken wünschten. Aus einem Wettbewerb ging das unten abgebildete Exemplar als Sieger hervor. Es soll in Stelen eingebracht werden, und durch den Klingelmechanismus kann man aktiv Gedenken dokumentieren. Einvernehmlich kamen wir zu dem Schluss, dass das eine innovative und gute Idee ist. Frau Herman hofft, spätestens im Frühjahr des kommenden Jahres dafür alle erforderlichen Zustimmungen zu erhalten. Insgesamt hat Frau Hermann kurzweilig, informativ und kenntnisreich berichtet und selbst mich – als konfessionell Ungebundenen – für religiöse Riten interessiert. Das oben hinterlegte Interview ist aus meiner Sicht lesenswert und spiegelt ihren Typ sehr authentisch wider.

Zurückgekehrt machten mir meine Gastgeber noch einmal deutlich, welches Privileg ich eigentlich genossen habe, da es aus ihrer Sicht schon aus Sicherheitsgründen eigentlich fast unmöglich ist, als Nichtgemeindemitglied die Synagoge zu besuchen. Insofern auch an dieser Stelle noch einmal danke an Herrn Naumann und Herrn Herz, dass sie mir hier einen Weg geebnet haben. Für einen weiteren Austausch blieb keine Zeit, da beide mit Ende der Besichtigung auch gleich kurz vor einem Konzertbesuch standen. Herr Naumann konnte mich dann aber auch noch überraschen, indem er mir die Möglichkeit eröffnete, ihn und Herrn Herz an meinem ersten Tag des Hospitierens um 16:00 Uhr zum Linzer Bürgermeister Klaus Luger zu begleiten. Natürlich nahm ich auch hier dankend an, und in der Vorausschau kann schon mal anmoderieren, dass hier endlich Herr Naumann auch die Möglichkeit bekam, sich mal bei mir zu bedanken :-)

Abends bescherte mir der Gasthof Strauß noch ein gelungenes Schnitzel, welches hier regelmäßig mit Pommes und Reis angeboten wird, und heute probierte ich auch ein Linzer Bier. Sehr mild und kaum zu schmeckender Alkoholgehalt, gefährlich :-) … aber nicht für den Hospitanten, da nach nur einem Bier die Heimfahrt mit dem Auto anstand.

1. Woche

Montag, 14. September 2020

Es geht los: Erwartet werde ich zu 9:00 Uhr, und erst kurz vor Abfahrt entscheide ich abschließend, welches Verkehrsmittel ich heute nutze: Wieder das Auto. Etwa 1,5 km vom Rathaus entfernt soll sich ein großer kostenloser öffentlicher Parkplatz befinden, und die aktuelle Wetterlage lädt förmlich dazu ein, von dort noch einmal 20 Minuten fußläufig bis zum alten Rathaus zurückzulegen (es gibt auch ein neues). Zur Ankunft erschrecke ich über die Auslastung. Der Parkplatz wird nach meiner Einschätzung überwiegend von Langzeitparkern genutzt und er ist offensichtlich voll; insbesondere Wohnmobile quetschen sich in die engen Lücken, und ich finde dann doch den tatsächlich augenblicklich letzten freien Platz. Nicht auszudenken, wenn das nicht geklappt hätte.

Das alte Rathaus befindet sich inmitten des zentralen Hauptplatzes von Linz, hat eine unscheinbare Fassade und sticht nicht wirklich aus dem flankierenden Gebäudeensemble hervor. Mit Betreten tut sich aber ein sehr modern gehaltenes Verwaltungsgebäude auf, und mich erinnert das ein wenig an Wismar. Dort wurden an vielen Stellen des zentralen Marktplatzes die alten Fassaden erhalten – was nach der Entnahme der angrenzenden Gebäudeteile teilweise wie Filmkulissen aussah – und dahinter hochmoderne Gebäude errichtet. Die unten stehenden Fotos bieten vielleicht den einen oder anderen Eindruck.

Herr Dr. Höfler empfängt mich sehr freundlich, und neben einer Vorstellungsrunde in Bereichen der Abteilung Personal und Zentrale Services zeigt er mir auch noch ein wenig das Haus selbst, damit ich mich für übliche Gänge zurecht finde. Einleitend erfrage ich, was es mit einem im Flur befindlichen Zettel auf sich hat, der beim Zeiterfassungsgerät hängt: Auf diesem wird angeboten, an zwei Zeiterfassungen teilnehmen zu können. In einer Vorveranstaltung zur Hospitation berichtete ein Teilnehmer, der Wien besucht hatte, Arbeitszeiten gäbe es dort nicht bzw. keine derartigen Kontrollinstrumentarien. Meine Erwartungshaltung tendierte daher in eine andere Richtung. Herr Dr. Höfler erläuterte, dass die vormaligen Anwesenheitspflichten nunmehr etwas gelockert wurden und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die freie Möglichkeit haben, am Vormodell oder am derzeit getesteten teilzunehmen. Die Lockerung bedeutete, von Montag bis Donnerstag von 6:00 bis 19:00 Uhr den Dienst verrichten zu können, und Freitag war noch etwas früher Schluss. Da sind wir in Charlottenburg-Wilmersdorf also schon etwas weiter, und das Flex-Tage-Modell bestaunte man zumindest von Seiten der Mitarbeiterschaft etwas neidvoll. Diese durchweg positive Resonanz spiegelte sich nicht in gleicher Stärke zum späteren Besuch beim Linzer Bürgermeister :-)

Begleiten werde ich hier vornehmlich den Teil Personalauswahl und Personalentwicklung. Schon erste Zahlen deuten darauf hin, dass wir ähnlich aufgestellt sind: Linz hat 206.000 Einwohner und 1.450 Vollzeitäquivalente (heißt hier tatsächlich auch so), die direkt beim Magistrat beschäftigt sind. Darüber hinaus gibt es noch 1.000 VZÄ, die in ausgegliederten Bereichen arbeiten (zum Beispiel Kitas) – kennen wir mit den KiTa-Eigenbetrieben auch in der Berliner Verwaltung. Im Gespräch ergeben sich dann von Zeit zu Zeit Nachfragen, die dann doch Besonderheiten hervorbringen. “Eine Kollegin kann ich Ihnen heute noch nicht vorstellen, sie befindet sich in Altersteilzeit.” Ach so, schade, antworte ich und mich interessiert sogleich, ob denn in der Freistellungsphase auch nicht besetzt werden kann. Dieses Modell kennt man hier nicht; bei 80-90 Prozent der Bezüge kann man bis auf 60 Prozent der Arbeitszeit heruntergehen, und die freiwerdenden VZÄ können sofort besetzt werden. Klingt zumindest interessant.

In den letzten Jahren hat sich viel im Bereich Personal getan, was auch wesentlich von der so genannten Linzer Aktenaffäre beeinflusst wurde. Anzeigen führten zu Einschätzungen, dass durch Unterlassen der Behörden Missstände provoziert und begünstigt wurden. Auch die Personalauswahl und Personalentwicklung wurde zurückliegend etwas aufgestockt. Viele Stichpunkte konnte ich mit Herrn Dr. Höfler anreißen und das eine oder andere im laufenden Geschäft mitnehmen. So wurden wir für eine Stellenausschreibung unterbrochen; diese sollte noch heute zur internen Veröffentlichung freigegeben werden. Berge von Papier wurden dafür nicht bewegt: Das Ersuchen holte er sich mit einer Fachsoftware auf den Bildschirm, befand die Inhalte für freigabewürdig und klickte auf den entsprechenden Button. Erledigt! Auf meine Frage, wie lange es denn von dem Ersuchen bis zur Veröffentlichung dauert, antwortete Herr Dr. Höfler, dass es schon manchmal eine Woche für die Genehmigung dauern könnte, in eiligen Fällen ist man natürlich schneller. Insgesamt dauert es vom Ausschreibungsersuchen bis zu den Auswahlgesprächen regelmäßig nicht länger als 1,5 Monate. Intern wird an jedem 1. und jedem 15. veröffentlicht. Stellen für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des normalen Verwaltungsdienstes werden ausschließlich intern ausgeschrieben. Probleme mit Nachbesetzungen gibt es nach Aussage von Herrn Dr. Höfler für diesen Bereich nicht. Angerissen wurde auch das Thema “Beschreibung des Arbeitsplatzes”, vergleichbar mit unserer Beschreibung des Arbeitskreises (BAK). Generell richtet sich die Eingruppierung nach einem Dienstpostenplan und diese Eingruppierung wird zunächst nicht infrage gestellt. Zunehmend stellt man aber auch in Linz fest, dass das Interesse an Überprüfungen vorhandener Eingruppierungen zunimmt.

Der Linzer Magistrat ist aber für die vorhandenen Beschreibungen von Arbeitsplätzen geringfügig besser aufgestellt als unsere Abteilung im Bezirksamt: knapp DDR-Verhältnisse, 100 Prozent Planerfüllung, jeder Arbeitsplatz hat eine Beschreibung! Die Beschreibung meines Gastgebers wurde mir netterweise zur Verfügung gestellt, diese umfasst 2,5 (!) Einzelseiten, und auf meine kritische Nachfrage, ob das alles ist, gab mir Herr Dr. Höfler zu verstehen, dass Menge nicht Inhalt ersetzt. Es gibt aber auch Teilbereiche, die sich in ihren Beschreibungen ergießen und Bedeutungsspektrum mit Anzahl der verwendeten Zeichen gleichsetzen. Diese landen dann (tatsächlich) schon mal bei 5 Einzelseiten. Inhaltlich sind diese Beschreibungen des Arbeitsplatzes bei uns mit abgespeckten Anforderungsprofilen vergleichbar. Hier muss ich aber noch einmal nachhaken, da ich nicht ausschließen kann, auch falsch verstanden worden zu sein. Ich bin in der mir zur Verfügung gestellten Beschreibung nicht ansatzweise auf eine inhaltliche Unterlegung von unbestimmten Rechtsbegriffen gestoßen. Auch in Linz arbeitet man mit Unterstützung eines Bewertungsmodells (Hay Group Guide); die Broschüre habe ich mir aber nur kurz anschauen können, vielleicht kann ich bei anderer Gelegenheit noch einmal darauf zurückkommen.

Entsprechende Stellenausschreibungen veröffentlichen auch nur den formal notwendigen Teil – unser Trallalla und Hopsassa mit vollständigem Anforderungsprofil und noch mal hier aufbereitet, und hier und da, diese und jene Wiederholung, spart man sich in Linz. Was ich noch ergattern muss, ist ein Auswahlvermerk, der auch deutlich kleiner ausfallen und von geringem Aufwand sein soll. Bei der Vorstellungsrunde war ich auch kurz im zentralen Recruiting-Bereich, und weil das thematisch so nahe lag, erbettelte ich förmlich die Teilnahme an einem Auswahlgespräch. Die zunächst vorhandenen datenschutzrechtlichen Bedenken konnten bereits zurückgestellt werden, und man wird versuchen, mich bei nächster Gelegenheit teilnehmen zu lassen. Darauf bin ich wirklich gespannt, auch weil ich bei aller gebotenen Zurückhaltung glaube, dass unser abteilungsinterner Büroleitungsbereich für unser Haus schon maßstäblich agiert.

An einer Stelle musste ich beim Einblick in die Unterlagen lachen. Es gibt eine Auflistung von Gehaltsstufen, und die unterste Stufe wird einleitend mit “arbeitsnahen” Tätigkeitsinhalten beschrieben. Dieses Adjektiv findet sich in keiner weiteren Gehaltsstufe, “arbeitsfern” habe ich aber ersatzweise auch nicht gelesen. Ich möchte nicht davon ausgehen, dass man das ab der zweitniedrigsten Gehaltsstufe unterstellt.

Gegen 14:00 Uhr kommen wir etwas zur Ruhe, ich bereite Stichpunkte für meine Aufzeichnungen vor und stelle noch einige Verständnisfragen. Gleich in den ersten Stunden ergaben sich noch weitere interessante Erkenntnisse: Benutzte Tassen stellt man im Linzer Magistrat in die Teeküche, und eigens dafür vorgesehenes Personal bereitet das Geschirr zur Wiederbenutzung auf. Wer mich kennt, wird ahnen, dass mir das sehr entgegenkommt. Gegen Mittag werden alle Klinken (wahrscheinlich durch die gleichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter) mit Desinfektionsmittel gereinigt.

Zu 16:00 Uhr begebe ich mich zum Linzer Bürgermeister, und schon der Vorzimmerbereich ergibt ein imposantes Erscheinungsbild. Ausschließlich modernes Mobiliar, viel Glas und weiße Räumlichkeiten mit unaufdringlichen Kunstwerken aller Art und durchgehend ausgesucht freundliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in dienender Betriebsamkeit. Gemeinsam mit Herrn Naumann und Herrn Herz begeben wir uns nunmehr direkt zu Herrn Luger. Im Vorfeld wurde er mir als sehr durchsetzungsfähig beschrieben, und Herr Luger bestätigt diese Einschätzung im Erleben. Er, Herr Naumann und Herr Herz knüpfen ohne große Anmoderation an bereits geführte Vorgespräche an, und alle drei steigen in Themenfelder ein, die _sie_ in der Politik und darüber hinaus _uns_ in der Verwaltung tagtäglich beschäftigen: Pandemie, hoher Altersdurchschnitt von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, politische Übernahme von Verantwortlichkeiten, Nachbesetzungsprobleme im Fachkräftebereich, und auch das Leid mit eher kontrolliert leistungsbereiten Personen aus der zahlreichen Mitarbeiterschaft blieb in diesem Austausch nicht gänzlich ausgespart. Auch ich konnte mich auf Bitte von Herrn Naumann zu dem einen oder anderen Themenbereich einbringen und schlussendlich gab es für eine Thematik Konsens im Rückblick: Einvernehmlich wurde bei allen vorhandenen Problemen festgestellt, dass der Lockdown bewiesen hat, mit welchem Tempo und mit welcher Kreativität durch Politik und Verwaltung im Schulterschluss in Ausnahmesituationen agiert werden kann. Nach 75 Minuten intensiven Austausches bückte sich Herr Naumann zum neben ihm stehenden Beutel, ergriff eine nett eingewickelte Flasche Gin vom Ku’damm und überreichte diese Herrn Luger. “Sie trinken doch Gin, oder?” “Ja, sehr gerne”, antwortete der Linzer Bürgermeister.

Auf Überreichungen ist man offensichtlich eingestellt und vorbereitet: Ohne zu zögern ließ sich Herr Luger sein Gegengeschenk in die Hand drücken, ein ca. 60×90 cm großes Bild, dessen Motiv ich leider für den Moment nicht erinnere. Damit verlief die Größe der Geschenke indirekt proportional zur Länge des alsbald anstehenden Heimweges. Herr Herz wusste um meine Art der Anreise, auch zum Hospitationsort selbst, und schlug noch im Kreise aller Teilnehmer vor, dass ich das ja mitnehmen könnte. Das ist grundsätzlich eigentlich kein Problem, nur machte ich mir Sorgen um die Sicherheit des Bildes. Das war eine Auftragsarbeit und naturgemäß zum Beschenken und dem damit verbundenen Pressefoto nicht mehr eingewickelt bzw. anderweitig geschützt. Man verstand mich und sicherte zu, alles gut zu verpacken, um damit meine Bedenken zurückstellen zu können. Im Verlauf der nächsten Woche kann ich mir das dann abholen. So kam ich zum Abschluss zu einem Dank von Herrn Naumann für meine Bereitschaft der Mitnahme. Ich konnte noch ausführen, dass ich nicht ablehnend wirken wollte und dass sich selbstverständlich auch mir erschloss, dass die gefundene Lösung auch keine fernliegende ist.

Gegen 17:30 Uhr stehe ich etwas müde vor dem Rathaus und nehme nach kurzer Überlegung noch einen Dönerbecher als Abendmahlzeit zu mir. Der sich anschließende Weg zu meinem Auto lässt den Entschluss reifen, mir morgen einen Monatsparkplatz für die Tiefgarage unter dem Rathaus zu kaufen. Der Entschluss musste reifen, weil man sich dieses Privileg doch ziemlich hochpreisig erkaufen muss. Der Fairness gegenüber Linz und gegenüber meiner Unterkunft darf natürlich nicht unerwähnt bleiben, dass auch alles mit dem ÖPNV realisierbar wäre.

Nach einem kleinen Einkauf von lediglich Kaffee und einer Riesentafel Schokolade in einem auf dem Heimweg befindlichen Supermarkt komme ich doch einigermaßen erschöpft gegen 19:30 Uhr in meiner Unterkunft an. Meine Wirtin erfragt meine Erlebnisse sowie mein Wohlbefinden und ich berichte ihr in Stichpunkten, wie es denn so war.

Bei der Gelegenheit komme ich auf ein Thema meiner Ankunft zurück. Ich sollte unbedingt Wünsche äußern, da ich ja verhältnismäßig lange ihr Gast wäre. Einen Wunsch las sie mir gleich von den Augen ab: Ja, meine Wäsche kann hier gewaschen werden und für einen zweiten war ich anfangs etwas verunsichert: Ich berichtete ihr, dass ich auch in den Abendstunden gerne mal einen Kaffee trinke, ob sie mir nicht ihre Maschine erklären könne und ich bediene mich vielleicht im Rahmen einer vereinbarten Flatrate? Sie wollte mir das zugestehen, aber je länger ich darüber nachdachte, war es mir dann doch wieder unangenehm. Ich hätte regelmäßig in die große hypermoderne Küche gemusst, und die Kaffeemaschine hatte ein Bedienungscockpit, welches augenscheinlich einen guten Behaltenseffekt für die vermittelte Benutzungsanleitung braucht, um nicht anfänglich die gleichen Fragen immer wieder stellen zu müssen. “Ach, geben Sie mir doch einfach einen Wasserkocher, ich brühe mir dann bei Bedarf selbst welchen, ist das möglich?” … “Ja schon, aber ist Ihnen das wirklich, wirklich sympathischer? Sie können die Maschine gerne nutzen und mit dem Wasserkocher hätten Sie auch vor jedem Tagesabwasch die verschmutzte Tasse auf dem Zimmer.” Ich muss versichern, dass das mein Wohlbefinden auf keinen Fall negativ beeinflusst und wir erzielten Einvernehmen für die Wasserkocherlösung.

Nun habe ich ja Kaffee gekauft und erfrage, ob sie mir den Wasserkocher jetzt netterweise zur Verfügung stellen könne. “Ja, steht schon auf dem Tresen für Sie, hatte ich erst heute gekauft.” Um Gottes Willen, die liebe Frau befand die mit Sicherheit vorhandenen für mich nicht gut genug und hat extra einen neuen angeschafft. Sie reagierte ausgesprochen freundlich auf meine Verblüffung und betont noch einmal, dass es für sie in Ordnung ist. Ich bedanke mich noch einmal, will mich abwenden und im Gehen möchte Sie noch wissen, ob ich ihre Weinempfehlung schon genossen habe. Ich gestehe, dass ich schlichtweg meine Notiz vergessen habe und daher noch keine Chance hatte. “Ja darf ich Ihnen denn etwas von meinen anbieten?” … “Hm … eigentlich … ach ja gerne!” Innerhalb der nächsten 10 Minuten war ich im Besitz von zwei mit einem Glas auf dem Tablett angerichteten regionalen Weinflaschen.

Ein intensiver Tag neigt sich dem Ende.

  • Linzer Rathaus außen

    Linzer Rathaus außen

  • Linzer Rathaus innen

    Linzer Rathaus innen

  • Linzer Rathaus innen

    Linzer Rathaus innen

  • Treffen der beiden Bürgermeister Luger und Naumann (links und rechts in der Mitte)

    Treffen der beiden Bürgermeister Luger und Naumann (links und rechts in der Mitte)

  • Herr Luger (vorne links) und Herr Naumann (Mitte). Rechts daneben Herr Herz.

    Herr Luger (vorne links) und Herr Naumann (Mitte). Rechts daneben Herr Herz.

Flipchart-Blatt zur eigenen Person

Dienstag, 15. September 2020

Heute geht es 8:45 Uhr los. Liest sich entspannt, ich kann aber leicht schwitzige Hände nicht leugnen. Das Frühstück verleitet wirklich zum In-sich-Ruhen, ich fahre wieder knapp bemessen los und weiß, dass ich noch nicht genau die Einfahrt des Parkhauses kenne. Dazu sehe ich beim Losfahren, dass mir heute aufgrund von Sperrungen ein Umweg empfohlen wird, der natürlich etwas mehr Zeit in Anspruch nimmt. Die Aufregung war nicht ganz umsonst: Nur unter vorsichtiger Umgehung der hier geltenden Verkehrsregeln und dekadenter Inanspruchnahme des definitiv naheliegendsten Parkplatzes zum Fahrstuhl ins Rathaus gelingt es mir, doch noch pünktlich zu erscheinen.

Ich nehme am Verwaltungslehrgang zum Verwaltungsmanagement teil. Ein Lehrgang, der von jedem hier – ab einer bestimmten Entgelteinstufung oder einer bestimmten Funktionsübernahme – zwingend zu belegen ist. Grundsätzlich unabhängig vom bereits vorhandenen Bildungshintergrund. Sollte es jemand wagen, seinen Bedarf in Frage zu stellen, muss sehr dezidiert belegt werden, durch welche bereits vermittelten Kenntnisse das zu unterstellen ist. Dieser Prüfung unterziehen sich nicht viele; auch mein aktueller Hospitationsbegleiter hat sich trotz umfangreicher Vorkenntnisse und einem gehobenen Bildungsstand – nach eigener Aussage – das “volle Programm” gegeben. Glücklicherweise fällt ein solcher Gesamtlehrgang genau in meinen Hospitationszeitraum und endet am 8. Oktober.

Gegeben wird die Vermittlung von sieben Kompetenzen: Präsentationstechnik, Moderation, Visualisierungs- und Medientechnik, Unternehmenskultur, Gesundheit, Sicherheit am Arbeitsplatz und abschließend auch noch Management. Ich werde vorgewarnt, dass man sich dabei duzt und in meinem derzeit engeren Umfeld bei der Gelegenheit es auch nicht verwerflich finden würde, hier Selbiges umzusetzen. Von nun an bin ich der René, und Kontakte, die für mich vorbereitet werden, bekommen ohne mein Zutun adressiert, dass ich geduzt werde. Interessanter Ansatz mit dem (ehrlich gesagt) erzwungenem Aufgeben von Distanz im Rahmen des Verwaltungsmanagements, weil in diesem Lehrgang tatsächlich vom (im übertragenen Sinne) Revierleiter im Grünbereich bis hin zum (im übertragenen Sinne) Amtsleiter des Straßen- und Grünflächenamtes alle teilzunehmen hätten. Zugeteilt wird ohne Ansehen der Person nach Datum der Anmeldung. So könnten sich im Ergebnis, was regelmäßig auch vorkommt, sehr hochgestellte Entscheidungsträger mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus niedrigschwelligen Verantwortungsbereichen duzen.

Präsentationstechniken werden heute von 9:00 Uhr bis 15:00 Uhr vermittelt, und gleich werde ich den knapp 20 Teilnehmern als “Berliner Praktikant” vorgestellt. Das habe ich jetzt schon öfter wahrgenommen, und eine meiner beiden 52-jährigen Augenbrauen zieht sich ungewollt hoch. Ich gebe den wirklich ausgesucht freundlichen Tipp, dass “Hospitant” einfach besser passt. Innerlich denke ich daran, dass mein letztes Praktikum, was ich im Rahmen des Studiums auch schon im gesetzteren Alter genossen habe, mindestens 20 Jahre zurückliegt. Man folgt mir, und mit Aufzeichnung dieser Zeilen hat sich meine präferierte Definition hier auch durchgesetzt.

Es wird ernst und wir bekommen theoretische Grundlagen via Beamer und PowerPoint vorgestellt. Diese sind gut aufbereitet und haben definitiv die Möglichkeit, einen Erkenntnisgewinn zu kreieren. So weit ist alles in Ordnung, aber nun kommt das, was nach Aussage meines Hospitationsbegleiters “so sicher wie das Amen nach dem Gebet kommt”. Der tatsächliche Behaltenseffekt und der Erkenntnisgewinn wird auf eine praktische Probe gestellt. Es ist ein Flipchart-Blatt zur eigenen Person zu gestalten und nachfolgend in einem mündlichen Vortrag vor allen zu präsentieren. Was mache ich derzeit beruflich, was sind meine Hobbys, was erwarte ich mir von der Veranstaltung und was finde ich an meiner derzeitigen Tätigkeit gut? Nach 45 Minuten Malen und Überlegen unterbreche ich die bei der Frage nach dem Startdelinquenten aufkommende eisige Stille mit dem Angebot, man könne mich ja als Ersten filetieren. Es ist nämlich zwingend, ein unbedingt auch kritisches Feedback aus der Runde zu erhalten. Man ist mit dem Gast höflich umgegangen, und man gab mir mit den Rückmeldungen keine Gelegenheit, erröten zu müssen. Interessant war wirklich der Umstand, dass hier eine Fortbildung entwickelt wurde, die auch in diesem Beispielfall alle möglichen Berufsfelder und unterschiedlichste Eingruppierungen geeint hat. Von Feuerwehrleuten über Standesbeamte bis hin zu Gärtnern und Sekretärinnen, ja sogar bis hin zu fremdländischen Praktikanten :-) war hier alles dabei. Durchaus gelungen, wozu auch die Moderatoren, mein Hospitationsbegleiter und seine Kollegin einen nicht unwesentlichen Beitrag geleistet haben. Zum Ende hin wurden Aufgaben zur weiteren Präsentation – verbunden mit einer Abschlussarbeit – verteilt.

Derartiges brauchte ich nicht übernehmen, da für die Ergebnisse ein magistratsinternes Prädikat vergeben wird. Obwohl: z. B. das Thema Change-Management hat mich schon etwas gejuckt. Man muss sich aber auch eingestehen, dass es in Verbindung mit der Verarbeitung der ganzen Hospitationseindrücke kaum vereinbar ist, nebenbei ein solches Thema so aufzubereiten, das man – begleitet von einem selbst erstellten Handout – auch noch erkenntnisgebend präsentieren kann. Bei der Frage aus dem Auditorium, welchen Umfang die Abschlussarbeit haben soll, antwortet mein Hospitationsbegleiter, ohne zu überlegen: WIR MÜSSEN WENIGER LESEN! Das sei Followern, die meine Zeilen aufnehmen, verziehen :-) Ansonsten erinnerte ich mich, das auch schon mal postuliert zu haben.

Mit meiner Rückkehr ins Büro wird mir ein Laptop zur Verfügung gestellt. Ich habe eine eigene E-Mail-Adresse, und weil die IT davon ausgeht, dass ich auch kabelungebunden arbeiten möchte, wäre die Mitnahme kein Problem; selbstverständlich habe ich bei vorhandenem WLAN auch in diesem Fall Zugriff auf die Arbeitsumgebung. Mit der Apparatnummer 1717 und den sich dahinter verbergenden Kolleginnen und Kollegen konnte ich alle meine technischen Fragen klären, und in jedem Austausch verstanden sie sich bisher als Dienstleister. Mit einem Lächeln wurde das leicht defekte WLAN-Kabel ausgetauscht, und mein Dankeschön wurde mit einem “Paast scho, nich dafür!” quittiert.

Zum Feierabend begebe ich mich in eine empfohlene Osteria und bestelle eine vegetarische Pizza. Geschmacklich wirklich toll, aber die Größe ist für eine Person gewollte Überforderung. Man hatte mich zurecht vorgewarnt – das sei von den Portionen her eher etwas für Jüngere, aha –, ich war der Herausforderung nicht gewachsen. Mein Klagelied beeindruckte den Kellner in keiner Weise. Er kennt angeblich auch viele, die aufessen.

Der Abend gestaltete sich, wie bisher oft, sehr entspannt mit dem Laptop. Bei wohligen Temperaturen die Tagesnotizen in Prosa gießen.

Mittwoch, 16. September 2020

Ich kenne nun die Einfahrt des Parkhauses und freue mich schon jetzt über meine teure Parkhausentscheidung. Es ist bei der Linzer Parksituation wirklich gut zu wissen, immer in der Nähe des Ziels parken zu können.

Der Arbeitstag ist heute eher ruhiger Natur, zumindest für mich. Ich lerne neue Mitarbeiterinnen kennen, die Anfang der Woche noch im Homeoffice waren. Ich beginne mich wieder vorzustellen und erfrage die jeweiligen Tätigkeitsbereiche. Darauf sollte man wirklich vorbereitet sein: Ich kann gar nicht zählen, wie oft ich mich und meine Arbeitsaufgaben bisher beschreiben musste. Ich übertreibe nicht, wenn ich schätze, das schon jetzt mindestens 20 Mal getan zu haben.

Neben Gesprächen über Beschreibungen von Arbeitsplätzen und meine Einsichtnahme in ein entsprechendes Skript kommen wir auch dazu, über Geburtstagsregelungen und Dienstbesprechungen zu reden. Anfang des Jahres wird ein Lostopf mit allen Namen der Beschäftigten in der Arbeitsgruppe gebastelt. Jeder zieht ein Los und verpflichtet sich, dem Jubilar zum Geburtstag oder zum nächstmöglichen Termin danach etwas zu essen für die Arbeitsgruppe zu organisieren. Dafür ist nichts festgelegt, das können Kuchen, herzhafte Speisen oder auch gekaufte belegte Brötchen sein. Für Getränke sorgt immer die Abteilungsleitung, und gereicht wird alles, von Wasser über Säfte bis hin zu Sekt. Dienstbesprechungen finden wöchentlich statt. Protokoll wird nicht geführt (das wäre eher nicht meine Variante).

Zum Feierabend bitte ich meinen Gegenüber: “Sag mir mal bitte, was ich heute wo esse!” Ich werde zu einem kleinen Lokal mit vietnamesischer Küche geschickt. Es schmeckt ausgesprochen gut und ich komme nach meiner nunmehr regelmäßigen ca. halbstündigen Autofahrt satt und zufrieden in meiner Unterkunft an.

Und heute ist es da, mein schönstes Hospitationsgeschenk: Akku und Ladegerät meines Fahrrades stehen schon auspackbereit zu meiner Verfügung, und unter den prüfenden Blicken weiterer Gäste wird das E-Bike wieder zum E-Bike gemacht.

Neben den Aufzeichnungen kommt man abends auch mal wieder zu Dingen, die im normalen Alltag regelmäßig zu kurz kommen: z. B. Lesen. Mich beschäftigen derzeit zwei Bücher parallel: “Mossad”, ein Sachbuch über den israelischen Geheimdienst, dem es nach meiner Ansicht erheblich an Objektivität fehlt und das daher nur bedingt weiter zu empfehlen ist, und “Jagd auf El Chapo”, ein Buch über das Drogenkartell und die Jagd auf Joaquín Archivaldo Guzmán Loera, dem Drogenboss, der 2017 an die Amerikaner ausgeliefert wurde. Seichte Lektüre bekommt man gut weggelesen.

Donnerstag, 17. September 2020

Geweckt werde ich durch trockenes Gewitter, auditiv nicht stärker als in Berlin und Umland, optisch aber nach meiner Wahrnehmung erheblich intensiver. Ich stehe gegen 5:45 Uhr ablaufbereit vor meiner Unterkunft und drehe unverrichteter Dinge wieder um. Das flößt mir doch zu viel Respekt ein und ich beschließe, das Laufen für heute zu lassen.

Die heutige Herausforderung ist, vor 8:00 Uhr im Magistrat zu sein. Meine Gastgeber machen mir zu Lasten meines normalen Frühstücks eine “Jause” (Schnittchen oder eher halbe Brote) für unterwegs. Die erste nehme ich im Auto zu mir, und nur mühsam ist ein normales Abbeißen möglich, welches Ober- und Unterbrot mitsamt der Belegungspalette erfasst. Ich wurde offenbar beobachtet, wie ich Wurst und Käse auf die Frühstücksschnitte packe, und dieses Geschmackserlebnis wollte man mir auch bei einer Jause erhalten. Es ist wirklich phantastisch, wie sich meine Gastgeber – ohne viel Nachfragen – auf meine Bedürfnisse einlassen.

Meine Hospitation wurde im Vorfeld mit Frau Brandenberger verabredet. Persönlich stand ich ihr noch nicht gegenüber, da sie mit Rückkehr aus ihrem Urlaub verhindert ist. Das führt auch dazu, dass die für heute anberaumte Dienstbesprechung via Skype angesetzt ist. Ist hier offenbar nichts wirklich Ungewöhnliches. Das entsprechende Equipment ist immer in den jeweiligen Besprechungsräumen vorbereitet und es muss lediglich noch ein Laptop (wovon in meinem Umfeld viele in Gebrauch sind) angeschlossen werden. Die Leitung ist stabil, und die Mitarbeiterschaft trägt nacheinander den aktuellen Bearbeitungsstand der aktiv gesetzten Projekte vor, bietet gegebenenfalls weitere Vorgehensweisen an und die Chefin entscheidet begründet, in welche Richtung die Weiterbearbeitung erfolgen soll. Nicht schlecht! Das ganze dauert gute 60 Minuten. Einleitend durfte ich mich noch kurz mit ihr austauschen und konnte berichten, dass ich mich gut aufgehoben fühle und dass sie sich wegen meiner dienstlichen Versorgung keine Sorgen machen muss. Das beruhigte sie; es steht für sie aber außer Frage, dass es auch mit ihr noch weiteren direkten Austauschbedarf gibt. Sollte sie den Dienstort nicht bald aufsuchen können, wird sie mir einen Skype-Termin in Outlook eintragen.

Outlook ist das hier verbindende Medium. Durch Mailaustausch und Kalenderpflege. Wer seinen Kalender nicht täglich pflegt, dem werden gnadenlos Termine eingetragen; auch ich muss aufpassen, nicht überfordert zu werden, da vom Hospitanten eine entsprechende Anpassung an die hiesigen Arbeitsweisen erwartet wird. Gelegentlich werde ich auch nicht gefragt, welche Inhalte ich heute zu inhalieren gedenke, sondern: “Hast woas in Outlook?”

Eine Mitarbeiterin aus dem Personalentwicklungsbereich möchte mich zu einem Co-Abteilungsleitungsgespräch mitnehmen. Was ist das? Wenn der Magistrat in Linz einen Problembereich lokalisiert und die Probleme sich intern nicht zügig auflösen lassen, wird zuständigen Abteilungsleiter*innen aus dem Bereich Personal und Zentraler Service (PZS) ein/e fachfremde/r Co-Abteilungsleiter*in an die Seite gestellt. Das ist kein abwählbares Angebot, und den Bedarf stellt im Regelfall nicht der betroffene Bereich fest. Auf meine Frage, ob das denn auch als Hilfe angesehen wird, kann man mich beruhigen: Natürlich ist der Beliebtheitsgrad des PZS nicht sonderlich hoch, in den tatsächlichen Ereignisfällen stellt sich aber nach ersten Berührungsängsten Normalität und gemeinsames Anpacken ein. Ist auch schon in Bereichen vorgekommen, wo es keine besetzte Leitungsfunktion gab; fachliche Entscheidungen blieben in diesen Fällen beim vorhandenen Mitarbeiterstab, lediglich organisatorische Entscheidungen und Personalentscheidungen wurden dann vom “Co” getroffen. Dabei wird die/der “Co”, so weit wie möglich, in dem Bereich auch vorübergehend verortet.

Hier wird vorher noch schnell eine geknistert und dann geht es los, Optimierungsangebote zu unterbreiten. Der Amtsinhaber der Abteilungsleitung empfängt uns und muss sofort telefonieren, in dieser Zeit erläutert mir die Kollegin die Historie und Problemlage: Die Mitarbeiterschaft war schlecht zu führen und die vormalige Abteilungsleitung hat sich daraufhin in einen anderen Wirkungskreis beworben. Zum Zwecke einer schnellen Nachbesetzung wurde sich für eine Mitarbeiterin aus dem Kreise des bereits vorhandenen Personals entschieden. Die Begünstigte fühlte den Ritterschlag nicht lange und veränderte sich ebenso zügig in eine andere Tätigkeitsrichtung. Nun ergriff ein zurückkehrendes Mitglied aus der Beschäftigtenvertretung die Chance der Herausforderung; dieser bewarb sich aber nach den ersten Vollkontakten auf eine andere Stelle mit weniger Verantwortung und geringerer Bezahlung. Der Leidensdruck war offenbar hoch. Der aktuelle Abteilungsleiter leidet noch immer, er wurde unter Zuhilfenahme zarten Zwanges motiviert, zumindest noch die Co-Abteilungsleiterin ins Bild zu setzen. Zum 1. Oktober kann er wechseln. Das Gespräch verlief im Ergebnis zielführend, wurde aber ganz klar von den unterschiedlichen Motivlagen gekennzeichnet. Meine Wissensgeberin aus dem Personalbereich wusste als Co-Abteilungsleiterin natürlich um die über den 1. Oktober hinausgehende Verantwortung, war entsprechend engagiert, und der zu bestärkende Kollege konnte den Eindruck einer Untermotivierung nicht durchgehend vermeiden.

Unter anderem kündigte sich aus einem vorausgegangenen Vorstellungsgespräch Verstärkung für diesen Bereich an, und ein dritter Kollege wurde gebeten, die Kandidatin doch noch einmal zu kontaktieren. Die Kontaktaufnahme mündete in einer Rückmeldung der Betroffenen, sie sei sich in der Bezahlung noch nicht ganz sicher, insbesondere die Stufenzuordnung wäre ihr noch unklar. Sofort wurde ein wissender Kollege aus dem Personalservice gebeten, sie zurückzurufen und ihre Unsicherheiten auszuräumen. Das geschah mit dem Ergebnis, dass die Kandidatin sich anderweitig orientiert. Probleme, die wir auch kennen.

Ob dieser dienstliche Umgang beispielhaft war, kann ich nicht einschätzen. Bisher ist aber wirklich in vielen Arbeitsabläufen auffällig, dass in den Fällen, wo es möglich ist, sofort von allen Beteiligten agiert wird. Die Frage der möglichen Nachbesetzung war ruckzuck geklärt, und noch am gleichen Tag wurde eine Veröffentlichung veranlasst.

Meine tiefergehende Nachfrage, was denn nun eigentlich den Bereich im operativen Geschäft tatsächlich zu einem Problemfall werden lässt, fördert Dinge zutage, die einen dann auch hier wieder auf dem Boden der Realität landen lassen. Grob betrachtet bearbeitet dieser Mitarbeiterkreis eingehende Belege, die unterschiedlich geprüft werden müssen, z. B. Rechnungen, Ablagesystematik oder verschiedene andere Sachen. Bisher wurde eine Weiterbearbeitung auf den eingehenden Originalbelegen dokumentiert. So weit, so gut. Das führte aber auch dazu, dass z. B. notwendige Berechnungen oder andere raumgreifende Bearbeitungen dort niedergeschrieben wurden, und jeder hatte seine bestimmte Vorstellung, wie das zu realisieren wäre. Ein Kollege nutzte z. B. für verschiedenartige Bearbeitungen verschiedenartige Stiftfarben, was für inhaltlich gleiche Dinge andere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für sich ganz anders codierten. Damit fehlten einheitliche Standards. Keiner sah beim anderen durch, und dem hier groß geschriebenen Anspruch auf Digitalisierung wurde bisher in diesem Tätigkeitsfeld auch noch nicht Rechnung getragen. Das soll sich jetzt ändern und ich frage: OK, vom bisherigen Sprachgebrauch ausgehend, wird dafür eine entsprechende Fachsoftware angeschafft oder doch eher eine Excel-Tabelle? “Schon eher die Excel-Tabelle.” :-)

Mein nächster Termin steht mit der aktuellen Abteilungsleiterin Recruiting an. Auch hier steht man kurz nach der Einführung einer entsprechenden Fachsoftware, eine Linzer Lösung, die auch nach dem Testen von rexx präferiert wurde. Die Lösung bietet mit Sicherheit nicht so viele Möglichkeiten wie rexx, hat aber einen ganz klaren Anwendervorteil: Sie ist gegenüber rexx irrsinnig schnell. Nach meinem Eindruck schneller als rexx in seinen besten Phasen. Leider hat sich meine Vortragende an dieses Tempo gewöhnt und ich muss sie regelmäßig bitten: “Kann ich das nochmal sehen?” Erstmalig fühle ich so etwas wie “lästig zu sein”. Ich brenne aber schon ein wenig für das Thema, und nachdem sie mir mit einigen meiner Fragen, auch aus der Erfahrung unserer inhäusigen Einführung von rexx, schon so etwas wie geringen Sachverstand unterstellen kann, wird es etwas informativer und sie lässt sich dazu hinreißen, mich unbedingt um Anfrage zu bitten, wenn ich noch etwas wissen möchte. Werde ich machen :-)

Ausschreibungen richten sich beim Magistrat in Linz nach dem Oö Objektivierungsgesetz; auch die zuständige Abteilungsleiterin beklagt, dass ihr die Modalitäten zu eng vorgegeben sind und sie gerne mehr Freiheiten hätte, um viele Dinge nicht so ausufernd beschreiben (veröffentlichen) zu müssen. Ich kann das nicht erkennen, in meinen Augen geht es kaum noch kürzer. Für die internen Abläufe sind die hiesige Beschäftigtenvertretungen ähnlich beliebt wie in vielen Berliner Behörden. Die festgeschriebenen Fristen werden auch im Magistrat von Linz beklagt, wobei die Beschäftigtenvertretungen lediglich zum Schluss eines Auswahlverfahrens und nicht schon vor der Veröffentlichung eingebunden sind. Ich bekomme auch einen Auswahlvermerk zu sehen (auch in der Wiederholung sehr kurz), und dieser ist unserem sehr ähnlich in der tabellarischen Auswertung. Ansonsten ist der Vermerk wirklich wesentlich schlanker. Wer wann warum nicht erschienen ist, wer absagt, wann was veröffentlicht wurde usw.: Alles kein Thema! Drei Sachen: Wer wurde zum Gespräch eingeladen, wer hat wie viele Punkte erreicht und im Höchstfall vier Sätze zum Auftritt des Bewerbenden. Ansonsten kann jeder Berechtigte auf Anfrage die kompletten Vorgänge einsehen. Das gilt für betroffene Fachbereiche wie für alle Beschäftigtenvertretungen. Da muss unser Haus hinkommen, und ich sage kühn voraus: Das werden wir auch. Die Menge der erforderlichen Ausschreibungen wird uns zwingen, und der Druck der Abteilungen muss an der Stelle hoch bleiben!

Zum Feierabend begebe ich mich auf Empfehlung meiner Gastgeber in das Da Giulio, das derzeit hier angesagteste Lokal schlechthin (sagte man mir im Nachhinein). Auf den Weg mache ich mich mit dem Rad und lockerer Bekleidung: Kurze Hosen, T-Shirt und Fahrradjacke. Ich finde diesen Laden einfach nicht und pendele immer mit meinem Rad zwischen den eigentlich zielführenden Hausnummern hin und her. Irgendwann ist es mir zu viel, und ich zeige die Visitenkarte in einem sehr, sehr kleinen Pizzaimbiss, der auch Döner anbietet. “Mussu nebedran, da isse teure Laden!” Ich wage mich näher an riesige verdunkelte Scheiben heran, die ich vorher für ein Kaufhaus oder Ähnliches gehalten habe. Tatsächlich, das ist der Gesuchte. Megavoll, edle Einrichtung, herzhafte Preise, nirgends kurze Hosen, überall hohe Hacken und faltenfreier Zwirn. Reumütig kehre ich zu meinem türkisch anmutenden Pizzabäcker zurück und schimpfend macht er mir meine Bestellung fertig. Meine Wirtin antwortete darauf angesprochen, naja, sie fand mich auch etwas _underdressed_, wollte mir aber nicht zu Nahe treten. Ich bitte um dahingehende künftige Nähe und gehe wieder lesen.

Freitag, 18. September 2020

Der Freitag wird arbeitsmäßig in Linz zumindest für den hier berichteten Tag etwas ruhiger angegangen. Da ich gestern, zum Nachmittag hin, keinen meiner Ansprechpartner mehr erreicht habe, gehe ich mit meinen Fragen heute auf alle zu.

Die Co-Abteilungsleiterin hat in der Dienstbesprechung etwas von einer Kollegin im zu betreuenden Bereich berichtet, der sie zu einem Gespräch Freitage einkreisen möchte. Sie bestätigt auf meine Nachfrage, dass es bei der Dame wiederkehrende krankheitsbedingte Abwesenheitsmuster gibt, insbesondere wird sie immer zum Wochenende hin instabil, und um ihr diese Auffälligkeiten zu erläutern, wird es ein Gespräch geben. Dass das vom “Co” gemacht wird und nicht vom Funktionsinhaber, ist aus meiner Sicht bemerkenswert. Sie wäre sogar berechtigt, eine Attestauflage auszusprechen, wovon sie aber keinen Gebrauch machen möchte. Wir sind uns insofern einig, dass es beim “Co” durch die grundsätzlich fehlende übliche Nähe etwas leichter fällt, über solche Dinge zu sprechen.

Das gestrige Angebot der Leiterin aus dem Recruiting-Bereich nehme ich sofort an und erhalte auf alle meine Fragen umgehend Antworten. Schriftlich ist sie sehr schnell und zuvorkommend und ich muss mein erstes Bild ein wenig revidieren:

1. Auch in Linz interpretieren Magistratsangestellte die Gesetzestexte nicht ausschließlich selbst. Hier gibt es auch so etwas wie Ausführungsvorschriften, die aber von inhäusigen Justiziaren erstellt werden.

2. Zu Beginn der Corona-Pandemie wurden mehrere Auswahlgespräche über Skype geführt. Das erwies sich aber nicht immer als zielführend, da vielfach die bei den Bewerbenden vorliegende Technik nicht den mindestens notwendigen Standards entsprach, um einen flüssigen Austausch zu realisieren.

3. In den Oberösterreichischen Nachrichten finde ich eine Stellenanzeige für die Leitung des Büros des Bürgermeisters. Derartige Direktor*innen-Posten sind verpflichtend immer auch in diesem Medium zu veröffentlichen und die dafür anfallenden Kosten werden auch im Recruiting-Bereich budgetiert. Darüber hinausgehende Wünsche der Fachbereiche müssen durch diese selbst finanziert werden. Also ähnlich wie bei uns.

Gesundheitshinweise im Rathaus

Was ich bei uns seltener sehe, sind Wechselschuhe bei den Herren. Hier ist das offenbar eher üblich. In mehreren Büros entdecke ich die allseits bekannten Gesundheitssandalen mit einem Fußbett aus Kork. Die Gesundheit wird groß geschrieben, aber auch niedrigschwellig gelebt und eingefordert: So steht an jedem Fahrstuhl in jeder Etage, dass es gesundheitsförderlich wäre, einfach die Treppen zu nutzen. In der Sache finde ich auch diesen Ansatz gut, überzeugt wurde ich aber noch nicht. :-) Ansonsten sind, soweit möglich, allerorten Hinweise zur Corona-Problematik bzw. Verhaltensregeln und Desinfektionsmittel.

Es geht auf das Wochenende zu – eine gute Gelegenheit, eine Flasche “pure Rebensfreude” aus dem Burgenland zu öffnen, um die Empfehlung meiner Gastgeber auch werten zu können. Sehr schöne dunkle Farbe, mittlerer Alkoholgehalt (die Spanier liegen da immer etwas höher), sehr fruchtiger Geschmack und nicht zu viel Säure. Mir ist es einfach unangenehm, wenn zu saurer Wein schon beim Trinken eine “Naht” im Rachenraum zieht.

Linzer Bierblume

Samstag, 19. September 2020

Verträglich ist er auch noch :-) Ich bekomme ein herrliches Frühstück mit zwei Spiegeleiern und sitze ca. eine Stunde über den Oberösterreichischen Nachrichten. Gute Lektüre, um sich ein wenig in die Interessen dieses Landstriches einzulesen.

Danach möchte ich mir mal in Ruhe die Einkaufsstraße von Linz ansehen, vielleicht drängt sich etwas auf, was mir zwingend das Geld aus der Tasche zieht. Fehlanzeige, nichts Verlockendes, um einen sinnfreien Spontankonsum zu rechtfertigen. Ansonsten treffe ich beim Einparken den Linzer Bürgermeister, dessen Parkplatz unweit meiner präferierten Parkplätze liegt. Wir begrüßen uns, ich kann aber nicht einschätzen, ob er sich bei den vielen Terminen an unsere Zusammenkunft erinnert. Ich suche auch nicht das Gespräch, und so gehen wir beide mit Abstand die Treppen zum Hauptplatz hoch. Auf dem Hauptplatz macht die Radlobby mit mehreren Ständen auf sich aufmerksam, und mehrfach wird via Mikrofon betont, dass sich die Radlobby parteiübergreifend engagiert.

Zwischendurch esse ich beim Stiegl ein gebackenes Hendl, naja, eher eine kleinere kulinarische Erleuchtung, aber wirklich bemerkenswert ist das Bier. Auch hier wieder nicht zu viel Alkoholgehalt, geschmacklich wieder sehr mild und was total überzeugte, war die ewig nicht sackende Bierblume. Dadurch sah das Getränk sehr lange frisch aus und so schmeckte es auch. Das mitgeführte Auto reglementierte natürlich den Konsum und schon nach einem Glas stand die Heimfahrt an.

Die Radlobby engagierte sich noch immer. Das Engagement definiert sich auch über eine kleine Demo, und mit meiner Ausfahrt aus dem Parkhaus führe ich genau das erste Fahrzeug nach dem Demonstrationszug. Und schon sind mit ca. 5 km/h Durchschnittsgeschwindigkeit in einem Auto, welches damit zu 2 Prozent ausgelastet ist, echte Heimatgefühle vorhanden. So schnell können einem auch hier Berliner Verhältnisse angeboten werden.

Hafenrundfahrt

Sonntag, 20. September 2020

Nach einem Frühstück steht heute eine 90-minütige Hafenrundfahrt an. Bei den drei Startzeitangeboten möchte ich die frühestmögliche wahrnehmen, um nicht zu vielen Menschen zu begegnen. 11:00 Uhr ist eingeplant und ich komme gegen 10:15 Uhr im Hafengelände an. Das Ticket ist gekauft, und es ist einfach herrlich zu sehen, wie zur angekündigten Schiffsfreigabe (10:50 Uhr) ca. 20 Besucher unauffällig um das Eingangsgitter schleichen, um zum Öffnungszeitpunkt den kürzestmöglichen Weg zur Zugangsbrücke zu ergattern. Gerannt ist dann tatsächlich keiner, nur erinnerte mich die Vorphase an den 7. Geburtstag meines Sohnes, bei dem die “Reise nach Jerusalem” einen Programmteil ausmachte, der ziemlich ähnlich aussah :-) Wissen muss man dabei auch, dass auf dem für alle einsehbaren Freideck nach meiner Schätzung 80 freie Plätze waren, und wir waren die Ersten.

Die Fahrt selbst war herrlich, bestes Wetter begleitete uns und in Verbindung mit einer leichten Brise konnte man bei aller zurückliegenden Anstrengung nicht verhindern, auch ein wenig Urlaubsfeeling aufkommen zu lassen. Wie immer wurden viele Zahlen aufgeliefert, hängen bleibt dabei definitiv, dass Linz mehr Industriestadt ist als man es vielleicht vermuten würde.

Zum Nachmittag hin mache ich eine Radtour nach Sankt Florian und kehre dort beim Goldenen Löwen ein. Essen war gut, die Kellnerin war aber nicht so der richtige Erklärbär: “Was sind eigentlich Grammerl?” … “Na Grammerl in Teigtaschen” … “Okay, das lese ich auch, aber worum handelt es sich bei Grammerl?” … “Können’s essen, die schmecken goat” … “Sie haben mich überzeugt, nehm’ ich.” Ich habe mich dann doch heimlich im Netz belesen und war darauf vorbereitet, etwas Schmalzartiges zu erhalten. Auch neu war eine Portion Sauerkraut in Sauerrahm, lecker, kann man essen. Was hier oft zum Fleisch gereicht wird, sind Preiselbeeren bzw. entsprechende Konfitüre.

Zum Ausgleich für die ganze Kalorienzufuhr gönne ich mir zum späten Nachmittag noch einen Teil vom Bruckner-Wanderweg und lege insgesamt gut 6 Kilometer zurück. Getroffen habe ich viele, mit Laufschuhen war ich der Einzige :-)

2. Woche

Montag, 21. September 2020

Meine heutige dienstliche Verblüffung resultierte eigentlich aus einem ganz anders gelagerten Wunsch an meinen Gegenüber im Büro. Ich wollte noch eine zweite “Co-Abteilungsleitung” begleiten. Das ist für die in diesem Fall zu unterstützende Feuerpolizei etwas anders gelagert als in der vormals berichteten Geschichte. Hier stehen weniger personelle Probleme im Fokus, organisatorischer Beistand ist erforderlich. Vorliegende Datenbestände dienen der regelmäßigen Kontrolle von Brandschutzbestimmungen an/in Gebäuden und nach Hinweisen, dass sich in den Erledigungszahlen und in der Qualität einiges im Argen befindet, gab es an meinen derzeitigen Hospitationsgeber einen Untersuchungsauftrag. Dieser ergab ablaufkritische Erkenntnisse; insbesondere befand man den Datenbestand, Wiedervorlagen und Nutzung bereits einmal erfasster Daten für verbesserungswürdig.

“Das machen wir hier in Zusammenarbeit mit der IKT alles über ELAK, kennt’s dös?” Nee, noch nie gehört! Na die elektronische Akte! Die elektronische Akte nutzt der ganze Magistrat von Linz in unterschiedlicher Ausprägung. Wenn es in der Aktenverwaltung genutzt wird, steht ganz klar fest: elektronische Erfassung sticht physischen Papierstapel. Heißt, Papierergänzungen werden bei der Bewertung von Vorgängen schlichtweg übergangen. Das erzieht notorische Papiersammler, es von Anfang an zu lassen. Ausnahmen sind (sehr, sehr wenige) Bereiche mit der Berechtigung, Hybrid-Akten (Papier und elektronisch) zu führen. Das war eigentlich nicht unser Primärthema, aber ich brenne lichterloh, das will ich live sehen. Ich muss mich ernsthaft mühen, noch einigermaßen abgeklärt zu wirken. Hat was von “mit plattgedrückter Nase am Schaufenster stehen”. Ich setze mich zum gegenüberliegenden Schreibtisch und verfolge im Hintergrund die Durchsicht von und die Einflussnahme auf Aktenvorgänge. Interessant ist, wie wirklich jeder Kram, in welcher Form auch immer, zur Akte genommen werden kann. Von Original-E-Mail (mit oder ohne Anhang) über Papier-Scan bis hin zu eigenen Aufzeichnungen und jeglicher Art von Office-Dokumenten kann alles erfasst und verarbeitet werden. Kenntnisnahmen, Mitzeichnungen, Bitte um Rückmeldungen, entsprechende Terminsetzungen … alles über ein Programm. Das Grundmenü ist für alle, die dieses Programm nutzen, gleich. Für Sozialarbeiter*innen über Personalsachbeiter*innen oder Mitarbeiter*innen in Büroleitungen – jeder, der nur in irgendeiner Form Akten bearbeitet, hat über das ganze Haus hinweg die gleiche grundsätzliche Menüführung. Vielleicht ganz schwach mit dem Dateiexplorer in unserem Hause vergleichbar: Alle wissen, wie es geht, nur die Zugriffe sind unterschiedlich berechtigt. Individuell werden die “Akten” dann in ELAK den jeweiligen Bedarfen und Zugriffsberechtigten angepasst. Abbildbar ist dann auch ein Prozess der Bearbeitung. Ich habe noch nichts Vergleichbares gesehen, und ich muss vorsichtig sein, mich nicht zu sehr zu begeistern, auch um nicht leicht entrückt zu wirken :-) Über diese Stufe ist mein Kenntnisgeber schon lange hinweg, er findet toll, dass man hier so wunderbar suchen kann. Aha, das also auch.

Die Individualität für die einzelnen Bereiche definiert sich insbesondere über unterschiedlichste Formularfelder, die abhängig von den jeweiligen Anforderungen befüllt werden müssen. Hier hakt sich der zur Überprüfung der Prozesse Beauftragte ein. Für die Feuerpolizei bedeutet das nach Ende der ersten Prüfungen, dass Begehungsprotokolle nicht mehr händisch ausgefüllt an eine Kanzlei weitergegeben, sondern vor Ort selbst mittels Laptop erstellt werden. Darüber hinaus bekommt ELAK für diesen Aufgabenkreis eine Excel-Anwendung, die die vorhandenen Daten für unterschiedliche Erhebungen aufbereitet, um jeweilige Führungsebenen schnell und gezielt für die Regieentscheidungen zu unterstützen. Von einem Datenschutzbeauftragten weiß man, der tritt aber eher zurückhaltend in Erscheinung. Ach so, für die benannte Excel-Anwendung wurden lediglich Anforderungen formuliert; die softwareseitige Umsetzung hat die IKT (Informations- und Kommunikationstechnologie) realisiert. Ich weiß gar nicht, ob unsere IT für Excel überhaupt so gut aufgestellt ist. Ich kenne nur Software-affine Mitarbeiter in eigentlich IT-fernen Bereichen. Falls eine wann auch immer auftretende Frage – aus welchen Gründen auch immer – an mir mal vorbeigeht, es sollen alle wissen: ICH MÖCHTE WIRKLICH DABEI SEIN, WENN DERARTIGE PILOTPROJEKTE VERTEILT WERDEN. Hier darf ich dabei sein und den Probebetrieb begleiten :-)

Meine Eindrücke verarbeite ich nach Feierabend im 2Raum, bei einer Vorspeise für knapp 16 Euro. Das fand ich schon wieder so unangemessen, dass man das unbedingt mal probiert haben musste. Tatar in einer für mich ungewöhnlichen Art (mit viel Gemüse und einem Wachtelei) serviert, aber der Aufwand und der tolle Geschmack rechtfertigte den ambitionierten Griff ins Portemonnaie. Die aufgetischte Menge war schon wieder vorspeisennah, daher konnten noch drei Kugeln Snickers-Eis die abendliche Mahlzeit abrunden.

Ich freue mich auf morgen, der Terminkalender ist voll …

Dienstag, 22. September 2020

Heute bahnt sich mal wieder eine kleine Informationsflut an, und ich nehme entsprechend hochmotiviert meinen Arbeitsweg auf. Grundsätzlich stehe ich neuen Dingen immer sehr aufgeschlossen gegenüber, aber während meiner Fahrt ziehe ich auch einen gedanklichen Vergleich zu Urlauben. Die erste Woche ist immer spannend für alles, was es gilt, unbedingt als Grundlageninformationen zu wissen. In der Folgezeit ist es dann aber auch sehr beruhigend, auf fremdem Terrain kleine Routinen entwickelt zu haben. Genau so fühle ich mich im Moment auch. Meine Grundbedürfnisse sind einfach zu decken, ich kenne meine grundsätzlichen Ansprechpartner und finde mich in Linz und Umgebung so zurecht, dass ich meine angesteuerten Ziele finde.

Zu 9:00 Uhr wird es ernst. Unser Bereich Personal und Zentraler Service wurde gebeten zu prüfen, ob dem Bereich Stadtgrün und Straßenbetreuung [unser Straßen- und Grünflächenamt (mit Verwaltung)] eine Assistenz an die Seite gestellt werden kann. Im Wesentlichen eigentlich eine Verwaltungskraft zur Unterstützung der Führungsebene, wahrscheinlich vergleichbar E9/A10, und damit die Frage nach einer zusätzlichen Stelle.

Wir setzen uns in einem Besprechungsraum zusammen, der, neben dem üblichen Anschluss für einen Laptop, auch einen normalen Besprechungstisch mit Sitzgelegenheiten, einen Stehtisch und ein Flipchart enthält. Eine Kollegin stellt den Ist-Bestand am Flipchart vor. Weit über 300 Mitarbeiter*innen für 96 km² Bewirtschaftungsfläche (Größe von Linz). Charlottenburg-Wilmersdorf hat 64 km² und nach meiner vorsichtigen Schätzung vielleicht insgesamt 230 Mitarbeiter*innen in diesem Bereich. Beim Vortrag wird wieder deutlich, dass das eine normale Arbeitsweise zu sein scheint: Vorbereitung auf Medien, die im Stehen einem (wenn auch manchmal kleinen) Auditorium vorgetragen werden. Das schult, und außer bei dem Lehrgang Verwaltungsmanagement erlebe ich hier kaum Unsicherheiten. In der Sache selbst fehlt möglicherweise ein fachlicher Input, da sich lediglich “Personaler” zusammengefunden haben. Man verständigt sich nach ca. 60 Minuten, dass für eine Entscheidung weitere Informationen notwendig sind, und es wird entschieden, wer was wo recherchiert und zu wann liefert.

Mein Anschlusstermin ist für den Besuch beim Lehrlingsmanagement gesetzt. Eine ausgesucht liebenswürdige 32-Jährige begrüßt mich einleitend: “Wir duzen uns hier alle und wir beide sind ja sowieso nicht so weit auseinander.” Ich willige natürlich sofort ein und bedanke mich artig für das versteckte Kompliment. Ob der Begrüßung bin ich auch ein wenig überrascht, da wir uns im Vorfeld schon schriftlich und mehrfach duzend auf den hier anstehenden Termin vorbereitet hatten.

In der Sache gibt Linz als städtischer Arbeitgeber ein zu umfangreicheres Portfolio wieder, als sich das auch nur ansatzweise mit Charlottenburg-Wilmersdorf vergleichen ließe. Allein 26 Berufsbilder werden zentral angeboten und aktuell insgesamt 183 Lehrlinge beschäftigt, und diese Anzahl wird im Moment noch um 61 erweitert. Davon befinden sich derzeit 10 im Projekt LEARN.fit. Das ist ein Modell, das sich über die letzten Jahre immer wieder bewährt hat: Potentielle Lehrlinge, die in irgendeiner Form auffällig waren oder sind, werden durch dieses Projekt sanft, aber zielführend an die Arbeitswelt herangeführt. Begleitet wird das von der Stadt und vom Träger, und für ein Gelingen sind natürlich der grundsätzliche Wille der Betroffenen und im besten Fall die Unterstützung der Eltern wesentliche Bausteine. Mein vormals geplanter Termin wurde seitens des Lehrlingsmanagements mehrfach verschoben und dann abgesagt, weil ein Mitstreiter im LEARN.fit-Projekt Schwierigkeiten hatte, die ihm vorgegebenen Termine für ein dringend notwendiges Motivationsgespräch einzuhalten. 14:30 Uhr wurde nach mehrmaligen Fehlversuchen vereinbart, und 16:30 Uhr kamen dann endlich alle Betroffenen zusammen. Ich tue mich mit Rücksicht auf den Einzelfall schwer, im Detail auszuführen, was für diesen Lehrling alles veranstaltet wurde, um schlussendlich das Gewünschte zu erreichen. Mit der sich langsam zur Floskel entwickelnden Aussage “man soll die Menschen dort abholen, wo sie sich gerade befinden” trifft man den Wesenskern dieses Projektes auf den Punkt. Bedenken muss man dabei aber auch: Dazu braucht es mehr als engagierte Ausbilder*innen. Ein solcher Aufwand wäre im laufenden Geschäft nicht realisierbar, und es muss die Bereitschaft dafür geben, entsprechende Ressourcen in einem zentralen Ausbildungsbereich zu verankern. Das tut Linz mit darstellbarem Erfolg, und nicht ohne Stolz konnte mir die Kollegin berichten, dass es unter ihrer Ägide aus diesem Projekt noch keinen Abbruch einer Ausbildung gab. Auf meine Frage, ob das denn nicht sehr aufreibend ist, solche Fälle zu betreuen und ob sie nicht manchmal auch genug hat, konnte sie ausführen: Persönlich gehe ihr das schon gelegentlich auf die Nerven, aber in ihrer Rolle finde sie es gut, dass diese Vorgehensweise Erfolg habe.

Erfolg spiegelt sich auch in anderen Kennzahlen. So hat sich z. B. der Notenschnitt aller Lehrlinge in den letzten Jahren um 1,5 Prozent verbessert, und für eine messbare interkulturelle Kompetenz ist die Anzahl von 18 Nationen innerhalb der hier beschäftigten Lehrlinge ein ebenso klares Indiz. Wie selbstverständlich begegnen mir auch regelmäßig zwei weibliche Auszubildende mit einem Nikab.

Zielführend ist offenbar auch die Möglichkeit, vom Arbeitgeber bedarfsorientierte Nachhilfe zu finanzieren. Eine solche Variante kenne ich bei uns nicht, wobei mein Kenntnisstand da auch nicht der letzte sein muss. Nur lese ich vielfach in verschiedensten deutschen Medien Aussagen, dass es bei Auszubildenden an diesem und jenem mangelt, und auch in meinen Ausführungen kam gelegentlich vor: “Früher waren die Ansprüche höher.” Wobei ich diese Einstellung nach meiner Fortbildung über Generationenkonflikte auch schon länger etwas kritischer betrachtete. Wir müssen unsere angeregte Unterhaltung richtig brechen, damit ich einen Folgetermin rechtzeitig wahrnehmen kann.

Frau Brandenberger möchte mich nun endlich im persönlichen Gespräch kennenlernen. Ich berichte etwas aus Berlin, betone ausdrücklich, dass ich auch während ihrer Abwesenheit bestens begleitet wurde und lasse mir ein wenig aus ihrem dienstlichen “Nähkästchen” erzählen. Ich bedanke mich für bereits (durch sie freigegebene) erhaltene Unterlagen und versuche zweierlei schon an dieser Stelle einzuflechten: Die bisher durchgehend vorhandene Bereitschaft, meinen Wünschen und Nachfragen immer offen zu begegnen, halte ich nicht für selbstverständlich und dass ich für meine Wahrnehmung doch auch an sehr vertraulichen Dingen teilhaben kann, liegt aus meiner Sicht ebenso wenig in der grundsätzlichen Natur einer Hospitation. Wie zum Nachweis fragt sie mich, ob ich an einer Zusammenkunft mit der Personaldirektorin (vergleichbar mit unserem PersL) interessiert bin, es gibt einen konkreten dienstlichen Anlass: “Ja, natürlich!”

Beim Magistrat von Linz gibt es, ebenso wie bei uns, die SAP-Software zur Personalverwaltung. Den Begriff IPV kennt man hier nicht, es handelt sich aber nach meinem Empfinden um die gleiche Anwendung, wenn auch mit einer leicht unterschiedlichen Anwenderoberfläche. Wobei sich meine wahrgenommenen Unterschiede vielleicht auch lediglich auf die Farbgebungen reduzieren, da gibt es ja in meinem Wirkungskreis durchaus auch kreative Ausprägungen :-) Im Unterschied zu unserem Haus haben hier bis zur Ebene der (bei uns) Gruppenleiter (nach meinem bisherigen Kenntnisstand) alle Zugriff auf dieses Programm, um verschiedene Personaldaten, wie z. B. Zeitkontingente, einsehen zu können. Führungskräfte beklagen aber einerseits, eben diese Möglichkeit nach ihrer Ansicht nicht zu haben oder andererseits wenig Unterstützung beim Anwenden zu bekommen bzw. mangelnde Transparenz vonseiten des zentralen Personalservices. Diese Problematik soll bei dem Termin aufgelöst werden.

Wir betreten ein modernes Büro, inklusive großem an der Wand hängenden Bildschirm und der Möglichkeit, einen Laptop vom Besprechungstisch mit diesem zu verbinden. Natürlich auch hier innerhalb der Arbeitsumgebung. Eine Kollegin schildert die, aus ihrem Blickwinkel, umfangreichen Möglichkeiten für die bisher kritischen Führungskräfte und führt via Bildschirm vor, wo sich entsprechende Handouts für die erfragten Datenerhebungen befinden.

Nach kurzem, unaufgeregten Austausch herrscht Einvernehmen, dass der bloße Hinweis auf Anleitungen wahrscheinlich nicht jedem Bedürfnis entsprechen wird und man kommt überein, intern eine entsprechende Schulung anzubieten. Dafür werden Eckpunkte festgelegt und eine Zeitschiene vereinbart – 20 Minuten, erledigt! Wobei natürlich noch offen ist, wie die Schulung angenommen wird und ob der Effekt nachhaltig ist.

Zum Abend kredenzt mir ein Linzer Grieche Gyros, mehr als satt hat der aber nicht gemacht :-)

Mittwoch, 23. September 2020

Das heutige Thema wird in meiner Vorahnung doch etwas trockener. Bewertungen von Arbeitsplätzen stehen an, aber ich bin für die Bearbeitung selbst schon etwas gespannt, in welcher Form das im Magistrat umgesetzt wird. Impuls ist (wie auch bei uns) häufig die Wahrnehmung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, dass sie höherwertige Aufgaben ausüben, und vielfach kommt auch darüber hinaus aus dem Bereich der Vorgesetztenebene gelegentlich der Wunsch, für Einzelne etwas tun zu wollen. Auch hier wird gebetsmühlenartig darauf verwiesen, dass es sich um die Bewertung von Stellen und _nicht_ von Personen handelt.

Entsprechende Ersuchen kommen über die Beschäftigtenvertretung oder sie gehen direkt in den Personalservice. Von dort wird der Kontakt mit dem Betroffenen gesucht. Das sind im Regelfall die zuständigen Vorgesetzten und die Stelleninhaber der entsprechenden Arbeitsgebiete. Mein Erstkontakt mit Bewertungen ergab in den Vortagen ja eher den Aufschluss, dass die Beschäftigung damit nicht zu sehr in eine bohrende Tiefe geht. Das gilt es noch ein wenig zu schärfen, denn aktuell zu fertigende Bewertungen nach dem bereits benannten Modell sind dann schon etwas umfangreicher, und die hier besprochene hat 6,5 Seiten. Im Bearbeiten nehmen Gespräche, Internetrecherchen, Informationen aus anderen Verwaltungen (Bundesebene), Querbetrachtungen und Plausibilitätsprüfungen Einfluss. Wobei – nach meiner ersten Einschätzung – die Erkenntnisse aus dem betroffenen Zuständigkeitsbereich nicht zwingend die argumentationsstärksten Einflüsse ausüben müssen. Beim Lesen hiesiger Bewertungen komme ich an der einen oder anderen Stelle an den Punkt, wo ich erwarte: So, jetzt kommt die _finale_ Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs … und dann endet der Absatz schon vor meiner Erwartung. Das ist ein subjektives Empfinden; mein Urteil hat da mit meinen eher punktuellen Kenntnissen auch keinesfalls maßstäblich zu sein und ist natürlich auch wertfrei zu sehen, zumal man in der Gesamtbetrachtung vielleicht auch fragen muss: Mit wie vielen Ressourcen gibt man die richtige Menge an Ressourcen für das erwünschte Ergebnis hinein? Für den Erkenntnisgewinn beschäftigen wir uns im Bezirksamt doch tiefer und damit wahrscheinlich auch in der Entscheidung nachvollziehbarer mit den zugrunde liegenden Arbeitsinhalten – was Antragsteller nicht immer zufriedener macht, aber hoffentlich für eine gewisse Transparenz und weitgehende Einheitlichkeit sorgt. Es gibt sicher nachvollziehbare Argumente für die eine sowie für die andere Variante, um zum Ziel zu gelangen.

Was den Umgang mit dem Ergebnis angeht, da lege ich mich fest, halte ich die in meinem Wirkungskreis gelebte durchgehende Transparenz für die doch tatsächlich zielführende Variante. In Linz ist es z. B. absolut unüblich, ein Bewertungsergebnis – bzw. die Grundlage dafür – in die betroffenen Bereiche zu geben, und das ist auch so weit verfestigt, dass ich für den bei uns eingeschlagenen Weg mehrfach hinterfragt werde. Natürlich weiß ich, und informiere auch entsprechend, dass es in unserem Haus nicht einheitlich so gehandhabt wird.

Zum Feierabend bin ich gewillt, meine mich umgebenden Hospitationsgeber*innen ein wenig geistig zu erholen und stelle ihnen mal eine einfache Frage: “Wie wird damit umgegangen, wenn hiesige Führungskräfte Kennzahlen zu ihrem Personal haben möchten? Zum Beispiel ungenutzte Personalmittel” … Die Antwort zitiere ich nicht, aber man gibt mir zu verstehen, dass sich alle erforderlichen Daten durch die entsprechenden Zugänge im SAP von den zuständigen Führungskräften generieren lassen. Die breitere Nutzung von SAP (IPV) hatte ich ja bereits ein wenig durch das Gespräch bei der Personaldirektorin mitbekommen, und mir wird dann noch einmal erläutert, dass man vonseiten des PZS alles Erforderliche zur Verfügung stellt und dass die Form und die Häufigkeit des Abrufs derartiger Informationen den Schluss zulassen, dass davon in nicht allzu großer Anzahl Gebrauch gemacht wird. Es ist also doch wie immer: Der Erfolg einer Maßnahme liegt nicht in der innewohnenden Zielidee – die handelnden Personen waren, sind und bleiben nach wie vor die entscheidenden Einflussfaktoren.

Bei meinen Stichpunkten finde ich unter dem hier dargestellten Tag noch ein letztes Zitat, welches ich nicht vorenthalten möchte: “Je einfacher, desto gut.” Trifft auf vieles in Linz zu, nicht aber auf Thunfischtartar aus dem Pianino. Eher: “Je aufwendiger, desto besser.” Ein wirkliches kulinarisches Highlight der noch nicht beendeten Hospitation. Da kann ich mich aber mit Sicherheit schon jetzt festlegen, weil das außergewöhnlich lecker war – für diejenigen Geschmäcker, die rohen Fisch genießen können und möchten.

Donnerstag, 24. September 2020

Gestern ahnte ich mit Bewertungen ein etwas trockenes Thema voraus und wurde eigentlich weniger stark darin bestätigt. Heute möchte ich der 44. Sitzung des Gemeinderates beiwohnen, und ich wünsche mir für diesen Teil des Tages eine ähnlich gelagerte _falsche_ Erwartungshaltung. Ich halte mich für politisch interessiert, empfand solche Sitzungen dann aber oft als sehr zäh.

Vorher gilt es noch einem Jour fixe beizuwohnen.

Geklärt werden muss, wie mit Risikopatienten umgegangen wird, die in KiTa-Bereichen arbeiten. Für andere Bereiche ist es ähnlich wie in unserem Haus, und die Verantwortung liegt eher dezentral; für die KiTa-Bereiche soll aber eine generelle Lösung gefunden werden. Hintergrund ist, dass es nach hiesiger Einschätzung auch mit allen erdenklichen Vorsorgen nicht möglich ist, den Risiken in diesem Tätigkeitsfeld angemessen zu begegnen. Zunächst werden Ideen zusammengetragen, die aus allen Teilen des Hauses an den Zentralbereich gemeldet wurden. Anbieten würden sich insbesondere umfangreiche Fleißarbeiten, die mittels Dienstlaptop oder unter Zuhilfenahme privater IT-Umgebung realisiert werden können. Verbunden sind damit umfangreiche logistische und organisatorische Hürden, deren Überwindung ich wahrscheinlich nicht mehr live erleben werde. Die Thematik wurde in naher Vergangenheit bereits mehrfach besprochen, es liegt aber in der Natur der Sache, dass das nur in kleinen Schritten umsetzbar ist.

Im Haus werden für die Organisationsbereiche Gesundheitszirkel angeboten, und auf Grund der Präsenz dieses Themas erfrage ich, ob das ein abwählbares Angebot ist. Einer solchen Frage musste man sich bisher nicht stellen, und tendenziell würde man einem solchen Ansinnen eher ablehnend gegenüberstehen. Nachstehend die magistratsinterne Beschreibung:

_“Gesundheitszirkel sind innerbetriebliche Arbeitskreise, in denen sich die MitarbeiterInnen eines Betriebes mit ihren Arbeitsbedingungen auseinandersetzen. Unterstützt und moderiert wird er von ausgebildeten GesundheitsmoderatorInnen. Ziel dabei ist das Thematisieren und Erkennen von gesundheitlichen Herausforderungen. Bearbeitet werden sowohl technische oder organisatorische Probleme als auch soziale und psychische Belastungen. Gesundheitszirkel sind lösungsorientiert und stärken ein Team generell. Verbesserungsvorschläge werden in einem Maßnahmenkatalog angeführt und deren Freigabe erfolgt durch den Arbeitskreis Gesundheit. Gesundheitszirkel können in verschiedenen Formen und zu verschiedenen Schwerpunktthemen geführt werden.”_

Im konkreten Fall sind Rollen zu verteilen und Ansprechpartner zu lokalisieren. Ziel ist, im Vorfeld entsprechende Zuweisungen von Personen umzusetzen, damit der Fokus in den folgenden Runden ausschließlich beim Thema Gesundheit bleibt. Man möchte das Kernthema in diesem Fall nicht durch Auswahlfragen (wer will was wann machen?) und den damit regelmäßig verbundenen verschämten Pausen unterbrechen. Vorgesetzte sind Bestandteil des Zirkels, übernehmen aber keine Rollen. Zum hier benannten Jour fixe gab es aber lediglich Ideen zur Besetzung und keine Entscheidungen.

14:00 Uhr rückt näher und ich begebe mich in Richtung neues Rathaus zur Gemeinderatssitzung. Schon die Länge der Tagesordnung deutet auf eine zeitaufwendige Veranstaltung hin. Ich kann mir aber trotzdem eine positiv besetzte Neugier erhalten. Der Zutritt wird – auch aus Corona-Gründen – Publikum, Presse und Gemeinderatsmitgliedern getrennt gewährt. Pünktlich geht es los. Nach üblichen Begrüßungsformeln beschert mir schon die Antwort auf die erste Anfrage an den Bürgermeister Luger ein kleines Déjà-vu und die Erinnerung an die eine oder andere Anfrage in unserem Hause, für deren Beantwortung ganze Organisationseinheiten sich selbst lahmlegen müssen, um einigermaßen seriöses Datenmaterial aufliefern zu können. Es liegt nämlich in der Natur solcher Anfragen, dass diese leider sehr oft ein Leerfeld in den eigentlich vorgehaltenen Datensammlungen treffen. Ich liege nicht falsch; Herr Luger bittet für künftige derartige Anfragen um entsprechende Sensibilität für die eigentlichen Aufgaben in diesem Tätigkeitsbereich, zu deren Lasten die Zuarbeit für die Beantwortung gegangen ist.

Im weiteren Verlauf versuche ich die lokalen Probleme mit den einzelnen Tagesordnungspunkten nachzuvollziehen, aber es gelingt mir zunehmend weniger. Irgendwann bin ich nicht unglücklich, als Zuschauer in der letzten Reihe, nah bei der Tür, zu sitzen und ich entziehe mich leise einem weiteren Input. Gegen das milde schlechte Gewissen hilft auch, dass noch eine Zuarbeit in meinen heimischen Wirkungskreis ansteht :-) … natürlich nicht ohne vorher in der Schlosstaverne Ebelsberg ein Beef Tatar gegessen zu haben.

Freitag, 25. September 2020

Die zweite Woche neigt sich dem werktäglichen Ende, und es gelingt meinem dienstlichen Umfeld noch immer, mich mit der einen oder anderen Antwort auf meine Fragen, die sich oftmals aus einfachen Gesprächen heraus ergeben, zu überraschen.

“Welches Beurteilungssystem nutzen Sie eigentlich?”

Darauf führt meine Ansprechpartnerin aus: Beim Magistrat von Linz gab es immer wieder Probleme, einen einheitlichen Beurteilungsmaßstab zu implementieren. Problem war hier weniger, bestimmten Prädikaten Leistungsmerkmale zuzuordnen, sondern vielmehr die unterschiedliche Messlatte der Beurteilenden, was in vielen Tätigkeitsbereichen zu kaum vergleichbaren Prädikatszumessungen führte. (Und? Bis hierhin doch auch schon mal irgendwie erlebt bzw. gehört, oder? :-) Die Lösung ist in Linz einfach wie verblüffend: Es gibt nur zwei Prädikate: 1. “entsprechend geeignet”, 2. “nicht entsprechend geeignet” – und in Auswahlverfahren zählt im Gegensatz zu unserer Vorgehensweise insbesondere der persönliche Eindruck. Dementsprechend sollen auch die Bewerbungsunterlagen aussehen, regelmäßig genügt die von mir etwas überspitzte Aussage: “Bin interessiert!”. Nun könnte man ausführen, dass das vielleicht nur zu bedingt treffsicherer Personalauswahl führt. Hinterfragen muss man aber auch: Sind andere Systeme treffsicherer? Kann in vielen Fällen noch von einer Auswahl (aus einer Vielzahl von Bewerbenden) gesprochen werden? Natürlich ist mir bewusst, dass unsere rechtlichen Rahmenbedingungen einen derartigen Ansatz aktuell kaum zulassen, davon unbenommen ist er aber zumindest bemerkenswert.

“Wie gehen Sie mit Nachbesetzungsproblemen um?”

Ja, es gab Nachbesetzungsprobleme, die sich aber in letzter Zeit auf Fachkräfte, wie zum Beispiel Ärzt*innen oder Ingenieur*innen reduzieren. Der Phase, in der es auch im Verwaltungsbereich an sich Probleme gab, die Vakanzen zeitnah neu zu besetzen, begegnete man mit Pragmatismus. Die Ausschreibungen wurden immer generalistischer. Man suchte nicht mehr Mitarbeiter*innen für die Aktenbearbeitung im Sozialamt, Mitarbeiter*innen für die Grundstücksverwaltung im Straßen- und Grünflächenamt oder Mitarbeiter*innen im Personalservice, nein, man suchte fortan nur noch Mitarbeiter*innen für Verwaltungstätigkeiten im Magistrat, entweder mit Abiturniveau oder MSA-Niveau. Habe ich alles in der Theorie schon einmal gehört, umgesetzt erlebe ich das aber erstmalig. Und es scheint mit der nicht unwesentlichen folgenden Regelung auch gut zu funktionieren: Nach Eingang aller Bewerbungen trifft man eine Auswahl inkl. großzügig bemessener Nachrücker*innen und gibt diese in die Beschäftigtenvertretungen, um einen Vorratsbeschluss herbeizuführen. Vorratsbeschluss heißt hier, Nachrücker*innen können bis zum Ablauf eines Jahres für nächstfolgende Vakanzen, ohne erneutes Ausschreibungsverfahren und ohne Beteiligung der Beschäftigtenvertretung, eingestellt werden, soweit diese noch zur Verfügung stehen. Unter den verbliebenen Kandidaten können suchende Fachbereiche dann, nach einem Gespräch, frei wählen. Ein Vergleich hinkt trotzdem noch ein wenig, da es beim Magistrat eine andere Recruitinghistorie gibt. Wir stellen uns im Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf zunehmend zentraler auf, und hier beginnt man erst jetzt, gelegentlich betreffende Fachbereiche mehr einzubinden. Das kannte man vorher nicht, der Recruiting-Bereich war immer zentral angesiedelt. Man fremdelte eher damit, nun auch noch Fachlichkeit intensiver zu beteiligen. Insofern erbrachte diese bisher gelebte Entscheidungskultur auch den wahrscheinlich entscheidenden Rückhalt für einen solchen radikalen Umschwung.

Die abendliche Sättigung überlasse ich chinesischer Küche in einem hiesigen Einkaufstempel, der nicht nur namentlich mit “Passagen” an in Berlin und Umfeld bekannte Ladenquetschungen erinnert. Auch geschmacklich treffen die freundlichen Beschäftigten den Mainstream.

Samstag, 26. September 2020

Regen satt. Es schüttet ohne Ende, und auch wenn es die Natur nach Aussage vieler Inländer tatsächlich braucht, Sonnenschein und 25 Grad waren jetzt auch nicht so unerträglich.

Nach einem ausgiebigen Frühstück und dem Überblick aus den Oberösterreichischen Nachrichten raffe ich mich – zum frühen Nachmittag hin – zu einem Besuch von Steyr auf. Fast menschenleer, was man bei den genannten Umfeldbedingungen dann aber auch nicht mehr so richtig genießen konnte, und der Gasthof Mader soll mit seinen hier sehr beliebten Schwammerl (Pfifferlingen in Rahmsoße) einen Lichtblick setzen. Für meinen Geschmack etwas zu schwammelig :-) Mir fehlt ein wenig der Biss und ich begebe mich nach einem ca. 90-minütigen Stadtspaziergang und dem Restaurantbesuch etwas antriebslos zurück in meine derzeitigen vier Wände. Dort angekommen lese ich alles Angefangene zu Ende und lasse mich vom Fernsehprogramm ein wenig unterhalten.

Sonntag, 27. September 2020

Frühstück mal anders: Gestern Abend gab es in meiner Unterkunft offenbar Freundinnenbesuch für meine Wirtin, der überwiegend in der großen Küche abgehalten wurde. Die bis in die Nacht anhaltende Zusammenkunft erbrachte kulinarische Kostbarkeiten, die es zu vertilgen gilt, und ich darf heute morgen alles einmal durchkosten. Die Frische der Zutaten ist wirklich erfahrbar, und mit jeder Probe legt sich ein intensives und leckeres Geschmackserlebnis auf die dafür verantwortlichen Nerven. Für Brot, Obst oder Joghurt bleibt kein Raum, mehr geht zum Frühstück nicht, und ich muss die sonst selbstverständlichen Teile für diese Mahlzeit dankend stehen lassen.

Für heute konnte ich meine Gastgeber überzeugen, mit mir zusammen die Hafenrundfahrt zu machen. Ich hatte diese ja schon einmal genossen, aber das Wetter war nach gestrigem Regen einfach so einladend, dass es auch für eine Wiederholung lohnenswert aussah. Für Linzer ist es offenbar ähnlich wie für viele Berliner, heimische Sehenswürdigkeiten und Highlights der Umgebung werden im Regelfall nur zusammen mit auswärtigem Besuch wahrgenommen.

Danach konnten sie mir noch ein wenig die Linzer Innenstadt näherbringen und die eine oder andere von mir noch nicht wahrgenommene Sehenswürdigkeit erläutern.

Abgerundet wurde der Ausflug auf Empfehlung meiner lokalen Stadtführer in den Stadtkirchner Hofstuben. Ich bestellte eine sehr leckere Fischvariation, wobei neben dem sehr gut zubereiteten Fisch insbesondere auch der etwas süßlich abgeschmeckte Blattspinat überzeugen konnte.

Wir freuten uns, gemeinsam den Tag verbracht zu haben, und zum Abschluss bin ich bei meinen hier als Mostbauern bekannten Gastgebern eingeladen, selbstgebrannten Obstler, Birnenschnaps und Nusslikör zu verkosten. Meine frühe Müdigkeit resultierte wahrscheinlich nicht nur aus der heutigen umfangreichen Sonne und Frischluft :-)

3. Woche

Montag, 28. September 2020

Heute passiert es endlich, ich habe mich wirklich darauf gefreut und kann nun bei Auswahlgesprächen für eine/einen Gärtner*in teilnehmen. Ungefähr 700 Autokilometer voneinander entfernt, noch nie vorher besprochen und doch verdammt ähnlich. Ein paar Fragen; ein paar Antworten; unterteilt in Fach- und Sozialkompetenzen; eine Moderation mit Fachkompetenz an der Seite; Punkte werden vergeben; alle liegen nah beieinander und nach 30 Minuten ist alles vorbei.

Der Unterschied ist dabei lediglich weniger Formalismus in Linz. Die bei uns zugrundeliegenden Anforderungsprofile sind weitaus spezialisierter und umfangreicher, daraus ergeben sich für unsere Gespräche vielfach detaillierte Fragestellungen. Hier gibt es keine so detaillierte Grundlage, und damit sind die Fragestellungen einerseits offener und andererseits auch einfacher. Es gab aber auch den Hinweis, dass die Auswahlkriterien bei höher dotierten Ausschreibungen anspruchsvoller sind.

Ich begleite einen Recruiter, der seit ca. 25 Jahren in Amt und Würden ist. Wir laufen nach dem Auswahlgespräch vom Neuen Rathaus zum Alten Rathaus über die Nibelungenbrücke in Linz, die die Stadtteile Innenstadt und Urfahr verbindet. Neben der Freude, dass es auch trotz so großer Entfernung und über Landesgrenzen hinweg doch so ähnlich abläuft, können wir auch ein wenig auf die Historie des Linzer Magistrats zurückblicken und er weiß Interessantes zu berichten. Der in meinen ersten Aufzeichnungen erwähnte moderne Baustil hinter der altehrwürdigen Fassade des Alten Rathauses verbindet drei vormalige Häuser miteinander, und von außen erweckt es noch immer den Eindruck drei einzeln abgetrennter Gebäude. Die Entwicklung dahin begann aber zum Zeitpunkt seiner Anstellung beim Magistrat dann doch eher vorsintflutlich. Damals stellte man in den Büros tatsächlich Kohleeimer auf, und die Magistratsmitarbeiter betätigten sich nebenbei noch als Heizer, indem sie die in den Büros stehenden Öfen noch selbst bestückten. Da möchte ich eine Lanze für unser Bezirksamt brechen; ich begann 1994, auch schon 26 Jahre her, ich erinnere aber schon damals Zentralheizung :-) und erste Computer. Objektiv betrachtet um so bemerkenswerter, welchen Weg der hiesige Magistrat hinter sich gebracht hat. Man kann keinesfalls behaupten, dass sich diese Behörde nicht in vielen Bereichen auf der Höhe der Zeit befindet.

An unserer eigentlichen Wirkungsstätte angekommen, kann ich noch anhand von Beispielunterlagen zeigen und erläutern, wie wir uns in Charlottenburg-Wilmersdorf aufgestellt haben. Die dafür zuständige Abteilungsleiterin lässt sich von dem Umfang des einen oder anderen Auswahlvermerks zu der Bemerkung “So viele Seiten sind tatsächlich ein Wahnsinn” hinreißen. In Linz gab es 2019 insgesamt 214 Auswahlverfahren, und bei erfolgloser Ausschreibung wird der Vorgang für eine erneute Ausschreibung kein zweites Mal gezählt. 16 Stellen mussten mehr als einmal ausgeschrieben werden, besetzt wurden dann aber irgendwann alle.

Die bereits berichtete (schon immer gelebte) starke zentrale Ausrichtung des Recruiting wird von allen Seiten zunehmend in Frage gestellt, und die fachlich zuständigen Bereiche drängen derzeit vehement auf mehr Mitsprache und Einfluss. So wie es augenblicklich aussieht, werden sich die Befürworter einer dezentralen Ausrichtung durchsetzen, zumindest sind relevante Entscheidungsträger vom – hier festgestellten notwendigen – Wandel überzeugt.

Abends werde ich erstmals zum kulinarischen Wiederholungstäter und wage mich noch einmal an Pizzagrößen für Jüngere. Ich versuche es erst gar nicht und schneide von Anfang an den Rand großzügig ab, um mich ausschließlich auf den Geschmack zu konzentrieren. Gelingt :-)

Dienstag, 29. September 2020

Meine Gastgeber sind wirklich rührend. Wahrscheinlich fällt auf, dass ich allmorgendlich nach zwei Wochen noch immer ähnlich erschöpft vom Laufen zurückkehre. Eine Steigerung meiner Fitness ist nach außen nicht erkennbar. “Soll ich Ihnen nicht mal etwas machen, was ich mir immer so für den Tag über mitnehme?” fragt meine sportliche Gastgeberin. “Ja, gerne!”

Das Frühstück ist ja wirklich immer sehr gut zubereitet, und gestandene Zehnkämpfer hätten wahrscheinlich Mühe, ein solches Frühstück selbst bei Wettkämpfen kalorisch zu verbrennen. Ich lasse mich mit dem heutigen Morgen auf das gesunde Experiment ein und bereue nichts. Werktags gibt es ausschließlich Müsli-, Obst- und Gemüsenahes und am Wochenende wieder Zehnkämpferfrühstück :-)

Schon die erste gesunde “Jause” ist sehr lecker, und mein Gegenüber im Büro ist mit mir zusammen beim Auspacken begeistert, mit welch erkennbarer Mühe das alles zubereitet und vorbereitet wurde. Selbst Löffel, Gabel und Serviette sind dabei …

Vortrag zum Thema Verwaltungsmanagement und Unternehmenskultur

Fachlich gibt es heute den zweiten Teil des Kurses zum Verwaltungsmanagement. Unternehmenskultur wird vorgetragen. Einleitend werden alle gebeten, Werte – positive wie negative – mit Bezug auf die eigene Organisationseinheit und mit Bezug auf den Gesamtmagistrat zu notieren und dem Auditorium zur Verfügung zu stellen. Die Vortragende ist fast traurig, dass bei bestimmt 40 Karten kaum Negatives vorkommt. Man scheint in diesem Kurs mit seinem Arbeitgeber und seinem näheren Arbeitsumfeld offenbar zufrieden zu sein.

Von außen betrachtet schätzt man aber selbstkritisch ein, dass der Magistrat kein so positives Bild abgibt und dass das auch daran liegt, wie “Magistratler*innen” ihren eigenen Arbeitgeber empfinden und darstellen. Und wenn man in Linz und Umgebung mit magistratsfernen Personen spricht, dann begegnet man auch hier, genauso wie in Berlin, den gängigen Klischees und Vorurteilen. Es gilt, sich stetig zu hinterfragen und mit dem eigenen Handeln Einfluss auf die Unternehmenskultur zu nehmen, denn ein zentraler Satz stand stetig im Raum: “Kultur bestimmt, wie sich Menschen in Organisationen verhalten.”

Zum späten Nachmittag hin geht es in ein Haubenlokal. Der Begriff kam hier schon öfter vor, und da sich das bisher nicht aus Gesprächen erklärt hat, frage ich nach. Haubenlokal betitelt Restaurants und Gaststätten, deren Besucher sich für die gehobene Klasse halten. Das definiert sich natürlich insbesondere über die Preise. Wir rutschen gerade noch so in die Mittagsangebote und ich erhalte für einen sehr fairen Preis sehr leckeres Rindfleisch mit Nudelklößchen. Die Suppe meines Gegenübers wurde spannend aufgetan. Ihm wurde eine Schüssel serviert, deren Grund mit einem Kunstwerk aus Fisch und Gemüse bedeckt war, und erst nachdem ihm erklärt wurde, was er vor sich sieht, wurde die Suppenflüssigkeit aus einer offenen Kanne hineingegossen.

Mittwoch, 30. September 2020

…“Hätten’s Lust, heute am ‘Forum Personal’ teilzunehmen?” Eine Kollegin musste absagen, und damit wäre ein Platz frei. Ich bin der einzige Mensch im Raum, der nicht weiß, um was es sich dabei handelt, sehe aber in aufmunternde Gesichter und sage zu. “Wann beginnt das?” … 19:00 Uhr im Volkshaus Ferdinand-Markl-Straße. Frau Christine Bauer-Jelinek wird vortragen. “Geht das?” … “Ja, selbstverständlich!” Ehrlich gesagt musste ich mir die ganzen Detailinformationen noch einmal bei meinem Gegenüber abholen. Der beschriebene Dialog entspann sich mit dem morgendlichen Betreten des Büros und mir fehlte die notwendige Aufmerksamkeit, alles Wesentliche sofort zu überreißen. Erst nach und nach erkenne ich mit einer Internetrecherche die nicht alltägliche Möglichkeit, eine solche, hier in Österreich sehr bekannte Persönlichkeit kennenlernen zu dürfen. Dazu später mehr …

Superlative zu verschriften ist gefährlich. Ich gebe mir Mühe, nicht alles rosarot zu sehen, und das eine oder andere Hintergrundgespräch deutet auch auf vielleicht noch Unvollendetes im Magistrat von Linz hin. Heute bin ich aber mal ausdrücklich begeistert! Wobei das letztlich eher an der Protagonistin als am Magistrat selbst liegt: Erstmalig wird den Auszubildenden in diesem Jahr angeboten, eine hochgestellte Abteilungsleiterin aus dem Personalbereich mal so richtig auszufragen. Ca. 60 Auszubildende sitzen zunächst mehr oder weniger interessiert im Auditorium, alle haben beschriftete Zettel in der Hand, und ich denke, na ja, die sind bestimmt mit den jeweiligen Ausbildungsverantwortlichen abgesprochen, da werden wohl kaum verfängliche Fragen dabei sein.

Der Beginn ist flott und wirkt ungezwungen. Casual Business ist nicht der Kleidungsstil der Abteilungsleiterin, eher farbenfroher Blickfang bei einer Frau, die sich bereits in Altersteilzeit (Arbeitszeitanteil 60 Prozent) befindet und das erweckt schon mal die erste Neugier der Auszubildenden. Zur Senkung der einen oder anderen Hemmschwelle stellt sich die Hauptakteurin im lockeren, kurzweiligen, aber durchaus ernsthaften Stil erst einmal selbst vor. Die Frau hat wirklich etwas zu erzählen und aus jedem Teilabschnitt ihres Lebens kann man heraushören, dass sie nur an der Oberfläche kratzt und dass sie sich für den eigentlichen Sinn dieser Veranstaltung zurücknimmt, um Raum für Fragen und Austausch zu lassen. Ihre Berufsbiografie zeigte in unterschiedlichste Richtungen, und rückblickend war von Hotellerie bis Magistrat vieles dabei, was sie nach ihrer eigenen Aussage bis in das heutige Berufsleben geprägt hat. Auch Privates legt sie offen dar und als sie fertig ist, sind alle hierarchischen Mauern verblasst und die Lehrlinge nehmen die Einladung zum Fragenstellen nunmehr gerne an.

Geschlagene 70 Minuten gibt sie bereitwillig Auskunft und begegnet allen, wirklich allen Fragen offen, und sie wirkt in jeder Beziehung authentisch. An nicht einer Stelle weicht sie aus und sie schafft es, wirklich alle Zuhörer (einschließlich meiner Person) in ihren Bann zu ziehen. Mit fortlaufender Zeit gehen die Fragen auch tiefer ins Persönliche, und es kommt der Punkt, an dem ich denke, jetzt wird sie ins “Schwimmen” kommen: “Was verdienen Sie eigentlich als Abteilungsleiterin?” Während wahrscheinlich viele alles außer eine konkrete Zahl warten, benennt sie nach kurzem Überlegen einen doch namhaften Eurobetrag, betont: “netto” und bittet lächelnd darum, das auch bei der Zusammenkunft mit dem Bürgermeister zu erfragen. Das nenne ich mal souverän. Eine wirklich interessante, durchgehend glaubwürdige Persönlichkeit, die in allen Belangen überzeugte. Seitens ihrer Mitarbeiterinnen wurde sie an den Folgetermin erinnert und während sie sich mit einer kurzen Verabschiedung eilends auf den Weg machte, begleitete sie ehrlicher und lauter Beifall.

Sehr gelungen. Als ich ihr meine Wahrnehmungen in der späteren Abendveranstaltung schilderte, waren wir uns einig, eine kleine Chance versäumt zu haben. Mir hätte es als völlig Unbeteiligter Freude bereitet, nach ihrem Weggang ein Feedback von den Auszubildenden für die erste Veranstaltung dieser Art abzuholen. Das wäre mit Sicherheit positiv ausgefallen und hätte in jedem Fall zur Wiederholung eingeladen.

Nach mehrfachen Hinweisen von verschiedenen Seiten nehme ich mir heute endlich mal den Leberkas Pepi für meine Zwischenmahlzeit vor. Alle wissen, dass das nicht mehr so ganz im Trend liegt, aber Leberkäse muss man hier einmal die Woche gegessen haben. Experimente sollte ich eher nicht wagen, der normale soll die beste Versuchung sein. Die Verkäuferin säbelt ein Stück von einem riesigen Kanten Leberkäse ab und rattert in einer rasanten Geschwindigkeit die möglichen Zutaten herunter. Zwischen ganz viel Oberösterreichisch verstehe ich die Vokabel “Semmel” … Schnell funke ich dazwischen: “Ja, Semmel hätte ich gerne und scharfen Senf bitte.” Den scharfen Senf hatte mein Vordermann auch, und die schnelle Komplettierung meiner Bestellung erlöst mich von weiteren Nachfragen und die Restschlange von längeren Wartezeiten. Lecker! Mit einmal in der Woche wäre mir das aber eine zu enge Taktung.

Ausstattung für den Themenabend "Angst, Wut und Ohnmacht überwinden"

Frau Bauer-Jelinek möchte zum Thema “Angst, Wut und Ohnmacht überwinden” sprechen, ein Thema, das Führungskräften im Linzer Magistrat durch das “Forum Personal” vermittelt werden soll.

Ich bin sehr früh und kann die Vorbereitungen beobachten. Mich begrüßt ein personengebundener Stuhl mit dem pandemieüblichen Zettel zur Datenerhebung, eine Tüte mit Snacks und Getränken sowie ein Satz Stifte mit Notizblock. Darüber hinaus das Buch “Macht Wort” als Geschenkexemplar. Frau Bauer-Jelinek verteilt vor Beginn noch persönlich Info-Flyer zum Thema und zusammengefasste Pressestimmen zum hier vorliegenden Buch. Die Bühne ist hergerichtet, und nach ihrer dann doch dominanten Einflussnahme auf die Bühnenmitarbeiter bleibt nichts beim Alten. Pult, Mikro, Tisch, Beleuchtung, alles auf “neu”. Ihr Umfeld ist erschöpft, aber Frau Bauer-Jelinek ist zufrieden.

Ich bin etwas skeptisch, ob ich nach dem bisherigen Tagesprogramm noch in der Lage bin, dem Vortrag mit gebührender Aufmerksamkeit folgen zu können. Es klappt, Frau Bauer-Jelinek trägt spannend vor und man kann erahnen, dass ihr der persönliche Kontakt im Rahmen einer Vortragsreihe gefehlt hat. Die Veranstaltung ist die erste nach dem Lockdown im Frühjahr.

Gerade Corona nimmt auch noch einmal in letzter Minute Einfluss auf die Inhalte. In der abgelaufenen letzten Nacht hat sie den Themenkreis mit einer solchen Einleitung noch einmal angereichert. Ihr Buch eröffnet interessante Thesen und einen zunächst einmal lesenswerten Ansatz, um Angst, Wut und Ohnmacht überwinden zu können. Gelegentlich habe ich schon mal in die eine oder andere Coach-Literatur reingelesen und mir fällt auf, dass man auch bei diesem Vortrag wieder genau das im Kopf behält, was man sowieso schon als seine Wahrheit gespeichert hatte. Meine Urteile stützen sich zunächst nur auf den Vortrag, das Buch selbst kenne ich bis dato nur bis zum Ende des Vorwortes.

Auf dem Heimweg mache ich mir noch ein wenig über das Gesagte Gedanken und gehe davon aus, dass Christine Bauer-Jelinek mit ihrer Einschätzung unter Berücksichtigung aktueller Entwicklungen richtig prognostiziert: Das bisherige Leben war ein Geschenk, es wird nicht so bleiben.

Donnerstag, 1. Oktober 2020

Heute findet eine unregelmäßig einberufene Runde statt, die Vakanzen und ungenutztes Potenzial in Einklang bringen soll. Heißt: Unzufriedene Personalsituationen sollen sich durch Umsetzung auflösen (vielleicht so etwas wie ein Linzer ZEP für diejenigen, die sich noch erinnern).

Die Datenaufbereitung ist sehr gut, aufkommende Fragestellungen über Zuordnung oder Verortung von betroffenen Beschäftigten lösen sich umgehend auf. Entscheidend ist beim Teilnehmerkreis nicht unbedingt Entscheidungskompetenz, sondern vielmehr die hausübergreifende Kenntnis über Abläufe, Historien und sachbezogene oder persönliche Befindlichkeiten. So werden Vorschläge erforderlichenfalls umgehend verworfen oder es ergeben sich noch Möglichkeiten, die ohne das Wissen um tangierende Umfeldbedingungen kaum sichtbar wären.

Ein eigentlicher spannender Ansatz, der aber auch hier nicht dazu führt, dass alle glücklich sind. Es gibt auch in Linz Mitarbeiter*innen, zu denen einfach kein Arbeitsgebiet oder keine berufliche Umfeldsituation passen will. Eine Beschäftigung, die inhaltlich unter der aktuellen Besoldung/Entgeltgruppe liegt, ist kein Problem; eine Herabstufung erfolgt nicht, und die Betroffenen werden finanziell nicht schlechter gestellt. In die Zukunft ausgerichtet besteht aber in Einzelfällen die Möglichkeit, Einkommenssteigerungen so lange auszusetzen, bis das Einkommen dem Arbeitsinhalt entspricht. Die teilweise langen Übergangszeiten sind dann so etwas wie Arbeitserprobungen.

Und was passiert mit dem dann verlassenen Arbeitsgebiet? In der Arbeitserprobung fließt ja auch Geld. In Linz besteht die Möglichkeit, das Personalbudget um 2 Prozent zu “überziehen”. Unter Ausnutzung dieser Regelung erfolgen dann auch Doppelbesetzungen. Und wenn sich während einer Ausschreibung ein Kandidat aus den eigenen Reihen aufdrängt, wird die Ausschreibung regelmäßig ohne Probleme zurückgenommen.

Das hört sich bis auf Einzelfälle ziemlich schlüssig an, mir fehlt aber noch etwas: Wollen die Betroffenen das überhaupt immer? Soweit ich das bisher wahrgenommen habe, kann der Impuls ja auch von Vorgesetzten kommen. Meine Nachfrage ergibt etwas unverständliche Blicke. Ja, gelegentlich muss auch mal überzeugt werden, aber es soll ja helfen. So will man verstanden werden, und so wird es im Regelfall auch akzeptiert. Auf jeden Fall hat man hier nicht die Sorge, für jede zweite Umsetzung anwaltliche Schriftsätze zu erhalten.

Das Restaurant Nepomuk steht noch unabgehakt auf meiner Empfehlungsliste, und als meine Gastgeber erfahren, dass ich dort heute hinfahren möchte, bekomme ich Grußaufträge mit. Ich finde es peinlich, mit Betreten des Lokals Grüße auszurichten und teile erst einmal mit, dass ich alleine bin, und ja, ich möchte auch etwas essen. “Hm, naja, in einer Stunde müssen sie aber fertig sein” … “Ja, auch das.” Ich werde außer Sichtweite platziert, und Weingläser sowie das Menübesteck für mehrere Gänge wird umgehend mitsamt Stoffserviette abgeräumt. Dafür erhalte ich Messer, Gabel und eine Papierserviette. Kein Onboarding, welches sich wie eine Umarmung anfühlt. Ich bestelle ein Glas Weißwein und Eierschwammerl mit Gurkensalat. Auch mit Eiern gebratene Schwammerl sind mir zu schwammelig; der Gurkensalat war aber wirklich klasse. Bei jedem Personalbesuch bin ich ausgesucht freundlich, und mit Abräumen des letzten Geschirrs bestelle ich die bis dahin zurückgehaltenen Grüße. Herrlich, ich kann mich vor intensiver Aufmerksamkeit kaum retten, und nach diesem kleinen Genussmoment möchte ich dann doch eher zügig bezahlen …

Freitag, 2. Oktober 2020

Prozessmanagement wird als Bestandteil des Verwaltungsmanagements gegeben und ich unterstütze meinen Gegenüber bei den technischen Vorbereitungen im Neuen Rathaus. Bei der Gelegenheit bekomme ich mit, dass es in beiden Rathäusern überall “Gast-WLAN” gibt. Auch nicht schlecht.

Das Thema selbst war dann doch eher sehr sehr zäh. Dem einleitenden Fachvortrag konnte ich noch folgen, und die begleitenden Folien gaben auch einen nachvollziehbaren Input. Hingegen war der Dreier-Präsentation aus dem Auditorium schwer zu folgen. Zunehmend wurde deutlich, dass sie es selber schwer hatten, sich ausreichend mit dem Thema zu beschäftigen, was oftmals dazu führte, dass eingeworfene Fragen in inhaltsferne Diskussionen mündeten. Abschließend war man sich aber übergreifend einig, dass hier auch ein sehr undankbares Thema verteilt wurde.

Das Restaurant Zur Kanne kredenzt mir heute Zwiebelrostbraten. Nicht schlecht, das Fleisch erinnere ich aber aus vormaligen Verkostungen etwas schnittleichter :-) Zurück in meiner Unterkunft bin ich heute doch so etwas wie dankbar, dass das Wochenende ansteht.

Auf dem Donauradweg

Samstag, 3. Oktober 2020

Das Wochenende hat einen komplett sportlichen Fokus.

Ich möchte meine Laufstrecken etwas verlängern und mehr Waldstrecken ausprobieren, da mir für solche Wege in der sonst üblichen morgendlichen Dunkelheit der Mut fehlt. Auch das E-Bike soll noch einmal für ein paar längere Fahrradstrecken genutzt werden.

Das mit dem Laufen klappte, und ich lasse mir nach dem – wie immer – reichhaltigen Frühstück eine Wegstrecke zum Donauradweg über den Traunradweg erläutern. Ich sollte mit ungefähr 50 Kilometern rechnen.

Nach 28 Kilometern stehe ich wieder vor meinem Startpunkt, und nach einem kleinen Austausch ist klar, dass ich an einer Kreuzung den falschen Abzweig genommen habe. Ich lasse von meinem Vorhaben nicht ab und werde morgen einen zweiten Versuch wagen.

Abends gehe ich ins YOKO und esse Riesengarnelen. Nett angerichtet, geschmacklich nichts Sensationelles.

Sonntag, 4. Oktober 2020

Wie es dann manchmal so ist. Ein unachtsamer Moment, und schon habe ich dann doch zugesagt, meine Gastgeberin bei einem ihrer Läufe zu begleiten. Ich mochte das schon früher eher weniger, insbesondere wenn zu befürchten ist, dass man bei seiner Begleitung durch hektische Atemgeräusche auffällt.

Meine Gastgeberin findet dafür eine im Vorfeld nicht abgesprochene, aber tolle Lösung: Sie lässt sich einfach ca. 20-30 Meter zurückfallen, und ich bin dann doch fast so etwas wie für mich allein. In Kreuzungsbereichen erhalte ich Richtungsvorgaben, und nach wenigen Minuten haben wir ein annehmbares Tempo gefunden. Nach ca. 40 Minuten Bewegung in für mich unbekannten Gefilden erkenne ich eine Straßenkreuzung wieder und erinnere, dass es nach meiner Kenntnis nirgendwo steiler nach Hause geht. Vorsichtig drehe ich mich um und frage: “Nee, oder?” … “Doch, da müssen’s jetzt durch. Für die Gehirnhälften wäre noch gut, davon einen Teil rückwärts zu laufen.” Ich tue nichts für meine Gehirnhälften und muss kurz vor dem Ziel zum Normalschritt übergehen. Respekt (!), meine Begleiterin zieht lächelnd und laufend an mir vorbei. Auch mein innerer Ehrgeiz genügte nicht; weitere allein unternommene Erklimmungsversuche endeten immer mit dem gleichen Ergebnis.

Donauradweg bei Sonnenuntergang

Zum Abschluss des Wochenendes möchte ich unbedingt noch einmal den gestern nicht genommenen Abzweig des Donauradweges nehmen und Richtung Linz fahren. Insgesamt noch mal 45,6 Kilometer, die sich wirklich gelohnt haben. Das Wetter hat es auch heute wieder gut mit mir gemeint, und die gemachten Fotos erinnern mich auch ein wenig an meine Hafenrundfahrten in gleicher Umgebung.

Für Fahrradfahren in Linzer Umgebung kann man wirklich Werbung machen, und ich kann die Raddemos der Vergangenheit nicht richtig nachvollziehen. Möglicherweise war hier der reine Stadtkern gemeint. Die vielen bereits vorhandenen Radwege sind jedenfalls wunderbar.

Abends zeige ich mich noch einmal beim Goldenen Löwen, und diesmal weiß ich schon bei der Bestellung, was Grammerl sind.

4. Woche

Montag, 5. Oktober 2020

Ich nehme noch immer nicht die Stiege, trete gerade aus dem Fahrstuhl, und mein Handy klingelt kurz vor dem morgendlichen Eintritt in mein Büro: “Hallo René, gut, dich zu erreichen, du musst in Sankt Florian bleiben” … “Aha, na ich komme erst einmal rein.”

Es ist nicht zu fassen, ich bin unter Quarantäne gestellt und werde aufgeklärt: Beim Vorstellungsgespräch vor einer Woche hatte eine Teilnehmerin aus dem Entscheidungsgremium eine nunmehr nachgewiesene Corona-Infektion, und ausgerechnet ich saß als Einziger neben ihr.

Rückblickend erinnere ich auch ihren schwer angeschlagenen Gesundheitszustand, ehrlich gesagt dachte ich aber zu keinem Zeitpunkt an Corona. Etwas unentschlossen mache ich mich auf den Rückweg und versuche, meine Gedanken zu ordnen. Schon im Auto erreicht mich das Linzer Gesundheitsamt, fragt alle möglichen Daten ab und gibt klare Anweisung, Außenkontakte zu vermeiden und in meiner aktuellen Unterkunft zu bleiben. Die dortigen Vermieter sind bereits informiert, und in einem noch folgenden Telefonat werde ich weitere Instruktionen erhalten.

Angekommen treffe ich keinen meiner Gastgeber und ich rufe die offizielle Nummer an, um den Umgang mit mir zu erfragen. Ich sah mich schon hinter einer Katzenklappe Waren des täglichen Bedarfs reinziehen. Meine Gastgeberin geht auf ihrer Tagesarbeitsstelle an ihr Telefon, und ich erläutere ihr mein Dilemma. Ich möchte kein Bußgeld riskieren, niemanden anstecken, somit keinen Discounter aufsuchen und noch viel weniger weitere Restauranttests durchführen und frage, ob sie mir etwas für meine nachmittäglichen Mahlzeiten mitbringen könnte: “Quatsch, Sie essen natürlich mit uns.” Folgsam nahm ich heute überbackene Schweinemedaillons mit gebratenem Kürbisgemüse und Reis zu mir und bedanke mich am Familientisch mit der Bemerkung, dass mir nach dieser Erfahrung die Quarantäne fast zu spät kommt :-) Unabhängig von dieser flapsigen Bemerkung sehe ich natürlich auch den Ernst der Lage und mache mir Sorgen, wie das jetzt wohl weitergeht.

Schweren Herzens rufe ich in der Fachhochschule Linz an und möchte meine morgige Teilnahme an einer Veranstaltung zum Thema “Employer Branding” absagen. Als man die Hintergründe erfährt und sich meiner anhaltend guten Gesundheit versichert, eröffnet man mir die Möglichkeit einer virtuellen Teilnahme, und mit Ende des Telefonates habe ich alle Zugangslinks per E-Mail erhalten.

Über den Tag verteilt erhalte ich von allen Seiten die besten Wünsche für meine Gesundheit, und aus dem Magistratsumfeld werde ich mehrfach gefragt, was man für mich an Besorgungen tun könnte. Selbst Lesestoff wollte man mir zur Verfügung stellen. Ich kann allen sagen, dass ich hier bestens aufgehoben bin, es fehlt mir an nichts, und gesundheitlich bin ich ja bis jetzt symptomfrei. Wobei ich schon sagen muss, dass man in dieser Situation anders in sich hineinhorcht und aufpassen muss, dass man nicht Alltagswehwehchen falsch interpretiert.

Auch das Gesundheitsamt meldet sich noch einmal und erkundigt sich nach meinem Wohlbefinden durch gezielte Nachfragen. Für morgen stellt man mir einen Termin für einen Schnelltest in Aussicht. Dafür werde ich aber noch mal kontaktiert. Weitere Instruktionen gehen mir per E-Mail zu.

Dienstag, 6. Oktober 2020

Das war die Idee:

Danke, dass Sie an den 12. Public Management Impulsen am Dienstag, 6. Oktober 2020 online teilnehmen. Freuen Sie sich auf einen abwechslungsreichen und interessanten Vormittag zum Thema “Employer Branding – ist die Verwaltung attraktiv genug für (künftige) Mitarbeiter*innen?”

Die Umsetzung war gut, weil man sich für die Technik aus meiner Sicht sinnvoll aufgestellt hat. Mir war eine solche Online-Veranstaltung bisher unbekannt – überzeugt hat mich die Aufteilung des Bildschirmes, auf dem die jeweiligen Präsentationsfolien prominent dargestellt wurden, und in einem kleinen Nebenfenster konnte man den Referierenden folgen. Darüber hinaus gab es noch zwei weitere Varianten: Ein Professor aus Bern berichtet aus seinem Arbeitszimmer und ein Referent aus einem Vorlesungssaal mit Saalmikrofonen. Hier gab es noch einmal den Hinweis an die persönlich anwesenden Zuhörer*innen, dass diese Mikrofone sehr empfindlich sind, und ich kann das als Abnehmer der auditiven Informationen wirklich nur bestätigen. Ich bin mir sicher: Wenn alle sich durchgehend daran erinnert hätten, dann wären einige Geräusche vermieden worden.

Mich interessierte das Thema auch, weil ich diesen Branding-Ideen nicht allzu aufgeschlossen gegenüberstehe. Auch im Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf haben wir uns ja auf einen solchen Weg gemacht, und mir fehlt bis jetzt die Überzeugung, weil ich noch nichts Zählbares erkenne. Ich sehe das aber durchaus als ergebnisoffene Momentaufnahme und würde allen Betroffenen (also uns Mitarbeitern) wünschen, die investierten Ressourcen auch bei den Ergebnissen irgendwann wieder abrufen zu können. An meiner Zurückhaltung änderte auch die Online-Veranstaltung nichts.

Für mich reduziert es sich immer wieder auf den gleichen kleinen Punkt: Wenn Sie, wenn ich, wenn ein Großteil unserer Mitarbeiterschaft intrinsisch motiviert ist, dann tragen wir auch ein entsprechendes Selbstbild und positives Bild unseres Arbeitgebers nach außen. Diesen intrinsischen Ansatz gilt es zunächst zu stimulieren, und infolge unserer dann besseren Außendarstellung kommen auch wieder verstärkt geeignete Bewerber*innen auf uns zu. Bei den jetzigen Ideen besteht nach meinem Dafürhalten eher die Gefahr, dass wir den nach außen postulierten Vorzügen intern (noch) nicht gerecht werden (können) und damit nur bedingt glaubwürdig erscheinen.

Corona-Drive-in

15:30 Uhr bin ich zum Corona-Drive-in einbestellt. In dem entsprechenden Telefonat werde ich wieder sehr gezielt nach meinem Befinden abgefragt, und erst nach gemeinsam festgestellter aktueller Entwarnung wird der Austausch beendet. Den Termin bekomme ich inklusive Zieladresse direkt auf mein Handy geschickt. Nun ist es soweit, und ich fahre mit geschlossenem Fenster in den dafür vorgesehenen Bereich. Alles fließend, vor und hinter mir Autos, aber kein Stillstand. Mein Ausweis an die Scheibe gehalten; die Kontrolle ergibt einen Daumen hoch und ich fahre in den Abstrichbereich. Die zuständige Mitarbeiterin versenkt den Wattestab gefährlich tief, und nachdem ich mich vom Erstversuch ein wenig erholt habe, kann die zweite etwas zurückhaltendere Entnahme verwendet werden. Innerhalb von 1-3 Tagen soll ich über das Ergebnis informiert werden. Das erscheint hier insgesamt doch schon sehr strukturiert, und ich verbiete mir zu denken: Wenn symptomfreie Infektion, dann wäre das hier nicht der schlechteste Ort dafür.

Am Familientisch gibt es heute Hascheeknödel auf Wurstkraut. So etwas kannte ich bisher nicht. Es wurde Zeit, es schmeckte nämlich sehr gut.

Mostherstellung

Mittwoch, 7. Oktober 2020

Ich sortiere Papiere, versuche meine Aufzeichnungen voranzubringen und warte eigentlich durchgehend auf den Rückruf vom Linzer Gesundheitsamt. Warten beschleunigt leider nicht, sondern regt nur “Was-wäre-wenn-Phantasien” an. Völlig unnütz, und ich versuche, mich auf andere Gedanken zu bringen.

Ich erinnere, dass mein Gastgeber am vergangenen Sonntag Most machen wollte und seine bestellte tatkräftige Unterstützung nur mitteilen konnte, dass er auf Grund von Rückenproblemen nicht helfen kann. Daher fiel dieses Vorhaben aus. Mein Rücken ist eigentlich okay … Ich möchte helfen, biete meine Unterstützung an und unterstreiche auch mein echtes Interesse daran, wie man Most in diesen Mengen herstellt. Der Mann lässt sich erweichen und bietet an, sich in einer halben Stunde zu treffen. Zum verabredeten Zeitpunkt komme ich in den Innenhof, und es ist alles vorbereitet. Ein großer Bottich mit Äpfeln, die in Wasser schwimmen. Eine Zerkleinerungsmaschine und so etwas wie eine Presse, die solche Mengen auch verarbeiten kann. Mit einem eimerförmigen, großmaschigen Drahtsieb nehme ich Äpfel aus dem Bottich, und bei der Entnahme sind zu sehr angeschlagene sofort zu entfernen. Die verwendbaren gehen in den Zerkleinerer, und dieser produziert so etwas wie geraspelte Früchte. Nachdem alle Äpfel diesen Arbeitsgang hinter sich haben, wird die entstandene Masse mit einem Eimer in die Presse getan. Diese ist so groß, dass die gesamte geschredderte Apfelmenge darin Platz findet. Die Presse hat innen so etwas wie einen aufblasbaren Ballon und außen ein sehr engmaschiges Drahtnetz. Nun wird Wasser in diesen Ballon gefüllt, und der immer dicker werdende Ballon drückt die Apfelmasse so stark an das Drahtnetz, dass jegliche Flüssigkeit entweicht und in dafür bereitstehende Bottiche gefüllt werden kann. Interessant ist, dass man der Presse so etwas wie einen “Mantel” überwirft, damit die Flüssigkeit nicht spritzt und so innerhalb des “Mantels” runterfließen kann. Wir produzieren ca. 50 Liter, und die ganze Reinigung des Equipments benötigt sicher mindestens die gleiche Menge an Wasser.

Am Familientisch gibt es heute ausgezeichnet schmeckende Forelle.

Donnerstag, 8. Oktober 2020

Die nach dem Kontakt vorgeschriebene 10-tägige Frist, wovon ich tatsächlich nur vier Tage echte Quarantäne hatte, geht mit dem heutigen Tag zu Ende, und ich komme morgen letztmalig in mein Büro der letzten vier Wochen. Ich werde mich mit der hier üblichen PowerPoint-Präsentation und einem Buffet bedanken.

Zum Abend hin werde ich meine Gastgeber bitten, mich ins Da Giulio zu begleiten, und so findet der letzte Tag hoffentlich einen herzlichen Ausklang bei Pizza, Pasta und italienischem Wein.

Samstag früh geht es zurück nach Berlin, und ich freue mich aufrichtig auf alles, was mir bis vor vier Wochen privat und dienstlich vertraut war.

Epilog

Irgendwann sprach ich mal mit einer Abteilungsleiterin über Teambuilding-Maßnahmen. In einer ihrer Veranstaltungen war es Ziel, einen bereichsübergreifend verbindenden Satz für alle Teilnehmer zu finden. Der Satz kam in unserem Austausch nicht zur Sprache, aber bei Verbindendem waren wir uns einig: Egal wo wir im öffentlichen Dienst in Österreich oder Deutschland sind, wir sind eigentlich immer direkte oder indirekte Dienstleister …

… meine Gastgeber haben vor ca. zwei Jahren aus verschiedenen Gründen bewusst einen florierenden Gastronomiebetrieb aufgegeben, und als ich frage, ob sie etwas aus dieser intensiven, ja durchgehend dienstleistenden Zeit vermissen, erhalte ich zu zusammengefasst zur Antwort:

_“Bei Dienstleistung macht es Freude, Dienst zu leisten, weil das einer der wenigen Jobs ist, bei denen man vom Adressaten sehr viel mehr als die reine Entlohnung zurückbekommen kann.”_

Resümee in Fragen

Gab es einen Erkenntnisgewinn?

Definitiv (!), mit der Erfahrung kann man eigene Überzeugungen hinterfragen und an der einen oder anderen Stelle mit den hier gewonnenen Eindrücken auch mal für die eigenen Überzeugungen werben.

Was war das Beeindruckendste?

Jeder Einblick und jede (berufliche wie persönliche) Horizonterweiterung wird in der einen oder anderen Form hängenbleiben. Für die Fragestunde der Lehrlinge ist es bedauerlich, dass das nicht wortwörtlich in Erinnerung bleibt. Das hatte aus meiner Sicht Referenzcharakter.

Würde man das noch einmal machen?

Unter Zurückstellung von Familienheimweh, tatsächlich ja! In meinem Fall war ich aber mit meinen Hospitationsgebern und gerade auch mit meinem Umfeld in der Unterkunft wirklich gesegnet. Bei allem hochverdichteten Input konnte ich der Heimkehr nach Sankt Florian zum Wolfjägerhof immer mit Freude entgegensehen, und werktäglich wurde mir als Hospitanten weit mehr geboten als man erwarten konnte.

Gab es Verzichtbares?

Nein (!), ich könnte nicht mal von der Floskel Gebrauch machen, dass ich auch Unangenehmem etwas Positives abgewinnen kann. Mein hiesiges Umfeld ließ eine solche Erfahrung einfach nicht zu. Gut, die Quarantäne stand nicht unbedingt auf meinem Wunschzettel, aber selbst der Umgang damit brachte Interessantes und für mich Neues.

Gibt es Grund sich zu bedanken?

Unbedingt! Alle Betroffenen sind bereits informiert :-)

Gibt es noch Fragen?

Sehr gerne bin ich bereit, Interessierten auch im persönlichen Austausch noch einmal über meine Erfahrungen zu berichten.