Familie Levy war eine wohlhabende Familie und lebte bis Anfang 1936 in Ludwigshafen. Der Textilkaufmann Julius Levy war Geschäftsführer und Mitinhaber der Brandt GmbH, eines Textilkaufhauses mit einigen Filialen in anderen Städten. Die Firma wurde 1936 arisiert und in Klebs KG “Klebs das Textilhaus” umbenannt. 1953 lagen die alten Geschäftsbücher noch vor, die Levys Einkommen nachwiesen (Klebs ging 1963 in Liquidation). Am 1.2.1936 hörte Julius Levy in Ludwigshafen auf, die Familie zog 1937 nach Berlin und lebte dort von ihrem Vermögen. Im Zuge der Arisierung hatte Levy seine Anteile an der Firma – weit unter Wert – verkaufen müssen.
Seit 1937 wohnten die Levys in der Seesener Straße 50 in einer Drei-Zimmer-Wohnung im 3. Stock. Bis Ende Februar 1943 zahlten sie ihre 98 RM Miete. Ihr gediegenes Mobiliar, darunter Mahagonimöbel, Teppiche und Porzellan, eine Nähmaschine sowie eine Bibliothek mit 80 Büchern, zeugte von den besseren Zeiten, als Julius noch ein erfolgreicher Geschäftsmann sein durfte. Fahrräder, Tafelsilber, Edelmetalle, Pelze und Schmuck musste die Familie, wie alle Juden in Deutschland, schon seit 1939 abgeben. Käte Levy war Hausfrau. In Berlin ging Julius Levy keiner Arbeit nach. Er wurde deswegen vom Finanzamt Wilmersdorf Nord verdächtigt, die Ausreise bzw. Flucht vorzubereiten und musste neben der “Judenvermögensabgabe” von 4750 RM (“Sühneleistung” der Juden von 21. Nov. 1938) seine Wertpapiere bei der Deutschen Bank im Wert von 10.300 RM dem Deutschen Reich vertreten durch das Finanzamt Nord als Reichsfluchtsteuer als “Sicherheit” verpfänden. Das
Finanzamt wurde von der Vermögensverwertungsstelle gebeten, darüber zu verfügen. Die Bank rechnet weiterhin ein gemeinsames Konto der Eheleute ab. Dass es keine Arbeit für Juden gab, zählte nicht. Julius Levys Beschwerde gegen die Arisierung seiner Firma wurde abgewiesen, er hätte ja verkauft, hieß das unverschämte Argument..
Die beiden Kinder der Levys, Marga und Werner, mussten in Berlin die jüdische Schule besuchen. Eine höhere Schule blieb ihnen jedoch verwehrt. Um ein Handwerk zu erlernen, wurde Tochter Marga zu Hutmachern in die Lehre geschickt, wo sie später etwas Geld verdienen konnte. Dieser Arbeit konnte das Mädchen nur unter ständig wachsenden Schwierigkeiten und am Ende im Verborgenen nachgehen, was sie – neben der Sorge um ihren Vater – sehr belastete.
In der Reichsprogromnacht am 9. November 1938 wurde Julius Levy wie viele andere jüdische Männer verhaftet und in das Konzentrationslager Sachsenhausen verschleppt, wo er bis zum 16. Dezember 1938 festgehalten wurde. Für die Familie ein traumatisches Erlebnis. Nach Berichten der überlebenden Tochter Marga suchte die Mutter vergeblich nach ihrem Mann. Die Polizei verweigerte ihr Auskunft. Als der Vater dann endlich nach Hause kam, sei er ein gebrochener Mann gewesen. Die Hände von harter Erdarbeit im Freien, dem Frost ungeschützt ausgesetzt, mit Erfrierungen schwer verletzt. Seelisch zerrüttet hätte er sehr lange gebraucht, um sich von dieser Erfahrung zu erholen. Er werde sich eher umbringen, bevor er noch einmal in ein Konzentrationslager gehe, soll Julius seiner Familie gesagt haben. Die Familie spielte offenbar mit dem Gedanken auszuwandern und hielt auch deshalb ihre Tochter an, ein Handwerk zu erlernen. Am Ende gelang es den Levys nur, die damals 15-Jährige noch auf
einem der letzten Kindertransporte nach England unterzubringen, was dieser als einzige der Familie das Leben rettete.
Julius, Käte und Werner Levy lebten noch bis zum 24. Februar 1943 in der Seesener Straße. Alle drei mussten Zwangsarbeit leisten, bis sie verschleppt wurden. Julius Levy musste vom Mai 1940 bis zu seiner Deportation bei der Firma Philipps Electro Spezial, Große Frankfurter Straße 54, im Tiefbau arbeiten, Käte Levy bei der Firma Liening in Weißensee, Generalstraße. 8-9, und Werner Levy war bei der Firma Spinnstoff Zehlendorf AG beschäftigt.
Die Levys stehen auf der Liste der von den NS-Behörden als 30. Osttransport gezählten Deportation nach Auschwitz. Sie wurden zuvor im Sammellager Große Hamburger Straße festgehalten, dort erreichte sie am 24.2.43 im Haus Berlin N4 die Zustellungsurkunde des Obergerichtsvollziehers, der dann über ihr Vermögen verfügte. Ihre Wohnung samt Einrichtung wurde von der Stadt beschlagnahmt und am 30.4.43 einem ausgebombten Berliner zugewiesen, der auch die Einrichtung der Levys für eine Summe weit unter ihrem Wert übernahm. Der Hausverwalter Walter Schauer beantragte Rückerstattung für März/April der entgangenen Mieten von 196 RM und bekam diese auch im September von der Vermögensverwertungstelle überwiesen.
Julius, Käte und Werner Levy sind am 26. Februar 1943 vom Bahnhof Grunewald mit 913 Menschen, darunter Else Blumenthal und Betty Valk, nach Auschwitz-Birkenau in Polen gebracht worden. Er war 51, sie war 52, Werner war 16 Jahre alt.
Marga Forester, geb. Levy, die am 30. Juli 1923 in Unna/Westfalen geboren wurde und Werners ältere Schwester war, ist am 14. Februar 2014 in Philadelphia/USA gestorben. Sie wurde 90 Jahre alt.