Stolpersteine Westfälische Straße 62

Hauseingang Westfälische Str. 62

Die Stolpersteine zum Gedenken an Charlotte und Felix Sommer sind von Schülerinnen und Schülern des Walther-Rathenau-Gymnasiums in Berlin-Grunewald gespendet worden und wurden in ihrem Beisein am 6.5.2014 verlegt.
Die gleichzeitig verlegten Stolpersteine zum Gedenken an Elise Heymann, Mary Bergmann, Ilse und Jenny Kappel, Luise Levy und Joachim Schwersenski sind von der SPD Halensee gespendet worden.

Der Stolperstein für Johanna Schwersenski wurde am 14.4.2015 verlegt.

Stolperstein Charlotte Sommer

HIER WOHNTE
CHARLOTTE SOMMER
GEB. JADASSOHN
JG. 1884
DEPORTIERT 14.12.1942
ERMORDET IN
AUSCHWITZ

Charlotte Sommer, geb. Jadassohn wurde am 30. Mai 1884 in Leipzig geboren. Sie lebte bis 1942 mit ihrem erwachsenen Sohn Felix in einer Wohnung in Berlin-Halensee in der Westfälischen Straße 62 im Gartenhaus im ersten Stock. Am 14. Dezember 1942 wurde die 58-Jährige mit dem von den NS-Behörden so bezeichneten „25. Osttransport“ nach Auschwitz deportiert. In diesem Zug, der am Gleis 17 des Bahnhofs Grunewald abging, saßen 815 Menschen, darunter 37 Jugendliche. Von diesem Zeitpunkt an verliert sich die Spur von Charlotte Sommer. Bis Februar 1943 wurden alle 815 ermordet.

Stolperstein Felix Sommer, Foto:H.-J. Hupka, 2014

HIER WOHNTE
FELIX SOMMER
JG. 1913
DEPORTIERT 14.12.1942
ERMORDET IN
AUSCHWITZ

Felix Sommer wurde am 25. Juli 1913 in Berlin geboren. Er war ledig und lebte bis 1942 mit seiner verwitweten Mutter Charlotte Sommer in einer Wohnung in Halensee in der Westfälischen Straße 62 im ersten Stock des Gartenhauses. Nach eigenen Angaben arbeitete er bis zu seiner Deportation im Hydrocarbon-Werk in Berlin-Blankenburg, wahrscheinlich als Zwangsarbeiter. Am 14. Dezember 1942 wurde der 29-Jährige mit dem „25. Osttransport“ (so wurde dieser von Grunewald abgehende Zug der Reichsbahn eingeordnet) zusammen mit 815 Menschen, darunter seiner Mutter, nach Auschwitz deportiert und dort ermordet.

Quellen: Brandenburg. Landeshauptarchiv, Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten, Gottwaldt/Schulle: Die Judendeportationen. Wiesbaden 2005
Texte: Manuela Ambrosi

Stolperstein Mary Bergmann

HIER WOHNTE
MARY BERGMANN
GEB. JACOBY
JG. 1891
DEPORTIERT 3.3.1943
ERMORDET IN
AUSCHWITZ

Bevor die am 13. April 1891 geborene Berlinerin Mary Bergmann, geb. Jacoby, in ihre Heimatstadt zurückkehrte, lebte sie mit ihrem Mann Julius Bergmann, der Kaufmann und Konkursverwalter war, im ehemaligen Landsberg an der Warthe. Heute heißt diese Kleinstadt im Westen Polens Gorzow Wielkopolski. Das Ehepaar war kinderlos und machte wohl gute Geschäfte, denn sie waren in der Lage, einigen Landwirten und einem Optiker Hypothekendarlehen von mehreren Tausend Reichsmark zu gewähren. Von den Zinsen sollte Mary, zurückgekehrt nach Berlin, noch profitieren. Auch in eine Reichsbahnanleihe hat das Ehepaar 2 000 Reichsmark investieren können.

Am 30. Mai 1937 starb Julius Bergmann. Als Witwe alleingeblieben, entschied sie sich, nach Berlin zurückzukehren. Als Alleinerbin verfügte sie über ein kleines Vermögen und ihre am 30. Juli 1880 in Berlin geborene vermutliche ältere Schwester Elise Heymann , geb. Jacoby, die zu diesem Zeitpunkt anscheinend auch alleine war, erwartete sie in Berlin. So bildeten die beiden eine Wohngemeinschaft im Parterre des Vorderhauses in der Westfälischen Straße 62 und waren in der Lage, es sich einigermaßen bequem einzurichten.
Bei der Räumung der Wohnung am 29. Oktober 1943 – zu diesem Zeitpunkt waren Mary und Elise schon deportiert und vielleicht sogar schon ermordet – wurde einiges an Mobiliar vereinnahmt. So finden sich unter anderem ein verspiegelter Kleiderschrank, eine Chaiselongue und eine Frisiertoilette in der Inventarliste, die übrigens 131 RM an Bewertung ergab. Der Kontostand von Mary betrug zum Zeitpunkt der Enteignung 260 RM. Wäre in Deutschland nicht diese fatale Wendung hin zur Terrorherrschaft geschehen, so hätten die beiden Schwestern ihre Lebtage noch mit vielen Unternehmungen, wie zum Beispiel Theaterbesuchen, anreichern können. Ob die beiden Frauen, wie die Nachbarn Jenny und Ilse Kappel, auch Trägerinnen des gelben Judensterns waren, ist nicht zweifelsfrei festzustellen, da wohl keine nahen Verwandten, die dann hätten Entschädigung beantragen können, die Terrorherrschaft überlebten.

Stolperstein Elise Heymann

HIER WOHNTE
ELISE HEYMANN
GEB. JACOBY
JG 1880
DEPORTIERT 2.3.1943
ERMORDET IN
AUSCHWITZ

Elise Heymann wurde am 2. März 1943 mit dem von den Behörden so genannten „32. Osttransport“ vom Bahnhof Grunewald nach Auschwitz deportiert. Ihre Schwester Mary folgte mit dem „33. Osttransport“ einen Tag später. Beide Züge fuhren am berüchtigten Gleis 17 des Bahnhofs Grunewald ab und waren mit 1 592 und 1 732 Menschen, die sich in qualvoler Enge drängen mussten, total überfült. Vielleicht waren die beiden noch kurz im Elend von Auschwitz vereint und konnten sich beistehen, davon ist aber nichts bekannt. Auch nicht, wie lange sie noch am Leben waren. Mit großer Wahrscheinlichkeit sind sie bald nach ihrer Ankunft in Auschwitz ermordet worden.

Recherchen/Text: Sebastian Traut

Stolperstein Jenny Kappel

HIER WOHNTE
JENNY KAPPEL
GEB. LUTTERKORT
JG. 1895
DEPORTIERT 19.1.1942
RIGA
ERMORDET

Jenny Kappel, geb. Lutterkort wurde am 4. März 1895 in Gerdauen (Ostpreußen) geboren. Sie hatte eine Tochter Ilse Rosemary Lilli Kappel , die am 13. Februar 1924 in Berlin-Friedenau geboren ist.

Jenny Kappel bewohnte ab 1938 zusammen mit ihrer Tochter Ilse ein Zimmer bei Johanna und Joachim Schwersenski. Sie steuerten als Untermieterinnen 40 Reichsmark bei und benutzten die vorhandenen Möbel. Jenny heiratete 1921 den Kaufmann und Buchhalter Friedrich Ludwig Isaak Kappel und gebar am 26. Juni 1922 ihren Sohn Werner Ludwig Julius und am 13. Februar 1924 um 2 Uhr nachts die Tochter Ilse Rosemary Lilli. Beide Kinder kamen in der damaligen Wohnung in Friedenau zur Welt. Die Familie sollte sich aber schon bald teilweise trennen. 1930 schieden sich Jenny und Friedrich, genannt Fred, und die Mutter zog mit den beiden Kindern um. Vor dem Einzug in die Westfälische Straße 62 in Wilmersdorf hatten Mutter, Sohn und Tochter eine Zeitlang in der Schloßstraße 35 in Charlottenburg gewohnt.

Der erneute Wohnungswechsel war wohl dadurch veranlasst, dass Werner zusammen mit seinem Vater nach Amerika auswanderte. Von Chicago aus, wo Werner als Bäckerlehrling Arbeit fand, verfolgte er sicherlich traurig die politische Situation in Deutschland. Seine Tochter benannte er später nach der Mutter und aus den Dokumenten zum Entschädigungsantrag geht hervor, dass er viele Nachforschungen unternommen hat, Lebenszeichen von seiner Mutter und seiner Schwester aufzuspüren. So machte er auch „Schaden an Freiheit“ und nicht „Schaden an Leben“ für beide geltend – wohl in der Hoffnung, sie noch zu finden. Warum Jenny und Ilse nicht nach Amerika mitgekommen sind, lässt sich nur erahnen. Zwei Tanten Ilses, Helene Hühns, geb. Lutterkort, die 1939 selbst ausgewandet ist, und Luise Levy, geb. Lutterkort, die kurzzeitig in dem Zimmer in der Westfälischen Straße untergekommen war, wohnten in Berlin und pflegten fast täglich zu Besuch zu kommen.

Ferner war die 14-jährige Ilse, nachdem ihr der Zugang zur Volksschule verwehrt wurde, in einer jüdischen Schule angemeldet worden. Da Jenny laut Helene großen Wert auf die Ausbildung von Ilse legte und in der neuen Schule, mit dem Schwerpunkt Sprachen, sinnvolle Inhalte gelehrt wurden, ist anzunehmen, dass Jenny noch eine Perspektive für ihre Tochter in Berlin gesehen hat. Schließlich war eine Auswanderung aufgrund der behördlichen Schranken auch nicht leicht zu realisieren.

Die Hoffnung auf eine einigermaßen gute Zukunft sollte sich aber bald zerschlagen. Jenny und Ilse bekamen 1941 eine jüdische Kennkarte und mussten fortan den Judenstern tragen, was sie quasi zu Vogelfreien machte, und wurden zur Zwangsarbeit herangezogen. Dabei musste Ilse an einer Papier-schneidemaschine zu 0,37 RM Stundenlohn bei der Firma B.O.F. Rau schaffen, und Jenny zu 0,50 RM Stundenlohn bei der Ehrich und Graetz AG in Treptow. Sie brauchten aber nach eigenen Angaben 75 RM zum Bestreiten des Lebensunterhalts und die Miete. So ist es nicht verwunderlich, dass die beiden in der am 22. Dezember 1941 ihnen abverlangten Vermögenserklärung nur das allernötigste an Kleidung und Hausrat angeben konnten. Die Erklärung haben sie zusammen ausgefüllt und Ilse hatte aus Versehen sogar die Koffer angezeigt, die sie ja aber noch für die „Auswanderung“ brauchten. Die Verängstigung der beiden kann man sich sicherlich nur schwer vorstellen.

Am 19. Januar 1942 wurden Jenny und Ilse über die Sammelstelle Levetzowstraße mit einem von den Nazibehörden als „9. Osttransport“ bezeichneten Güterzug vom Bahnhof Grunewald – während einer damals herrschenden Kältewelle – nach Riga deportiert. Die letzte Spur findet sich im Rigaer Ghetto in Lettland. Fast alle der 987 Insassen wurden, sofern sie nicht schon erfroren waren, bald nach der Ankunft am 19. Januar erschossen.

1956 beantragte der Vater Fred Entschädigung für Ilse. Da er 1957 starb, hat seine zweite Ehefrau Hilda dann die Korrespondenz mit der Behörde übernommen. Werner und ihr wurden 6 450 DM zugestanden. Ein späterer Antrag auf Hinderung im beruflichen Fortkommen Ilses wurde mit 10 000 DM bewilligt. Werners Entschädigungsantrag für seine Mutter Jenny wurde ebenfalls mit 6 450 DM bewilligt. Ferner hatte er noch Entschädigung für Schaden an Eigentum und Vermögen beantragt, wofür 20 000 DM bewilligt wurden. Die Summen und Werte, mit denen sich der nationalsozialistische Staat bereichert hatte, werden wohl weit höher gewesen sein.

Recherchen/Text: Sebastian Traut

Stolperstein Ilse Kappel

HIER WOHNTE
ILSE KAPPEL
JG. 1924
DEPORTIERT 19.1.1942
ERMORDET IN
RIGA

Stolperstein Luise Levy

HIER WOHNTE
LUISE LEVY
GEB. LUTTERKORT
JG. 1881
DEPORTIERT 28.3.1942
ERMORDET IN
PIASKI

Luise Levy, geb. Lutterkort wurde am 15. Dezember 1881 in Gerdauen (Ostpreußen) geboren. Sie war wohl die Schwester oder die Cousine bzw. die Tante von Jenny Kappel, geb. Lutterkort und deren Tochter Ilse Kappel und ist kurzzeitig bei diesen in ihrem Zimmer in der Westfälischen Straße 62 untergekommen. Möglicherweise hatte sie ihre Wohnung wegen des Germania-Projekts, im Zuge dessen viele Häuser abgerissen wurden, verloren. Schon vorher hat sie die beiden oft besucht. So bekam sie deren Deportation am 19. Januar 1942 hautnah mit und wusste wohl, dass sie die Nächste sein würde. Kurzfristig wurde sie gezwungen, zum Hohenzollerndamm 184 umzuziehen. Tatsächlich ist sie zwei Monate später, am 28. März 1942, über die Sammelstelle in der Synagoge Levetzowstraße in dem von der Geheimen Staatspolizei so benannten „11. Osttransport“ mit 985 Menschen vom Bahnhof Grunewald nach Piaski deportiert worden. Nach Angaben des Neffen Ernst Huehns ist sie unterwegs – wahrscheinlich an Typhus – gestorben.

Recherche/Text: Sebastian Traut

Stolperstein Dr. Hugo Panofsky

HIER WOHNTE
DR. HUGO PANOFSKY
JG. 1860
DEPORTIERT 20.8.1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 18.12.1942

Hugo Panofsky war Sohn des jüdischen Kaufmanns Kurt Panofsky und wurde am 10. Juli 1860 in Gleiwitz (Schlesien) geboren. Er wuchs in Berlin auf und besuchte das Joachimsthalsche Gymnasium bis 1879. Er studierte Latein, Griechisch, Geschichte und Geographie und machte sein erstes Staatsexamen 1884, ein zusätzliches Examen in Latein 1891, was ihm erlaubte, in der Oberstufe zu unterrichten. Das zweite Staatsexamen legte er 1885 ab. Im Lauf der Jahre 1886/87 absolvierte er seine Probezeit am Friedrichs-Gymnasium in Berlin und war Assessor an verschiedenen Schulen: am Friedrichs-, am Köllnischen und am Lessing-Gymnasium.

Personalkarte

Aus dem Personalbogen des Leibniz-Gymnasiums in Berlin, wo er seit dem 1.4.1890 Oberstudienrat war, geht hervor, dass er nicht verheiratet war und der evangelischen Gemeinde angehörte. Auf dem Gehaltsbogen war eine jährliche Summe von 3300 Mark und eine zusätzliche Summe von 900 Mark für eine Wohnung angegeben.

Doktorarbeit

Er schrieb seine Dissertation in lateinischer Sprache zum Thema „ De historiae Herodoteae fontibus“, die Verteidigung seiner Doktorarbeit fand im Dezember 1891 im Konferenzraum des Leibniz-Gymnasiums statt und wurde vom Direktor Dr. Friedländer geleitet.

Dr. phil. Hugo Panofsky war Beamter und wurde 925 pensioniert. 1941 verfasste er sein Testament, in dem er seinen Besitz an Möbeln, Büchern sowie Bargeld und Wertpapieren zu gleichen Teilen seinen Neffen Wolfgang Lustig und Erich Panofsky sowie seinen beiden Nichten Johanna Liebenow und Irma Panofsky zukommen lassen wollte.

  • Testament Hugo Panofsky, 3. April 1941

    PDF-Dokument (888.8 kB)

Doch dazu kam es nicht. Er musste seinen gesamten Besitz akribisch auflisten – ein Anzeichen der bevorstehenden Deportation. Am 20.8.1942 wurde er von der Sammelstelle Große Hamburger Straße 26 zum Anhalter Bahnhof gebracht und in seinem hohen Alter von 82 Jahren unter menschenunwürdigen Bedingungen nach Theresienstadt deportiert. Nur einer der 100 mit diesem Zug Deportierten überlebte die Befreiung des Ghettos. In Theresienstadt erlitt er die grausigen Bedingungen des Lagers, Hunger, Krankheit und Elend. Am 18. Dezember 1942 starb er, was seiner Ermordung gleichkam.

Auch seine beiden Neffen sind deportiert und ermordet worden: Wolfgang Lustig in Riga am 8. September 1942, Erich Panofsky wurde über Theresienstadt ins Vernichtungslager Auschwitz gebracht, wo er am 28. Oktober 1944 ums Leben gebracht wurde.

Recherche: Dr. Volker Jarren, Zusammenstellung: Monika Falkenhagen
Quellen: Datenbanken der Bibliotheken für Bildungsgeschichtliche und Pädagogische Forschung (BBF/DIPF); Stiftung Neue Synagoge; Familienpapiere Panofsky/Delman

Stolperstein Joachim Schwersenski

HIER WOHNTE
JOACHIM
SCHWERSENSKI
JG. 1909
DEPORTIERT 1.7.1943
THERESIENSTADT
1944 AUSCHWITZ
ERMORDET 19.12.1944

Joachim Schwersenski ist am 19. Oktober 1909 in Berlin zur Welt gekommen, war ledig und lebte zusammen mit seiner Mutter Johanna Schwersenski , geb. Graff, geboren am 27. Januar 1870 in Dulzig (Westpreußen). Sie wohnten im Erdgeschoss des Gartenhauses in der Westfälischen Straße 62. Die Wohnung zu 67 Reichsmark Miete bestand aus drei Zimmern und der Küche, wobei sie zumindest ab 1938 nur einen Teil davon und 1942/43 nur noch ein Zimmer zur Verfügung hatten. Die anderen Zimmer hatten sie untervermietet. Jenny und Ilse Kappel waren ab 1938 Untermieter bei Schwersenskis und steuerten 22,50 Reichsmark für ein Zimmer zur Miete bei. Die Deportation von Jenny und der knapp 16-jährigen Ilse am 19. Januar 1942 hat die Schwersenskis sicherlich hart getroffen, hatten sie doch drei Jahre zusammen gelebt – und vielleicht hat der ledige Joachim die Ilse auch ganz gern gehabt, da der Altersunterschied nicht allzu groß war.

Andere nahmen aber schließlich deren Platz ein, sodass zumindest kurz vor der Deportation von Joachim und seiner Mutter Johanna zwei der drei Zimmer von Untermietern zu 40 Reichsmark Miete bewohnt wurden. Vielleicht war die Familie beim Einzug 1914, als Joachim noch ein kleiner Junge war, noch vollständig, also der Vater lebte noch. Die Größe der Wohnung würde dafür sprechen. Direkte Informationen über den Vater sind aber nicht mehr zu finden. Entschädigung wurde später nur von Johanna beantragt, die Deportation und Lagerhaft in Theresienstadt überlebt hatte. Es ist also anzunehmen, dass der Vater Joachims schon tot war, als die Verfolgung die Familie Schwersenski traf. Aus der Vermögenserklärung der beiden ist ersichtlich, dass sie am Ende nur noch über sehr wenig Mobiliar verfügten.

Joachim hatte Kaufmann gelernt, verdingte sich aber zumindest kurz vor seiner Deportation für 110 Reichsmark im Monat als Stammordner im Sammellager an der Großen Hamburger Straße 26, um den Lebensunterhalt für seine schon betagte Mutter und sich zu bestreiten. Am 23. Juni 1943 wurde ihnen aber dann die Vermögenserklärung abverlangt. Sie holten die Unterlagen gemeinsam bei der Geheimen Staatspolizei ab und brachten sie ausgefüllt zurück. So hatten sie kurz vor der Deportation noch einige Behördengänge zu absolvieren, bevor diese am 28. Juni 1943 erzwungen wurde. Mit dem 39. Osttransport wurden sie nach Theresienstadt verfrachtet, wo der Leidensweg von Joachim aber noch nicht zu Ende sein sollte. Am 29. September 1944 wurde er – in welcher Verfassung kann man nur erahnen – nach Auschwitz transportiert, ihm wurde die Häftlingsnummer B 11361 eingebrannt. Hier endete sein Leben. Er wurde am 19. Dezember 1944 ermordet.

Seine Mutter Johanna überlebte das Martyrium und bestieg am 5. Februar 1945 nach 586 Tagen Lagerhaft den einzigen Zug, der Theresienstadt in Richtung Schweiz verlassen durfte. Später stellte sie Entschädigungsanträge. Dabei bat sie um baldige Erledigung, da sie völlig mittellos und schon 82 Jahre alt sei. Die bewilligte Entschädigung von mageren 2 950 DM erhielt sie jedoch nicht mehr. Sie ist ein Jahr nach Antragstellung 1953 gestorben. Zwar konnten noch Verwandte ausgemacht werden, Nichten und Neffen, diese waren aber nicht erbberechtigt, sodass es nie zur Auszahlung kam.

Recherche/Text: Sebastian Traut

Stolperstein Johanna Schwersenski

HIER WOHNTE
JOHANNA
SCHWERSENSKI
GEB. GRAFF
JG. 1870
DEPORTIERT 1.7.1943
THERESIENSTADT
„FREIHEITSTRANSPORT“
5.2.1945 SCHWEIZ

Stolperstein Clara Bachrach

HIER WOHNTE
CLARA BACHRACH
GEB. GROEDEL
JG. 1871
DEPORTIERT 27.8.1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 30.4.1943