Stolpersteine Storkwinkel 8

Hauseingang Storkwinkel 8, Foto: H-J. Hupka, 2014

Hauseingang Storkwinkel 8, Foto: H-J. Hupka, 2014

Diese Stolpersteine sind von Annegret Hansen gespendet und am 15. April 2014 verlegt worden.

Der Storkwinkel hieß damals Hobrechtstraße und neben dem Haus, in dem ich heute lebe, stand das Eckhaus mit der Anschrift Hobrechtstraße 6, in dem die Familie Moses von 1928 bis 1943 lebte. Die Hobrechtstraße war mit prächtigen Gebäuden ausgestattet und galt als Tor zur Villenkolonie Grunewald. Das Haus Nummer 6 wurde in der Bombennacht des 23.November 1943 völlig zerstört.

Stolperstein Adolf Moses, Foto:H.-J. Hupka, 2014

Stolperstein Adolf Moses, Foto:H.-J. Hupka, 2014

HIER WOHNTE
ADOLF MOSES
JG. 1887
DEPORTIERT 3.3.1943
ERMORDET IN
AUSCHWITZ

Stolperstein Antoinette Moses, Foto:H.-J. Hupka, 2014

Stolperstein Antoinette Moses, Foto:H.-J. Hupka, 2014

HIER WOHNTE
ANTOINETTE MOSES
GEB. RABINOVICI
JG. 1900
DEPORTIERT 29.6.1943
THERESIENSTADT
1944 AUSCHWITZ
ERMORDET

Stolperstein Manfred Siegfried Moses, Foto:H.-J. Hupka, 2014

Stolperstein Manfred Siegfried Moses, Foto:H.-J. Hupka, 2014

HIER WOHNTE
MANFRED SIEGFRIED
MOSES
JG. 1929
DEPORTIERT 29.6.1943
THERESIENSTADT
1944 AUSCHWITZ
ERMORDET

Die Familie Moses lebte in der ersten Etage in einer 4-Zimmerwohnung. Antoinette Moses , geborene Rabinovici, geboren am 3. März 1900 in Jassy (Rumänien), war Kindergärtnerin. Im Grundbuch des Hauses war seit 1927 für sie ein Nießbrauchrecht zu 1/3 am Ertrag des Grundstückes eingetragen.
Eigentümer des Hauses war die Hausgemeinschaft Emma Hefter Erben. Die jüdischen Miteigentümer der Hausgemeinschaft, Philipp Hefter und Albert Hefter, lebten in Kempen in Holland und in Bukarest in Rumänien. Es ist davon auszugehen, dass zwischen Frau Moses und der Familie Hefter verwandtschaftliche Beziehungen bestanden, denn der Name Philipp Hefter erscheint ebenfalls im Grundbuch der Tempelhofer Vorstadt Band 111 Blatt 3449. Eigentümerin des Grundstücks mit Wohngebäude in der Hagelberger Straße 61 war seit dem 24. April 1924 Frau Antoinette Moses mit dem Vermerk: ihr nachfolgend Philipp Hefter.
1938 wurde Frau Moses zum Verkauf des Hauses unter Wert gezwungen.
Aus den Gerichtsakten geht hervor, dass die Familie vermutlich Deutschland verlassen und den Verkaufserlös zur Begleichung der Reichsfluchtsteuer (7 400 RM) und der Judenvermögensabgabe (3 000 RM) benötigte. Diese Angaben beruhen auf den Prozessakten der Wiedergutmachungsämter, lagernd im Landesarchiv Berlin B-Rep.025-03 Nr. 98 /IRSO. Die IRSO (Jewish Restitution Seccessor Org) in New York hat von 1949 bis 1954 die Klage auf Wiedergutmachung, bezogen auf das Grundstück Hagelberger Straße 61, betrieben, da keine Anmeldung von Berechtigten erfolgte. Der Erfolg der Klage war gering, da das auf dem Grundstück befindliche Gebäude inzwischen auch zerstört war, jedoch haben die Gerichte beschieden, dass Frau Moses großes Unrecht durch den Zwangsverkauf erlitten hatte.

In der Hobrechtstaße 6 wurde der Familie Moses die ebenfalls jüdische Familie Belitzer als Untermieter zugewiesen. Über das Schicksal von Martin, Vera und Helga Belitzer konnte bisher nichts ermittelt werden, bekannt ist nur, dass sie 1943 nicht mehr in der Hobrechtstraße wohnten.

Adolf Moses wurde am 12. Februar 1887 in Berlin geboren. Im Telefonbuch von Berlin war seine Berufsbezeichnung mit Kaufmann angegeben. Welche Art von Handel er betrieben hat, war nicht zu ermitteln. Die letzte Angabe zu seiner beruflichen Tätigkeit war Arbeiter bei der Firma Emil Rietz, Eisenbahn- und Tiefbaugeschäft, in Berlin Charlottenburg, Spandauer Berg 26. Sein wöchentlicher Lohn für die Zwangsarbeit betrug 25,00 RM.
Adolf Moses hatte zwei Lebensverssicherungen. Eine bei der Allianz und eine bei der Stuttgarter Lebensversicherung. Ob aus diesen Versicherungen noch Gewinn zu ziehen sei, darüber wurde weit über seinen von den damaligen Behörden gestritten.

Am 27. Februar 1943 wurden in Berliner Fabriken brutale Razzien durchgeführt und alle dort arbeitenden Juden verhaftet. Nur mit dem, was sie am Leibe trugen, wurden sie in die Sammellager gebracht.
Adolf Moses war 56 Jahre alt, als er am 3. März 1943 vom Sammellager im ehemaligen Jüdischen Altersheim in der Großen Hamburger Straße zum Güterbahnhof Moabit gebracht wurde. Der Zug ging von dort nach Auschwitz. Von den 1750 Jüdischen Frauen und Männern des Transportes wurden 517 Männer und 200 Frauen als arbeitsfähig eingestuft. Sie mussten unter schlimmsten Bedingungen Zwangsarbeit leisten, die sie nur selten überlebten.

115 Männer und 918 Frauen wurden direkt zu den Gaskammern von Birkenau (Auschwitz II) gebracht und dort ermordet. Welches Schicksal Adolf Moses erlitten hat, ist nicht bekannt. Seine Spur verliert sich in Auschwitz.

Manfred Siegfried Moses war das einzige Kind der Eheleute Moses. Er wurde am 8. April 1929 in Berlin geboren. Über seine Kindheit und Schulzeit in Berlin ist nichts bekannt. Seine Schulzeit fiel bereits in die Zeit, in der es jüdischen Kindern verboten war öffentliche Schulen zu besuchen. In den Archiven der Walther-Rathenau-Schule und des Schiller-Gymnasiums konnten keine Daten zu Manfred Siegfried Moses ermittelt werden. Nur in seiner Vermögensaufstellung zur Ermittlung der Reichsfluchtsteuer ergibt sich ein Hinweis darauf, dass er als jugendlicher Helfer bei der jüdischen Kulturvereinigung in der Oranienburger Straße erwähnt wird. Sein Name wird in den Unterlagen zum Zug der Erinnerung aufgeführt, der seit Jahren durch Europa fährt und an das Schicksal der jüdischen Kinder erinnert.

Manfred Siegfried und seine Mutter Antoinette wurden am 29. Juni 1943 vom Sammellager Große Hamburgische Straße 26 zum Anhalter Bahnhof gebracht. Mit ihnen verließen weitere 98 jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger Berlin Richtung Theresienstadt. Es war der 97. von 123 Transporten in das Ghetto Theresienstadt.
Vom 29. Juni 1943 bis zum 18. Mai 1944 blieben Mutter und Sohn dort. Danach erfolgte ihr Weitertransport nach Auschwitz. Das Datum ihrer Ermordung ist der 18. Mai 1944.

Recherchen und Text: Annegret Hansen, stv. Vorsteherin der Bezirksverordnetenversammlung Charlottenburg-Wilmersdorf

Quellen: Bundesarchiv, Brandenburgisches Landeshauptarchiv, Landesarchiv, Entschädigungs- und Wiedergutmachungsakten, Grundbücher.