Stolperstein Johann-Georg-Straße 12

Hauseingang Johann-Georg-Str. 12

Hauseingang Johann-Georg-Str. 12

Der Stolperstein wurde von Barbara Bütow (Berlin) gespendet und am 15.4.2014 verlegt.

Stolperstein Jenny Pelz

Stolperstein Jenny Pelz

HIER WOHNTE
JENNY PELZ
GEB. GRÜNBERG
JG. 1874
DEPORTIERT 17.3.1943
THERESIENSTADT
1944 AUSCHWITZ

Jenny Pelz, geb. Grünberg, wurde am 15. Juni 1874 in Schönlanke (Kuznica Czarnkowska) in der Region Posen (Poznan) geboren. Ihr erster Ehemann namens Schlesinger, der Vater ihrer beiden Töchter Ruth und Erna, starb 1904 im Alter von 36 Jahren. 1908 heiratete sie Adolf Pelz und lebte bis zu seinem Tod 1935 mit ihm. Im Jahr 1911 stand sie im Adressbuch mit dem Zusatz „Juwelenhaus und Einkaufskontor“, das sich an der Friedrichstraße 55 – damals eine der feinsten Adressen Berlins – befand. Vor dem Ersten Weltkrieg wohnte sie in der Charlottenstraße 89, dann in der Wilhelmstraße 20 und später in der Wielandstraße 10.

Ihre Tochter Ruth übersiedelte 1933 mit ihrem Ehemann und Sohn nach Palästina und Jenny Pelz besuchte sie 1936 dort. Trotz Bitten und Warnungen fuhr sie zurück nach Berlin.

Ihre letzte frei gewählte Wohnung war die Johann-Georg-Straße 12 in Wilmersdorf, wo sie von 1937 bis 1939 im Berliner Adressbuch eingetragen war – auch die Tochter Erna und die Enkelin Irene, geboren am 24. März 1921, wohnten noch dort, bis auch sie im August 1938 in die USA flüchteten. Danach musste Jenny Pelz an den Bayerischen Platz 5 in ein möbliertes Zimmer als Untermieterin von Adolf Aufrecht, geboren am 19. September 1867 in Brody (Galizien), umziehen. Er ist am 15. Dezember 1942 nach Theresienstadt deportiert worden. Um diese Zeit musste die einstige Geschäftsinhaberin, die im Rentenalter war, Zwangsarbeit im Preßwerk Krone an der Frankfurter Allee in Lichtenberg verrichten und bekam dafür nach eigenen Angaben einen Monatslohn von 53 Reichsmark. Er reichte nicht einmal für die Miete, die 55 RM betrug.

Am 27.2.1943 hat Jenny Pelz aus dem Gedächtnis eine Vermögenserklärung ausfüllen müssen. Demnach besaß sie noch 950 RM und bescheidene Wertpapiere. Sie hatte nur die nötigsten einfachen Möbel und wenige Kleidungsstücke. Die Inventarbewertung ergab einen Betrag von 65 RM, der zusammen mit 25,79 RM ausstehendem Lohn von den Finanzbehörden „zu Gunsten des Deutschen Reiches“ eingezogen wurde. Kurz danach, am 7.5.1943, wurden die Spuren von Jenny Pelz amtlich beseitigt. Beteiligt waren daran eine Frau Irmgard Morgan, die die Räumung beantragte, ein Obergerichtsvollzieher Schüler, drei Beamte der Vermögensverwertungsstelle namens Heger, Andre und Rothauser, ein Vollstreckungsbeamter Großmann und ein weiterer Finanzbeamter mit Kürzel Br., der fein säuberlich aufschrieb: „Einnahme notiert“.
Weitere ungezählte namenlose Registrierungsbeamte, die Geheime Staatspolizei, Hersteller von Deportationslisten, Bewacher, Polizisten, Reichsbahner und KZ-Aufseher haben daran mitgewirkt, dass Jenny Pelz vom Bayerischen Platz abgeholt, am 17. März 1943 in einem verriegelten und verplombten Zug ins Ghetto Theresienstadt und am 16. Mai weiter ins Vernichtungslager Auschwitz deportiert worden ist. Dort wurde sie ermordet.

Eine Freundin ließ später auf dem Grabstein von Adolf Pelz eingravieren: “Dem Andenken unserer geliebten unvergessenen Mutter, Jenny Pelz, geb. Grünberg, 15.6.1874, getötet in Auschwitz 1944. Erna und Ruth, Boston USA“

Ihre Enkeltochter, Irene Hofstein, verwitwet Woods, die mit ihrer Mutter 1938 emigrieren konnte und in Brookline/Massachusetts (USA) lebt, veranlasste die Eintragungen über ihre Großmutter im Yad-Vashem-Gedenkbuch.

Buch "Irene - Chronicle of a Survivor"

Buch "Irene - Chronicle of a Survivor"

Ihre Erinnerungen hat Irene Hofstein, die in hohem Alter in den USA lebt (2015), in dem 1997 bei Shengold Pub. in New York erschienenen Buch “Irene – Chronicle of a Survivor” veröffentlicht. Darin sind Briefe enthalten, die Jenny Pelz aus Deutschland in die USA geschrieben hat.

Jenny Pelz’ Töchter hatten in den 1960er Jahren Entschädigung für die bei der Bank Hardy&Co. in Berlin deponierten Wertpapiere beantragt. Ihr berechtigtes Begehren wurde jedoch abgelehnt, weil die Fristen überschritten waren – die Bürokratie der Grausamkeit wirkte fort.

Recherchen und Text: Helmut Lölhöffel, ergänzt von Barbara Bütow
Quellen: Brandenburgisches Landeshauptarchiv Potsdam; Landesarchiv Berlin; Entschädigungsamt Berlin; Berliner Adressbücher 1909-1917 und 1935-1941; Yad Vashem Zentraldatei.