Gertrud besuchte die “Höhere Mädchenschule” in Wollstein, anschließend wurde sie wahrscheinlich zur weiteren Ausbildung nach Berlin geschickt. Nach dem Ersten Weltkrieg verkaufte Salomon Cohn das Warenhaus, und als Wollstein polnisch wurde, optierte die Familie für Deutschland und zog endgültig nach Berlin.
1918 heirateten Dr. Georg Besas und die zehn Jahre jüngere Rosa Gertrud Cohn.
Hilda Cohn heiratete 1921 den Zahnarzt Dr. Paul Kornicker. 1922 wurde ihr einziger Sohn Stephan Günther geboren. Bis zum Tod ihres Mannes im Oktober 1937 arbeitete Hilda als Sprechstundenhilfe in dessen zahnärztlicher Praxis in Berlin-Hermsdorf.
Georg und Gertrud Besas hatten keine Kinder. Hilda schildert das Leben des Paares als sehr kultiviert, wohlhabend und bürgerlich. Privat beschäftigte Georg sich u.a. mit der Geschichte Berlins, er gab 1931 eine Schrift über die Grabstätten berühmter Berliner heraus. 1932 oder Anfang 1933 zogen Georg und Gertrud Besas in die Nassauische Straße 62. Sie hatten eine noch ungeteilte 6-Zimmer-Wohnung. Wahrscheinlich handelte es sich um die Wohnung im 1. Stock rechts.
Schon am 7.4.1933 wurde Dr. Georg Besas auf Grund des „Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ das Notariat entzogen. Seine renommierte Kanzlei erfuhr sofort erhebliche Einschränkungen, und im Herbst 1933 stand ihre Schließung bevor oder war bereits erfolgt.
Georgs Stolz war „gebrochen“, wie die Schwägerin berichtet. Dermaßen gedemütigt und um seine gesamte bürgerliche Existenz gebracht, unternahm er im September 1933 zusammen mit seiner Frau einen Selbstmordversuch, sie wurden jedoch gerettet. Kurze Zeit später sprang Georg Besas aus dem Fenster. Er starb am 12. Oktober 1933.
Hilda kümmerte sich anschließend um ihre Schwester und konnte sie fast sechs Jahre davon abhalten, Georg in den Tod zu folgen. Sie besorgte ihr eine Arbeit (wahrscheinlich eine Bürotätigkeit) und „versuchte auch dadurch [ihre] Stimmung zu heben, dass sie ihren eigenen Sohn mit der Schwester leben ließ“.
Alle Familienmitglieder planten die Flucht oder Auswanderung. Dann aber starb Paul Kornicker 1937 an Krebs. Hilda musste die Praxis auflösen, die Einrichtung verschleudern. 1938 gelang es ihr, den 16 Jahre alten Sohn mit einem Kindertransport in die USA zu schicken. Hilda zog im April 1938 in ein gemietetes Zimmer, wo sie im November die Pogromnacht erlebte.
Auch für Gertrud Besas wurde das Leben immer bedrängter. Auf Grund der im November 1938 erlassenen Verordnung zur „Judenvermögensabgabe“ musste sie ein Viertel ihres noch vorhandenen Bankguthabens von 20.000 RM in Raten an den Staat abgeben und auch Silber und Schmuck an Sammelstellen abliefern. Sie vermisste ihren Neffen. Dann erhielt Hilda, nicht aber Gertrud, ein Affidavit aus den USA. Schließlich wurde ihr zum 1.9.1939 die Wohnung gekündigt. Gertrud begann, mit Hilda zusammen die Wohnung aufzulösen, aber dann vergiftete sie sich am 19. August 1939.
Die Kündigung der Wohnung war möglich geworden durch das Gesetz über Mietverhältnisse mit Juden (RGBl I, S. 864) vom 30. 4.1939. Gertrud hätte wahrscheinlich als Untermieterin in eine Wohnung anderer Juden ziehen müssen. Hilda Kornicker: „Der arische Hauswirt hatte sie … gekündigt, da keine Juden mehr in dem Hause wohnen sollten, und meine Schwester begann, die Möbel der sehr eleganten Wohnung zu verschleudern. Sie nahm sich aber die ganze Verfolgung so zu Herzen, … daß sie noch vor dem 1.9.39 d.h. am 19.8.39 sich das Leben nahm …“
Hilda Kornicker wurde 1941 zu Zwangsarbeit in der Rüstungsindustrie, in den Borsigwerken bei Tegel, verpflichtet. Sie erkrankte infolgedessen schwer und wurde nach vier Monaten mit einem Attest freigestellt. Vom 19.9.1941 an musste sie den Judenstern tragen. Am 19.10.1941 – am Tag nach Beginn der Deportationen vom Bahnhof Grunewald und vier Tage bevor die Grenzen endgültig geschlossen wurden! – gelangte sie mit einem von ihrem Sohn beschafften Visum über Portugal nach Havanna. Wegen des Kriegseintritts der USA musste sie zunächst in Kuba bleiben und litt unter ihren gesundheitlichen Beschwerden, die nicht fachgerecht behandelt wurden. Als sie am 27.4.1944 nach Kalifornien einreisen durfte, befand sich ihr Sohn als Soldat der amerikanischen Armee in Europa. Stephan Kornicker wurde später Versicherungskaufmann. Er war verheiratet, über Kinder ist nichts bekannt. Hilda Kornicker starb am 15. September 1977, ihr Sohn am 18. September 2000 in Kalifornien.
1952 begann Hilda Kornicker, Entschädigungszahlungen für sich und für den Besitz ihrer Schwester einzuklagen. Ihre Rechtsanwälte berichteten, dass die Auseinandersetzungen mit den deutschen Behörden, die sich über viele Jahre hinzogen, sie psychisch an den Rand ihrer Kräfte brachten. Bei den Ämtern gab es dafür wenig Verständnis. Vermutlich waren unter den Behördenmitarbeitern einige, die vorher noch selbst die Zwangsmaßnahmen erlassen oder durchgeführt hatten. Immer wieder wurde die Glaubwürdigkeit der Klägerin in Zweifel gezogen: „Sie will Zwangsarbeit geleistet haben“[!] Neben ausgiebigem Gebrauch des Konjunktivs besonders beliebt war das Wort „angeblich“.