Thema des Monats Mai 2012

Wird mit dem Projekt Ökokiez2020 die „Gentrifizierung“ des Quartiers betrieben?

Die Bezirksverordnetenversammlung diskutiert

Klausenerplatz, Foto: Raimund Müller

Klausenerplatz, Foto: Raimund Müller

In dem vom Bundesumweltministerium geförderten Projekt Ökokiez 2020 hat das Bezirksamt gemeinsam mit dem Kiezbündnis ein Klimaschutzkonzept für den Klausenerplatz-Kiez erarbeitet. Alle Bereiche des Klimaschutzes sollen hier beispielhaft untersucht werden – von baulichen Maßnahmen über den Verkehr, das Verbraucher- und Konsumverhalten bis zur Fassadenbegrünung. Damit sollen Energie- und CO2-Einsparpotenziale in diesem typischen Berliner Altbauquartier erschlossen werden, um sie auf andere Stadtgebiete auch über Berlin hinaus übertragen zu können. In mehreren Informationsveranstaltungen mit den Anwohnerinnen und Anwohnern wurden Befürchtungen laut, die Maßnahmen könnten zu Mietsteigerungen führen und das Wohngebiet insgesamt verteuern.

CDU-Fraktion

Mit dem Beschluss der BVV, ein Klimaschutzprogramm für den Bezirk zu initiieren, sollte ein Programm erarbeitet werden, das alle Abteilungen erfasst und von Klimaschutzmaßnahmen für den gesamten Bezirk ausgeht. Daraus ist nun ein Klimaschutzprogramm für den Klausenerplatz geworden. Eine wichtige Zielvorgabe aus den bekannten Maßnahmen ist die energetische Sanierung der Wohngebäude, die Optimierung von Heizungsanlagen und der Austausch von undichten Fenstern gegen Isofenster. Diese Maßnahmen dürften den größten Klimaschutzeffekt bewirken. Die Energie einsparenden Maßnahmen sind für den Bezirk aber nur für die eigenen Gebäude umsetzbar, nicht für den privaten und städtischen Wohnbesitz.
Eine Umsetzung der klimapolitischen Ziele hat zur Folge, dass die Mieten steigen werden. Dieses ist den Betroffenen bei den bisher veranstalteten Info-Abenden in der Vergangenheit durch die zuständigen Bezirksamtsmitglieder von SPD und Grünen nicht in aller Deutlichkeit aufgezeigt worden. Der Hinweis auf öffentliche Förderprogramme wird nur geringfügige Auswirkungen auf die Kostenverteilung haben.
Barbara Siele

SPD-Fraktion

Natürlich stellt sich bei Maßnahmen zur energetischen Sanierung auch die berechtigte Frage nach Mieterhöhungen: Das Projekt Ökokiez 2020 ist jedoch kein Instrument zur Gentrifizierung. Das Konzept sieht viele mögliche Varianten zur Senkung von CO2-Emmissionen vor, die im Konsens mit der Bevölkerung entwickelt werden. Durch partizipative Elemente werden die Belange der Mieterinnen und Mieter berücksichtigt. Daneben ist hier auch das Bezirksamt zum Handeln aufgefordert. Ein Vorbild könnte insoweit der Bezirk Pankow sein, der mit der Gewobag Vereinbarungen zur Mieterverträglichkeit von energetischen Sanierungen abgeschlossen hat. Auch losgelöst vom Ökokiez stellt sich natürlich die Frage, wie die Energiewende auch für die Mieterinnen und Mieter sozialverträglich umgesetzt wird. Ziel des langfristig geplanten Projektes ist genau dies: Bewahrung der Sozialstruktur und Verbesserung der Lebensqualität.
Carolina Böhm/Robert Wolf

Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

Das Projekt „Ökokiez 2020 Klausenerplatz“ ist ein Pilotprojekt. Ziel ist unter anderem, exemplarisch herauszufinden, inwieweit der erforderliche Klimaschutz umgesetzt werden kann, gerade ohne zu Mietsteigerungen und Gentrifizierung zu führen. Dafür ist ein umfangreicher Maßnahmenkatalog geplant: Nutzerberatung, Optimierung des öffentlichen Nahverkehrs, Straßenbegrünung, bessere Durchlüftung durch Öffnung von Höfen und vieles mehr. Gebäudesanierungen spielen dabei nur zum Teil eine Rolle, und zwar vornehmlich bei der öffentlichen Nehring-Grundschule. Die derzeit zu Unmut führenden Sanierungen der Gewobag stehen nicht in Zusammenhang mit dem Ökokiez. Um aber auch hier die Sozialverträglichkeit sicherzustellen, hat die Grüne Fraktion ganz aktuell das Bezirksamt aufgefordert, mit der Gewobag über eine Sanierungsvereinbarung zu verhandeln.
Jenny Wieland

Piraten

“Gentrifizierung” nennt man die “Aufwertung” von ehemals kostengünstigen Stadtquartieren, bei denen die ursprüngliche Wohnbevölkerung durch nachziehende zahlungskräftige Mieter verdrängt wird. Das ehemalige Sanierungsgebiet um den Klausenerplatz steht unter einem besonderen Gentrifizierungsdruck. Das neuentwickelte Konzept “Ökokiez” zur wünschenswerten energetischen Sanierung des Gebäudebestands darf nicht dazu dienen, umfangreichere Modernisierungen durchzuführen. Das führt im Einzelfall zur Erhöhung der Grundmiete, bei der geplanten Sanierung im gesamten Klausenerplatz-Kiez zur deutlichen Erhöhung des Mietspiegels. Die Piraten möchten den Kiez als Gebiet mit vorbildlichen Sozialstrukturen erhalten, wir erwarten von der städtischen Wohnungsbaugesellschaft Konzepte zur behutsamen Erneuerung.
Gerlinde Behrendt

Die Linke

Es ist nicht richtig, den Ökokiez als Ursache der Gentrifizierung zu sehen. Er ist eine politische Maßnahme, allerdings in einem Gebiet, dessen Co² Ausstoß schon sehr gut ist – eine Entscheidung mit dem Blick auf die Wahl in 2011 damals getroffen und keine umweltpolitische Notwendigkeit. Der erste Fehler der Zählgemeinschaft SPD/Grüne am Klausenerplatz! Gentrifizierung verursacht die GEWOBAG. Mit Sanierungsvorhaben die Mieten bis zu 50% erhöht. Sie saniert auch freiwerdende Wohnungen und vermietet sie mit einer wesentlich höheren Miete neu. Damit wird im Kiez eine Steigerung der Mieten initiiert, die jetzt nur wenige, in ein paar Jahren aber viele treffen wird. Auch jene, die jetzt noch glauben, davon nicht betroffen zu werden. Das ist der zweite Fehler von SPD und Grünen, die ihre Stadträte nicht zum Handeln auffordern, um alle Möglichkeiten auszuschöpfen, die Mietsteigerungen stoppen. Hier müssen SPD und Grüne wirklich beweisen, dass sie für die Bürger, nicht gegen sie arbeiten.
Wolfgang Tillinger