Spätestens Ende 1938 verlor er seine Anteile an der BBG, weil das Gesetz zur Änderung der Gewerbeordnung vom 6. Juli 1938 erlassen wurde, das für alle Juden in der Immobilienwirtschaft ein formelles Berufsverbot bedeutete. Bis zuletzt versuchte er sein Lebenswerk zu retten, indem er einen Arier, Wilhelm Hiller, einstellte. Der übernahm nach der Kaltstellung des Gründers die Firma und zahlte Epstein eine kümmerliche Rente, mit der er immerhin zunächst sein Überleben sichern konnte.
Nicht nur beruflich, auch privat wurde er auf üble Weise schikaniert. Ihm wurde 1938 ein Kontaktverbot mit der Mutter seiner Kinder auferlegt und er musste sich eine Unterkunft mieten, zunächst in der Levetzowstraße. Danach zog er in ein möbliertes Zimmer bei Michel Jacovici (verschiedentlich als Jacobiti angegeben), um die Ecke von Ludmila in der Markgraf-Albrecht-Straße 3, wo er sich allerdings nur nachts nach der Sperrstunde aufhielt. Sein Vermieter Jacovici, der Mitglied der Jüdischen Gemeinde war und als Spitzel der Nazis galt, verschaffte sich Zutritt zu Epsteins Zimmer und Schreibtisch, um Beweise zu suchen, dass er Jude war. Am 8.11.1942 versuchte er sogar, Epsteins Unterschrift für ein Bekenntnis als Jude zu erpressen.
Seit Mai 1943 musste er in bei der Metallwarenfabrik Parchner & Marquard, Roelckestraße 93, Zwangsarbeit verrichten und wurde ab Oktober schwer krank. Wer nicht arbeitsfähig war, war Kandidat für die Deportation.
Am 12.1.1944 wurde er – nach einer Denunziation, vermutlich von Jacovici – festgenommen und inhaftiert. Am 27. Januar, seinem Geburtstag, besuchte ihn seine Tochter Nora im Arrest ein letztes Mal. Er übergab ihr eine Mappe mit seinen Dokumenten, die erhalten sind und archivarisch verwahrt werden.
Epstein beharrte auf seinem Status als „Geltungsjude“, aber das Reichssippenamt lehnte am 11.2.1944, einen Monat nach seiner Verhaftung, den Widerspruch gegen seine Einstufung als Volljude endgültig ab. Am 11. Februar erfolgte ein Gerichtsurteil, dass Epstein Jude sei. Sofort danach wurde seine Deportation vorbreitet. Das Haus in der Markgraf-Albrecht-Straße 3 wurde kurz darauf, am 15.2.1944, durch Bomben zerstört.
Epstein musste sich zur Registrierung und Verteilung auf die nach Osten rollenden Züge am 26.2.1944 in dem als Sammellager missbrauchten Jüdischen Altersheim an der Großen Hamburger Straße 26 einfinden. Dort gab er wie alle zur Deportation vorgesehenen Juden seine Vermögenserklärung ab, in die er eintrug, dass ihm noch „ca. 1 Woche Lohn“ zustehe.
Am 10. März 1944 ist er vom Bahnhof Grunewald in einem Waggon, der an einen fahrplanmäßigen Zug angehängt wurde, mit 56 Menschen, überwiegend aus so genannten “privilegierten Mischehen“, ins Ghetto Theresienstadt gebracht worden.
Am 26.8.44 begab sich ein Mitarbeiter des Finanzamts namens Kuffel auf die Suche nach irgendwelchen Hinterlassenschaften Epsteins, musste aber unverrichteter Dinge umkehren. Auf einem „Schätzungsblatt“ trug er mit einem lila Stift in unbeholfener Amtssprache und falschem Deutsch ein: „Das Haus Markgraf Albrechtstr. 3 ist total ausgebombt. Nach Angaben einer Geschäftsfrau auf der Gegenseite der Straße wohnten ob. genannten Juden noch vor der Bombardierung 15.II.44. Polizei-R. 157 ist am 15.II. auch total ausgebombt. Sämtliche Nachweise bis zum 15.II. sind dabei umgekommen. Wo ob. genannten Juden verblieben sind, ist auf dem zuständigen Polizei R. 157 nicht bekannt.“
So verlieren sich die Spuren des Lebens und des Todes von Alexander Epstein im Vernichtungslager Auschwitz, wohin er am 28. September 1944 aus Theresienstadt weiterdeportiert wurde, und in Berliner Behörden. Im August 1948 wollte das Amtsgericht Berlin-Charlottenburg, vermutlich aufgrund einer Anfrage von Epsteins Nachkommen, eine Todeserklärung anfertigen und schrieb an die zuständige Verwaltung: „Wir bitten um Mitteilung der letzten regulären legalen Wohnung des angeblich deportierten Alexander Epstein.“ So formulierte Amtsgerichtsrat Dr. Schubart, der mehr als drei Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs das Wörtchen „angeblich“ einschob, also die Verbrechen des Massenmords immer noch nicht so recht wahrhaben wollte. Die Antwort vom 1.9.1948: „Am 10.3.1944 wurde er mit dem 103. Alterstransport nach Theresienstadt deportiert. Weiteres ist uns über seine Personalien und sein Schicksal nicht bekannt.“
Nora Gruner, geb. Epstein, wurde zwar später als Opfer des Faschismus in der SBZ (sowjetisch besetzte Zone) anerkannt, aber ebenso wie Lisbeth Lemke und Ludmila Dimitrieff, die in den 1950er Jahren verschiedene Wiedergutmachungs- und Entschädigungsverfahren führten, mit minimalen Entschädigungen abgespeist. Als symbolischen Akt erhielt Ludmila 1952 nachträglich den Namen Epstein zuerkannt.
Text: Helmut Lölhöffel nach Aufzeichnungen der Enkeltochter von Alexander Epstein, Sylvia Kade (2013) und aufgrund von Akten im Brandenburgischen Landeshauptarchiv (BLHA) im Potsdam
Quellen:. Hans H. Lembke: Aufstieg, Verdrängung, Deportation – Phasen eines Unternehmerlebens in der Zehlendorfer Bauwelt 1933–44. Berlin 2004; Brandenburgisches Landeshauptarchiv Potsdam: Vermögenserklärung und Transportliste; Landesarchiv Berlin: Akten zur Zwangsversteigerung des HAG-Besitzes; Bundesarchiv: Schriftwechsel der Reichsvereinigung der Juden in Deutschland zu A. Epstein