1905/06 Hermann Muthesius
Das Haus des Fabrikanten Bernhard stellt eine Inkunabel der reformierten, gegen historisierenden Eklektizismus gerichteten Landhausarchitektur dar. Es ist das einzige erhaltene Landhaus von Muthesius in Wilmersdorf und eines der ersten, das er nach seiner Rückkehr aus England errichtete. Als Attachee der deutschen Botschaft hatte er zwischen 1896-1903 die englische Reformarchitektur studiert und transformierte seine Erfahrungen auf die Ansprüche des kultivierten Großbürgertums in Deutschland. Der mehrfach gebrochene Mittelgiebel verleiht dem symmetrisch gewichteten Haus einen Höhenakzent, der seinen repräsentativen Habitus unterstreicht und dem mächtigen Mansarddach die Schwere nimmt. Der freie, heitere Charakter wird durch die breite, zum Garten offene Lagerung des Hauses bestimmt wie durch die Leichtigkeit der verschiedenen Sprossenfenster. Der spezifische Rauhputz verleiht der Oberfläche eine lebendige Textur. Ein sezessionistisches Quadratgitter hebt im Brüstungsbereich die Zäsur zwischen den Geschossen auf. Durch Multiplikation dieses geometrischen Rasters an Pavillon und Einfriedung wird es zur dekorativen Metapher für die von Muthesius angestrebte Transparenz zwischen Innen und Außen, Haus und Garten. Stets hat der Architekt die Gärten seiner Häuser selbst geplant. Erhalten ist der ebenerdig vom Haus zu betretende Vorgarten. Terrassierungen vermitteln zwischen der Hanglage des Hauses und dem Straßenniveau. Formale, regelmäßige Pflanzordnungen führen den Eintretenden von der Pforte zur Haustür. Die innere, der Wohnkultur und dem Lebensstil des Bürgertums vor dem 1. Weltkrieg angepaßte Raumstruktur ist durch spätere Wohnungsaufteilungen unterbrochen. Die “Halle”, mit der vom Architekten genau bedachten Führung der Treppe über ein Podium zum Obergeschoß, gehört zu den qualitätvollsten Innenraumgestaltungen von Hermann Muthesius.
s. auch www.hermann-muthesius.de
Text: Bettina Kühne