mit Bezirksbürgermeisterin Monika Thiemen
Treffpunkt: vor dem U-Bahnhof Jakob-Kaiser-Platz am Klausingring
Sehr geehrte Damen und Herren!
Herzlich willkommen zu unserem Kiezspaziergang. Das letzte Wochenende war bestimmt vom 60. Jahrestag des Kriegsendes, und wir wollen auch den heutigen Kiezspaziergang unter dieses Thema stellen. Deshalb haben wir uns hier in der Paul-Hertz-Siedlung getroffen, einem Charlottenburger Wohngebiet, das entstanden ist, um die Wohnungsnot nach dem Zweiten Weltkrieg zu lindern. Wir werden die Kirche und Gedenkstätte Regina Maria Martyrum, das Evangelische Gemeindezentrum mit dem Plötzenseer Totentanz und am Ende die Gedenkstätte Plötzensee besichtigen.
Zuvor aber wie immer der Hinweis auf den nächsten Kiezspaziergang. Ich wurde schon öfters danach gefragt, wann wir endlich die seit langem geplante Besichtigung des Olympiastadions nachholen. Ich habe eine gute Nachricht für Sie: Im Juni ist es soweit. Wir wollen uns wie immer am zweiten Sonnabend des Monats, also am Sonnabend, dem 11. Juni, um 14.00 Uhr am Haupteingang des Olympiastadions treffen, also am Eingang Olympischer Platz unter den Olympischen Ringen. Wir werden eine kompetente Führung durch Herrn Köhn vom Architekturbüro Gerkan, Mark und Partner erhalten.
Leider dürfen wir nicht kostenlos in das Olympiastadion. Wir müssen den ermäßigten Eintritt von 1.- EUR pro Person bezahlen. Ich bitte Sie also, ausnahmsweise beim nächsten Mal einen Euro mitzubringen und am Eingang des Olympiastadions bereit zu halten.
Eine weiteres Buch zu unserem Jubiläum wird am Dienstag, dem 7. Juni, um 19.00 Uhr bei uns im Rathaus Charlottenburg mit einem Dia-Vortrag vorgestellt: “Charlottenburg im Wandel der Geschichte – Vom Dorf zum eleganten Westen” von Elke Kimmel und Ronald Oesterreich. Das Buch erscheint im bebra-Verlag und wird 15,90 EUR kosten.
Jakob-Kaiser-Platz
Der frühere Siemensplatz wurde 5 Tage nach seinem Tod am 12. Mai 1961 nach dem Widerstandskämpfer und CDU-Politiker Jakob Kaiser benannt. Er wurde 1888 in Hammelburg als Sohn eines Buchbinders und Papierwarenhändlers geboren. Ab 1912 war er in der Leitung der christlichen Gewerkschaften tätig und kam 1921 als deren Geschäftsführer nach Berlin. Er war Mitglied der Zentrumspartei und stimmte 1933 zunächst intern gegen das Ermächtigungsgesetz, beugte sich aber am Ende dem Fraktionszwang und stimmte in der entscheidenden Abstimmung im Reichstag zu. Im Mai 1933 weigerte er sich, die verordnete Auflösung der christlichen Gewerkschaften zu akzeptieren und wurde arbeitslos. Seit 1934 wohnte er in der Wittelsbacherstraße 28 in Wilmersdorf. 1938 wurde er für ein halbes Jahr verhaftet. Er hatte Kontakte zum Widerstandskreis um Stauffenberg und konnte nach dem gescheiterten Attentat auf Hitler vom 20. Juli 1944 in einem Versteck in Babelsberg überleben.
1945 gehörte er in der sowjetischen Besatzungszone zu den Mitbegründern der CDU. 1947 ging er nach West-Berlin, war von 1949 bis 1957 Bundestagsabgeordneter und wurde Minister für Gesamtdeutsche Fragen. Als Stellvertretender CDU-Vorsitzender kritisierte er die alleinige Orientierung Adenauers nach Westen. Er sah Deutschland als wichtige Brücke zwischen Ost und West. 1958 wurde er Ehrenbürger Berlins. Sein Ehrengrab befindet sich auf dem Waldfriedhof Zehlendorf.
Paul-Hertz-Siedlung
Die Paul-Hertz-Siedlung wurde 1960-65 nach Plänen von Wils Ebert, Werner Weber und Fritz Gaulke auf ehemaligem Kleingartenland am Heckerdamm, östlich des Kurt-Schumacher-Damms für die GEWOBAG errichtet. Sie galt als ein Musterbeispiel der damaligen Vorstellungen der Stadtplaner von der “aufgelockerten Stadt”. Das heißt: Die Häuser stehen nicht direkt an der Straße, sondern eher versteckt im Grünen.
In den 8stöckigen Häusern gibt es mehr als 2.600 Wohnungen. Es sind überwiegend kleine Wohnungen zwischen 1 ½ und 3 Zimmern. Die durchschnittliche Wohnungsgröße beträgt 65 qm. Wegen der Luftsicherheit verlangte die alliierte Flugsicherheitsbehörde, die ursprünglich geplanten 13 Stockwerke auf 8 zu reduzieren. Nach dem Abzug der Alliierten wurden von 1993 bis 1996 viele Gebäude trotz heftigster Mieterproteste aufgestockt.
Die Straßen wurden nach Widerstandskämpfern benannt, weil sich in unmittelbarer Nähe die 1952 eingeweihte Gedenkstätte Plötzensee befindet. Die meisten der hier auf den Straßenschildern geehrten Widerstandskämpfer wurden in Plötzensee hingerichtet. Auch die Gebäude der evangelischen und katholischen Kirche erinnern an den Nationalsozialismus. Die 1966 eingeweihte Grundschule erhielt den Namen des Widerstandskämpfers Helmuth James von Moltke.
Die Siedlung schließt an die seit 1929 entstandene Siedlung Siemensstadt in Charlottenburg-Nord an. Ihr westlicher Teil auf der anderen Seite des Kurt-Schumacher-Damms wurde 1956 bis 1961 gebaut. Der Wohnungsbau hier in Charlottenburg-Nord sollte die Wohnungsnot der Nachkriegszeit beheben. Paradoxerweise verstärkte er diese zunächst, da für die großflächigen Baumaßnahmen viele Laubenkolonien aufgegeben werden mussten, die in der Nachkriegszeit vielfach als Wohnersatzraum genutzt wurden. Wir werden im zweiten Teil unseres Spaziergangs durch die bis heute erhaltenen umfangreichen Kleingartensiedlungen gehen und dort einen Eindruck davon erhalten, welche Bedeutung diese Kleingärten heute als Erholungsgebiet haben.
Die Siedlung auf dieser Seite des Kurt-Schumacher-Damms wurde benannt nach dem 1961 verstorbenen SPD-Politiker Paul Hertz, der sich nach dem Zweiten Weltkrieg für den Wiederaufbau im damaligen West-Berlin eingesetzt hatte. Der 1887 geborene Paul Hertz trat 1905 in die SPD ein, war 1920-33 Mitglied des Reichstages, 1933 emigriert, 1950 von Ernst Reuter als Mitarbeiter für den Wiederaufbau nach Berlin geholt, Senator für Marschallplan und Kreditwesen, zuständig für das Notstandsprogramm und Wirtschaftssenator.
In der Paul-Hertz-Siedlung leben rund 3000 Mieter, davon sind 1400 Kinder und Jugendliche; etwa vierzehn Prozent der Bewohnerinnen und Bewohner sind ausländischer Herkunft, in den letzten Jahren zogen viele russischsprachige Mieter ein, meist sind es Russlanddeutsche. Der Zusammenhalt der Bewohnerinnen und Bewohner in dieser Siedlung ist für ein solches Neubauprojekt erstaunlich groß. Wir haben dies bemerkt als wir mit Unterstützung der WohnungsbaugesellschaftGEWOBAG vor 4 Jahren eine Ausstellung zum “Leben in der Paul-Hertz-Siedlung” gezeigt und ein entsprechendes Buch veröffentlicht wurde. Viele Bewohnerinnen und Bewohner haben daran mit gearbeitet und sehr viel Wert auf die Geschichte und den Zusammenhang mit der Gedenkstätte Plötzensee gelegt. Das Buch ist im Heimatmuseum Charlottenburg-Wilmersdorf für 2,50 EUR erhältlich.
Klausingring
Der Klausingring wurde 1962 benannt nach Friedrich Karl Klausing. Er wurde am 24.5.1920 in München geboren, war Offizier und wurde als Widerstandskämpfer am 8.8.1944 in Plötzensee hingerichtet
Bernhard-Lichtenberg-Straße
Die Bernhard-Lichtenberg-straße wurde 1962 benannt nach dem Theologen und Dompropst Bernhard Lichtenberg. Er wurde am 3.12.1875 in Ohlau in Schlesien geboren, kam 1900 als katholischer Pfarrer nach Berlin-Lichtenberg und war von 1913 bis 1930 Seelsorger in der Herz-Jesu-Kirche in Charlottenburg, seit 1932 Dompfarrer an der St. Hedwigs-Kathedrale, seit 1938 Dompropst in Berlin.
Er gehörte zum Vorstand des Friedensbundes Deutscher Katholiken und predigte engagiert gegen den Nationalsozialismus. Er rettete Verfolgte vor der Gestapo, wurde 1941 verhaftet und zu 2 Jahren Gefängnis verurteilt. Am 5.11.1943 starb er in Hof auf dem Transport ins KZ Dachau.
Kirchnerpfad
Der Kirchnerpfad wurde 1962 benannt nach der Journalisten, Sozialfürsorgerin und Widerstandskämpferin Johanna Kirchner. Sie wurde 1889 in Frankfurt am Main geboren und war seit ihrem 14. Lebensjahr in der SPD. Nach 1933 war sie illegal weiter aktiv und floh 1935 nach Frankreich. Dort wurde sie nach dem deutschen Überfall 1940 inhaftiert und an die Gestapo ausgeliefert, im Mai 1943 zu 10 Jahren Zuchthaus verurteilt. Am 21.4.1944 wurde sie in einem neuen Verfahren zum Tode verurteilt und am 9.6.1944 in Berlin-Plötzensee hingerichtet.
Delpzeile
Die Delpzeile wurde 1962 benannt nach dem Jesuiten und Widerstandskämpfer Alfred Friedrich Delp. Er wurde 1907 in Mannheim geboren und arbeitete von 1941 bis 1944 in München-Bogenhausen als Seelsorger. Seit 1942 hatte er Kontakt zum Kreisauer Kreis, im Juli 1944 wurde er mit Helmuth Graf Moltke verhaftet, am 12.1.1945 zum Tode verurteilt, am 2.2.1945 in Plötzensee hingerichtet.
Teichgräberzeile
Die Teichgräberzeile wurde 1962 benannt nach dem Schlosser, Gewerkschaftsfunktionär und Widerstandskämpfer Richard Teichgräber. Er wurde 1884 in Dahlen geboren, wegen illegaler Gewerkschaftsarbeit am 15.12.1934 verhaftet, am 6.10.1937 wegen “Hochverrats” zu 3 ½ Jahren Zuchthaus verurteilt, ins KZ Buchenwald überführt, kam danach in die Konzentrationslager Lublin und Auschwitz und starb am 25.2.1945 im KZ Mauthausen.
Wiersichweg
Der Wiersichweg wurde 1962 benannt nach dem Maschinenbauer und Widerstandskämpfer Oswald Wiersich benannt. Er wurde 1882 in Breslau geboren, war aktiver Gewerkschafter und wurde 1933 inhaftiert. Nach seiner Entlassung wurde er unter Polizeiaufsicht gestellt. Trotzdem nahm er 1935 Verbindung zu Widerstandsgruppen auf. Am 22.8.1944 wurde er verhaftet und am 1.3.1945 in Plötzensee hingerichtet.
Heckerdamm
Der Heckerdamm wurde 1950 benannt nach dem Architekten Oswald Hecker (1869-1921)
230-232
Katholische Kirche Maria Regina Martyrum mit dem Karmel-Kloster
Schwester Theresia Benedikta zeigt uns die Kirche. Herzlichen Dank dafür.
Die Kirche wurde 1960 bis 1963 von den Würzburger Architekten Hans Schädel und Friedrich Ebert als “Gedenkkirche zu Ehren der Blutzeugen für Glaubens- und Gewissensfreiheit 1933-45” gebaut, das heißt als Gedächtniskirche der deutschen Katholiken für die Opfer des Nationalsozialismus. Entstanden ist ein zweigeschossiger verblendeter Stahlbetonbau mit einer Oberkirche mit Tauf- und Beichtkapelle und einem kryptaartigen Gedenk- und Andachtsraum zu ebener Erde; einem Feierhof mit Campanile, Kreuzweg und Freialtar.
In der Kirche gibt es zahlreiche Skulpturen, unter anderem eine Sitzende Madonna aus Südfrankreich um 1320. Eine vergoldete Marien-Plastik von Fritz König über dem Eingang weist auf den Namen der Gedenkstätte hin. Im Gedenkraum der “Märtyrer für Glaubens- und Gewissensfreiheit” erinnert eine Pieta (Mutter mit Kind) von Fritz König an die Trauer der Mütter über ihre im Krieg verlorenen Kinder. Vier Bodenplatten mahnen mit Inschriften zum Gedenken an Opfer der NS-Gewaltherrschaft.
Hier befindet sich auch das Grab des 1934 von den Nationalsozialisten erschossenen Leiters der Katholischen Aktion, Erich Klausener und eine Gedenkstätte für den Dompropst Lichtenberg, der 1943 auf dem Weg ins Konzentrationslager starb. Nach Erich Klausener wurde der Klausenerplatz am Spandauer Damm gegenüber dem Schloss Charlottenburg benannt. Den matt erhellten Andachtssaal der Oberkirche beherrscht ein großes Altarwandbild von Georg Meistermann, eine Vision des himmlischen Jerusalem.
Das Karmel Kloster der Karmeliterinnen wurde 1983-84 von Theo Wieland gebaut. Wohntrakt und Gemeinschaftshaus wurden neu gebaut. Ein älteres Gemeindehaus auf dem Gelände der Kirche wurde umgebaut. Vom Karmel Heilig Blut in Dachau gegründet, weist das Kloster auf den Zusammenhang zwischen dem KZ Dachau und der Hinrichtungsstätte Plötzensee hin. Die Pfarrei Maria Regina Martyrum wurde 1982 zugunsten des Klosters aufgegeben.
226
Evangelisches Gemeindezentrum Plötzensee
Pfarrer Bolz vom Gemeindezentrum wird uns seine Kirche vorstellen.
Das Evanglische Gemeindezentrum Plötzensee am Heckerdamm 226 wurde 1968-70 von Gerd Neumann, Dietmar Grötzebach und Günther Plessow als Vierflügelanlage mit frei stehendem Glockenturm gebaut und 1970 eingeweiht. Der Kirchentrakt wurde weitgehend in Stahlbeton gebaut, die übrigen Gebäude als Mauerwerk. Der Kirchensaal ist ein Zentralbau über einem quadratischem Grundriss mit zentriertem Altar und tribünenartig ansteigenden Bankreihen.
Die 16 Tafeln des Plötzenseer Totentanzes von Alfred Hrdlicka von 1970 erinnern an die im nahen ehemaligen Zuchthaus Plötzensee Hingerichteten, darunter Generalfeldmarschall von Witzleben, die Generäle Hoepner und Stief, Helmuth Graf von Moltke, der Gewerkschafter Wilhelm Leuschner, der Sozialdemokrat Julius Leber, der Jesuitenpater Alfred Delp, der preußische Finanzminister Johannes Popitz, der Oberbürgermeister von Leipzig, Carl Friedrich Goerdeler, Regierungspräsident Ernst von Harnack und viele andere.
Die Hinrichtungsdarstellungen sind verbunden mit biblischen und gegenwartsbezogenen Themen und motivisch verknüpft mit der Hinrichtungsstätte Plötzensee. Die Kirche der evangelischen Kirchengemeinde Charlottenburg-Nord erhält dadurch die Bedeutung eines Mahnmals.
222
Seniorenwohnhaus
221
Helmuth-James-von-Moltke-Grundschule
Die Grundschule wurde 1966 benannt nach dem 1907 in Kreisau (Schlesien) geborenen Juristen, Landwirt und Widerstandskämpfer Helmuth James von Moltke. Er war Gründer und Mittelpunkt des Kreisauer Kreises und wurde am 23.1.1945 in Plötzensee hingerichtet. Bekannt wurden seine letzten Briefe aus dem Gefängnis Tegel.
Am 11.3.1966, dem 59.Geburtstag Moltkes, wurde die Schule feierlich eröffnet, sein Sohn Konrad von Moltke enthüllte das Portrait seines Vaters an der Gedenkwand.
Reichweindamm
Der Reichweindamm wurde 1962 benannt nach dem Pädagogen, Kulturpolitiker und Widerstandskämpfer Adolf Reichwein. Er wurde am 3.10.1898 in Bad Ems geboren, trat 1930 in die SPD ein, wurde 1933 als Professor für Geschichte in Halle entlassen und kam als Dorfschullehrer nach Tiefensee bei Berlin.
Seit 1939 leitete er die Schulabteilung des Volkskundemuseums in Berlin und hatte Kontakte zum Kreisauer Kreis und zu kommunistischen Widerstandsorganisationen. Im Juli 1944 wurde er durch Verrat verhaftet, vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt und am 20.10.1944 in Plötzensee hingerichtet.
Heckerdamm 210
Jugendclub Heckerdamm
Ich freue mich, dass Herr Waise vom Jugendclub Heckerdamm dabei ist und uns einiges über dieses bemerkenswerte Haus erzählen wird.
Der Jugendclub Heckerdamm liegt inmitten der Kolonie Zukunft, eine recht grüne und daher sehr angenehme Gegend. Das Haus wird von vielen Menschen und Gruppen genutzt. So gibt es eine mexikanische Volkstanzgruppe, Musiker, Breakdancer und den einen oder anderen Verein. Das Gebäude wurde 1996 eröffnet, nach ökologischen Gesichtspunkten gebaut. In der Nachkriegszeit hatte eine Holzbaracke als Jugendheim gedient.
Kleingartenkolonien
Die ersten südlich gelegenen Kolonien heißen “Zukunft” und “Gute Hoffnung”. Danach folgt die Kolonie Degenhof. Sie erinnert an die Familie Degen, die seit 1906 im Besitz der weitläufigen Grundstücke war: Bäckermeister Berthold Degen, Feinseifenproduzentin Herta Degen, Wagenbauer Franz Degen, und im Haus Degen wurde das Restaurant “Heideschlösschen” betrieben, nach dem heute ebenfalls eine Laubenkolonie benannt ist.
Die Namen der meisten Kleingartenkolonien nördlich des Heckerdamms erinnern ebenfalls an frühere Nutzungen des Geländes:
Auf dem Gebiet der heutigen Kolonie Pferdemarkt befand sich von 1907 bis 1936 tatsächlich der städtische Pferdemarkt Berlins. Und die Kolonie Olympia erinnert an eine Radrennbahn, die hier um 1900 gebaut wurde, und zwar für die Olympischen Spiele, die 1916 in Berlin geplant waren, wegen des Ersten Weltkriegs jedoch ausfielen. Die Rennbahn wurde im Zweiten Weltkrieg durch ein abgestürztes Flugzeug teilweise zerstört und in den 50er Jahren abgetragen.
Hinter den Laubenkolonien im Norden ragen Gewerbe- und Bürobauten auf, die in den 80er Jahren auf der so genannten Speerplatte am Saatwinkler Damm errichtet wurden. 1878 hatte der bekannteste Berliner Eisproduzent Carl Thater das Gelände gekauft und seine Eiswerke zur Produktion von Natureis errichtet. In den 30er Jahren musste die Familie ihre Grundstücke an das Deutsche Reich verkaufen, 1939 wurden die Eisteiche verfüllt, und 1940 ließ Albert Speer hier eine riesige Betonplatte bauen, die dem Fuhrpark der Organisation Todt als Abstellfläche diente. Auch einige Kasernen wurden errichtet.
Nach dem Krieg wurde das Gelände bis auf das Kommandeursgebäude abgeräumt und seit 1955 als Kohlebevorratungslager genutzt. Seit dem Chrustschow-Ultimatum von 1958 wurde hier eine Senatsreserve von 200.000 Tonnen Kohlen gelagert. Im Kommandeursgebäude wurde provisorisch eine Grundschule für die Kinder aus Charlottenburg-Nord untergebracht, die so genannte Bunkerschule. In der Schulverwaltung sprach man damals vom “Sibirien Charlottenburgs”, wenn von der Schule und dem umliegenden Gelände die Rede war. Mit dem 1965 eröffneten Neubau der Helmuth-James-von-Moltke-Schule hatte dieses Provisorium ein Ende. Heute befinden sich auf dem Gelände Baumärkte, Gewerbehöfe und Bürobauten. Wir werden sie deutlich sehen, wenn wir am Ende des Heckerdamms in die Kolonien gehen.
Hüttigpfad
Der Hüttigpfad wurde 1950 nach dem 1908 in Bottendorf geborenen Richard Hüttig benannt. Er stammte aus einer Landarbeiterfamilie, siedelte 1928 nach Berlin über, wurde Mitglied der “Roten Jungfront” und später der KPD. Seit 1930 war er Leiter der Häuserschutzstaffel seines Charlottenburger Wohngebiets im Klausenerplatzkietz, die wegen wiederholter Überfälle von SA-Trupps zur Abwehr gegründet worden war. Er wurde beschuldigt, am 19.2.1933 bei einem Zusammenstoß mit SA und SS den SS-Scharführer Kurt von Ahé erschossen zu haben. Obwohl es für diese Anschuldigungen keine Beweise gab, wurde er bei einer Razzia am 14.9.1933 verhaftet und im KZ Columbia-Haus schwer misshandelt. Am 14. 6. 1934 wurde er in Plötzensee mit dem Handbeil hingerichtet. An dem Haus Seelingstraße 21 erinnert eine Gedenktafel an ihn.
Justizvollzugsanstalt Plötzensee
Das Strafgefängnis Plötzensee wurde 1868-72 von Heinrich Ludwig Herrmann unter Beteiligung von Paul Emanuel Spieker und Hesse erbaut. Auf 25 Hektar entstand ein Gebäudekomplex mit vielen Freiflächen für 1.200 Gefangene. Es ist eine der frühesten Berliner Gefängnisanlagen mit lockerer Bebauung in Rohziegelbauweise: Torhaus, Gefängnistrakte, Beamtenwohnhäuser, Küchenbauten, Kessel- und Maschinenhausund einer Anstaltskirche im oberen Stock des Hauptgebäudes. Ein jüdischer Tempel wurde 1939 abgerissen. Teile des Gebäudekomplexes wurden im Zweiten Weltkrieg zerstört. Die gesamte Anlage steht unter Denkmalschutz.
Gedenkstätte Plötzensee
Herr Wulkau von der Gedenkstätte Deutscher Widerstand und Plötzensee wird uns die Gedenkstätte Plötzensee erläutern. Vielen Dank dafür.
Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme verschärften sich die Haftbedingungen im Gefängnis Plötzensee. Im Hinrichtungsschuppen wurden bereits 1933 vier Menschen ermordet. Die meisten Hinrichtungen gab es 1942 mit 535, 1943 mit 1.180 und 1944 mit 534. Auch in den letzten Wochen des Krieges 1945 wurden noch 132 Menschen hingerichtet, die letzten am 15. April 1945. Insgesamt waren es zwischen 1933 und 1945 2.891. Am 25. April 1945 wurde Plötzensee durch die Rote Armee befreit.
Die Gedenkstätte wurde 1952 errichtet auf dem Gelände des ehemaligen NS-Zuchthauses Plötzensee zur Erinnerung an die etwa 2.500 hier durch Fallbeil oder Strick hingerichteten Männer, Frauen und Jugendlichen, darunter zahlreiche Widerstandskämpfer – unter anderem am Umsturzversuch des 20. Juli 1944 Beteiligte. Die ehemalige Hinrichtungsstätte wird heute als Gedenk- und Dokumentationsraum genutzt, in dem sich unter anderem eine Ausstellung von Originalakten des Volksgerichtshofes befindet.