Straße des 17. Juni
Benannt am 3.11. 1953 zur Erinnerung an den Aufstand in der DDR, zuvor Berliner Straße
Technische Universität, Lichthof
(Referentin: Heidi Degethoff de Campos, Frauenbeauftragte der TU)
Marchstraße 6-8 (Villa Bell auf dem TU-Gelände)
Adelheid Mommsen, die Tochter von Theodor Mommsen, lebte hier von 1874 bis 1904, das heißt von ihrem 5. Lebensjahr an 30 Jahre.
“Um jeden Preis heiraten ist ein Fluch … Zudem gab es damals wie heute … Millionen Frauen, die überhaupt keine Ehe, geschweige denn eine glückliche schließen konnten. Sollten alle diese Frauen, diese wertvollen Kräfte brachliegen?”
Adelheid Mommsen kam 1869 als zehntes von insgesamt 16 Kindern des Nobelpreisträgers Theodor Mommsen und seiner Frau Marie zur Welt. Nach der Rückkehr aus dem Pensionat befriedigte sie die Mitarbeit im elterlichen Haushalt nicht mehr, und sie beschloss, den Lehrerberuf zu ergreifen. Der Vater billigte ihren Wunsch, obwohl er die Tochter lieber durch Heirat versorgt gesehen hätte. Das Streben nach Bildung galt ihm jedoch als hohes Gut, das unabhängig vom Geschlecht respektiert wurde. Auf elterlichen Rat hin besuchte Adelheid ein von Helene Lange geleitetes Lehrerinnenseminar und kam dabei intensiv mit der Frauenfrage, der Diskussion um Frauenausbildung und Frauenrechte in Berührung.
Der Vater vermittelte ihr eine Stelle in England, wo sie über drei Jahre blieb. Nach ihrer Rückkehr erhielt sie eine Anstellung an der Schule ihrer Kindheit. Sie machte das preußische Oberlehrerinnenexamen und studierte Theologie und Mathematik. Nach der Tätigkeit an verschiedenen Einrichtungen gründete sie eine Privatschule, die ihr zur Lebensaufgabe wurde. Den Entschluss, als unverheiratete Frau das eigene Schicksal in die Hand zu nehmen, bereute sie nie. Der Vater hatte diese Entwicklung seiner Tochter stets mit Wohlwollen, auch finanziell, unterstützt – mehr noch, wiederholt betätigte er sich als “Jobvermittler”.
Erst 1904, ein Jahr nach seinem Tod, verließ Adelheid Mommsen das Charlottenburger Elternhaus, um einen eigenen Hausstand zu gründen, in dem die berufstätige
Frau zwei Adoptivtöchter aufzog. 1936 gab sie ein Buch heraus, das sehr persönliche Erinnerungen an den berühmten Vater und ihre eigene, trotz karger Verhältnisse äußerst glückliche Kindheit enthält – ein lebendiges Dokument des Lebens einer Berliner Gelehrtenfamilie im ausgehenden 19. Jahrhundert.
Marchstraße 7e
Die Sängerin Fritzi Massary lebte hier, unter der Adresse Marchstraße 7e um 1933.
“Sie rühmen, heißt Blumen nach Nizza tragen”, schrieb die Neue Vossische Zeitung begeistert über Fritzi Massary. Lieder wie “Joseph, ach Joseph, was bist du denn so keusch” und “Warum soll eine Frau kein Verhältnis haben?” machten sie zum umjubelten Star und zum Idol einer Generation. Aufgewachsen war sie in Wien, als älteste von drei Töchtern des jüdischen Kaufmanns Jakob Leopold Massarik und seiner Frau Hermine. Schon früh erhielt sie Gesangsunterricht. Ihr Debüt als Sängerin gab sie 1899 am Landestheater von Linz, und in kleineren Rollen trat sie ab 1900 in Hamburg am Carl-Schulze-Theater und von 1901 bis 1904 in Wien an Danzers Orpheum, einem Revuetheater, auf.
Ihren Durchbruch erlangte die Sopranistin durch ein Engagement im Herbst 1904 am Metropol-Theater in Berlin, dessen Star sie bald wurde. Bei den Operettenfestspielen in München lernte sie den Schauspieler Max Pallenberg kennen, den sie 1916 heiratete. Er starb 1934 bei einem Flugzeugabsturz.
Als umjubelte Diva trat Fritzi Massary an allen großen Berliner Revuetheatern wie dem Theater des Westens auf und ebenso bei den Salzburger Festspielen (1926). Sie sang die Hauptrollen der großen Operetten von Johann Strauß, Jacques Offenbach, Leo Fall und Franz Lehar.
Die Berliner ließen sich von Massarys starker Ausstrahlung und Ausdruckskraft, ihrem Charme und ihrem großem Einfühlungsvermögen in die Rollen begeistern – die ganze Stadt verfiel einem regelrechten “Fritzi-Massary-Taumel”. Man feierte sie, denn sie hatte das Genre der Operette zu einer Kunstform erhoben. Als die Nationalsozialisten an die Macht kamen, brach sie ihre Bühnenlaufbahn ab und emigrierte zunächst über Österreich in die Schweiz, 1938 nach Großbritannien, wo sie einen letzten Auftritt gab, und schließlich 1939 zu ihrer Tochter nach Amerika. Bis zu ihrem Tod 1969 lebte sie in Beverly Hills, Los Angeles.
Marchstraße 7f und 15
Helene Weber
Die Sozialarbeiterin Helene Weber hat hier unter der Adresse Marchstr. 7f von 1907 bis 1914 gelebt. Sie hat zur großen Schar der Damen aus Charlottenburgs Oberschicht gehört, die sich als “Mütter” der Stadt erwiesen haben. Obwohl sie selbst 8 Kinder geboren und einen großen Garten mit Obst, Gemüse, Hühnern und Katzen zu versorgen hatte, hat sie besonders eifrig ehrenamtliche soziale Arbeit geleistet. Sehr zum Missfallen ihres Gatten Stadtrat Max Weber sen., der seiner Frau sogar den Einblick in das mütterliche Erbe verweigerte, um ihr soziales Engagement zu begrenzen.
Sie gewährte vielen im eigenen Haus Hilfe: armen Mädchen, einem Fürsorgezögling, im Winter allen verfrorenen Dienstboten, die sie mit dem Schild “heißer Tee” an der Tür ins Haus einlud, schon um diese vom Alkohol abzuhalten. Nach dem Tode ihres Gatten 1897 konzentrierte sie sich vollends auf die sozial-karitative Arbeit. Sie war Mitglied und im Vorstand von zahlreichen Vereinen. Sie gehörte zu den Begründerinnen des Vereins Jugendheim und des Charlottenburger Hauspflegevereins. Stets beherbergte ihr Haus ein Depot mit Pflegeutensilien für Wöchnerinnen, denen sie auch den Beistand ihrer Männer bei der Geburt zu sichern suchte.
Sie engagierte sich im konservativen Elisabeth-Frauenverein, begründete zusammen mit Hedwig Heyl ein Zentralbüro für die vielfältigen karitativen Arbeiten, gehörte zum Kuratorium des Bürgerhauses für besitzlose alte Menschen und hatte den Vorsitz im Komitee für die Öffentliche Schreibstube des Cecilienhauses inne, die erwerbslosen Männern eine befristete Arbeit bot. Seit 1904 gehörte sie zu den ersten Armenpflegerinnen Charlottenburgs – zum Missvergnügen mancher ihrer männlichen Kollegen, die ihr eine solche Arbeit nicht zutrauten. Daneben warb sie ständig um neue ehrenamtliche Mitarbeiterinnen. Schließlich setzte sie sich mit ihrer Unterschrift unter die Petition um die Zulassung von Lehrerinnen zum akademischen Studium für eine bessere Bildung der Frauen ein, etwas, das ihr zeitlebens verwehrt geblieben war. Anders als ihr Mann hat ihr Sohn, der Sozialwissenschaftler Max Weber, nach anfänglichem Zwiespalt wegen der elterlichen Differenzen seine Mutter
ihrer sozialen Arbeit wegen sehr bewundert ebenso wie seine Frau Marianne, die sich in der Frauenbewegung engagiert hat.
Marchstraße
1863 benannt nach dem Keramiker und Tonwarenfabrikanten Ernst March (1798-1847)
Nr. 25B
Hier in der Präsidentenvilla der Physikalischen Reichsanstalt lebte von 1889 bis 1895 Anna von Helmholtz
Sie kam als Tochter des liberalen Politikers Robert Mohl und seiner Frau Pauline zur Welt. Am 16. Mai 1861 heiratete sie den Mediziner und Physiker Hermann Helmholtz. 1871 zogen die Helmholtzens von Heidelberg nach Berlin in die Kaiserin-Augusta-Straße 45, und ab 1976 wohnten sie in der Neuen Wilhelmstraße 16. Anna von Helmholtz hatte schon in Heidelberg anspruchsvolle Geselligkeiten veranstaltet nach dem Vorbild ihrer Tante, der bekannten Pariser Salonniere Mary Clarke-Mohl, die sie 1852 besucht hatte.
Schon ab Mitte der 1870er Jahre stand der Salon Helmholtz mit an der Spitze der Berliner Salons. Er trug die Züge eines Gelehrtensalons der “Neuen Aufklärung. Das Ansehen ihres berühmten Mannes öffnete ihr alle Kreise Berlins. An ihren “Dienstagen” kamen hochkarätige Mediziner und Wissenschaftler wie Max Planck, Künstler und Musiker wie Richard Wagner, Schriftsteller und Politiker wie Rudolph Virchow und Angehörige der Hofgesellschaft. Die Gäste zeichneten sich nicht nur durch besondere Leistungen, sondern auch durch das Streben nach dem “Wahren” und “Reinen” aus.
Als Hermann Helmholtz Leiter der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt wurde, zog die Familie nach Charlottenburg. Anna trauerte um ihre Wilhelmstraße und beschrieb Charlottenburg 1889 als “öde Vorstadtumgebung”. Auch zwei Jahre später hat sie noch Schwierigkeiten mit ihrem Wohnort, am 17. Januar 1891 berichtet sie:
“Das ist ganz mein Fall mit Charlottenburg – hier wohnen und schlafen, drinnen in der Stadt leben, immer unterwegs, nicht ganz in Ruhe sein, heißt das ein menschenwürdiges Dasein führen mit 55 Jahren? Gestern Nachmittag habe ich meinen Jour und abends eine Art at home gehabt; wenn auch Wenige hier herauskommen, muss man doch da sein.”
Aber sie versuchte, auch aus dieser Situation das Beste zu machen und führte ihren Salon fort. Sie war die erste Salonniere, die über eine längere Zeit im Dienst einer gemeinnützigen Organisation stand und verschiedenen Vorstandsgremien angehörte. Durch ihren Einsatz für die Verbesserung der Mädchenbildung und der Krankenpflege wuchs der Kontakt zur Kronprinzessin Viktoria. Anna von Helmholtz engagierte sich an der von Viktoria gegründeten Stiftung des Victoria-Lyzeums und des Viktoria-Studienhauses. Nach dem Tod ihres Mannes zog sie im Februar 1895 nach Berlin in die Rauchstraße 3.
Fraunhoferstraße
1899 benannt nach dem Optiker und Physiker Joseph von Fraunhofer (1787-1826)
Nr. 25-27
Hier lebte ab 1917 die erste Architektin Deutschlands, Emilie Winckelmann
Abbestraße
1950 benannt nach dem Physiker und Sozialreformer Ernst Carl Abbe (1840-1905), davor Werner-Siemens-Straße
Nr.2-12
Physikalisch-Technische Bundesanstalt, Institut Berlin (PTB)
Die Gesamtanlage steht unter Denkmalschutz. Hier ist die Technische Oberbehörde für das Messwesen in der Bundesrepublik Deutschland untergebracht, eine nachgeordnete Einrichtung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie mit Sitz in Braunschweig und Berlin. Sie wurde 1887 als Physikalisch-Technische Reichsanstalt (PTR) hier in Charlottenburg gegründet.
Der Standort Abbestraße mit Observatorium wurde 1885-95 nach Plänen von Paul Emmanuel Spieker von Theodor Astfalck erbaut. Später gab es zahlreiche Erweiterungen und Nebengebäude, 1960 Wiederaufbau nach Kriegszerstörungen. Starkstromlabor, 1911-13 von Herrmann & Gaedicke.
Hier arbeitete von 1922 bis 1935 die Chemikerin Ida Eva Noddack.
Als sie am 23. 2.1896 in Lackhausen, dem heutigen Wesel, geboren wurde, war ihr Vater, der Lackfabrikant Albert Tacke, so enttäuscht, dass ihm zum dritten Mal statt des erhofften Stammhalters eine Tochter geboren wurde, dass er es erst zwei Tage später, am 25. Februar, meldete. Doch später wurde Ida dazu bestimmt, an Stelle eines Sohnes die Leitung der Fabrik zu übernehmen.
So begann sie 1915 das Chemiestudium in Berlin, wo sie 1919 für ihre Diplomarbeit den ersten Preis und 1921 mit einer für die Lackproduktion wichtigen Arbeit den Dr.-Ing. bekam. Anschließend arbeitete sie bei der AEG. Als sie Walter Noddack kennen lernte, begeisterte er sie für die Forschung und holte sie 1922 als Gastwissenschaftlerin an die PTR. Dort suchten beide gezielt nach den noch unbekannten chemischen Elementen mit den Kernladungszahlen 43 und 75, die das Periodensystem voraussagte. 1925 gaben Walter und Ida Noddack dann die Entdeckung von Rhenium und Masurium bekannt. 1934 äußerte Ida Noddack die Vermutung, Uran könne durch Neutronenbeschuss in zwei Bruchstücke zerfallen – eine den damit experimentierenden Physikern absurd erscheinende Vorstellung, die sich 1938 aber bekanntlich als richtig erwies. 1936 postulierte Ida Noddack: “Alle chemischen Elemente kommen in allen Mineralien vor”, und sie weitete dies bald auch auf das Weltall aus –
damals ein neuartiger Gedanke, heute wissenschaftliches Gemeingut. Mindestens dreimal wurde sie zum Nobelpreis vorgeschlagen, den sie aber nie erhielt. Seit 1926 mit Walter Noddack verheiratet, folgte sie ihm als seine Assistentin bei seinen Berufungen zum Chemieprofessor nach Freiburg, Straßburg und Bamberg. Sie starb am 24.9. 1978 in Bad Neuenahr
Guerickestraße
1899 benannt nach dem Naturwissenschaftler und Magdeburger Bürgermeister Otto von Guericke (1602-1686)
Salzufer
Nr. 8
Hedwig Heyl
Die 1850 in Bremen geborene Sozialreformerin und Frauenpolitikerin Hedwig Heyl lebte hier von 1871 bis 1878.
Als “Mutter Deutschlands” und “beste Hausfrau Berlins” gehörte Hedwig Heyl zu den prominentesten Persönlichkeiten der Stadt. Tatsächlich ist mit diesen Ehrentiteln nur ein Teil ihres immensen Wirkens benannt, zu dem neben dem Einsatz für hauswirtschaftliche Bildung und soziale Fürsorge auch die Förderung frauenpolitischer Ziele gehörte. Trotz des großbürgerlichen Lebensstils, den sie nicht nur als Reederstochter, sondern auch als Gattin des Charlottenburger Farbenfabrikanten Georg Heyl genoss, trotz der Belastung durch Ehe und fünf Kinder, ist sie gleich vom Beginn ihres Erwachsenenlebens an auf sozialem Gebiet aktiv geworden. Zu ihren ersten Unternehmungen, die bald Muster für ganz Deutschland wurden, gehörte die Einrichtung von Brauseanstalt, Mittagstisch und Kindergarten in der eigenen Fabrik, mit denen sie den Gesundheitszustand der Belegschaft und die Versorgung der “Schlüsselkinder” zu fördern suchte. Zeitlebens hat sie
über hervorragende gesellschaftliche Verbindungen verfügt, zum Hofe, zu Ministerien und zum Charlottenburger und Berliner Magistrat, und so hat sie vor allem dank der Freundschaft mit der Kronprinzessin und späteren Kaiserin Victoria schon bald aus ihren privaten Kindergärten, aus Tagesstätten für Knaben und Mädchen ein Jugendheim gemacht.
Dem Einsatz für bessere berufliche Bildung von Frauen waren ihre Kochkurse im eigenen Haus gewidmet, die sie trotz Übernahme der Fabrikleitung nach dem Tode ihres Mannes 1889 leitete. Sie bildeten die Keimzelle der hauswirtschaftlichen Berufsfachschule des von ihr zusammen mit Henriette Schrader-Breymann gegründeten Pestalozzi-Fröbel-Hauses und mündeten in der Abfassung des Standardwerks ABC der Küche von 1888, das nicht nur koch- und hauswirtschaftliche Anleitung bot, sondern auch neueste ernährungswissenschaftliche Erkenntnisse vermittelte. Inzwischen längst von einem großen Stab von Mitarbeiterinnen unterstützt, war Hedwig Heyl an unzähligen Vereinsgründungen beteiligt, die ein dichtes Netzwerk frauen- und sozialpolitischer Bestrebungen bildeten und in allen Bereichen eine Professionalisierung dieser Arbeit anstrebten.
Sie gehörte zu den Begründerinnen des Hauspflegevereins, der bedürftige Familien bei Erkrankung der Mutter unterstützte, des Hausfrauenvereins zur Heranbildung “gelernter Hausfrauen”, der ersten Gartenbauschule für Frauen in Marienfelde und des Deutschen Lyzeums-Clubs, der auf internationaler Ebene alle künstlerisch, geistig und sozial tätigen und interessierten Frauen vereinigte. Zu den Höhepunkten ihres Lebens zählte Heyl die Organisation der großen Ausstellung “Die Frau in Haus und Beruf” im Jahr 1912, die mit Hilfe von 25 000 Helferinnen auf dem damaligen Ausstellungsgelände am Zoologischen Garten eine Übersicht über alle Bereiche weiblicher Berufsarbeit präsentierte. Hier wie schon bei der Ausrichtung des Internationalen Frauenkongresses (1903) hat sie eng mit Vertreterinnen der bürgerlichen Frauenbewegung zusammengearbeitet. Das “Organisationsgenie” der Älteren haben deren Vertreterinnen Helene Lange oder Gertrud Bäumer
hoch geschätzt, Heyls politische Fähigkeiten dagegen eher kritisch beurteilt.
Dennoch wurde die erfolgreiche Zusammenarbeit fortgesetzt, unter anderem im Nationalen Frauendienst, den Hedwig Heyl mit Gertrud Bäumer im Ersten Weltkrieg organisiert hat und der im Auftrage der Stadt Berlin mit Massenspeisungen die notleidende Bevölkerung unterstützte. Trotz des Zusammenbruchs, den Heyls Weltanschauung beim Ausbruch der Revolution erlebte, hat sie sich weiterhin zu gesellschaftlichem Engagement verpflichtet gefühlt und noch als 69 Jährige als Abgeordnete der Deutschen Volkspartei in der Charlottenburger Stadtverordnetenversammlung mitgearbeitet. Das parlamentarische Geschäft und die unruhigen Zeiten haben sie jedoch bald ermüdet, und so hat sie sich bereits ein Jahr später aus allen Geschäften zurückgezogen.
Obwohl überall hoch angesehen und seit 1920 auch mit dem Doktor honoris causa für ihre Verdienste um die Ernährungswissenschaft von der Universität Berlin geehrt, war sie am Ende ihres Lebens selbst auf die Hilfe der Wohlfahrt angewiesen. Sie lebte mit Unterstützung der Ludwig von Cuny-Stiftung bis zu ihrem Tod 1934 im Lyzeums-Club am Lützowplatz. Beerdigt ist sie auf dem Luisenfriedhof II. An ihrer einstigen Villa in der Ulmenallee 20 in Westend, wo sie von 1919 bis 1925 lebte, erinnert eine Gedenktafel an ihre Verdienste.
Hannah-Karminski-Straße
Am 1.10.2002 benannt: Hannah Karminski wurde am 24.04.1897 in Berlin als Tochter eines Bankiers geboren. Im Pestalozzi-Fröbel-Haus absolvierte sie eine Ausbildung als Kindergärtnerin. Anschließend studierte sie in Hamburg am sozialpädagogischen Institut bei Gertrud Bäumer, damals eine führende Vertreterin der Frauenbewegung. Mitte der 20er Jahre zog Hannah Karminski nach Frankfurt am Main, wo sie Mitglied im Jüdischen Frauenbund wurde und sich mit der fast 40 Jahre älteren Berta Pappenheim anfreundete, die diesen Frauenbund 1904 gegründet hatte. Er hatte in den 20er Jahren 50.000 Mitglieder. Hannah Karminski übernahm schnell führende Funktionen im Jüdischen Frauenbund und kümmerte sich um Beratungsstellen für Frauen, Kindererholungsheime, Bildungsarbeit, Mutter- und Kinderschutz, die jüdische Bahnhofshilfe und vieles mehr. Damals kamen viele ostjüdische Frauen auf der Suche nach einem besseren Leben in die Großstädte. Oft war ihr aufenthaltsrechtlicher Status
ungeklärt, und sie waren der Gefährdung durch Frauenhandel und Prostitution ausgeliefert.
Hannah Karminski kümmerte sich um alle diese sozialen Fragen. Ein besonders wichtiges Anliegen war ihr die Berufstätigkeit der Frauen und die Gleichberechtigung jüdischer Mädchen und Frauen in der Gemeinde.
1933 änderte sich die Situation schnell und dramatisch: Die jüdische Bahnhofshilfe wurde schon im ersten Jahr der nationalsozialistischen Herrschaft geschlossen. Mit der zunehmenden Entrechtung und Ausgrenzung der Juden aus der deutschen Gesellschaft wurde die Vorbereitung auf die Emigration immer wichtiger. 1938 wurde auch der Jüdische Frauenbund aufgelöst. Hannah Karminski arbeitete jetzt in der Reichsvertretung der Deutschen Juden in der Kantstraße in Charlottenburg. Ihr Arbeitsschwerpunkt war hier die Leitung der Abteilung “Fürsorge und Auswandererberatung”. Sie selbst verzichtete auf eine Auswanderung, weil sie sah, dass sie in Berlin gebraucht wurde. Zuletzt wohnte sie in einem sogenannten “Judenhaus”. Im November 1942 wurde sie verhaftet, deportiert und ermordet. Ihr Todesdatum und ihr Todesort sind nicht bekannt.
Im Juni 2001 hat die Bezirksverordnetenversammlung Charlottenburg-Wilmersdorf beschlossen, zwei von drei neuen Straßen hier in der Spreestadt nach Frauen zu benennen: Hannah Karminski war die erste. Die zweite soll Margarete Kühn sein. Sie war die erste Direktorin der Berliner Schlösserverwaltung nach 1945 und hat durchgesetzt, dass die Ruine des schwer zerstörten Schlosses Charlottenburg nicht abgerissen wurde wie das Berliner Stadtschloss im Osten. Sie hat den Wiederaufbau organisiert und ist deshalb zu Recht bekannt geworden als die Retterin des Schlosses Charlottenburg. Sie starb 1995.
Die dritte Straße in der Spreestadt soll übrigens nach Otto Dibelius benannt werden. Da Frauen bei den Straßennamen generell unterrepräsentiert sind, streben wir an, diese Benachteiligung bei Neubenennungen so weit wie möglich auszugleichen. Eine feste Quotierung gibt es dabei aber nicht.
Salzufer 2-3
Mercedes-Welt
1915 hat die Firma Benz & Cie. das Gelände am Salzufer 2-3 erworben. Nach der 1926 erfolgten Fusion der Daimler-Motoren-AG und der Benz & Cie. Rheinische Automobil- und Motoren-Fabrik AG zur Daimler-Benz AG wurde 1927 der Verkaufs- und Servicestützpunkt am Salzufer offiziell die Hauptniederlassung der Daimler-Benz AG Berlin. 1943 wurde der Betrieb durch Bombenangriffe zerstört. Nach dem Krieg wurde er wieder aufgebaut und erweitert am Salzufer und an der Gutenbergstraße. 2000 wurde die “Mercedes-Welt am Salzufer” als Dienstleistungs- und Verkaufscenter eröffnet.
Es ist eine 22m hohe, sechsgeschossige Stahlkonstruktion mit Glasfassade nach den Entwürfen der Stuttgarter Architekten Lamm, Weber, Donath und Partner. Die Architektur, die dem Ufergeländes des Landwehrkanals folgt, erinnert mit dem schwungvoll hochgezogenen Dach an einen Schiffsbug. Von den 36.000 Quadratmetern Nutzfläche dienen 14.000 als Ausstellungsfläche zur Fahrzeugpräsentation. Im Zentrum des Erdgeschosses, dem sogenannten Marktplatz, befindet sich ein Restaurant und ein 750-jähriger Ölbaum aus Italien. Weitere Attraktionen sind eine 40-qm-Video-Leinwand, zwei Indoor-Kletterwände nebst Wasserfall, Formel 1-Rennsimulator, Kinderverkehrsschule und Bobby-Car-Parcour.
Der Name “Mercedes” ist ein spanischer Frauenname und bedeutet “Gnade”. Vielleicht kennen manche die berühmte lateinamerikanische Sängerin Mercedes Sosa.
Mercedes hieß die 1889 geborene Tochter des in Baden bei Wien und in Nizza lebenden österreichischen Geschäftsmanns Emil Jellinek. Er war ein begeisterter Anhänger des technischen Fortschritts und des Automobils. Er war überzeugt, dass das Automobil die Zukunft verändern würde. Schon 1897 reiste er nach Cannstatt und bestellte seinen ersten Daimler-Wagen, einen 6-PS-Riemenwagen mit Zweizylindermotor.
1898 begann er, die Daimler-Automobile insbesondere in den höchsten Kreisen der Gesellschaft zu vertreiben. Jellinek forderte immer stärkere und schnellere Fahrzeuge und meldete diese ab 1899 auch zu Rennveranstaltungen an. Bei diesen Rennen trat er gewöhnlich unter seinem Pseudonym “Mercédès”, dem Namen seiner damals zehnjährigen Tochter, auf. Diesen in Automobilistenkreisen sehr bekannten Namen benutzte Jellinek zunächst nicht als Automobilmarke, sondern als reinen Team- bzw. Fahrernamen.
Anfang April 1900 trafen Daimler-Benz und Jellinek eine Vereinbarung über den Vertrieb von Daimler-Wagen und -Motoren. Mit der Entscheidung, einen neuen Motor zu entwickeln, der den Namen “Daimler-Mercedes” führen sollte, wurde Jellineks Pseudonym auch zur Produktbezeichnung.
Am 22. Dezember 1900 lieferte Daimler-Benz den ersten mit dem neuen Motor ausgerüsteten Wagen an Jellinek, einen 35-PS-Rennwagen. Dieser erste “Mercedes”, entwickelt von Wilhelm Maybach, dem Chefkonstrukteur von Daimler-Benz, sorgte zu Beginn des Jahrhunderts für Furore. Mit seinem niedrigen Schwerpunkt, Pressstahlrahmen, dem leichten und leistungsstarken Motor und dem Bienenwabenkühler gilt er heute als erstes modernes Automobil.
Die Woche von Nizza im März 1901, bei der die eingesetzten Mercedes-Wagen in praktisch allen Disziplinen unschlagbar waren, verhalf Jellinek und dem Mercedes zu außergewöhnlicher Publizität. Am 23. Juni 1902 wurde der Name “Mercédès” als Warenzeichen angemeldet und am 26. September gesetzlich geschützt. Emil Jellinek erhielt im Juni 1903 die Erlaubnis, sich fortan Jellinek-Mercedes zu nennen. “Wohl zum ersten Mal trägt der Vater den Namen seiner Tochter”, kommentierte Jellinek.