Die Unsichtbaren - Wir wollen leben.

Ein Beitrag von Hanni Lévy, „Die etwas unvergessliches erleben durfte, Dank der ‚stillen Helden‘, die uns das Leben ein zweites Mal gegeben haben“.

Als mich Frau Beate Kosmala von der Gedenkstelle „Stille Helden“ mit Herrn Claus Räfle und Frau Alejandra López in Verbindung brachte, ahnte ich nicht, dass ich neun Jahre später an seinem Arm über den roten Teppich des Kinos International in Berlin schreiten würde. Sein Projekt: ein Dokumentarfilm, der das Leben von vier jungen jüdischen Menschen zeigt, die „untergetaucht“ waren, um einem grausigen Tod zu entkommen – vier von etwa 1.700 Jüdinnen und Juden, die so den Krieg überlebten. Während Hitler proklamierte, dass Deutschland „judenfrei“ sei, gab es 7.000 Menschen – besonders in Berlin -, die versuchten, ihr Leben zu retten. Ich war eine von ihnen.

Leider war der Krieg ein sehr langer und forderte auch Opfer unter den Untergetauchten. Glücklicherweise aber fanden wir mutige Menschen mit viel Herz und Opferbereitschaft, die uns halfen.

Mit viel Talent und sehr sensibel haben Herr Räfle und Frau López das Drehbuch geschrieben und einen großartigen Film gemacht: In Die Unsichtbaren – Wir wollen leben vereinen sich Dokumentation und Spielfilm, um einen spannenden, wahren und lebendigen Film zu schaffen. Herrn Räfles Genie bestand darin, unsere Interviews in den Film einzuflechten, unsere vier Schicksale darzustellen, die sich untereinander nie kreuzten, aber alle bezeugen: „Es war so!“ Auch hat er keine falsche Romantik eingeflochten.

Junge, sehr talentierte Schauspieler haben uns verkörpert, die sich uns gegenüber verantwortlich gefühlt haben – sie gaben das Beste, und ich danke ihnen dafür.

Leider hat es neun Jahre gebraucht, bis der Film fertig war. Neun Jahre voller Schwierigkeiten, die man Herrn Räfle machte. Nur sein unerschütterlicher Glaube an sein Projekt konnte alle Schwierigkeiten überwinden.

Und dann feierte der Film seinen ersten „Auftritt“ am 8. Oktober 2017 beim Filmfest in Hamburg.

Wir hatten einen fabelhaften Empfang: Das Kino war voll besetzt und die Zuschauer voll spannender Erwartung – sie wurden nicht enttäuscht. Als der Film endete, war es erst sehr still, aber dann applaudierte man lange, und als wir und die Darsteller auf die Bühne gerufen wurden, wurde der Applaus noch intensiver. Ich musste ein paar Worte sagen, nach Herrn Räfle, und ich dankte dem Publikum und hob hervor, dass ich den Film unseren Retterinnen und Rettern widme, ohne die wir ja nicht leben würden. Dass sie endlich den öffentlichen Dank bekommen und geehrt werden. Viele der Anwesenden wollten mit uns sprechen und beglückwünschten uns.

Aber zwei Tage später in Berlin gab es den Höhepunkt: Im Kino International, mit 500 Plätzen voll besetzt, war inzwischen noch ein weiterer Überlebender eingetroffen – Eugen Friede (leider im Rollstuhl) mit Familie. Außerdem waren auch die Familien der inzwischen verstorbenen Geretteten anwesend: die Familien Cioma, Schönhaus und Gumpel. Zu lange hat es gedauert, bis der Film ins Kino kam.

Es war ein unglaublicher Abend: Niemals hätte ich mir träumen lassen, so etwas zu erleben. Ich hatte die Freude und den Stolz, dass auch meine Familie das alles miterleben konnte.

Meine Tochter, mein Sohn und seine Frau sowie zwei meiner Enkel konnten miterleben, wie ihre Mutter bzw. Großmutter zwischen Herrn Räfle und Frau Lopez über den Roten Teppich schritt, gefolgt von Herrn Fride und den Darstellern. Sehr viele Fotografen „blitzten“ uns an. Ich kam mir vor wie in Cannes, aber an der Spree! Journalistinnen und Journalisten haben mich für ihre Zeitschriften interviewt und auch für das Fernsehen – für einen Abend war ich ein Star. Nun bin ich in vielen Zeitungen zu sehen und auch im Fernsehen in einigen Sendungen. Endlich sind wir „Unsichtbaren“ sichtbar geworden, und so wünsche ich von Herzen, dass dem talentierten Regisseur Claus Räfle und Alejandra López, die das Drehbuch mit ihrem Herzen geschrieben haben, sowie den jungen Darstellerinnen und Darstellern viel Erfolg und dem Film ein „langes Leben“ beschieden sein mögen.

Hanni Lévy
Paris, Frankreich