2013 eröffnete das Regenbogenfamilienzentrum in Berlin – das erste seiner Art in Deutschland. In dieser Woche wurde Geburtstag gefeiert. Im Zentrum der Arbeit des Regenbogenfamilienzentrums stehen lesbische, schwule, bisexuelle oder transsexuelle Familien mit Kinderwunsch. Wir haben mit der Leiterin des Regenbogenfamilienzentrums Lisa Haring über das Angebot der Einrichtung und die Anliegen von queeren Familien gesprochen.
Wie hat sich die Arbeit im Regenbogenfamilienzentrum in den letzten zehn Jahren verändert?
Als Constanze Körner das Zentrum 2013 ins Leben gerufen hat, gab es weder die Ehe für alle noch die gemeinschaftliche Adoption für queere Paare. Dass lesbische oder schwule Menschen Kinder kriegen könnten, war nicht Teil der gesellschaftlichen Wahrnehmung. Trans*, inter* oder nicht-binäre Menschen noch viel weniger. Trans*Personen konnten erst seit zwei Jahren ihren Personenstand ändern, ohne sich einer Zwangssterilisation unterziehen zu müssen. Der Begriff Regenbogenfamilie war noch vielen unbekannt und auch die Familien untereinander kaum vernetzt. Seither hat sich viel getan und dennoch arbeiten wir heute noch oft an denselben Themen wie damals. Es gibt eine dritte Option, aber keine rechtliche Anerkennung für Eltern mit diesem Personenstand. Zwar können queere Menschen heiraten und gemeinsam ein Kind adoptieren. Aber wenn meine Ehefrau ein Kind auf die Welt bringt, muss ich es immer noch in einem langwierigen, diskriminierenden Prozess adoptieren. Solange das nicht
erfolgt ist, ist mein Kind in Gefahr, Vollwaise zu werden, sollte meiner Frau etwas passieren.
Der Beratungs- und Unterstützungsbedarf queerer Familien ist also groß. Es gibt mittlerweile drei Regenbogenfamilienzentren in Berlin und ein weiteres in München und Wien. Deutschlandweit gibt es immer mehr Anlaufstellen und wir können uns als Fachkräfte stärker vernetzten und unsere Kräfte bündeln. Das sorgt für mehr Sichtbarkeit. Dazu kommt die Gründung der großartigen Initiative „nodoption“, die über den Weg der Verfassungsklage versucht, das geltende Recht zu ändern und so noch einmal viel Aufmerksamkeit für queere Familien und ihre Themen generiert.
Die Regenbogenfahne hat sich in den letzten Jahren stark gewandelt. Was sind nach aktuellem Verständnis eigentlich Regenbogenfamilien?
Für uns ist eine Regenbogenfamilie jede Familie, in der sich mindestens ein Elternteil als schwul, lesbisch, bi, trans*, inter*, nicht-binär, queer und so weiter definiert. Das ist die alleinerziehende bisexuelle Mama wie auch das schwule und lesbische Paar, die zu viert Eltern sind. Oder eine hetero Frau und ein queerer Mann, die Co-Eltern sind, aber auch ein trans*Mann und seine Frau. Hier im Zentrum stellen wir mit Freuden fest, dass unsere Nutzer*innen immer vielfältiger werden. Neben lesbischen Müttern kommen viel schwule Väter, trans* und nicht-binäre Eltern sowie Eltern in Co-Parenting und Mehrelternfamilien.
Queerness wirkt wie im Mainstream angekommen? Warum braucht es dennoch ein Regenbogenfamilienzentrum?
Diese Frage hören wir öfters. Braucht es denn das Regenbogenfamilienzentrum wirklich noch? Warum denn eine Krabbelgruppe nur für Regenbogenfamilien? Separiert ihr euch da nicht selber? Wir sind doch offen für alle. Und in der perfekten Welt wäre das sicher richtig. Aber solange queere Paare noch ihre eigenen Kinder adoptieren müssen, trans*Personen mit falschem Namen in der Geburtsurkunde ihres Kindes stehen, bei Mehrelternfamilien nur ein Teil der Familie rechtlich abgesichert werden kann, Regenbogenfamilien auf ihrem Weg zu ihrer rechtlichen Absicherung – oder einfach nur einem korrekten Elterngeldantrag – behördlicher Willkür ausgesetzt sind, wird es uns brauchen. Kurzum: Solange die Vielfalt der Familie noch nicht im Gesetz und auch nicht in den Köpfen aller Menschen angekommen ist. Denn wenn Regenbogenfamilien in der Krabbelgruppe, auf dem Spielplatz oder beim Einkaufen immer noch gefragt werden, wer der Mann und wer die Frau in der Beziehung ist oder wer die
„richtige“ Mutter oder der „richtige“ Vater ist, fehlt es an Augenhöhe. Solange das der Fall ist, wird das Regenbogenfamilienzentrum weiter gebraucht.
Welche Fragen und Probleme tauchen besonders häufig bei Ihnen auf?
Viele wollen Grundsätzliches wissen, also wie sie eine Familie gründen können oder sie mit Kindern über queere Familienmodelle sprechen können. Von queeren Menschen mit Kinderwunsch werden wir gefragt, was Reproduktionsmedizin kostet, ob es staatliche Unterstützung und rechtliche Absicherungen gibt, wo man passende Co-Parents findet und in welcher Kinderwunschklinik oder bei welchen Geburtsvorbereitungskursen queere Menschen willkommen sind. Queere Eltern haben andere Fragen, wollen wissen, wie sie mit Diskriminierung in der Schule oder Kita umgehen sollen, wo sie queer-sensible Mediator*innen finden oder andere queere Familien kennenlernen können.
Braucht es in zehn Jahren noch Regenbogenfamilienzentren oder haben wir dann inklusive Beratungszentren für alle Familien?
Leider habe ich keine Glaskugel. Aber wenn ich mir das Tempo der vergangenen Jahre ansehe, denke ich, dass es uns auch in zehn Jahren noch brauchen wird. Ich wünsche mir, dass wir irgendwann nur noch ein Vernetzungs- und Begegnungsraum sind, aber eine Beratung zu rechtlichen und gesellschaftlichen Hürden der queeren Familiengründung, der Kampf um Anerkennung und das Schaffen von Sichtbarkeit, nicht mehr nötig sind.