Sechs Jahre haben Vertreter/-innen der vier lehrkräftebildenden Universitäten sowie der zweiten und dritten Phase für die Ausbildung von Lehrkräften in Berlin im Arbeitsbündnis Medienbildung Standards für die Medienbildung in der Lehrkräftebildung in Berlin ausgearbeitet. Wir sprachen mit Dr. Hans-Joachim Vogler, dem Leiter des Arbeitsbündnisses, darüber, wie das Lernen mit und über Medien in der Ausbildung künftig verbessert werden soll.
Herr Dr. Vogler, Sie haben Standards für die Medienbildung in der Lehrkräfteausbildung vorgelegt. Was genau ist unter Medienbildung zu verstehen?
Das alltägliche Leben, das kulturelle und politische Handeln in der Gesellschaft ist wesentlich durch Medien vermittelt. Medienbildung fragt danach, welche Fähigkeiten und Fertigkeiten Menschen benötigen, um nicht nur als kritische Rezipient/-innen an der gesellschaftlichen Kommunikation zu partizipieren, sondern diese auch als kritische Produzent/-innen mitzugestalten. Da auch der Unterricht immer schon medial organisiert ist, entstehen im Zuge der Digitalität andere Anforderungen an die Lehrkraft als sie vormals für die nicht-digitale Schule galten. In diesem Zusammenhang wird danach gefragt, welche Befähigungen angehende Lehrkräfte benötigen, um die im Rahmenlehrplan von Berlin ausgewiesenen Kompetenzen und Standards in der tagtäglichen Arbeit im Unterricht und in der Schule umzusetzen. Diese Kompetenzausrichtung ist nicht auf ein Fach zu reduzieren und umfasst das Lernen über als auch mit Medien. Der Anspruch ist daher, dass die Medienbildung fachsensibel in den
bestehenden Unterricht eingebunden und integriert wird.
Wo ist die Medienbildung in der Lehrkräfte(aus)bildung bislang verankert und wie soll sich das ändern?
Momentan findet die Medienbildung in den jeweiligen Ausbildungsphasen zur Lehrkräftebildung statt, ohne dass diese Phasen selbst aufeinander abgestimmt sind. Dieser Umstand soll verändert werden. Auf der universitären Ebene soll eine vorwiegend theoretische Auseinandersetzung zur Relevanz der Medienbildung in der Schule erfolgen. Sie soll sich auch auf die unterschiedlichen, teilweise kontroversen Aspekte der Digitalität beziehen. Das Spektrum umfasst sowohl die Algorithmizität, die sozialen und kulturellen Aspekte von Gesellschaftlichkeit in der Digitalität bis zu konkreten didaktischen und methodischen Fragen des Einsatzes von Medien im Unterricht.
Mit dieser Befähigung, sich selbständig mit entsprechenden Themen auseinanderzusetzen, sollen die Lehramtsanwärter/-innen in die zweite Phase der Ausbildung kommen. In dieser sollen die angehenden Lehrkräfte ihr theoretisches Wissen in die spezifische Praxis der Schule, an der sie tätig sind, übersetzen. Parallel werden in einem Seminar die Erfahrungen medialer Vermittlung reflektiert, um eine eigenes Praxisverständnis für die konkrete Planung von Unterricht und deren Durchführung ausbilden zu können. In der dritten Phase sollen Berufsanfänger/-innen mit Angeboten unterstützt werden, um die erworbenen Kompetenzen zu verstetigen.
Dieser aufeinander verweisende Prozess zwischen der ersten, zweiten und dritten Phase bedarf der Abstimmung, um die Kompetenzen angehender Lehrkräfte kontinuierlich zu verstetigen. Vor dem Hintergrund der vorliegenden Standards für die Medienbildung durch das Arbeitsbündnis Medienbildung ist es möglich, dass die jeweiligen Ausbildungsphasen zunächst rekapitulieren, was bereits in den verschiedenen Kompetenzbereichen an den Institutionen und Seminaren getan wird, um dann in einem zweiten Schritt zu überlegen, welche nächsten Schritte für eine Abstimmung zwischen Ausbildungsphasen vorzunehmen sind.
Profitieren von Ihrem Konzept nur angehende Lehrkräfte in der Ausbildung oder haben bereits aktive Lehrkräfte auch eine Chance, eine standardisierte Medienbildung zu erhalten?
Auf jeden Fall sollen auch die Kolleg/-innen, die bereits in den Schulen tätig sind, von diesem Angebot profitieren. Sicherlich ist die Situation momentan sehr heterogen, da sehr unterschiedliche Lehrkräftegenerationen in den Schulen unterrichten und die Bedarfe im Bereich der Medienbildung entsprechend unterschiedlich sind. Aus diesem Grund wird neben den Kolleg/-innen, die aus der Ausbildung kommen, gerade in der Fort- und Weiterbildung für alle Bedarfe ein Angebot geschaffen.
Was für Mindeststandards haben Sie entwickelt?
Das Arbeitsbündnis Medienbildung hat lange darüber nachgedacht, welchen Verallgemeinerungsgrad die für Lehrkräfte zu formulierenden Kompetenzen besitzen sollten. Wir haben uns entschlossen, den vorliegenden Rahmenlehrplan konkret einzubeziehen und die dort ausformulierten Kompetenzbereiche und Standards in Kompetenzanforderungen für die Lehrkräfte zu übersetzen. Diese konkrete Ausrichtung auf den Rahmenlehrplan ist eine Besonderheit der ausgewiesenen Mindeststandards, weil ein solches Konzept für kein anderes Bundesland vorliegt.
Die ausgewiesenen Mindeststandards beziehen sich zunächst auf die Teilkompetenzen Analysieren, Produzieren und Reflektieren im Bereich Lernen mit Medien sowie Kommunizieren, Präsentieren und Informieren im Bereich Lernen über Medien. Diese Kompetenzfelder wurden für die Lehramtsanwärter/-innen dann in Handlungsfelder wie medientechnisches Wissen, Mediendidaktik, Planung von Unterricht, Beurteilung von Medienprodukten sowie Medienethik und Medienrecht aufgegliedert. Ausgewählt wurden diese Standards, um das Planen und die Durchführung von Unterricht beobachtbar zu machen und über konkreten Handlungsanforderungen in der Beratung reflektieren zu können.
In Ihrem Konzept gibt es Abhängigkeiten zwischen verschiedenen Kompetenzfeldern, Merkmalsbereichen und Indikatoren. Was für Abhängigkeiten sind das und wie greifen diese Dinge ineinander.
Medienbildung muss beobachtbar sein. Für die Evaluation und das Monitoring müssen aussagekräftige Indikatoren vorliegen, um bestimmte Merkmalsbereiche der Medienbildung überprüfbar zu machen. In dem Sinn wurden für die Lehrtätigkeit einheitliche Merkmale ausgewiesen und mit Indikatoren ausgestattet. Beispielsweise gibt es für die Teilkompetenz „Produzieren“ ein Merkmal wie medientechnische Fertigkeiten. Dieses Merkmal wird dann durch Indikatoren konkretisiert: Die Studierenden entwickeln medientechnische Fertigkeiten wie den Einsatz medientechnischer Werkzeuge zur Medienproduktion. Für die zweite Phase wird beschrieben, dass die angehenden Lehrkräfte in der Lage sind, vor dem Hintergrund der verfügbaren technischen Möglichkeiten an einer Schule eine eigene Medienproduktion mit den Schüler/-innen zu verwirklichen. Schließlich wird für die dritte Phase die Fähigkeit formuliert, aus verschiedenen Softwareklassen passende Werkzeuge für ein Vorhaben im Unterricht
auswählen zu können.
Was empfehlen Sie den bislang handelnden Akteuren, um die Medienbildung erfolgreicher in die Lehrkräftebildung zu integrieren?
Oft wird über den sogenannten Mehrwert beim Einsatz von digitalen Medien diskutiert. Dabei werden analoge und digitale Medien allerdings gegeneinander ausgespielt, um etablierte Routinen und Gewohnheiten der nicht-digitalen Schule zu verteidigen. Wenn jedoch der Gedanke zugelassen wird, dass Digitalität ein verändertes Unterrichten erfordert, werden neue Perspektiven möglich. Ich hoffe, dass technische Fragen, die ohne Zweifel wichtig sind, nicht zu stark im Vordergrund stehen, sondern andere didaktische Herangehensweisen und Methoden, die einen hybriden pädagogischen Raum beschreiben, wie es bereits in der Berliner Digitalisierungsstrategie für Schule in der digitalen Weltangestrebt wird. Weiterhin ist aus der über sechsjährigen Erfahrung im Arbeitsbündnis Medienbildung deutlich geworden, dass es wichtig ist, dass die einzelnen Akteure der verschiedenen Ausbildungsphasen regelmäßig im Austausch stehen, um eine phasenübergreifende Abstimmung vorzunehmen.