Ein Gespräch mit Christina Schulz, der Intendantin des Jungen Staatstheaters Berlin, über das Sommerferien- und Hortangebot des Theaters und das Programm in der nächsten Saison.
Frau Schulz, die Sommerferien stehen an. Was bietet das Theater an der Parkaue Kindern und Heranwachsenden in den Ferien?
In die Ferien starten wir mit dem Kinderstück „Schattensprung“ für die 1. bis 4. Klasse. Thema ist die Angst: die großen und kleinen Sorgen der Kinder, aber auch ihr Spaß am Grusel und Erschrecken. „Schattensprung“ verbindet Tanz, Theater und Konzert, mit Live-Musik und Songs und zeigt uns allen, wie gut es tut, auch mal über den eigenen Schatten zu springen.
Es wird auch wieder ein Sommerferienprogramm für Horte geben. Wie binden Sie die Bedarfe von Horten dabei ein?
Horten bieten wir zusätzlich ein Begleitmaterial zum Download auf unserer Website. Hier finden Erzieher/-innen Hintergrundwissen und spielpraktische Übungen, die sie vor oder nach dem Theaterbesuch direkt mit den Kindern umsetzen können. Tolle Erfahrungen machen wir mit den interaktiven Publikumsgesprächen. Angeleitet können die Kinder Bewegungen ausprobieren und mit Klängen experimentieren, ihre Eindrücke zu Papier bringen und Fragen stellen. So viele fantasievolle Bilder sind schon entstanden, dass wir eine Foyer-Wand temporär zur Galerie umfunktioniert haben.
Wie läuft das mit der Anmeldung und den Ticketreservierungen?
Theaterkarten können bequem über die Website oder den Besucher/-innenservice gebucht werden. Mit dem Ermäßigungsschein des JugendKulturService zahlen Berliner Schulen und Horte einen reduzierten Kartenpreis von 4,50 € pro Kind. Das Theater an der Parkaue ist bequem mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen, und die Tickets können als VBB-Kombi-Ticket genutzt werden.
Was bieten Sie außerhalb der Ferienzeiten den Schulen?
Wir planen für die neue Theatersaison, die im September startet, insgesamt neun Premieren. Eingeladen haben wir dafür Künstler/-innen, die in den unterschiedlichen Spielformen des Theaters zu Hause sind und diese für ein junges Publikum öffnen – auf den Bühnen, im Klassenzimmer oder in der Stadt. Räume zu öffnen auch für das eigene Aktivsein von jungen Menschen ist uns wichtig. Die Choreografin und Bildende Künstlerin Magda Korsinsky wird ab November eine partizipative Inszenierung mit und für Jugendliche und junge Erwachsene erarbeiten. Thema ist die Pause als Widerstand.
Dazu beschäftigt uns sehr die Frage, wie sich Theater und Schule begegnen können. Die Schule ist ein ganz eigener Kosmos mit spezifischen Regeln – und zugleich gibt es keinen diverseren Ort als die Schule. Wir erproben weiter neue Projekte, wie die „Drei-Tage-Performances“ in den Grundschulen. Da gibt es begeisterte Rückmeldungen von den Lehrkräften, die Termine sind schnell ausgebucht. Neu ins Klassenzimmer kommen wir ab November mit „Wutschweiger“, ein Zweipersonenstück über Armut und Freundschaft. Dazu planen wir ein interaktives Format über Berufswünsche für die Oberschulen.
Als Theater haben Sie einen engen Draht zu ihrem jungen Publikum. Welche Themen beschäftigen die Kinder und Jugendlichen aus Ihrer Sicht am meisten?
Wir beobachten, dass sich Kinder und Jugendliche stark mit der Frage beschäftigen, wie finde ich meinen Platz in dieser Welt – und welche Veränderungen in der Gesellschaft wünsche ich mir. In den Spielclubs wie Workshops erleben wir immer wieder, dass Schüler/-innen sich mit einer Offenheit und Neugier, aber auch einer großen Ernsthaftigkeit den Fragen stellen.
Hier setzt auch das Format „Kunst & Politik“ an. Die Reihe stellt gesellschaftspolitische Themen ins Zentrum und verbindet Kunst, Diskurs und Begegnung. Zum Jahrestag des Anschlags von Hanau haben wir den Dokumentarfilm „Der zweite Anschlag“ mit anschließendem Gespräch gezeigt, eine Auseinandersetzung mit rassistischer Gewalt seit den 1980er Jahren bis in unsere Gegenwart hinein. Gerade auch für junge Menschen, die selbst Rassismuserfahrungen gemacht haben und machen, war Hanau einschneidend. Hier ein Angebot zu machen, das aufklärt und für Rassismus sensibilisiert und gleichzeitig empowert, ist für uns sehr wertvoll. Es gab aus den Klassen und von Lehrer*innen so bestärkende Rückmeldungen, dass wir den Film auch 2023 wieder zeigen werden.
Welche Rolle spielt dabei der neue Kinder- und Jugendbeirat in Ihrem Theater?
Wir wollen Kindern und Jugendlichen eine Stimme geben und sie direkt beteiligen, kontinuierlich und bereits in der Planung. Daher haben wir den Beirat ins Leben gerufen. Hier diskutieren Kinder und Jugendliche gemeinsam mit der Dramaturgie und der Vermittlung über Themen, die auf die Bühne sollen. Es werden Stücke gelesen und Proben besucht, Konzepte auseinandergenommen und viel Theater geschaut. Kinder und Jugendliche sind die Expert/-innen ihrer Welt, ihre Ideen und Kritik sind uns wichtig. Gleichzeitig lernen die Kinder und Jugendlichen, über Kunst zu sprechen und ihre Meinung argumentativ zu vertreten. Sie finden zu einer Haltung und erfahren, dass ihre Stimme einen Unterschied macht. Das sind Wirksamkeitserfahrungen par excellence.
Die Spielzeit 2022/23 steht vor der Tür. Welche Höhepunkte erwarten die jungen Theaterbesucher/-innen bei Ihnen im Haus?
Direkt ab September können Oberschulen das neue Stück „Du blöde Finsternis!“ entdecken. Vier Schauspieler*innen stellen in diesem Kammerspiel die Frage nach Hoffnung und Engagement in Krisenzeiten – und zwar mit einer ordentlichen Portion britischem Humor. Im Zentrum steht ein 17-jähriger Junge, der sich ehrenamtlich engagiert und an der Schwelle zur eigenen Zukunft steht. Selbst aktiv werden, können Grundschüler*innen ab Oktober in „Kompost-Horror“, ein interaktives Spiel zum Thema Nachhaltigkeit, das wir in Kooperation mit dem Theater Thikwa herausbringen. Später in der Spielzeit inszeniert Alexander Riemenschneider für Jugendliche
„Das Kind träumt“ von Hanoch Levin, eine clowneske Tragödie über Flucht und Vertreibung, Verantwortung und Menschlichkeit. Wir haben eine Menge vor. Alle Lehrkräfte und Multiplikator*innen laden wir am 23. September zu unserem neuen Austausch- und Kennenlernformat „Nah dran“ ein – mit Tischgesprächen, Workshops, Stückvorstellungen mit dem Ensemble und allen Informationen rund um das Thema „Theater und Schule“. Der Eintritt ist frei, Anmeldungen sind über den Besucher/-innenservice und die Website möglich. Sagen Sie es gern weiter, wir freuen uns sehr auf den Abend und den direkten und persönlichen Austausch!