Ein Gespräch mit Dr. Margrit Witzke, Leiterin des Sozialpädagogischen Fortbildungsinstituts Berlin-Brandenburg (SFBB) über das Jahresprogramm 2022 und die Anforderungen von Fachkräften an Fort- und Weiterbildungen infolge der Corona-Pandemie.
Frau Dr. Witzke, Ihr Fortbildungsprogramm 2022 steht unter dem Motto „Starke Fachkräfte für starke Kinder, Jugendliche und Familien“. Wie schlägt sich das im Programm nieder?
Fachkräfte haben mit ihrem Wissen, aber auch als Person großen Einfluss auf die Qualität der Kinder- und Jugendhilfe. Sie schaffen idealerweise tragfähige Arbeitsbeziehungen und sind Vorbild, sie vermitteln Haltung, zeigen Handlungsoptionen. Hierfür ist es wichtig, dass Fachkräfte neben starkem theoretischen Fach- und praktischem Handlungswissen auch gesund, kommunikationsstark und reflektiert im Job sind. Nur dann können sie den umfassenden Aufgaben und Herausforderungen ihrer Tätigkeit für Kinder, Jugendliche und Familien gut nachkommen, diese stärken. Diese Notwendigkeit und der Bedarf wurden insbesondere in der Corona-Pandemie deutlich – dies haben wir aufgegriffen. Parallel gilt es, wichtige fachliche Themen, etwa neue gesetzliche Regelungen oder Fragen nach Angebotsqualität, wie
sie etwa im Rahmen der Köller-Kommission thematisiert wurden, beständig zu integrieren.
An wen richtet sich Ihr Programm?
Unser Angebot richtet sich an sozialpädagogische Fachkräfte der Kinder und Jugendhilfe in Berlin und Brandenburg. Angesprochen sind gleichermaßen Mitarbeiter/-innen öffentlicher und freier Träger. Unsere Angebote, von kurzen Onlineveranstaltungen bis zu mehrmonatigen Zertifikatskursen sind grundsätzlich für diesen Personenkreis offen, im Einzelfall sind Zielgruppen gesondert genannt. Die Anmeldung muss mit dem Arbeitgeber abgestimmt werden, die Zusammensetzung der Gruppe wird bei Überbuchung nach verschiedenen Kriterien getroffen, die im Einzelnen auf unserer Homepage nachzulesen sind.
Das Sozialpädagogische Fortbildungsinstitut Berlin-Brandenburg bietet in diesem Jahr über 500 verschiedene Möglichkeiten der Fort- und Weiterbildung an. Haben Sie einen Tipp für Interessierte, wie sie sich am besten durch dieses breite Angebot navigieren?
Unsere Homepage leitet Interessierte zu den Fachbereichen: Jugend(sozial)arbeit, Kindertagesbetreuung/Frühe Bildung, Hilfen zur Erziehung/Eingliederungshilfe/Fachdienste der Jugendhilfe sowie Fachübergreifendes. Darunter haben wir das Programm nach relevanten Themenwelten aufgefächert. Aber Sie sprechen da auch einen wunden Punkt an. Wir arbeiten mit Hochdruck daran, die Qualität und Nutzer/-innenfreundlichkeit unserer Seite zu verbessern. Unser Ziel ist es, unser Programm optional nach Zielgruppen, Arbeitsfeldern, Themenfeldern und chronologisch zu präsentieren sowie mit einer Onlineanmeldung zu verknüpfen.
Die Pandemie hat alle vor besondere Herausforderungen gestellt? Was bedeutet das für ein Fortbildungsinstitut wie das SFBB?
Die Pandemie war nicht nur für die Fachkräfte und die Kinder und Jugendlichen bzw. Familien eine Herausforderung, sondern auch für uns. Wir haben viel gelernt und einen großen Entwicklungssprung gemacht. Anfangs haben wir die Angebote zur Unterstützung bei Krisenbewältigung priorisiert, unsere erfahrenen Referent/-innen und Dozent/-innen haben Telefoncoaching und Beratung angeboten, sehr schnell konnten wir auch erste – noch sehr improvisierte – Onlineangebote und Ersatzleistungen wie Reader erbringen. Im nächsten Schritt haben wir unseren YouTube-Kanal gegründet, um den Fachkräften orts- und zeitunabhängig Fachinhalte anzubieten. Nach und nach haben wir dies verbessert: durch Qualifikation unserer Dozierenden sowie große Lernbereitschaft, Fehlerfreundlichkeit und Mut zu neuen Wegen bei allen Beteiligten. Das
verdient einen besonderen Dank. Nun müssen wir schauen, das Neue systematisch und konzeptionell zu integrieren, es mit dem gut Erprobten zu verbinden und weiter zu entwickeln. Es wird kein Zurück zum Alten geben. Wir brauchen den Inhalten und Zielgruppen angemessene Formate: analog und in Präsenz, digital und online, gemischt als hybride Angebote oder Blended Learning. Dies wird die Aufgabe der nächsten Jahre.
Haben sich in der Pandemie Schwerpunkte verschoben, weg von fachlichen Fragen hin zu psychisch-emotionalen Herausforderungen?
Ja, dies ist ein ganz wichtiger und herausfordernder Punkt. Einerseits sind Beziehungsaspekte und auch psychisch-emotionale Herausforderungen beständiger und fachlicher Teil von Arbeit in der Kinder- und Jugendhilfe, in Beziehungskontexten zu und zwischen Kindern, Jugendlichen und Familien, bei Beratung und pädagogischer Arbeit. Fachkräfte wissen und reflektieren dies, haben hier Qualifikation und Expertise. Die Erfahrung in der Pandemie zeigt anderseits, dass psychisch-emotionale Aspekte bei der Bewältigung von (Arbeits-)Alltag, Krise und Veränderung von besonderer Bedeutung sind. Der Umgang mit Angst, Unsicherheit, Krise und radikaler Veränderung, der Verlust von Routinen, Ausgleich und der Sicherheit erprobter Kommunikations- und Handlungsmuster führte zu einer zusätzlichen Belastung der Fachkräfte. Dies zeigte sich in allen Rückmeldungen und in unserem Austausch mit den Fachkräften. Wir haben uns bemüht, dies neben dem fachlich-inhaltlich begründeten Angebot
regulär und mit Zusatzangeboten zu bedienen – mit Einzel- und Teamangeboten zu Resilienz, Kommunikation, Veränderung und Krise, aber auch zu Stärkenorientierung und proaktivem Handeln in einer neuen (Arbeits-)Welt. Dies wird stark nachgefragt und angenommen. Wir müssen lernen, mit diesen Herausforderungen umzugehen und dabei gesund und handlungsfähig zu bleiben.
Was bedeutet die Verlagerung der Angebote ins Netz für die Nachfrage?
Es gab Schwankungen, aber für diese gab es verschiedene Ursachen. Insbesondere die Schwierigkeit von Planbarkeit bzw. die Notwendigkeit andauernder Umplanungen betraf ja uns ebenso wie die Praxis der Kinder- und Jugendhilfe und damit die Fachkräfte. Es gab krankheitsbedingte Ausfälle und Kolleg*innen mussten absagen, weil sie in ihren Einrichtungen den Betrieb aufrechterhalten mussten. Aufgrund der besonderen Belastung hat sich die Nachfrage auf Inhalte verschoben. Ganz wichtig war alles, was zur Bewältigung der Krise beitrug: Kinderschutz, Arbeit mit Familien, digitale Angebote für Kinder/Jugendliche, aber auch Arbeit und Kommunikation in Teams, Führung (aus Distanz), Konfliktbewältigung. Wir haben gemerkt, dass sich teilweise „kleinere Happen“ besser in den Alltag integrieren lassen und dass es Angebote gibt, die digital hervorragend funktionieren, während es an anderer Stelle riesigen Bedarf an Präsenz und Arbeit in Gruppen fern des Alltags gibt.
Das Angebot des SFBB wird unterjährig stetig ergänzt und aktualisiert. Der SFBB-Newsletter informiert regelmäßig über aktuelle Themen und geplante Veranstaltungen und kann hier abonniert werden.