Sehr geehrte Senatorin Astrid-Sabine Busse, als Lehrerin und langjährige Leiterin einer Neuköllner Grundschule kennen Sie sich bestens mit dem Berliner Schulbetrieb aus. Nun sind Sie vor gut zwei Wochen zur Senatorin für Bildung, Jugend und Familie ernannt worden. Wie fühlt sich der Wechsel bislang für Sie an und wie haben Sie die ersten Tage erlebt?
Der Wechsel war aufregend und es ging alles recht schnell. Vorher war ich für eine Schule verantwortlich, nun bin ich für Hunderte Berliner Schulen, gleichzeitig für den Bereich Jugend und Familie und die komplette Senatsverwaltung leitend zuständig. Da muss ich mich natürlich erst einmal reinfinden, keine Frage. Aktuell verschaffe ich mir also noch einen Überblick. Mein erster Eindruck ist positiv: Es ist gut, ein kompetentes Team hinter mir zu wissen. Gemeinsam mit den beiden Staatssekretären fühle ich mich gut gewappnet für die Herausforderungen, die auf uns zukommen werden.
Die Tätigkeit als Senatorin ist ein spannendes und herausforderndes Aufgabenfeld. Gibt es dennoch etwas, was Sie aus Ihrer Zeit in der Schule vermissen werden?
Natürlich fiel mir der Abschied nach 30 Jahren nicht leicht, denn sowohl die Kinder als auch meine Kolleginnen und Kollegen sind mir sehr ans Herz gewachsen. Die letzte Gesamtkonferenz war dementsprechend bewegend für mich, da flossen auch ein paar Tränen. Auch den täglichen Kontakt zu den Schülerinnen und Schülern werde ich sehr vermissen. Aber klar ist, ich freue mich auf meine neue Aufgabe!
Was ist Ihr erstes Projekt, das Sie als Senatorin angehen werden?
Wir müssen in Berlin dafür sorgen, dass Lehrerinnen und Lehrer bei uns anfangen und dann auch hierbleiben wollen. Ich habe an meiner Schule erlebt, wie immer wieder gute Lehrkräfte die Schule verlassen haben, auch in Richtung Brandenburg. Alle anderen Bundesländer verbeamten Lehramtsabsolventen, das ist für Berlin ein riesiger Wettbewerbsnachteil. Die Rückkehr zur Verbeamtung von Lehrkräften ist daher eine der wichtigsten Aufgaben. Da müssen wir ansetzen, um den Lehrerberuf in Berlin attraktiver zu machen. Je schneller, desto besser!
Abgesehen von der Verbeamtung der Lehrkräfte, was sind Ihre Ziele für die Berliner Schulen? Wo sind wir bereits gut aufgestellt und wo ist noch Luft nach oben?
Die Kinderzahlen sind in Berlin stark gestiegen – und das ist sehr schön. Das bedeutet aber auch, dass wir weiter neue Kita- und Schulplätze benötigen. Das Kita-Ausbau-Programm „Auf die Plätze, Kitas, los!“ und die Berliner Schulbauoffensive müssen deshalb mit aller Kraft fortgeführt werden. Auch mit der Digitalisierung muss es weiter vorangehen. Das A und O ist selbstverständlich die Bildungsqualität, daran werden wir kontinuierlich arbeiten. Und gerade mit Blick auf die Pandemie müssen wir verhindern, dass Kinder schulisch und in ihrer persönlichen Entwicklung nicht noch weiter abgehängt werden.
Sie wollen sich besonders auch für die Vorschulerziehung und Sprachförderung stark machen. Warum ist das aus Ihrer Sicht so wichtig?
Wir müssen Kindern schon im Vorschulalter gewisse Grundfertigkeiten vermitteln, das ist ganz wichtig für eine erfolgreiche Schullaufbahn. In meiner Zeit als Schulleiterin habe ich erlebt, dass Schülerinnen und Schüler vor ihrer Einschulung Probleme mit motorischen und sprachlichen Grundlagen hatten. Kinder müssen die Kitas besuchen und dort gefördert werden, sonst können sie nicht von Anfang an in den Schulen durchstarten. Deshalb lege ich zum Beispiel auch großen Wert auf das Programm Sprach-Kita, das bauen wir jetzt deutlich aus.
Berlin ist eine familienfreundliche Stadt und hat ein bundesweit einmaliges Familienfördergesetz. Das Gesetz sorgt dafür, dass Familien in ihrer Vielfalt besser gestärkt, unterstützt und begleitet werden. Was denken Sie, was Berlin noch zu einer Stadt für Familien macht?
Berlin hat viel zu bieten für Familien! Es gibt ein breites Kultur-, Freizeit- und Sportangebot für Kinder und Jugendliche. Das FEZ in der Wuhlheide ist Europas größtes gemeinnütziges Kinder-, Jugend- und Familienzentrum, und es gibt noch viel mehr großartige Angebote. Auch kostenfreie Kitaplätze, die in Berlin selbstverständliche Ganztagsschulbetreuung oder kostenloses Schulessen tragen dazu bei, dass Berlin mit vollem Recht als familienfreundliche Metropole gilt.
Berlin hat in diesem Jahr den Vorsitz der Jugend- und Familienkonferenz 2022 inne, auf der sich die für die Jugend- und Familienpolitik zuständigen Ministerinnen und Minister, Senatorinnen und Senatoren der Bundesländer unter anderem über die Weiterentwicklung einer bedarfsgerechten Familienpolitik austauschen. Welche Impulse möchten Sie als Vorsitzende setzen?
Für dieses Jahr des Berliner Vorsitzes stellen wir das Thema „Vielfalt“ in den Mittelpunkt. Das bezieht sich einerseits auf die Vielfalt der Angebote in der Kinder- und Jugendhilfe und andererseits auf die Vielfalt von Familien, die Heterogenität der Herkunft von Kindern und Jugendlichen und die Inklusion als Leitbild. Zudem werde ich mich intensiv darum kümmern, die Anliegen von Kindern, Jugendliche und Familien in der Pandemie zu vertreten und die negativen Folgen gerade für junge Menschen, Eltern und Familien abzufedern.
Was wünschen Sie sich ganz persönlich für Ihre Amtszeit?
Natürlich wünsche ich mir, möglichst viele unserer Ziele zu erreichen. Wir haben große Aufgaben zu stemmen, aber ich bin mir sicher, dass ich meine jahrzehntelange Erfahrung im Bildungsbereich dabei positiv einbringen kann. Wenn ich mir in fünf Jahren sagen kann „Du hast Berlin noch ein Stück besser gemacht – für die Kinder, Jugendlichen und Familien“, werde ich mit meiner Amtszeit sehr zufrieden sein!